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Schöne Oper – kaum gehört

 

Friedrich Cerha [geb. 1926]

Baal (Part 1)


 

Oper in zwei Teilen (zu 25 Bildern) 

deutsch gesungen

Libretto vom Komponisten nach Bert Brecht

Uraufführung am 7. August 1981 in Salzburg 

Dokumentation:

LABEL: Amadeo (Vinyl)
Salzburger Festspiele 1981
Wiener Philharnoniker unter Christoph von Dohnányi
Solisten: Theo Adam, Helmut Berger-Tuna, Martha Mödel, Marjana Lipovsek, Waldemar Kmentt u.a. 

Charaktere:

Baal
Ekart
Johannes
Emilie
Johanna
Sophie
Baals Mutter

Mjurk
ein Geistlicher
ein Polizist
und weitere

Die Handlung spielt in Deutschland in der Nachkriegszeit.
 



INHALTSANGABE

Erster Teil

Erstes Bild: SOIRÉE

Auf einer Abendgesellschaft hat Baal eigene Gedichte vorgetragen und erzielt damit ungeteilte Bewunderung. Vier nickende alte Herren melden sich nacheinander zu Wort: der erste findet die Verse himmlisch; der Ton sei gut getroffen worden. Diese raffinierte Einfachheit! Der zweite lobt die fabelhafte Technik. Himmlisch, phänomenal! Baal trinkt ein Glas in einem Zug. Seine Umgebung beachtet er nicht.

Der Gastgeber – angeblich sein früherer Arbeitgeber – gesteht ganz offen, dass er es empörend findet, diesen Mann jetzt in solch elenden Verhältnissen vorzufinden. Die Leute müssen wissen, dass er diesen Meister in seiner Kanzlei als Schreiber angestellt hatte. Er bezeichnet es als Schande, dass unsere Gesellschaft es zulässt, solch eine Persönlichkeit zum Tagelohn arbeiten zu lassen. Jawohl! Es ist eine Schande, bestätigt der dritte Kopfnicker. Sein Entdecker – Mech heißt er – wendet sich mit großer Geste an Baal und prophezeit ihm, dass sein Genie noch die Welt erobern wird. Er ist stolz darauf, dass man seinen Salon als die Wiege seines Weltruhms bezeichnen wird. Baal hebt sein Glas und trinkt auf sein Wohl.

Piller will ein Essay über ihn schreiben. Er habe die Zeitungen hinter sich! Ein junger Mann will wissen, wie der liebe Meister es nur mit dieser verfluchten Naivität macht. Das sei ja homerisch! Der vierte ältere Herr nickt mit dem Kopf. Eine junge Dame erinnert er mit seinem Stil eher an Walt Whitman. Aber sie hält ihn natürlich für bedeutender. Piller versucht, sich zu steigern und bringt Verlaine ins Gespräch.

Baal ruft den Kellner; er soll ihm noch bitte von dem Aal bringen. Er denkt, wenn er isst, muss er nicht Konversation machen. Die junge Dame wendet sich den den jungen Mann, der neben ihr steht und meint, dass der Dichter eine bedeutende Hoffnung sei. Was heißt hier Hoffnung, er ist eine Erfüllung – eine Hoffnung ist er selbst auch.

Zwei Herren haben ganz andere Sorgen und führen Börsengespräche. Der Weizen stünde schon bei 49 – Fabelhaft! Weiß der andere schon, dass Baumann & Co. gestern die Zahlungen eingestellt hat? Mech erzählt, dass er Zimthölzer kaufe!. Ganze Wälder Zimthölzer schwimmen für ihn die brasilianischen Flüsse abwärts. Aber er würde auch seine Lyrik herausgeben.

Emilie fragt Baal ob es stimmt, dass er in einer Dachkamm wohne? Wenn sie es genau wissen will: Er wohnt Klauckestraße 64. Nun lasst doch den Mann mal in Ruhe essen. Kunst sei doch auch Arbeit. Nimmt er Cognac. Es ist noch alles da. Eine ältere Dame schiebt vorbei und äußert sich, dass breite Hüte vollkommen unmodern seien. Eine jüngere setzt dagegen, dass die kleinen hohen von Meyers himmlisch seien. Mech macht einen Gedankensprung und empfiehlt Baal zu reisen. Die abessinischen Gebirge wären etwas für ihn. Plötzlich fasst Mech einen Entschluss. Er will seine Lyrik herausgeben und die Zimthölzer schwimmen lassen. Baal schlägt etwas anderes vor: Weiße Hemden könnte er gebrauchen, aber sie müssten weich sein. Macht er sich nichts aus den Verlagsgeschäft? Emilie schwärmt von Baals Gedichten. Er sei darin so zart.

