Schöne Oper - seltem gehört
Eigenes Foto
Ernst Krenek [1900-1991]
Sardakai
- oder Das kommt davon
Die Insel von Migo Migo
Oper in zwei Akten
op. 206, entstanden 1968/69
deutsch gesungen
Libretto vom Komponisten
Rolf Liebermann gewidmet
Uraufführung am 27. Juni 1970 an der Hamburger Staatsoper
Dauer der Aufführung etwa 100min
Charaktere:
Sardakai, Königin von Migo-Migo (Sopran)
Urumuru, Führer der Opposition (Bass-Bariton)
Dr. Adriano, ein Psychoanalytiker (Bariton)
Aminta, seine Freundin (Mezzosopran)
Carlo Murbruner, ein Dichter (Tenor)
Heloïse, seine Freundin (Sopran)
Das Geschehen spielt in Polynesien und anderswo
HANDLUNG
Königin von Migo-Migo
Erster Akt:
Erste Szene:
Mit erheblichem Aufwand an stimmlicher Kraft stellt sich die attraktive Südsee-Schönheit dem Opernpublikum vor. „Ich bin Sardakai, die Königin von Migo-Migo!“. Da sie genau weiß, dass mit einer solch vagen Flurbezeichnung niemand weit kommt, präzisiert sie ihre Aussage. Der Ferntourist hat korrekt erraten, dass er zunächst bis Honolulu fliegen muss, um dann mit einem Kompass im Gepäck sein Ziel anzusteuern. Also, das Inselreich liegt gleich hinter Nogi-Nogi, etwas rechts von Omu- Omu im südwestlichen Winkel von Pago-Pago.
Den Reisebüros sei der Königin orchideenstrotzende Heimat bekannt und sie lenken die Touristenströme seit Jahrzehnten direkt in ihr Paradies. Die willkommenen Besucher sind in der Regel gut betuchte Amerikaner, die sich erholen und vom Alltag einmal richtig abschalten möchten. Doch damit ist es im Moment vorbei, weil ein nationaler Befreiungskrieg tobt.
Der Oppositionsführer Urumuru meldet sich gleich anschließend zu Wort. Er leite den leider notwendig gewordenen Befreiungskrieg, damit die Menschen die Last der Unterdrückung nicht länger ertragen müssen. Seine Methoden seien klug erdacht und in Form von geheimen Weisungen dirigiere er die Rebellion aus dem Ausland. Durch List will er die amtierende Königin besiegen.
Sardakai kennt nicht des Gegners Gesicht, denn bei all seinen Auftritten, trägt er eine Maske. Ungewöhnlich ist das nicht, denn auf ihrer Insel ernährt sich ein ganzer Gewerbezweig durch das Anferigen von Masken aus Holz, Haaren und Vogelbälgen – völlig unähnlich den Masken im Karneval von Venedig, deren Eleganz bekanntlich unerreicht ist. Urumuru bezeichnet seine Aufmachung als Propagandatrick, der sich schon oft bestens bewährt hat.
Nun rückt Sardakai mit einem Geständnis heraus: Ihr Intelligenzbüro habe bisher über ihren Erzfeind nichts herausgefunden. Das liegt einmal daran, dass der Intelligenzquotient des zur Verfügung stehenden Personals nicht sehr hoch ist und zudem kein Geld vorhanden sei, um Leute zu bestechen. Die großen Mächte seien nicht zu bewegen, sich in das Spiel um die Macht in Migo-Migo einzuschalten. Urumuru geht es genau so wie Sardakai. Erpressen funktioniere ebenso wenig wie bestechen! Aber jetzt ist die Geduld zu Ende, verkündet jeder der beiden Kontrahenten
Sardakai hat herausgefunden, dass ihr Feind sich in Romadra aufhält. Dort wird sie ihn ausfindig machen. Seine Spione haben Urumuru bereits gemeldet, dass die politische Gegnerin herkommen wird. Vielleicht bietet sich die Möglichkeit, die Person sogleich bei ihrer Ankunft zu erschießen. Parallel zu seiner Ansicht hat Sardakai im gleichen Moment die gleiche Idee. Die Methode sei in ihrer Heimat üblich, aber sie ist sehr einfach, mit der man niemanden wirklich imponieren kann. Menschen, die Köpfchen haben, wählen ausgeklügelte Methoden.
Urumuru hat herausgefunden, dass Sardakai mit falschem Pass anreisen und sich als Mrs. Wilson ausgeben wird. Unter diesem Decknamen beabsichtigt sie, den berühmten Psychoanalytiker Dr. Adriano zu konsultieren. Die Einschätzung ist richtig, seine Überlegungen gehen auf und sind fast identisch mit den Vorstellungen Sardakais. Jede der beiden Parteien hat ihre Geheimagenten dabei, die wissen wie man kurzen Prozess macht. Die Ränke der Orchideenkönigin erweitern sich in die Richtung, dass Mr. Urumuru per Lautsprecherdurchsage ans Telefon gerufen werden soll, um einen fingierten Anruf entgegenzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wird sie die Physiognomie ihres politischen Gegners erkennen und ihr Geheimdienst wird ihn kampfunfähig auf ihr Hotelzimmer schleppen. Mit den Freuden der Liebe wird sie ihn im Dienste des Vaterlandes entmachten. Dagegen hat Urumuru geplant, gezielt Gehirnwäsche anzuwenden, um die Königin mit den Vorzügen der Demokratie bekannt zu machen. Seine Logik wird ihr die imperialistischen Ideen austreiben und sie kaltstellen.
