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Schöne Oper - gern gehört


Giovanni Pierluigi Palestrina

Hans Pfitzner[1869-1949]

Palestrina


 

Musikalische Legende in drei Akten

Libretto vom Komponisten 
in Anlehnung an  pseudo-historische  Überlieferungen


Uraufführung am 12.Juni 1917
im Prinzregententheater in München unter dem Dirigenten Bruo Walter

Charaktere:

Papst Pius IV.
Giovanni Morone – Kardinallegat des Papstes
Bernadro Novagerio Kardinallegat des Papstes
Kardinal Christoph Madruscht – Fürstbischof von Trient
Carlo Borromeo – Römischer Kardinal
Der Kardinal von Lothringen
Abdisu – Patriarch von Assyrien
Anton Brus von Müglitz – Erzbischof von Prag
Graf Luna – Orator des Königs von Spanien
Der Bischof von Budoja
Theophilus – Bischof von Imola
Avosmediano – Bischof von Cadix
Ecrole Severolus –
Zeremonienmeister des Trienter Konzils
Der Bischof von Fiesole
Der Bischuf von Feltre
Dandini von Grosseto

Zwei Bischöfe
Ein Junger Doktor
Ein Diener 

Giovanni Pierluigi Palestrina – Komponist und Kapellmeister in Rom
Ighino – dessen 15. jähriger Sohn
Silla – Schüler Palestrinas, 17 Jahre

Fünf Kapellsänger von Santa Maria Maggiore,
Die Erscheinung Lukrezias – Palestrinas verstorbener Frau,
Neun verstorbene Meister der Tonkunst
Drei Engelsstimmen

Sänger der Päpstliche Kapelle, Erzbischöfe, Kardinäle, Äbte, Ordensgenerale, Gesandte, Prokuratoren weltlicher und geistlicher Fürsten, Theologen, Doktoren aller christlicher Nationen, Diener, Stadtsoldaten, Straßenvolk

Die Handlung spielt in der Wohnung Palestrinas und auf dem Konzil von Trient



 
                                                


HANDLUNG


Erster Akt:

Silla sitzt in einem Zimmer im Hause Palestrinas und übt eigene Kompositionen auf der Violine. Insgeheim plant er, von seinem verehrten Meister fortzugehen. Zwar hat er bei ihm viel gelernt, doch ihn interessiert nicht allein die Kirchenmusik, sondern er ist auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, auch der weltlichen Musik, wie sie an den Fürstenhöfen bei Spiel und Tanz zur Aufführung gelangt. Ighino kommt hinzu und Silla lässt durchsickern, dass er etwas Geheimes plant, was der Meister noch nicht wissen dürfe. Ighino ist neugierig und "bohrt", doch Silla möchte zuerst wissen, was der Freund auf dem Herzen hat. Ighino berichtet von der Niedergeschlagenheit des Vaters und dass er nach dem Tod der Mutter keine Note mehr schreibt. Silla versucht darauf vergebens, Ighino mit seinem neuen Stück etwas aufzuheitern. Kardinal Borromeo und Palestrina kommen herein. Letzterer schickt die beiden Jungen hinaus, weil beide Wichtiges zu besprechen haben.

Borromeo beklagt die "neuartigen, sündigen" Klänge, die der junge Silla komponiere. Der Angesprochene versichert dem Kardinal, dass kein Grund zur Besorgnis bestünde und alles in Ordnung sei. Silla sei eben noch ein Junge, der ein wenig herumexperimentiere. Borromeo schenkt den Beteuerungen wenig Glauben und fragt, ob Palestrina den Jungen hin und wieder auch züchtige. Palestrina verneint, räumt aber ein, dass Silla sich zunehmend in Florenz den neuen Strömungen zuwende. Im Prinzip ist Palestrina sich nicht sicher, ob dies nicht  tatsächlich der richtige Weg  sei und seine eigene Kunst bald in Vergessenheit geraten wird. Mutige Worte, ausgesprochen in Gegenwart eines Kirchenmannes!