Baal wendet sich an Mech: Es schwimmen Zimthölzer für Sie. Mech? Abgeschlagene Wälder? Emilie bittet Baal, dass er nicht so viel trinken soll. „Handeln sie nicht auch mit Tieren. Mech?“ „Sind sie dagegen?“ Baal streichelt Emiliens Arm und wendet sich eisig an Mech: „Was gehen sie meine Gedichte an?“ „Ich wollte Ihnen einen Gefallen tun!“ Piller versucht Baal abzulenken, der langsam unleidlich wird. Er wendet sich Emilie zu und fragt, ob sie immer in weiten Ärmeln gehe. Jetzt muss er aber mit dem Wein aufhören.

Jetzt schwimmen die Hemden hinunter, die Lyrik ist schon hinunter geschwommen!“ nimmt Piller die Konversation auf. „Mech sagt, dass ihm alle Tiere des lieben Gottes gefallen. Aber mit den Tieren kann man nicht handeln! Kommen sie meine Herrschaften!“ Baal erkundigt sich bei Johannes, wie der Herr heiße, und bekommt den Namen Piller genannt. „Piller, Sie können mir altes Zeitungspapier schicken!“Piller wird wütend, Baal sei Luft für ihn, auch für die Literatur sei er Luft. Aber Emilie hält zu ihm. Sie weiß nicht, man sollte sich um ihn kümmern!

Baal sitzt unbeweglich vor seinem Glas und denkt an die Sintflut und die Arche Noah, in welcher alle Tiere Platz hatten und sich alle einträchtig neben einander aufhielten. Nur der Ichthyosaurus ist nicht gekommen, weil er im Moment keine Zeit hatte. Man machte ihn darauf aufmerksam, dass die Flut kommen würde. Aber er sagte, dass er daran nicht glaube. Baal glaubt, dass er selbst auch nicht eingestiegen wäre.

Der Diener kommt, verbeugt sich steif und überreicht ihm seine Garderobe. Baal quittiert mit einem Fußtritt. „Was erlauben sie sich, sie versoffenes Genie!“ Es kommt zur Massenkeilei.

Zweites Bild: VOR BAALS DACHKAMMER

Die Wohnung ist ziemlich schäbig; überall bröckelt der Putz ab. Baal unterhält sich mit seinem Freund Johannes über dessen Geliebte ziemlich ungeniert. Im Traum hat er gesehen, wie sie von einem Mandelbaum beschlafen wurde. Die knorrigen Äste umschlangen ihren unschuldigen weißen Leib. Wenn er sie umarmt, zittert sie wie Espenlaub; sie ist erst siebzehn. Wenn Frauen gebären endet es meistens mit einem ungeheuren Schrei, als würde ein neuer Kosmos zur Welt kommen, dabei ist es nur eine kleine Frucht. Die Liebe ist so, wie man eine Orange zerfleischt, dass einem der Saft in die Zähne schießt.

Drittes Bild: WIRTSSTUBE

Zwei Chauffeure, einer bürgerlicher aussehend als der andere, sitzen etwas abseits an einem Tisch; an der Theke steht die Kellnerin Luise. Meint doch der eine zum anderen: Der Mensch, der nicht arbeitet, ist ein Geschwür am gesunden Leib der Gemeinde und muss ausgeschnitten werden. Er sollte es so ausdrücken: Er ist ein Luxus. Die Frage ist einfach gestellt: Ist er nötig oder nicht? Er ist nicht nötig. Opern sind auch nicht nötig. Er hat solchen Quatsch noch nie gesehen und ist mit der Einstellung ganz zufrieden. Dagegen kennt er einige Menschen, die nach Poesie hungern. Das sei eine Frage nach dem Genie; nein, das ist nur für Genies eine Frage.

Baal kommt herein, gesellt sich zum Chauffeuer Horgauer, der mit der Kellnerein Luise an der Theke steht und hält ihm einen Vortraq über den Abend bei Mech. Es hat dort Streit gegeben, weil er seinen Wein ausgespuckt hat und jetzt läuft ihm seine Frau nach und er hat es satt, sie am Hals zu haben. Geil sind die Weiber wie die Stuten, aber dümmer - ihnen gehört der Hintern versohlt.