Widerstandskämpfer von Migo Migo
Zweite Szene:
Damit es Turbulenzen gibt, müssen nun weitere Personen in das Handlungsgefüge des gigantische Machtspiels verwoben werden. Es fügen sich nahtlos ein der Psychoanalytiker Prof. Adriano und der Dichter Carlo Murbruner mit ihren beiden Freundinnen Aminta und Heloïse. Das Bindeglied ist die Mozart-Oper 'Cosi fan tutte', deren Melodien aus dem Kofferradio Amintas erklingen.
Die vier Urlauber sitzen im Strandcafé und Heloïse nervt was das Zeug hält. Gefällt dem Freund der Platz oder möchte er lieber gegenüber sitzen. Aber das ist doch gehoppst wie gesprungen! Hat er den schönen weißen Sand schon durch die Finger rinnen lassen? Wenn ja, kann es seine poetische Phantasie nicht beflügeln? Gewiss, der Sand ist ein geeignetes Thema. Der Dichter weist auf die Wolkenkratzer der City, zieht Notizblock wie Kugelschreiber hervor und notiert:
„Auf Sand gebaut ist jene Pracht.
Es wird nicht mehr sehr laut gelacht.
Der Sand der in den Uhren rinnt,
zeigt an: das Ende kommt geschwind!“
Heloïse findet es schade, dass das Gedicht so düster ist. Carlo belehrt: Wie die Zeit, so sei das Gedicht. Die Menschen leben in einem Zeitalter der Ausbeutung und der Dichter ist verpflichtet, die Wahrheit zum Ausdruck zu bringen. Die geliebte Partnerin kann es nicht lassen die Konversation mit Bagatellen anzureichern. Sonne, Himmel, Meer und Friede sind konstante Begriffe. Möchte Carlo nicht doch lieber in der Sonne sitzen? Er hat nicht hingehört, weil er mit der Produktion seines Gedichtes beschäftigt ist und den Faden fortspinnt: In Unfrieden kam er her, Streit wird er verursachen, bis über Land und Stadt und Meer Gewalttaten alles gut machen. Heloïse findet, dass er seine Gedanken sehr schön formuliert hat und bringt ihre Bewunderung für den Freund zum Ausdruck. Doch er soll nicht immer Negatives von sich geben und vor allem nicht seine Sonnenbrille vergessen. Carlo ereifert sich, dass es die Aufgabe des Dichters sei, Farbe zu bekennen, sich zu engagieren und in Ausnahmefällen sollte er auch eingreifen. Heloïse möchte von ihrem Freund wissen, ob er sie noch liebt. Wenn sie an seine Mission glaubt, wird er sie auch lieben. Ein gegenseitiger Kuss bekräftigt das Lippenbekenntnis.
Blenden wir ein wenig zurück: Adriano und Aminta hatten die Verabredung eingehalten und setzen sich zu ihnen. Ein schönes Plätzchen haben die Freunde ausgesucht. Morgen ist Sonntag und Regen können sie nicht gebrauchen. Kommt Carlo mit Dichten gut voran Nein er hat alles wieder vernichtet, was er geschrieben hat. Hat Heloïse beim Entsorgen des Mülls geholfen? Aminta stellt fest, dass Carlo ein zorniger junger Mann ist und Carlo will von Adriano nun wissen, ob die Seelenschleiferei gut vorangehe. An Patienten fehlt es nicht, dem Himmel sei Dank!
An Gesprächsstoff fehlt es den Freunden ebenfalls nicht. Schließlich kommt man auf die Psyche der Frau zu sprechen. Frauen seien flatterhaft, trumpft Adriano auf und pfeift dazu die untermauernde Arie des Herzogs über die trügerischen Weiberherzen. Aminta ist ein wenig gekränkt und fragt zurück, ob sie ihn vielleicht zu dieser Einstellung motiviert habe? Aber nein, Sie sei die Ausnahme, welche die Regel bestätigt, doch die Statistik beweise alles. Heloïse hat lange nichts gesagt und will der Sache nun auf den Grund gesehen. „Warum sollte das so sein?“ Ganz einfach kontert Adriano, weil es so viele unwiderstehliche Männer gäbe. Gehöre er etwa auch dazu, fragt Aminta spöttisch. Adriano stellt sich so bescheiden an, wie er kann: Er weiß, dass er es ist!
Aminta sieht es als Schwäche an, dass er auf jedes hübsche Figürchen hereinfällt. Gerade als Heloïse ihr Cape abnimmt, starrt Adriano unverblümt auf ihre schlanken Beine. Und treu sei sie auch, trotz seiner Statistik. Heloïse bestätigt, dass Treue ihr Dauerzustand sei und küsst ihren Carlo herzhaft und innig.
Aminta schaltet ihr Kofferradio wieder ein. Es erklingt Musiknummer 30, Alfonsos Arie „Tutti accusan le donne.“ Ist es nicht ein Zufall, dass sich die Musik exakt um das Thema dreht, von dem sie sprechen? Um was bitteschön geht es genau, erkundigt sich Adriano? Die beiden Damen kennen sich mit Mozart aus: Es gehe um die Standhaftigkeit der Frauen und dass man diese auf die Probe stellt. „Und bestehen sie die Probe?“ „Natürlich, aber beinahe nicht!“
Carlo äußert sich abfällig über das Rokokozeitalter: Die Sorgen des Rokoko mit ihren kleinen Wehwehchen und Privatgefühlchen interessieren in einer Zeit, in der die Welt sich in Aufruhr befindet, nicht. Heloïse regt sich auf, ob ihr Dichterfreund jetzt wieder mit den Massen aus Asien und Afrika über sie herfallen will? Nein, aber die Freunde sollen Migo Migo nicht vergessen, ein Eiland auf dem ebenfalls ein Befreiungskrieg tobt. Man muss abwarten, wie der geheimnisvolle Urumuru sich arrangiert! Heloïse fragt die Runde, was sie der ganze Quatsch überhaupt angehe, sie wisse nicht einmal wo Migo Migo liegt. Sie wird es lernen. Die Gute soll unbesorgt sein.
