Schöne Oper - einmal anders erzählt
Richard Wagner [1813-1883]
Götterdämmerung (II. Teil)
Twilight of The Gods - Le Crépuscule des Dieux
Dritter Tag der Bühnenweihfestspiele
"Der Ring des Nibelungen"
Ragnaröck (Schicksal der Götter)
Musikdrama in einem Vorspiel und drei Aufzügen
Libretto vom Komponisten
in Anlehnung an die Zeit der Völkerwanderung
deutsch gesungen
Uraufführung am 17. August 1876 in Bayreuth
Dauer der Aufführung mehr als 4 Stunden
Charaktere:
Siegfried (Tenor)
Gunther (Bariton
Gutrune (Sopran)
Hagen (Bass)
Alberich (Bass-Bariton)
Brünnhilde (Sopran)
Waltraute (Mezzosopran)
Erste Norn (Alt)
Zweite Norn (Mezzosopran)
Dritte Norn (Sopran)
Woglinde (Sopran)
Wellgunde (Sopran)
Floßhilde (Alt)
Das Geschehen spielt im 5. Jahrhundert am Ufer des Oberrheins, in Worms und auf dem Walkürenfelsen
STRUKTUR (Szenenauswahl)
> Schläfst du Hagen, mein Sohn (Alberich)
> Hagen, mein Sohn, hasse die Frohen (Alberich)
> Der goldene Ring (Alberich)
> Hoiho, Hagen müder Mann (Siegfried)
> Durch des Feuers verlöschende Lohe (Siegfried)
> Hoiho, Gibichsmannen, machet euch auf (Hagen)
> Gegrüßt sei, teurer Held (Gunther)
> Heil'ge Götter, himmlische Lenker (Brünnhilde)
> Achtest du so der eig'nen Ehre (Siegfried)
> Gunther, wehr' deinem Weib (Siegfried)
> Welches Unholds List liegt hier verhohlen (Brünnhilde)
> O feiger Mann! Falscher Genoss'! (Brünnhilde)
> Dich verriet er (Brünnhilde)
> Sterb' er dahin, der strahlende Held (Hagen)
> Frau Sonne sendet lichte Strahlen (Drei Rheintöchter)
> Ihr listigen Frauen, lasst das sein (Siegfried)
> Im Wasser wie am Lande (Siegfried)
> Hier rasten wir und rüsten das Mahl (Hagen)
> Auf Waldjagd zog ich aus (Siegfried)
> Mime hieß ein mürrischer Zwerg (Siegfried)
> In Leid zu den Wipfeln lauscht' ich hinauf (Siegfried)
> Rasch ohne Zögern zog ich nun aus (Siegfried)
> Errätst du auch dieser Raben Geraun' (Hagen)
> Brünnhilde, heilige Braut (Siegfried)
> Trauermusik
> War das sein Horn (Gutrune)
> Der bleiche Held (Hagen)
> Ja denn! Ich hab' ihn erschlagen (Hagen)
> Des Alben Erbe fordert so sein Sohn (Hagen)
> Verfluchter Hagen (Gutrune)
> Starke Scheite schichtet mir (Brünnhilde)
Rücklauf zu Seite 1
HANDLUNG (Fortsetzung)
Zweiter Akt:
Erste Szene:
Hagen hatte versprochen, vor der Gibichungenhalle Wache zu halten, ist aber dann doch eingeschlafen beziehungsweise döst mit offenen Augen vor sich hin. Sein Vater Alberich erscheint, nimmt seinen Zustand wahr und versucht beschwörend auf ihn einzureden. Der Giftzwerg ärgert sich noch immer, weil Wotan ihm den Ring weggenommen hat, der die Weltherrschaft garantiert. Im Moment befinde sich dieser bei dem Wälsung und Alberich schmeichelt dem Sohn, sich zu beeilen, um ihn zurückzuerobern. Siegfried war es doch, der ihn dem Drachen abgenommen und die gröbste Arbeit hinter sich gebracht hat. Seine Aufgabe sei es jetzt, sich an den Wälsung heranzumachen, am besten, ihn gleich undschädlich machen. Hat er den Schneid? Nur um das Kleinod zurückzuerhalten, habe Alberich sich abgerackert und ihn gezeugt – Lust dazu hatte er keine. Hagen muss seinem Vater schwören, die angetragene Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen. Alberichs Misstrauen ist begründet, denn Hagen überlegt bereits, ob er für den Ring nicht selbst auch Verwertung hat.