Johannes erscheint und stellt Baal seine Braut Johanna vor. Johanna freut sich, weil ihr Freud ihr einige von Baals Liedern vorgelesen hat. Johanna bekennt, dass sie sehr eifersüchtig auf Baal ist, weil Johann immer von ihm schwärmt. Sie soll es ruhig zugeben, dass sie in ihn verliebt ist. Es ist jetzt Frühjahr und er wartet auf Emilie. Da kommt sie auch schon.

Emilie ist empört, dass er sie hierher bestellt hat! Lauter Gesindel und dazu noch eine Branntweinschenke.“ „Luise, einen Korn für die Dame!“ Emilie argwöhnt, dass Baal sie lächerlich machen will. „Nein, Du wirst trinken. Mensch ist Mensch!“ Aber er sei kein Mensch. Luise hält das Glas hin und umarmt sie. Emile sucht absolut Streit und Baal fragt, ob sie nicht noch lauter schreien kann.

Johannes findet es interessant hier, wie das einfache Volk singt und seine Späße treibt. Horgauer hat sich zu dem beiden anderen Chauffeuren an den Tisch gesetzt und spielt Karten mit ihnen.

Johanna will mit Johannes schon aufbrachen, aber Baal protestiert: Der Himmel sei violett, besonders wenn man besoffen ist. Emilie mischt sich ein: Immer, wenn er zu viel getrunken hat, schwatzt er dummes Zeug; Sie bereut, dass sie hergekommen ist. Merkt sie das erst jetzt?

Die Kartenspieler haben einen Disput: „Trumpfsau, gestochen.“ Johanna will mit Emilie Brüderschaft trinken. Baal nimmt die Gitatte von der Wand, gesellt sich zu den Kartenspielern und stimmt „Die Ballade von der Evelyn Roe“ an:

Als der Frühling kam und das Meer eine intensive blaue Farbe angemoome hatte, fand die junge Evelyn keine Ruh. Sie bat den Kapitän, sie mit ins Heilige Land zu nehmen, sie muss zu Jesus Christ. Sie soll mitfahren, weil er und die Mannschaft aus Narren bestehen und sie so herrlich ist. Ihre Seele gehört dem Herrn Jesu Christ. Er wird es ihnen lohnen, denn sie sei nur ein armes Weib. Der erwähnte Herr ist schon gestorben und kann die Passage nimmermehr bezahlen. Aber wenn sie den Matrosen ihren süßen Leib zur Verfügung hält, kann sie mitkommen.

Sie fuhren hin in Sonn' und Wind
und liebten Evelyn Roe.
Sie aß ihr Brot und trank ihren Wein
und weinte immerzu.

Sie tanzte nachts, sie tanzte tags.
Sie ließen das Steuer sein.
Evelyn Roe war so scheu und so weich;
sie waren härter als Stein.

Evelyn wunderte sich, weshalb die Reise so lange dauerte und fragte den Kapitän, wann sie in die Heilige Stadt des Herrn ankommen würden. Der Kapitän lachte und küsste sie. Schuld daran sei allein Evelyn Roe.

Die tanzte nachts, sie tanzte tags.
Da war sie wie ein Leichnam matt.
Und vom Kapitän bis zum jüngsten Boy
hatten sie alle satt.

Sie trug ein seiden' Gewand auf dem Leib,
der siech und voller Schwielen war,
und trug auf der entstellten Stirn
ein schmutzzerwühltes Haar.

Nie seh' ich dich, Herr Jesu Christ
mit meinem sündigen Leib.
Du darfst nicht gehen zu einer Hur'.
Ich bin so ein armes Weib.

Sie lief wohl lang von Raa zu Raa,
und Herz und Fuß taten ihr weh:
Sie ging wohl nachts, wenn's keiner sah;
sie ging wohl nachts in die See.

Sie überließ sich den dunklen Wellen und die
wuschen sie weiß und rein.
Nun wird sie wohl noch vor dem Kapitän
im heil'gen Lande sein.

Als im Frühling sie in den Himmel kam, schug Petrus die Tür vor ihr zu. Gott hatte ihm gesagt, dass er mit der Dirne Evelyn Roe nichts zu tun haben will. Doch als sie in der Hölle ankam, riegelten die Teufel die Tür vor ihr auch zu. Mit der frommen Evelyn Roe wollen sie sich nicht gemein machen. Sie ging durch Wind und durch den Sternenraum und wanderte immerzu. Sie wankte oft, nie blieb sie stehn. Die arme Evelyn Roe.

