Schöne Oper - selten gehört
Die eiserne Krone der Langobarden
Georg Pilipp Telemann [1681-1767]
Flavius Bertaridus
König der Langobarden
Oper in drei Akten
gesungen in deutsch und italienisch
Libretto von Christoph Gottlieb Wend und vom Komponisten
Uraufführung am 29. November 1729 in Hamburg, Oper am Gänsemarkt
Aktuelle szenische Aufführung im November 2011 im Großen Haus an der Hamburgischen Staatsoper unter dem Dirigenten Alessandro de Marchi
Charaktere:
Grimoaldus, König der Langobarden, ein Tyrann (Bass)
Flavia, seine Gemahlin (Sopran)
Flavius Bertaridus, ihr Bruder, vertriebener Langobardenkönig (Mezzosopran)
Rodelinda, seine Gemahlin (Sopran)
Orontes, General (Tenor)
Onulfus, Vertraurter des Flavius (Altus)
Cunibert, Sohn des Flavius (Sopran)
Regimbert, Sohn des Grimoaldus (stumme Rolle)
Das Geschehen spielt im 7. Jahrhundert in Norditalien
HANDLUNG
Erster Akt:
Durch den Tyrannen Grimoaldus wurde Flavius Bertaridus der eisernen Krone der Langobarden beraubt. Seine Schwester Flavia musste mit ihrem jungen Sohn in den neuen Haushalt umziehen, denn aus taktischen Erwägungen hat der Wüstling sie geheiratet. Die Ehe ist aber nicht glücklich, denn der ständig in mit Orden geschmückten Uniformen herumlaufende Egozentriker ist grundsätzlich untreu und gefällt sich darin, leichte Mädchen um sich zu wissen.
Doch wirklich verdient gemacht hat sich sein Feldherr Orontes, denn er hat einen militärischen Sieg davongetragen und dieser wird von der Hofgesellschaft mit einem Festessen gefeiert. Das zehnjährige Ehejubiläum läuft im Beiprogramm, denn die Gedanken Flavias drehen sich um ihren unglücklichen Bruder Flavius, der als verschollen gilt.
Überraschenderweise kommt nach zehn Jahren im Exil ein Lebenszeichen von ihm, denn sein Vertrauter Orontes lässt eine Botschaft überreichen. Eine gute Figur macht Flavius nicht, denn er er bittet untertänig um Freiheit für seine Frau Rodelinda und seinen Sohn Cunibert, die man eingesperrt hat. Als Gegenleistung will er auf alle Machtansprüche verzichten und nicht mehr zurückkehren. Flavia bittet für ihren Bruder, so dass Grimoaldus sich überraschend geneigt zeigt, der Bitte zu entsprechen.
SZENENWECHSEL
Die Flucht aus dem Gefängnis ist Rodelinda und Cunibert aber bereits ohne fremde Hilfe gelungen, so dass Flavius auf ein Gnadengesuch nicht mehr angewiesen ist. Doch die beiden Ausreißer müssen sich verkleiden, um unerkannt zu bleiben. Von der Haft gezeichnet, begeben sie sich auf die Suche nach Flavius, von dem Rodelinda gehört hat, dass er in der Nähe weilen soll. Auch er hat sich verkleidet. Das macht das gegenseitige Wiedererkennen schwierig und führt zu Irrungen und Wirrungen, so wie die Barockoper es liebt
SZENENWECHSEL
Orontes lebt gefährlich, denn er hat sich in die Frau seines Königs vergafft. Im Prinzip hat Flavia kein Interesse an ihm, doch sie zeigt sich ihm zugeneigt. Sie hofft, ihn als Komplizen gewinnen zu können, um ihrem Bruder Vorteile zu verschaffen. Weibliche Ränke gewinnen die Oberhand.