Die beiden Damen haben auf weiteren Disput keine Lust mehr und die eine schlägt der anderen vor, noch ein bisschen hinauszuschwimmen. Adriano rät dem Freund, dass er vielleicht doch ein bisschen besorgter um Heloïse sein sollte, ob sie wirklich und bedingungslos zu ihm halte. Carlo erklärt, Heloïse glaube an seine dichterische Mission und dieser Bonus sei ihm Schutz genug. Glauben sei nicht wissen! Fürsorglich solle er sie doch einmal auf die Probe stellen. Weshalb sollte seine Heloïse einer Versuchung ausgesetzt werden und nicht seine Aminta? Adriano habe bereits eine Idee, wie alles einzufädeln ist und formuliert seinen Vorschlag.
Dritte Szene:
In der Eingangshalle des Flughafen von Romandra rumpeln zwei Gepäckträger mit einer Sackkarre vorbei. Sie transportieren eine Holzkiste, die so groß ist, dass sie einem Erwachsenen als Zwangsaufenthalt dienen könnte. Ihr Auftritt wirkt grotesk, zumal sie mit ihrer Fracht im Toilettenraum verschwinden.
Carlo bewegt sich abreisefertig zum Schalter und lässt sein Flugticket abstempeln. Heloïse kann es nicht fassen, dass er sie wirklich verlassen will. Was geht ihn Migo Migo an? Aminta tröstet die Freundin, dass sie sicher sein kann, dass er zurückkommen wird. Aber ist es nicht gefährlich dort? Nun, deshalb wird er an seinem Abenteuer auch schnell den Spaß verlieren. Warum tut er ihr das bloß an? Hat sie ihn etwa nicht genug geliebt? Aminta klärt auf, dass Carlo eben meint, ins Weltgeschehen eingreifen zu müssen. Ist ihm das kleine private Glück etwa unwichtig? Aminta vertritt die Auffassung, dass es eine Flucht sein kann, weil er mit seinen privaten Angelegenheiten nicht fertig wird. Hat Adriano ihr diese Theorie weisgemacht? Heloïse versichert, dass sie keine Probleme miteinander hatten. Carlo soll nicht fortgehen. Der Hartherzige schiebt sein Gewissen vor, die Not der Unterdrückten dränge ihn zur Tat. Der Durst nach Freiheit fordert ihn, die Wehrlosen zu beschützen. Würde es nicht genügen, das Elend der Versklavten zu besingen? Nein, man muss ihnen mit Taten beistehen. Ganz ohne Trost lässt er die langjährige Freundin aber nicht. Er wird zurückkommen und erwartet, dass er sie hier in der Halle vorfindet. Er soll sich seiner Sache nicht so sicher sein! Wie könnte es anders kommen. Er liebt sie doch. Weshalb fügt er ihr solchen Schmerz zu? Heloïse zieht ihr Taschentuch hervor, trocknet ihre Tränen und setzt sich auf eine Bank. Aminta hat sich für den Moment diskret zurückgezogen und Heloïse sinnt darüber nach, was ihn in Wirklichkeit von ihr forttreiben könnte. Carlo versteckt sich in einem höher gelegenen Teil der Halle, um die Überschaubarkeit der Situation nicht zu verlieren. Fast ärgert es ihn, dass er sich von Adriano einen Floh ins Ohr hat setzen lassen.
Die Lautsprecheransage kündigt die Ankunft des Fluges Nr. 71 - Migo Migo – Honkong – Karachi – Beyrouth - Athen - an. Urumuru schaut gespannt in die Richtung, aus der die königliche Puppe kommen wird. Tatsächlich hatte Sardakai den Flug gebucht, kann aber Urumuru nirgendwo ausmachen. Nur Geduld, bald ist es so weit, dass sie sich den Feind zum Geliebten zwingen wird. Ihre beiden Getreuen, die ihn zu ihr bringen werden, hat sie schon gesehen. Aber wird alles so einfach sein? Urumuru hat sich nämlich auch vorgenommen, dem Machtgeier die Schlinge um den Hals zu legen.
Die Stewardess am Mikrofon hat sich die polynesische Aussprache nicht korrekt merken können und bittet Signor „Umrumr“ ans Telefon zu kommen. Carlo in seinem Versteck ist so irritiert, dass er glaubt, er sei der Gefragte und Adriano wolle ihm eine neue Weisung zustecken. Die beiden Geheimagenten bewegen sich auf Carlo zu. Urumuru kennt die beiden Spitzbuben von früher und argwöhnt eine Falle, die Sardakai ihm stellt. Guter Rat ist nicht teuer. Auf der Bank sitzt die weinende Heloïse. Er stürzt auf sie zu und birgt sein Gesicht in ihrem Halsausschnitt. Inzwischen sind die beiden Agenten über Carlo hergefallen. Einer hält ihm den Mund zu, und der andere dreht ihm die Arme auf den Rücken und gemeinsam stoßen die ihn blitzschnell durch die Tür, hinter der die große Kiste steht.
Heloïse, die hinter Urumurus Liebkosung einen Sittenstrolch vermutet, obwohl dieser nur sein Gesicht verstecken will, wehrt mit ein wenig Gestik den Überfall ab und fragt den Zudringlichen empört, was ihm einfalle! Der Dunkelhäutige entschuldigt sich unverzüglich und will eine ausführliche Erklärung später nachschieben. Im Moment solle sie sich bitte, bitte nicht rühren oder sich auffällig verhalten, fleht der offenbar Gestörte im Flüsterton.