Zweite Szene:
„Hoihoi Hagen! Müder Mann! Siehst du mich kommen?“ Siegfried kommt hinter dem Busch hervor und hängt seine Tarnkappe an den Gürtel. Wo braust der geschwinde Held plötzlich her? Aber das weiß er doch, auf dem Brünnhildenstein war er, um die stolze Maid zu entführen. „Hoihoi, Gutrune soll herauskommen, Siegfried ist wieder da. Wo bleibt das Gibichskind?“
Die fromme Maid soll sich freuen, zum Weib hat er sie heute errungen. Gutrune will wissen, ob Brünnhilde dem Bruder willig gefolgt sei? Hat Gunther sich auch nicht das Fell verbrannt, als er durch das Feuer geschritten ist? Für ihn nahm Siegfried die Gefahr auf sich, um sein Gutrunchen zu bekommen. Und wie war es? Hielt Brünnhilde ihn für Gunther. Natürlich! Mit Tarnhelm glich er ihm aufs Haar. Gutrune will alles ganz genau wissen und gibt mit ihrer Neugier keine Ruhe. Also, zuerst sei Siegfried neben ihr gelegen und dann hat er mit Gunther die Plätze getauscht, so dass der Erstgenannte seinen vollen bräutlichen Spaß kassierte.
Also, noch einmal zusammengefasst! Siegfrieds Gedanken waren bei Gutrune, aber an ihrer Seite ruhte Gunther, schwindelt der Tarnkappenheld. Durch die verlöschende Lohe sei das Paar ins Freie gelangt und dann in die Barke gestiegen, während er sich unter dem Schutz seiner Spezialmütze unverzüglich nach Worms begab. Alle Unklarheiten beseitigt? Gutrune empfiehlt:
„Lasset uns sie hold empfangen,
dass heiter sie und gern hier weile!
Du, Hagen, minnig rufe den Mannen
nach Giebichs Hof zur Hochzeit!
Frohe Frauen ruf' ich zum Fest:
der Freudigen folgen sie gern.“
Siegfried reicht ihr die Hand und geht mit Gutrune in die Halle.
Dritte Szene:
Eine Möglichkeit, Leute zu mobilisieren, bestand in der Vergangenheit darin, sich auf einen Hügel zu stellen und ins Horn zu stoßen. In Worms hatte Hagen die Position des Herolds inne. Wenn er blies, kamen die Leute aus allen Himmelsrichtungen angerannt und wollten wissen, ob es schon wieder Krieg gibt. Im Gegenteil, der König hat ein Weib gefreit. Siegfried, der Wurmtöter, hat ihn dabei unterstützt. Jetzt gilt es, Opfertiere zu schlachten, damit die Götter dem bräutlichen Paar Segen spenden und nicht Unheil stiften. Das Blut von starken Stieren soll am Opferaltar für Wotan fließen, für Froh falle ein Eber und für Donner soll ein Bock gestochen werden. Damit Fricka eine gute Ehe gibt, müssen noch ein paar Schafe dran glauben. Und wenn die Schwerarbeit getan ist, was kommt dann an die Reihe, fragen die Untertanen? Anschließend dürfen alle Festgäste das Trinkhorn in die Hand nehmen bis der Rausch die Gesellschaft zähmt. Dann wird Hagen wohl auch einmal ein bisschen lustig werden? Nun sollen die mutigen Mannen lachen und Gunthers Braut empfangen. Sie naht bereits! Die Männer springen in den Fluss und ziehen die Barke an Land.