Baals Dichtkunst wird allgemein gelobt. „Einen Sherry Brandy für den Herrn!“ Horgauer fragt, ob er das alles eigenhändig selbst gemacht habe. Der erste Chauffeur sagt, dass er Achtung vor jeder Leistung habe, sei es auch nur auf wenigen Gebieten. Wenn er sich auf etwas Nützliches werfen würde, könnte er geradezu Spediteur werden, ergänzt der zweite. So einen Schädel müsste man haben, gibt Horgauer noch eins drauf. Baal erwidert, dass der Schädel allein nicht auseiche, es gehöre auch noch ein Hinterteil dazu.

Ekart, ein anderer Trunkenbold will Baal ein ein besseres Lokal entführen, Er drückt sich sehr poetisch aus, kann aber nichts erreichen. „Komm, sagt er, Bruder Baal, wie zwei weiße Tauben fliegen wir selig ins Blau! Flüsse im Frühlicht, Gottesäcker im Wind, und der Geruch der unhermesslichen Felder!Johanna mahnt Herrn Baal, dass er standhaft bleiben soll und setzt ihren Willen durch.

Viertes Bild: BAALS DACHKAMMER

Johanna scheint früher schon einmal mit Baal liiert gewesen zu sein. Es spielt sich eine häusliche Szene ab, die sich um Schlafen und Waschen dreht.

Fünftes Bild: WIE NUMMER VIER

Baal hat zwei Schwestern zu Besuch. Für die Liebe scheint ihnen das Zimmer zu hell. Die jüngere will, dass sich die älteste Schwester zuerst auszieht, denn das letzte Mal war sie zuerst an der Reihe. Wenn sie fertig sind, können sie zu ihm kommen. Baal dauert die Prozedur zu lange und erklärt barsch, dass beide zugleich dran kommen. Die Ältere bringt das Gespräch auf ein Mädchen, das ins Wasser gegangen ist. Sie hieß Johanna. Weiß man warum? Die Mutter klopft nun an die Tür! Um Gottes Willen, machen sie auf! Die Schwestern zanken sich, ob Baal die Tür nicht lieber zulassen sollte.

Sechstes Bild: WIE NUMMER VIER UND FÜNF

Baal hat einen Disput mit einer Dame, die er brutal hereinschleift. Dies sei seine Kammer und sie solle lieb zu ihm sein! Vorher fängt er Streit mit Johannes an, der herumsteht und will ihn 'rausschmeißen. Johannes ist stocksauer, weil Baal sich an seine Johanna herangemacht hat.

Sophie nimmt ihn in Schutz und reklamiert, dass ihm der junge Mann doch nichts getan habe und bittet, sie fortzulassen. Er macht die Tür weit auf: „Im ersten Stock unten müssen Sie rechts gehen.“ Er sei ihr nachgelaufen und habe sie unten vor der Tür aufgehoben. Man wird sie hier finden. Hier wird sie niemand finden! Sie kennt ihn gar nicht. Was will er ihr tun? Wenn sie so summ fragt, kann sie gleich wieder gehen. Aber er habe sie auf offener Straße überfallen und sie weiß überhaupt nicht, wieso sie noch da ist? Da kann er ihr Auskunft geben. Er soll bitte nicht schlecht von ihr denken. Warum nicht? Sie sei ein Weib wie jedes andere. Der Kopf ist verschieden, die Knie sind alle schwach. Er reißt sie in die Arme und sagt: „Ich heiße Baal!“ Er sei so hässlich, dass man erschrickt. Sie heiße übrigens Sopie Barger. Sophie lässt sich zum Bett führen und legt den Kopf an seine Brust. Wie alt ist die eigentlich, will er noch wissen. Siebzig, höhnt sie. Hat er richtig gehört? Dann ist sie das Böse gewohnt.

Siebtes Bild: STRASSE; VOR EINER NIEDRIGEN SCHENKE

Es ist am Morgen des Fronleichnamstages. Die Kirchenglocken läuten, so dass es Baal ganz schummrig ums Herz wird, wenn nur sein Magen nicht so schwach wäre. Er sollte ein neues Leben anfangen: still, friedlich und beschaulich. Wäre er etwas frommer, würde er gewiss ein guter Christ sein. Er kann niemanden leiden sehen. Von fern hört er eine Prozession näher kommen; eigentlich könnte er da mitgehen. Zuschauer sammeln sich an der Schenke. Buben reißen Zweige von den jungen Birkenbäumchen ab. Er klopft an den Fensterladen, ruft den Wirt heraus und macht ihn auf den Missstand aufmerksam, nachdem er einen Jungen beim Kragen genommen hat.