In dieser unglücklichen Minute taucht Adriano auf. Er hat sich als Polarforscher verkleidet, trägt einen falschen Bart und schielt aus schwarzen Augengläsern. Nun kommt der Test an die Reihe und man wird sehen, wie schnell ein treues Mädchen zu Fall zu bringen ist. Aber was sieht er? Heloïse hat bereits einen Tröster gefunden, so dass der Versucher mit seinen Verführungskünsten erst gar nicht wirksam werden kann. Es ist alles noch viel ärger, als er es sich ausgemalt hatte. Sind Frauen wirklich so anfällig? Könnte es sein, dass Aminta auch so reagiert? Urumuru fühlt sich in der Halle nicht mehr sicher. Er legt den Arm um die Taille seiner Geisel und dann nichts wie weg, bevor man sie zusammen wahrnimmt. Adriano ist baff! Er nimmt sich vor, den Tatbestand akribisch zu untersuchen. Die Geheimagenten verlassen das stille Örtchen mit der großen Kiste in Richtung Ausgang – einer schiebt und der andere stützt das offenbar sehr schwere Gepäckstück.
Aminta kommt aus dem Waschraum und Adriano fragt sich, was seine Braut hier am Flughafen zu suchen habe. Die Erstgenannte vermisst ihre Freundin. Der verkleidete Adriano verstellt seine Stimme, geht forsch auf Aminta zu und fragt sie mit fremdländischem Akzent, ob sie auf den Flug nach Johannisburg warte? Aminta wartet auf gar keinen Flug und verweist auf die Tafel mit den Flugzeiten. Der Fremde möchte offenbar ein Schwätzchen halten und klagt, dass nach seinem wochenlangen Auftenthalt in Eis und Schnee seine Sehschärfe gelitten habe und er sie nur in groben Umrissen erkenne. Amintas Augen sind voll intakt, erkennt hinter der Maskerade ihren lieben Freund Adriano, lässt sich aber nichts anmerken. Als er sich als Polarforscher vorstellt, entschlüpft ihren verzogenen Lippen ein spöttisches „Ach nein!“ Er komme soeben aus dem Nordmeer und hatte dort einen Forschungsauftrag zu erledigen. Und jetzt will er seine Untersuchungen auf die heißeren Regionen ausdehnen, fällt Aminta ihm ins Wort? In der Tat, nach der langen Polarnacht, sehnt er sich nach dem Äquator. Aminta rätselt, ob er sie auf die Probe stellen will und geht zu seiner Überraschung in die Offensive. Was sein Thermometer im Moment anzeige, will sie wissen. Steigt die Säule empor? Das ist ja entsetzlich! Vor soviel Unverblümtheit prallt Adriano zurück und bildet sich ein, dass er zum Erfolg verdammt sei. Falls der Ausländer Befürchtungen hat, sich zu verkühlen, sei sie gern bereit, ihn wärmend zu umgeben. Nein, nein, Auf keinen Fall. Das geht zu weit. Man kann sich nicht nahe genug kommen! Adrianos Abschied ist kurz und bündig. Er stürzt davon, denn gerade wurde sein Flug nach Johannisburg aufgerufen. Sehr schade! Aminta hätte ihm gern den Südpol gezeigt.
Erneut meldet sich die Lautsprecherdurchsage erneut, dass Signor „Umrumr“ doch bitte ans Telefon kommen möge.
Vierte Szene:
Urumuru hat Heloïse in seinem Hotelzimmer abgeladen, um ihr zu erklären, weshalb er sie auf dem Flughafen unverhofft anfiel. Heloïse kann es sich schon denken, er fand sie hübsch und schon war er entflammt. Gut, wenn sie eine solche Meinung von ihm hat, macht es die Situation wesentlich einfacher. Er sei nämlich Dichter und von leidenschaftlicher Wesensart. Was denn, er auch? Sie kennt nämlich noch einen Schreiberling, ebenfalls aus Migo Migo. Urumuru gesteht, dass sie ihn verwirrt. Sie habe es bemerkt und ihr gefalle es, sagt sie.
Aber er habe schon eine Frau! Das gefalle ihr weniger. Die Gattin sei sehr anstrengend und quäle ihn ständig, denn Sie glaubt nicht an ihn, verdirbt seine Träume und zerstört seine Visionen. Kann er sich nicht scheiden lassen? Sie willigt nicht ein, weil er eine bedeutende Erbschaft antreten wird. Es geht um großen Landbesitz, man kann fast sagen, es handelt sich um ein ganzes Königreich. „Oh!“ Heloïse stöhnt entzückt auf und erklärt beflissen, dass sie die Unbekannte hasst. Sie sei sogar vorort und spionierte ihm nach. Er sah sie am Flughafen und, weil sie ihn nicht erblicken durfte, sprang er zu ihr, hüpfte auf ihren Schoß, um sein Gesicht zu verbergen. Sie erinnert sich! Er ruhte an ihrem Busen. Wie romantisch, es ist wie in einem Liebesgedicht! Und wie fand er das Versteck, erkundigt sich Heloïse kokett? Logischerweise wirkte es auf ihn einladend. Er muss seine Angetraute los werden, egal wie!
Urumuru ist erleichtert, so schnell eine Gehilfin gefunden zu haben. Könnte sie sich nicht als Stubenmädchen verkleiden und versuchen, sich ins Hotel Majestic zu schmuggeln. Dort ist die Frau Gemahlin abgestiegen und nennt sich Mrs. Wilson. Heloïse solle kontrollieren, wen sie sieht und was sie treibt, denn er braucht Material. Das wird ein lustiges Abenteuer! Für ihren Poeten wird sie sich mit Fleiß engagieren, beschließt die Aufgeschlossene.