Vierte Szene:
Am Ufer ausgestiegen, stellt Gunther seine hohe Braut prahlerisch vor. Er sagt, dass das Geschlecht der Gibichungen nun zu höchstem Ruhm aufragen werde, nachdem die Götter es begünstigt hätten. Doch Brünnhilde ist keineswegs in bester Stimmung und verhält sich abweisend. Als Gunther nun auch den Helden Siegfried vorstellt, dem es gelang, die holde Schwester zu gewinnen, schlägt Brünnhilde erschreckt die Augen auf. Die Hand beginnt ihr zu zittern, und alle fragen sich: „Was ist mit ihr? Ist sie entrückt?“
Siegfried und Gutrune? Brünnhilde fällt es wie Schuppen aus den Haaren! „Gunthers milde Schwester: Mir vermählt wie Gunther du“, stellt Siegfried seine Partnerin vor. Brünnhilde schilt den Ahnungslosen einen Lügner. Doch dann bemerkt sie, dass Siegfried sie überhaupt nicht kennt. Er macht Gunther aufmerksam, dass seinem Weib offenbar übel sei. Dieser baut sich vor ihr auf und befielt ihr herrisch, dass sie sich ein bisschen zusammennehmen soll. Nun sieht Brünnhilde an Siegfrieds Finger ihren Ring und schreit heftig auf. Was ist los? Hagen tritt vor und ersucht die Mannen, sich zu merken, was die Frau ihnen zu erzählen hat. Brünnhilde berichtet aufgeregt, dass der Ring an Siegfrieds Hand nicht ihm gehöre. Gunther habe ihn ihr vom Finger gerissen und er soll doch jetzt bitte erklären, auf welche Weise er ihn bekommen habe. Siegfried behauptet, dass er den Ring nicht von seinem Blutsbruder bekommen habe. Brünnhilde besteht darauf, dass es der gleiche Ring sei, mit dem sie ihm vermählt wurde. Gunther soll bitte das Pfand zurückfordern. Gunther reagiert verwirrt und fragt, ob sie den Reif gut kenne. Er solle ihr doch bitte einmal zeigen, wo er den Reif versteckt hält, den er von ihr erbeutet hat. Gunther hülle sich in Schweigen und weiß nicht zu antworten. Wütend zeigt Brünnhilde auf Siegfried und behauptet, dass er und nicht Gunther es war, der ihn ihr entriss. Siegfried vertieft sich in den Ring und versucht sich zu erinnern, woher er das Schmuckstück hat. Dann erklärt er nach langem Nachdenken, dass er den Reif von keinem Weib erhalten habe, denn er gewann ihn beim Kampf mit dem starken Wurm, den er erschlug. Hagen mischt sich ein und fragt Brünnhilde, ob sie den Ring wirklich als Gunthers Hochzeitsgabe wiedererkennt. Wenn es so ist, habe Siegfried eine Betrügerei begangen und der Treulose wird es zu büßen haben. Verrat! Verrat! Brünnhilde schreit furchtbar nach Rache. Der Betrug soll gerächt werden, wir bisher niemals etwas gerächt wurde.
„Heilige Götter, himmlische Lenker!
Rauntet ihr dies in Eurem Rat?
Lehrt ihr mich Leiden, wie keiner sie litt?
Schuft ihr mir Schmach, wie nie sie geschmerzt?
Ratet nun Rache, wie sie nie gerast!
Zündet ihr Zorn, wie noch nie er gezähmt!
Heißet Brünnhild' ihr Herz zu zerbrechen,
den zu zertrümmern, der sie betrog!"
Gunther fordert die Erregte auf, sich zu mäßigen. Der Verräter solle weichen, entgegnet Brünnhilde, denn er selbst ist ein Verratener. Alle sollen es wissen, dass sie nicht Gunther, sondern Siegfried vermählt ist. Er zwang ihr Lust und Liebe ab. Siegfried rügt, dass Brünnhilde ihrer eigenen Ehre nicht achte. Die Zunge, die sie lästert muss er der Lüge zeihen. Blutsbrüderschaft hat er Gunther geschworen. Das Schwert Notung bewachte den Eid. Seine Schärfe trennte das Schwert von dem traurigen Weib.
Doch Brünnhilde durchschaut nun das gesamte Volumen des Betruges und klagt Siegfried in aller Offenheit an. Er sei es gewesen, der sie in Gunthers Maske bezwungen habe. Doch dieser, durch den Zaubertrank seines Gedächtnisses verlustig, schwört auf die Speerspitze, die Hagen ihm hinhält, dass er dem Blutsbruder Gunther die Treue hielt. Doch Brünnhilde reißt im Affekt den Speer an sich und besteht schwörend auf ihrer Gegendarstellung. Siegfried fordert Gunther auf, seinem Weibe zu wehren, doch dieser möchte am liebsten vor Scham im Erdboden versinken. Siegfried legt seinen Arm um Gutrune und zieht sie scherzend mit sich fort - was kümmern ihn die Emotionen der anderen.