Weiß er dann nicht, dass es am Fronleichnamstag Brauch ist, Häuser und Plätze mit frischem Grün zu schmücken? Er soll sich doch beruhigen. Es sei eine viehische Rohheit, junge Bäume abzuschlagen, protestiert Baal. Er solle bitte nicht die Heiligkeit der Prozession stören. Oder hat er keine Religion im Leib? Mörder, was haben euch die jungen Birken getan? Ruhe! Polizei! Ein Wahnwitziger! Hut ab, vor dem Allerheiligsten! „Polizei!“ „Saustall!“ Die Polizeit kommt: Ruhe, nur keinen Skandal, der Herr kommt mit zur Wache! Jawohl! Abführen!

Achtes Bild: MAINACHT UNTER BÄUMEN

Baal ist wieder mit Sophie zusammen und sie nächtigen im Wald, weil ihm seine Wirtin die Unterkunft gekündigt hat. Hört er, wie der Regen durch die Blätter tropft? Sophie hat einen Tropfen auf dem Hals gespürt. Sie möchte sich in ihm verkriechen, weil sie nackt ist. Er ist betrunken, schwankt und der Himmel ist schwarz. Ihre alte Mutter denkt bestimmt, dass sie ins Wasser gelaufen sei, weil sie seit drei Wochen nicht zu Hause war. „Jetzt sind es drei Wochen, sagt die Geliebte in den Baumwurzeln, als es dreißig Jahre waren. Und da war sie schon halb verwest“ spottet Baal.

Neuntes Bild: KABARETT

Baal hat bei Mjurk eine Anstellung in dessen Kabarett gefunden. Was er vorträgt und mit seiner Gitarre begleitet, ist ein Loblied auf das „stille Örtchen“. Es sei ein Ort, mit dem er zufrieden ist – drüber die Sterne und drunter Mist. Vereinbart ist, dass er mit Schnaps bezahlt wird. Sein Durst ist unermesslich, doch während der Vorstellung gibt es nichts zutrinken. Wenn er keinen Schnaps bekommt, gibt es auch keine Lyrik. Er soll nicht so viel saufen, sonst kann er eines Nachts überhaupt nicht mehr singen, meint Mjurk. Wozu singt er dann? Mjurk hebt hervor, dass er ihn eigenhändig entdeckt habe. Wann hat je eine so feine Seele in einem solchen Fettkloß gesteckt? Wenn er heute als Persönlichkeit dasteht, tut er es trotz seines Talents, denn damit verstimmt man die Leute nur. Der Fettkloß macht den Erfolgt, nicht die Lyrik; sein Schnapssaufen ruiniere ihn noch. Baal hat die Diskussionen um den vertraglich vereinbarten Lohn satt. Er will abhauen. Mjurk versteht seine Gereiztheit überhaupt nicht, er verdient doch enorm. Er solle seine Geliebte an die frische Luft setzen. Er drängt Baal einen Frack auf, halbnackt gehe man bei ihm nicht auf die Bühne. Aus Protest geht Baal ohne Gitarre in die Vorstellung, er zieht den Frack nicht an.

Es gibt Vorschussapplaus und Baal lässt ein obszönes Couplet vom Stapel:

Hat ein Weib fette Hüften,
leg ich sie ins grüne Gras,
Rock und Hose tu' ich lüften
zärtlich, denn ich liebe das.

Treibt das Weib die schöne Sache
feurig doch im Übermaß;
geb' ich ihr die Hand und lache
freundlich, denn ich liebe das.“

Die Leute trampeln und pfeifen. Doch Ball schickt sich an, zu verschwinden. Er wird seine Nummer zu Ende singen wie es vertraglich vereinbart ist oder er holt die Polizei, poltert Mjurk. „Weitersingen“ fordert sein Publikum, doch Baal ist auf dem Abort verschwunden. Mjurk hämmert mit der Faust gegen sie Tür. Zum Teufel, er verbietet ihm sich einzuschließen! Mjurk öffnet die Tür mit Gewalt, doch der Geier ist ausgeflogen. Das Klofenster steht offen. „Ohne Schnaps keine Lyrik!“ kommentiert der Kellner schadenfroh.