Fünfte Szene:
Sardakai verehrt den Marquis de Sade und hat eine Auswahl seiner Schriften vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Ein Titel lautet: 'Leidenschaft treibt zum Wahnsinn'! Ihre beiden Agentenstrolche werden den Artgenossen bringen, den sie unsäglich hasst - oder ist ihr Gefühl schon so durcheinander, dass sie Liebe und Hass nicht mehr auseinander halten kann? Endlich wird der Mann angeliefert, den sie zuvor demütigen muss, bevor sie ihn anschließend erhöht. In der Reihenfolge marschiert die Tortur voran, schließlich hat Sardakai ihren de Sade ausgiebig studiert, kann aber im Moment die Seite nicht wiederfinden, ob nun die Qual die Lust erzeugt oder ob es sich umgekehrt verhält, so dass die Lust zur Qual wird. Sie blättert und findet statt der gesuchten eine andere Stelle, auf der geschrieben steht, dass der Peitsche eine fundamentale Funktion zukommt. Um sein Selbstbewusstsein zu zerstören, nimmt man dem Mann die Kleider ab, denn ein nackter Mensch ist in jedem Fall verloren, hoffnungslos verloren.
Die Agenten öffnen die Kiste und Carlo krabbelt heraus. Die Hände auf den Rücken gefaltet, die Augen verbunden und den Mund mit einem breiten Pflaster zugeklebt. Er trägt nur Hemd und Hose. Sardakai befiehlt, dem Gefangenen die Kleider vom Leib zu reißen bis er in Badehose vor ihr steht. In seiner Urlaubsbräune ist er von einem Polynesier bei oberflächlichem Hinschauen nicht zu unterscheiden, zumal die Augen ein Tuch verhüllten. Aber Tätowierungen, die nach Motiven ozeanischer Mythologie in die Haut eingeritzt sein müssten, kann er merkwürdigerweise nicht vorweisen. Doch was nicht ist, kann man später alles noch nachholen.
Er will also die Nation befreien, spottet Sardakai. Ah! Er wird noch sehen, mit wem er es zu tun hat. Die Agenten können jetzt verschwinden, denn wenn die Königin von Migo-Migo mit der Tortur beginnt, sind fremde Augen überflüssig. Sie nimmt für ihre Prozedur zuerst einen Revolver und fragt den Gefangenen, ob er das Rohr zwischen den Rippen spüre? Soll sie das Ding abdrücken? Aber dann überlegt Sardakai, dass sie ihr Programm nicht durchziehen kann, wenn sie unbeherrscht die Kugel auslöst. Nun will sie wissen, wo im anatomischen Sinn er sein Herz hat. Wird es für sie schlagen? Die geschwänzte Lederpeitsche kommt ihr in Erinnerung. Sie beginnt nun damit, ihm in kurzen Interwallen eins über den Buckel zu ziehen. Jetzt zittert er wohl vor Angst oder ist es schon die aufkeimende Begierde? Fast hätte sie vergessen, sich selbst auch auszuziehen und holt dies nach. Er soll keine Zweifel hegen, sie verfügt über das Talent, wonach ihm der Sinn steht. Aber zuerst soll er sich zu ihren Füßen winden.
Sardakai versucht es zur Abwechslung jetzt mit Freundlichkeit. Die Hände werden ihm entfesselt und das Klebeband vom Mund gerissen. Erst jetzt wird seiner Peinigerin gewahr, dass ihr Gefangener kein Polynesier ist. Carlo will wissen, was der rabiaten Dame einfällt und sie erkundigt sich, ob er nicht Urumuru ist? In dem Moment, als Carlo Aufklärung verlangt, wo er sich befinde, klopft es energisch an die Tür. Mrs. Wilson soll bitte aufmachen, denn die Nachbarn haben sich über seltsame Geräusche beschwert, die aus ihrem Zimmer kämen. Um Gottes Willen! Mrs. Wilson ersucht Carlo, sich schnell in ihrem Bett zu verstecken. Sie bedroht ihn sogar erneut mit dem Revolver. Er sei ihr angetrauter Mann! Hat er verstanden? Dann stößt sie ihn mit einem Fußtritt unter die Bettdecke.
Es klopft erneut - nachdrücklicher! Die anmaßende Korridoraufsicht befiehlt: „Aufmachen!“ Sardakai kann ihr Kleid nicht finden und muss sich so präsentieren wie sie ist. „Was ist hier los?“ Carlo erkennt im Türrahmen Heloïse und zieht sich blitzschnell die Bettdecke über den Kopf. Die Respektsperson rügt, dass es wohl etwas laut zugegangen sein muss. Ach was, nur ein kleiner Streit zwischen Eheleuten. Na ja, Sie wissen schon! Von Eheleuten wisse sie gar nichts! Heloïse legt ihr Gesicht in strenge Falten und schnüffelt mit der Nase. Einer plötzlichen Eingebung folgend, zieht sie mit einem Ruck die Bettdecke weg – und wer liegt da? Ist das nicht der liebe Carlo? „Grüß Dich, Heloïse!“ Sardakai wird plötzlich hellwach. „Die Herrschaften kennen sich?“ wirft sie ein. Heloïse muss erst einmal schlucken: „So sieht das also aus mit dem Drang, die Massen von der Unterdrückung durch die Staatsgewalt in Migo-Migo zu befreien!“ Gewiss habe er sich prächtig engagiert. Er soll sagen, wo er die gelbe Hure aufgegabelt hat! Heloïse greift nach ihrem Revolver und erwägt, die Schlampe zu erschießen. Sardakai schlägt ihr mit katzenhafter Gewandtheit den Revolver aus der Hand. Sardakai hat das Komplott fast geahnt. Ist sie von Feinden umzingelt? Sie wird noch verrückt in diesem Haus. Sie zerrt ihr Kleid unter Carlos Body hervor, setzt einen plötzlichen Einfall um und sucht, gefolgt von Heloïse, das Weite.