Zweiter Akt:
Flavia ist aus dem Palast geflohen, weil sie es dort nicht mehr ausgehalten hat und schläft auf einer Parkbank ermüdet ein. Auf der Suche nach Rodelinda irrt Flavius umher, erkennt sie und denkt, dass sie eine Verräterin ist, weil die seinen Todfeind geheiratet hat. Er bringt es aber nicht über sich, die Schwester zu erstechen und wirft das Messer von sich.
Rodelinda und Cunibert laufen im gleichen Waldstück umher und finden das Messer neben Flavia. Die Gemahlin erkennt die Stichwaffe und schließt daraus, dass Flavius hier gewesen sein muss. Nach all den Jahren der Trennung trifft dieser zufällig auf Rodelinda und Cunibert, erkennt seine Familie aber nicht wieder, denn in falscher Annahme erzählt die Frau, dass ihr Mann schon verstorben sei.
Flavia wird wach und gerät mit der Mutter des Jungen ins Plaudern. Rodelinda nennt aus Sicherheitsgründen ihren wirkliche Namen nicht, nimmt aber das Angebot an, mit Cunibert der Vereinsamten an den Hof zu folgen. Dort wird sie als Küchenhilfe engagiert.
Von Ornulfus erfährt sein Freund Flavius Bertaridus, dass Frau und Sohn aus dem Gefängnis entflohen sind. Erneut trifft er auf die beiden und ist sich nun sicher, seine Familie vor sich zu haben.
Durch die Haftbedingungen hat sich Rodelinda so sehr verändert, dass auch Grimoaldus sie nicht wiedererkennt und ein nächtliches Treffen in seinem Schlafzimmer mit ihr vereinbart. Rodelinda hatte dem Frauenhelden die amourösen Verabredung nur zugesagt, weil sie nach einer Gelegenheit sucht, den Verursacher ihres Unglücks unschädlich zu machen. Dazu kommt es aber nicht, denn Flavius ist auch zur Stelle. Der Todesstoß gelingt schließlich Orontes, der den Leichnam des Grimoaldus aus dem Gemach schleift.
Dritter Akt:
Noch ist Orontes nicht am Ziel, Flavia für sich zu gewinnen. Denn diese verdächtigt ihn, ihren Sohn Regimbert umgebracht zu haben. Er widerspricht, denn das aufgebrachte Volk habe angeblich seinen Tod verursacht.
Orontes muss sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, um Flavia wieder auf seine Fährte zu bringen. Plötzlich ist Regimbert wieder zu Stelle. Als Medium des lombardischen Schutzgeists taucht der Knabe plötzlich auf und verkündet allgemeinen Frieden.
Warum nicht? Flavius ist nach ist nach dem Tode Grimoaldus für die eiserne Krone wieder verfügbar und bildet mit Rodelinda und Cunibert die königliche Familie. Orontes akzeptiert den Regimbert als Söhn und schließt sich mit Flavia zusammen. Das Volk jubelt.
Anmerkungen:
Telemanns einzige Oper ohne scherzhaften Klamauk hatte es schwer, die Zeiten zu überdauern, denn der dramatisch Aufbau der Handlung ist schwach und die Verse sind mager. Nicht zuletzt aus historischer Verpflichtung hat das Opernhaus am Dammtor sich in heutiger Zeit auf dieses barocke Musikwerk besonnen und in den Spielplan aufgenommen.
Solche Experimente gelingen, wenn man ein überragendes Sängerensemble zusammenbringt, dem Regisseur gute Gags einfallen und das moderne Bühnenbild gefällt. Die immer gleichen Kulissen werden fleißig geschoben und zu unterschiedlichen Räumlichkeiten zusammengestellt. Die Kostüme der Darsteller sind der heutigen Zeit angepasst. Das Festmahl zur Siegesfeier war so prächtig arrangiert, dass der Opernbesucher am liebsten mitgespeist hätte, aber der Hörgenuss musste statt dessen entschädigen – das tat er auch.
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November 2011 musirony - Engelbert Hellen