Der Kardinal sieht die Welt gegenteilig und wechselt das Thema. Er überbringt dem Komponisten eine wichtige Nachricht: Das nun schon seit Jahren tagende Trienter Konzil soll bald zu Ende gehen, aber es soll noch darüber entschieden werden, ob  die neue Kunstmusik für den Gottesdienst angemessen sei oder ob sie nicht besser als "Teufelszeug" verbrannt werden sollte. Das gesamte geistliche Schaffen großer komponierender Meister der Vergangenheit und der Gegenwart stehe auf dem Prüfstand. Der kunstsinnige Habsburger ,Kaiser Ferdinand', hat den Papst gebeten, die "Figuralmusik" in der Liturgie beizubehalten. Zur Überzeugung des Konzils soll nun als ausdrückliche Bestätigung eine großartige, kunstvolle Messe komponiert werden. Borromeo sei der Auserwählte, die Messe zu schaffen und der Freund setzte nun alle Hoffnung in den großen Meister. Zur Überraschung Borromeos und des Publikums weist Palestrina die Ehre zurück. Der Kardinal nimmt die Zurückweisung zunächst als Scherz, doch als seine weiteren Bemühungen und Argumente fehlschlagen, den Zögernden zu überzeugen, wird der Abgewiesene ungehalten. Als Palestrina dann doch eingesteht, dass Gott wohl nicht mehr aus den Tiefen seiner Seele spreche, wertet Borromeo seine Ausführungen als Finte und beschimpft  seinen alten Freund wütend als Neuerer und Blasphemiker. Im Unmut verlässt er das Haus. Palestrina bleibt allein in quälenden Selbstzweifeln und der Sehnsucht nach seiner verstorbenen Frau zurück. Selbstmordgedanken überkommen ihn und existenzielle Fragen beunruhigen seinen Geist: "Ach wozu - wozu!"

Wie ein Spuk erscheinen plötzlich die Geister neun alter Meister der Tonkunst, die fürchten, in Vergessenheit zu geraten und den Unentschlossenen mahnen, das Werk zu beginnen. Palestrina glaubt zunächst nicht, was er sieht und wähnt sich selbst schon tot. Die Meister erinnern den zweifelnden und niedergedrückten Komponisten an seine Pflicht und dass "der alte Weltenmeister" seine Arbeit wünsche und ihn mit  seiner Gnade begleiten wird. Ohne seine Bedenken ausgeräumt zu haben, verschwinden die Erscheinungen unauffällig, wie sie gekommen sind. In Angst und frommem Schauer zurückgelassen, fleht Palestrina zu Gott um Erleuchtung. Engel, die Palestrina nicht sieht, melden sich mit frommen Chorälen. Der  überirdisch anmutende Gesang weckt die Inspiration des Meisters. Giovanni Pierluigi beginnt unwillkürlich Noten zu schreiben. Als Lichtgestalt kommt Lukrezia, die verstorbene Gattin,
hinzu und sichert dem Mutlosen zu, als schöpferische Muse neben ihm zu stehen. Der Komponist arbeitet wie besessen an der Messe ohne Unterlass die ganze Nacht hindurch. Nach Vollendung seiner Komposition sinkt er  erschöpft  in seinen Stuhl zurück und schläft erquickt ein. Es kommen Silla und Inghino wie gewohnt zum allmorgenlichen Unterricht. Silla entdeckt die auf dem Boden verstreut herumliegenden Manuskripte und sammelt sie ein. Gelindes Erstaunen erfasst die beiden Schüler nach eingehender Betrachtung der flüchtig hingeworfenen Notenschrift.

Zweiter Akt:

Acht Tage später in Trient: Eine Halle im Palast des Fürstbischofs Madruscht wird für das Konzil hergerichtet. Die Kirchenmänner wehklagen über die gehassten, alles verzögernden Spanier und hoffen, dass Zwistigkeiten zügig bereinigt werden. Madruscht und Borromeo kommen hinzu und es wird ein wenig über die anstehenden Probleme geplaudert. Nachdem der Hausherr sich für einige Momente entschuldigt, um weitere Gäste zu begrüßen, unterhalten sich Novagerio und Borromeo bei dem Genuss von Früchten und Wein über die Fortschritte, die Lage und die Diskussionspunkte der Synode wie auch über die politischen Positionen wichtiger Akteure. Als die beiden auf die Kirchenmusik zu sprechen kommen, muss Borromeo eingestehen, dass sein Favorit, Giovanni Pierluigi Palestrina es abgelehnt hat, den von ihm verlangten liturgischen Beitrag zu leisten. Die Inquisition habe den Unbotmäßigen aber schon einsperren lassen und ist sicher, ihn bald gefügig zu machen. Novagero erinnert nochmals an die Dringlichkeit der Sache und empfiehlt, im Notfall den Widerborstigen der Folter zu unterziehen.