Ausgezogen war er, wie er den beiden Freundinnen weismachen wollte, um fremde Völker zu befreien. Ausgezogen sitzt er nun wie verhext auf der Bettkante. Das verrückte Weib hätte ihn fast umgebracht. Seine Kleider wurden zerfetzt und seine blutende Haut ist das Letzte, was ihm geblieben ist. Doch was ist mit Heloïse? Was hatte sie im Sinn, als sie hierherkam? Nach wem hat sie gesucht? Wird sie gleich wiederkommen, um ihm eine Szene zu machen? Doch dann wird er nicht mehr da sein. Wie soll er entkommen, nachdem ihm seine Oberbekleidung mit der Schere in Streifen vom Leib geschnitten wurde? Seine Socken, auf die er sich machen kann, hat er noch, aber das Federbett reicht oben und unten nicht, um seine Blöße zu bedecken - so sehr er sich auch bemüht, sich nach der Decke zu strecken.
Kurzentschlossen knüpft er den zweiten Fenstervorhang an den ersten, um sich abzuseilen. Eile tut Not, denn wenn Heloïse die Ermittungsbehörden benachrichtigt hat, könnten diese bald eintreffen. Er plant, den Fluchtweg über die Feuerwehrleiter anzutreten, denn die ganze Geschichte, in die er geriet, ist zu bunt, um noch erzählbar und glaubwürdig zu sein. Er wird nun versuchen, sich am unteren Ende der zusammengeknüpften Tücher festzuhalten, um sich dann zur Leiter hinüberzuschwingen. Seine Pechsträhne reißt nicht ab, wohl aber die ungeschickt miteinander verbundenen Gardinen, die sich im Fensterrahmen verfangen haben. Mit deutlich hörbaren Aufprall und einem gekonnten Aufschrei fällt Carlo in den Hof.
Zweiter Akt
Sechste Szene:
In Urumurus Zimmer liefert Heloïse ihren Bericht ab. Sie ist erstaunt, den poetischen Freund allein vorzufinden. Braucht er Trost und Hilfe? Was geschah – was regt sie so auf? Seine Frau, Scheusal und Schlampe in einer Person, sei er los. Und sie hat sich von ihrem Wüstling verabschiedet, diesem Pedanten mit seinem sozialen Gewissen. Heloïse soll erklären, was es zu berichten gibt. Er wird es nicht glauben, aber sie hat in Mrs. Wilsons Bett einen nackten Mann vorgefunden. Und was denkt er, wer die Person war? - ihr eigener Mann, auch so ein Dichter! Großartig! – Hat sie ihn fotografiert? War sie etwa auch nackt. Also, viel hatte sie nicht an! Urumuru braucht aber endgültige Beweise.
Sie ist jetzt auf dem Weg zu Doktor Adriano. Heloïse ist verblüfft. Was will sie dort? Das war der Vorwand für ihre Reise. Die Neugierige muss das nicht verstehen, denn jetzt hält er alle Fäden in der Hand. Von ihr wird er das Vaterland befreien, ehe sie sich besinnt.
Siebte Szene:
Adriano erzählt seiner Aminta von einer neuen Patienten, die sich bei ihm angemeldet hat. Es sei Mrs. Wilson aus dem Inselreich Migo-Migo, in dem der gute Carlo den Menschen bei ihrem Freiheitskampf behilflich sein wollte. Hoffentlich passt die tropische Pflanze in sein Treibhaus, ihr Platz wird nämlich frei. Adriano ist betroffen, denn Aminta beschwert sich, dass er die nächsten Freunde infolge beruflichen Eifers einfach übersieht. Aber auch ihr geografischer Horizont wird sich um die Polarregion erweitern. In der Tat habe ein Polarforscher ihren Weg gekreuzt. Das ist ja Wahnsinn, hat sie seinen Scherz tatsächlich ernst genommen? Diesen Menschen gibt es doch gar nicht – aber er steht vor ihren Augen. Aus den Augen, aus dem Sinn! Er soll bitte daran denken: Hier wird „Cosi fan tutte und nicht „Don Giovanni“ gespielt. Aminta hält die Zeit für reif, sich in einem Monolog an das Publikum zu wenden:
„Das Maß ist voll, die Bühne leer
und frei für einen anderen Regisseur.
Die Falle, die du ausgedacht,
hat dich selbst zu Fall gebracht.
Die Prüfung, die ich nicht bestand,
hat mich befreit aus deiner Hand.
Der Prüfer, der sie ausgedacht,
hat sich nicht mit Ruhm bedeckt.
Ich fürchte nicht mehr seinen Übermut.
Es ist ein Schock für ihn – das tut ihm gut.“
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Adriano kommt die Erleuchtung: Man hat die falsche Oper gespielt, denn das Finale nimmt eine vertrackte Wendung. Undankbar bis zum bitteren Verdruss ist die Rolle, die er hier spielen muss. Was er in seiner Verblendung für ein besonders schlaues Manöver hielt, wird ihm von wenig Nutzen sein. Das Libretto ist flüchtig hingeschmiert, und die Musik gehirnlich nicht ganz ausspinntisiert, stellt Adriano nachträglich fest.
Urumuru lässt es an Einfallsreichtum nicht fehlen. Er hat sich als Rundfunkmonteur verkleidet und klopft bei Doktor Adriano in der Praxis an. Er sei von der Fernsehgesellschaft beauftragt worden, eine Routine-Untersuchung vorzunehmen. Aminta stellt aber sogleich fest, dass dieser Mensch auch nur verkleidet ist. Ist das jetzt ein anderer Test oder gilt es immer noch ihr? Adriano befiehlt, dass er es kurz machen soll, denn er hat sogleich erkannt, dass Aminta mit ihm flirten will. Sie fragt beim Monteur an, ob sie ihm bei seiner Arbeit behilflich sein kann. Das ist sehr liebenswürdig, aber im Moment wüsste er nicht wie. Man müsste es herausfinden. Aminta arbeite gern mit Männern zusammen, die sich auskennen. Was kommt ihr in den Sinn, will Adriano wissen. Das kann doch nicht so schwer zu erraten sein. An Urumuru gewandt, vermutet sie, dass er weiß, wie man es macht. „Aber Madame, ich bitte Sie!“ Ist das vielleicht der neue Polarforscher, entrüstet sich Adriano? Der ist in Johannisburg! Aus den Augen, aus dem Sinn - hat er doch selbst gesagt. Sie muss doch dafür sorgen, dass seine Statistik stimmt.