Zehntes Bild: NACHTCAFÈ

Ekart und Baal sitzen in einem Nachtcafé. Baal wird von der Polizei gesucht und vorher will er ihm seine Freundin Sophie andrehen. Ein Polizist tritt an seinen Tisch, legt ihm die Hand auf die Schulter und verhaftet ihn im Namen des Gesetztes. Ekart hat eine solche Situation schon lange kommen sehen. Sophie schreit auf und klammert sich an ihn. Hat er wieder Unglück gehabt? Sie will mit ihm gehen! Das Schicksal komme wie eine weiße Wolke in der Dunkelheit, die bald wieder verschwinden wird. Der Polizist erklärt der gnädigen Frau, dass er nur seinen Dienst versieht.

Elftes Bild: GEFÄNGNISZELLE

Baal sitzt mit seiner Gitarre auf einer Bank und erhält Besuch vom Gefängnisgeistlichen. Beide können sich nicht leiden und verschaukeln sich wortgewandt gegenseitig. Der Pfarrer hatte sich erhofft, dass die seelischen Qualen in ihm eine Stimmung erzeugt, die ihn für die Religion empfänglich macht. Müßiggang sei aller Laster Anfang. Baal stimmt ihm zu. Er hat keine Ehrfurcht. Fürchtet er nicht die Macht der Gesellschaft, die er zu seinem Feind gemacht hat, dass sie ihn einfach erdrückt, weil er überall anstößt wie an diese vier Wände? Er lebe von der Feindschaft. Ihn interessiert alles, soweit er es fressen kann. Töten ist keine Kunst, aber auffressen! Jeder wird einmal müde, und dann wohin mit ihm? Dann wird der Pfarrer kommen oder er wird schlafen, erst wenn er für ergiebige Träume gesorgt hat. Er sinkt immer tiefer! Dank seines Schwergewichtes tut er es mit Genuss. Es geht mit ihm abwärts, aber er denkt, er geht gut. Er sei demütiger als er.

Nichts sei so furchtbar als die Einsamkeit. Bei ihnen sei keiner allein. Sie seien alle Brüder. Es war bisher sein Vorsprung, dass er allein war. Er möchte keinen zweiten Mann in seiner Haut haben. Der Pfarrer sei gekommen, um ihm die Ruhe seiner Seele wiederbringen. Er soll ihm den blauen Himmel, eine Hand voller Ähren, weiche Frauenarme und die Freiheit geben, dass er hingehen kann, wo er will. Das ist die Ruhe seiner Seele!

Er wird einmal für alles bezahlen. Er hat schon bezahlt! Er hat im Dreck gelegen und für die Schönheit hat er sich zum Krüppel schlagen lassen. Sie haben ihn so lange geprügelt, dass er jetzt eine Hornhaut hat, hinter der er ab und zu sogar zartfühlend sein kann. Jetzt sollen die anderen sogar schuld sein an seinem Verbrechertum? Der Geistliche beschimpft ihn als aufgedunsenen Kosmos und tollwütigen Hamster, den er nun den Würmern überlässt. Er knallt die Tür hinter sich zu. Die Pfaffen soll der liebe Gott holen!

Zwölftes Bild: GRAUER GEFÄNGNISHOF

Baal erhält Besuch von seiner Mutter. Er legt zärtlich seinen Arm um sie und geht mit ihr im Gefängnishof spazieren. Jetzt beginnt ein neues Leben, Mama. Er will arbeiten, dass seine Muskeln springen. Sie wird es gut haben. Wird es auch dabei bleiben? Er sei voller Kraft. Die Einsamkeit habe ihm wohl getan. Aber alle sind gegen ihn. Baal ist zuversichtlich. Es sei, als ob ein Wall um sie herum wäre. Sie beide gehören zusammen, gegen alle. Die Mutter will von der Vergangenheit nichts sagen, aber sie sei voller Sorge. Dass aber auch so ein Lümmel aus ihr herauskroch, vor dem sie zittern musste! Aber ab jetzt wird alles anders.

Der Wärter verkündet, dass der Vorstand beschlossen habe, dass er frei sei. Beide sind gerührt. Baal nimmt die Mutter auf den Arm, nimmt seine Gitarre und schreitet mit ihr aus dem Gefängnistor ins Freie

ZWEITER TEIL: nächstes Blatt


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



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