Nach dem Plausch gehen die beiden Kirchenfürsten zu den anderen in die Halle - dort wird bereits auf das Eintreffen Morones, des päpstlichen Legaten, gewartet. Einige Anwesende beschweren sich über die überstürzte Eile, mit der die Arbeitsthemen des Konzils abgewickelt werden. Die Spanier kritisieren die Ungleichheit des Mengenverhältnisses zwischen Iberern und Italienern. Im Gespräch zwischen dem Bischof von Bojoda und einigen anderen italienischen Würdenträgern stellen diese sich schnell als habgierige Genussmenschen heraus, die an einer hohen finanziellen Vergütung wie auch an einem längeren Aufenthalt im schönen Trient nichts auszusetzen haben und sich für die Themen der Tagesordnung wenig interessieren. Nachdem der ehrwürdige Patriarch Abidsu bevorzugt und aufwändig begrüßt wurde, ruft der Zeremonienmeister Severolus zu Ruhe und Ordnung, damit mit der Diskussion begonnen werden kann.

Der Kardinallegat Morone eröffnet die Versammlung und trägt nacheinander verschiedene Satzungspunkte vor, die von den Italienern stets mit einer zustimmenden Bemerkung bekräftigt, von den Spaniern dagegen - allen voran der Bischof von Cadix und Graf Luna - abgelehnt werden. Die Sitzung eskaliert zunehmend in einer Summierung von Provokationen bis Graf Luna den unerhörten Vorschlag bringt, zwecks genauer Erörterung aller Probleme die Protestanten einzuladen. Das haut dem Fass den Boden aus! Morone ist ob dieses Vorschlages dermaßen erbost, dass er beschließt, die Versammlung aufzulösen. Vor dem Palast des Kardinals kommt es zu Turbulenzen, Handgreiflichkeiten und wüsten Beschimfpungen zwischen spanischen, italienischen und deutschen Nationalitäten. Fürstbischof Madruscht lässt den aufmüpfigen Mob kurzerhand von der Stadtwache zusammenschießen.

Dritter Akt:

Zweckmäßig hat Palestrina dem Drängen Borromeos nachgegeben.  Die beiden Jungen haben den Ernst der Lage erkannt und in Eigeninitiative die Notenblätter sortiert, geordnet und der Kirchenkomission abgeliefert, damit der Meister aus der Haft freikommt. Silla erklärt dem in seinem Lehnsstuhl erschöpft zusammengesunkenen Palestrina, dass gerade in diesem Moment vom Prälaten seine Messe zelebriert und vor dem Papst im Petersdom zu Gehör gebracht werde. Palestrina erkundigt sich nach dem Stand des Konziels, da es ihm während seiner Beugehaft verwehrt war, die Tagesabläufe zu verfolgen. Von der Straße sind plötzlich enthusiastische Beifallskundgebungen zu vernehmen. Eine Gruppe Kapellsänger tritt ins Haus ein und berichtet von einer grandiosen Aufführung. Der Papst selbst sei auf dem Weg hierher, um dem Talent des Genies die gebührende Anerkennung zu zollen. Wenig später wird Papst Pius - der vierte seines Namens - in einer Sänfte ins Haus getragen. In Anwesenheit der Kardinäle erklärt er den Meister zum Leiter der Liturgie in der Sixtinischen Kapelle auf Lebenszeit.  Borromeo tut was geboten ist und was man von ihm erwartet. Der Kardinal tritt vor und fällt vor Palestrina reumütig auf die Knie. Er zollt dem herrlichen Sakralwerk die gebührende Anerkennung, küsst den Freund ehrfürchtig auf die Wange, um sich danach verlegen aus dem Staub zu machen.

Ighino hielt sich während Borromeos Vorstellung hinter der Hausorgel versteckt. Nun fällt er seinem lieben Vater um den Hals und voller Stolz überschüttet er ihn mit Komplimenten. Der Knabe will wissen, ob sich der von aller Welt Gefeierte, auch freue. Palestrina erwiedert, dass er schon zu alt sei, um solche Regungen nach außen zu zeigen. Silla hat sich bereis nach Florenz aufgemacht - Palestrina nimmt es verständnisvoll lächelnd hin. Die Jubelrufe auf der Straße werden  stärker und der Fünfzehnjährige läuft hinaus, um mit dem Volk den Triumph des Vaters zu feiern. Alleingelassen blickt Palestrina eine Weile versunken auf das Bildnis  seiner geliebten Lucrezia, setzt sich dann an sein Instrument und mit sich selbst und der Welt in Einklang intoniert er ein Madrigal zur Ehre Gottes.

© September 2009 - Raphael Lübbers


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