Urumuru hat zu Kontollzwecken das Fernsehgerät eingeschaltet. In dreifacher Lautstärke erklingt gerade die Arie: „Ach ich habe sie verloren...“ Adriano reicht es, verlässt den Raum und knallt die Tür hinter sich zu. Urumuru möchte bei seiner Arbeit nicht gestört werden. Warum will er es nicht zugeben, dass die polynesische Fernsehgesellschaft ihn als Spion beschäftigt? Urumuru kritisiert, dass die Augen von ihr sehr scharf seien, vielleicht etwas zu scharf für das eigene Wohlergehen. Hat er etwas zu verbergen, fragt Aminta direkt. Es ist doch sehr seltsam, dass man hier Mrs. Wilson aus Migo-Migo erwartet. Kennt er die Dame etwa? Das sei jetzt genug. Sie soll bitte nicht weiterraten. Ist er vielleicht Mr. Wilson?“ Nun befürchtet Urumuru, dass sie ihn erkannt hat und zieht seinen Revolver. Hat er nichts besseres zu tun, als auf sie zu schießen? Was fällt ihm überhaupt ein? Sie sieht zu viel, und sie ahnt zu viel! Könnte er sich nicht entschließen, das Schießeisen beiseitelegen? Für tropische Zonen interessiere sie sich besonders - er solle ihr von den südlichen Inseln erzählen. Sie soll ihn mit ihrem süßlichen Winseln verschonen! Er fasst sie am Arm, weil sie nicht locker lässt. Aminta droht zu schreien. Das soll sie bitte schön bleiben lassen. Doch die Dame beherrscht Karate und schlägt ihm den Revolver aus der Hand. Ist das vielleicht auch ein Spion von Sardakai? Für den Befreier des Vaterlandes eine niederdrückende Situation. Doch Urumuru zieht es vor, zu verschwinden, bevor eine Massenhysterie entsteht.
Achte Szene:
Adriano hat sich wieder in seine Praxis begeben, als - wie angekündigt - Mrs. Wilson auftaucht. Sie bleibt im Türrahmen stehen und weigert sich, einzutreten. Eigentlich sei sie gar keine Patientin, flüstert sie dem Psychoanalytiker zu zu. Sie darf auch den Namen nicht verraten, wer sie sei, denn sie weiß, dass es in seiner Praxis von Geheimmikrophonen wimmelt. „Was sagt sie da?“ Der Herr Professor möge doch bitte leise sprechen, denn man spioniere ihr nach. Es genüge, wenn er nur so tut, als ob er sie analysiere, um den Befund festzustellen. Solches Vorgehen verbiete ihm seine Berufsethik. Er möge sich doch bitte kooperativ verhalten, denn es gehe um ihr Leben. Also bitte, sie soll sich auf die Couch legen. Adriano beobachtet fasziniert, wie sie ihre Beine arrangiert. Er ist ein bisschen ratlos, was er mit ihr anfangen soll und lässt sich ihre Träume erzählen. In der letzten Nacht hatte sie keine Träume, denn sie hat kein Auge zugetan. Dann soll die den Traum in der Nacht davor erzählen. Sie hat ihn vergessen, aber wenn sie ein Weilchen überlegt, kommt die Erinnerung vielleicht zurück. Adriano zückt Notizblock und Kugelschreiber und Sardakai erzählt:
Sie befand sich auf einem Luxusschiff – sehr groß und sehr schnell, denn es hatte auch Flügel. Jede Menge Leute waren an Bord. Darunter viele Männer mit Pistolen. Aha, ein Symbol! Sardakai korrigiert sich und behauptet, dass sie alles nur erfinde und ihre Geschichte nicht sehr gut sei. Doch Adriano beruhigt sie, das es für die Psychoanalyse keinen Unterschied mache, ob sie glaubt zu wissen, dass sie erfindet, was sie ihm erzählt. Also das Schiff geriet in einen Sturm, verlor seine Flügel und war nicht mehr manövrierfähig. Man brachte Ruder und die Männer bewegten sie im Wasser hin und her, hinein und hinaus. Ein interessantes Symbol, die Erzählerin solle bitte fortfahren. Doch die Männer waren alle nackt, bis auf einen - nein, der war auch nackt. Sie hatte ihm doch die Kleider abreißen lassen, bis auf den Slip. Sie hat keine Ahnung, was er darin versteckt hielt, denn so etwas hat sie noch nie gesehen. Wieso das, sie heiße doch Mrs. Wilson. Das sei nicht ihr richtiger Name. Das kommt also noch dazu. Gewiss, aber alles andere an ihr sei echt. Sie meint also, sie sei seine virgo intacta? Ja, ja, so heißt es in den Büchern, Leider, leider. Adriano glaubt, dass der Fall jetzt interessant wird. Aber das hätte sie ihm alles gar nicht sagen dürfen, denn in seiner Praxis wird man abgehört. Den Unsinn mit den Mikrophonen soll sie vergessen, denn dass hat sie doch auch nur geträumt. Sie soll doch bitte mehr von sich erzählen. Sardakai kehrt zurück zu ihrer Vision: Sie wollte ihn entkleiden, dass heißt, seiner Macht entkleiden, um ihn untertan zu machen. Schließlich ist er in Realität ihr Untertan. Zärtlich flüstert sie sie den Namen: Urumuru. Adriano überlegt, wieso dieser jetzt in die Geschichte hineinkommt. Sie wollte ihn in Versuchung führen. Der Doktor soll ihr bitte helfen, sie hält es nicht mehr aus. Sie wird ihn auch königlich belohnen. Daran zweifelt er überhaupt nicht, wenn er sie so betrachtet. Es entspricht allerdings nicht der Berufsethik. Aber in Wirklichkeit ist sie ja gar keine richtige Patientin. Er schlüpft zu ihr auf die Couch, denn er weiß, an was es hier fehlt. Adriano kann seine Statistik verbessern, denn er hat schon wieder gesiegt.
Neunte Szene:
Sardakai lobt die Leistung Adrianos über die Maßen. Er lässt sie ihre Mission vergessen. Adriano richtet sich verschlafen auf und erkundigt sich, von welcher Mission sie spreche? Noch hat sie hier nichts ausgerichtet. Das nennst du nichts? Jetzt muss sie fort. Aber ihre Behandlung ist doch noch lange nicht zu Ende. Er habe noch viel mit ihr vor.
Heloïse stürmt herein und Sardakai flüchtet ins Nebenzimmer. Stört sie schon wieder? Die Dame treibt es ja wirklich phänomenal! Adriano fragt vorwurfsvoll, was Heloïse hier eigentlich will. Sie kommt von der Fernseh-Kompanie. Was denn, sie auch? Wo ist eigentlich Carlo? Er ist verschwunden und langsam macht er sich Sorgen. Jedenfalls hat er noch nicht die Migomigonesen befreit. Mit dieser Schlampe hat er geschlafen. Sardakai erklärt, Heloïse schon gesehen zu haben. Spioniert das Luder ihr vielleicht nach? Das ist nicht mehr nötig. Es wurde alles abgehört und jetzt sei sie hier, um die geheimen Mikrophone abzuräumen. Die Mechanikerin macht sich an der Rückseite des Fernsehers zu schaffen und und reißt die Drähte heraus. Sardakai ahnte doch, was insgeheim abläuft. Schließlich hat sie nicht umsonst James Bond gelesen.
Adriano schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Um Himmelswillen - das ist sein Ende. Urumuru erscheint auf der Bildfläche. Das Beweismaterial sei gesichert. Nicht nur abgehört wurde das saubere Pärchen, sondern auch auf Tonband aufgenommen. Sardakai ist maßlos überrascht. Er ist also Urumuru? „Jawohl – und ohne Maske, Sardakai – du bist fertig. Deine munteren Spielchen mit diesem feinen Herrn Professor, kamen auf dem Tonband wunderbar heraus und die Wiedergabe durch die Lautsprecher an allen Straßenecken von Migo-Migo war vortrefflich. Das Volk ist pünktlich aufgestanden und hat deine imperialistische Clique hinweggefegt. Die Republik ist ausgerufen und du bist jetzt Exkönigin!“ Adriano weint, dass er jetzt Exprofessor und aus der Ärztekammer ausgestoßen sei.
Heloïse ist überrascht, dass Sardakai gar nicht Urumurus Frau ist. Jetzt versteht sie überhaupt nichts mehr. Das gute Kind braucht auch nichts mehr zu verstehen. Aber was soll aus ihr werden. Oh, als zukünftiger Präsident hat er für solch eine talentierte Person selbstverständlich Verwertung. Sie soll sein rechtes Ohr sein. Ihre vornehmste Aufgabe bestehe darin, geheime Mikrophone in die Gesandtschaften der Großmächte zu schmuggeln. Sardakai und Adriano genehmigen sich einen Schnaps und trinken ihn – auf ex.
Zehnte Szene:
Carlo wurde nach seinem Absturz aus dem Hotelzimmer ohne Hemd und ohne Hose von der Polizei aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Aminta hat seinen Aufenthaltsort ausfindig gemacht und der Polizei den Sachverhalt erklärt. Beide kommen zu der Einsicht, dass Versteckspielen, Ausspionieren und Maskerade im Grunde nichts gebracht haben. Zu Heilung ihrer individuellen Krise kann nur die Psychiatrie ihren Beitrag liefern.
Elfte Szene:
Sardakai und Adriano sind ganz zerknirscht und wissen zunächst nicht, wohin sie gehen sollen. Sardakai wurde aus dem Hotel Majestic ausgewiesen und Adriano bekommt sein Diplom abgenommen. Kein Hund wird mehr ein Stück Brot von ihm nehmen wollen. Doch wie sich später herausstellt, lässt Sardakai ihren Professor wirtschaftlich nicht im Stich. Urumuru wurde mit neunundneunzig Komma neun Prozent zum Präsidenten von Migo-Migo gewählt. Die Stimmenauszählung hat seine Assistenz kontrolliert. Heloïse hat außerdem die migomigonesische Staatsangehörigkeit angenommen.
Doch Sardakai wird vom Schicksal später noch begünstigt und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Sie ist von Journalisten, Fotografen und Korrespondenten umlagert: Hollywood lächelt ihr zu!
„Jedoch das Blättchen wendet sich,
es wendet sich geschwind.
Schon weht ein anderer Wind.
Bin ich auch Königin im Exil,
habe ich doch eher leichtes Spiel.“
Urumuru diktiert Heloïse einen Brief in. Sie hat mit ihren enormen Fähigkeiten die Landesprache schnell erlernt:
„Urumuru kujawaschi
Glunor masara masara
Tschitschamugi ratarata bukajagajaga
Schwamataki urumoja
Urumuru kujawaschi mabuto puratschibujamula
tschubuja do, mula
***
2011 musirony – Engelbert Hellen