Fünfte Szene:
Brünnhilde kann den Verrat Siegfrieds nicht begreifen. Ließen sie ihre Zauberrunen dermaßen im Stich? Hagen bietet sich an, die betrogene Frau zu rächen. Wie will er das anstellen? Seines Speeres Spitze wird den Meineid an Siegfried rächen! Da müsse schon jemand kommen, der stärker sei, als er, kommentiert Brünnhilde sein Angebot ungläubig. Er weiß um Siegfrieds Stärke, aber auch von einer Stelle, an welcher er verwundbar sein soll. Brünnhilde soll ihm guten Rat raunen, wo Hagen seinen Pelz löchern kann. Falls Siegfried gelegentlich fliehen musste, zeigte er dem Feind nie den Rücken, folglich muss da irgendwo eine verwundbare Stelle sein, kramt die Befragte aus dem Nähkästchen ihrer Weisheit. Die Ortsbestimmung ist ungenau, doch Richard Wagner meint offenbar, dass die Stelle, die durch das herniederschwebende Lindenblatt abgedeckt wurde, auch ohne nähere Angaben zu erraten sein müsse. Das Nibelungenlied lässt sich vergleichsweise auf ungenaue Stellenbeschreibung nicht ein, sondern legt fest, dass sein Weib ein rotes Kreuzchen exakt auf die Stelle nähen soll, an der Siegfried durchlässig sei. Ungenügend vorbereitet, droht das Unternehmen für Hagen riskant zu werden!
„O Schmach! O Schande! Wehe mir, dem jammervollsten Mann!“ Hagen spottet, dass er niemals etwas anderes behauptet habe und Brünnhilde lamentiert, dass der Feigling sich hinter dem Helden Siegfried versteckte, um den Preis des Ruhmes und ihre Gunst zu erringen. Nun soll Hagen den Verzweifelten von seiner Depression befreien, ihm die Brust zerbrechen und das Mark zermalmen, bittet Gunther. „Da hilft kein Hirn, da hilft keine Hand, da Hilft nur Siegfrieds Tod!“ Das geht leider nicht, Gunther habe Siegfried Blutsbrüderschaft geschworen. Wenn Siegfried den Bund gebrochen hat, dann besteht die Sühne schlicht und einfach aus Blut? Hat Siegfried König Gunther etwa nicht verraten? „Alle habt ihr mich verraten,“ kreischt Brünnhilde dazwischen. Deshalb genüge ihr Siegfrieds Tod als Sühne für alle, Unbeteiligte inklusive.
Hagen flüstert seinem Halbbruder zu, dass mit Siegfrieds Tod auch der Ring freigesetzt würde, und den will er doch haben, damit er die Macht der Welt in seinen Händen hält. Der Unbeständige soll deshalb nicht beginnen, zu lamentieren, sondern seine Zustimmung geben. Was wird aus der armen Gutrune? Wie wird man ihr den Tod des Gatten beibringen. Um Gutrune sei es nicht weiter schade, kommentiert Brünnhilde – den Gatten hat sie ihr genommen und zur Strafe soll sie jetzt vor Angst vergehen. Morgen ist der Tag der Jagd. Man kann die Verzweiflung von Gunthers Schwester mildern, indem man der Kleinen erzählt, ein wilder Eber habe den Helden angefallen und auseinander gebogen. Ein schöner Schlamassel, der sich da im Vorfeld zusammenbraut!
Dramaturgisch ungünstig deplatziert, kommt jetzt der Brautzug mit Jubel, Blumengirlanden, Hörnerklang und Trallala. Siegfried wird von den Männern auf einem Schild getragen und Gutrune sitzt in einer Sänfte. Die Frauen fordern Brünnhilde auf, Gutrune, die ihr lächelnd zuwinkt, das Ehrengeleit zu geben. Doch die Gedemütigte hat nichts Anderes im Sinn, als die heimtückische Rivalin aus der Sänfte zu werfen. Hagen hat Mühe, Brünnhildes Arm in den Griff zu bekommen und Gunther in Verwahr zu geben.
Dritter Akt
Erste Szene:
Ist es wirklich der Rheinstrom, in dem Woglinde, Wellgunde und Floßhilde dem Jäger Siegfried auflauern, um ihm den Ring abzuschwatzen, der aus Gold geschmiedet wurde, welches ihm nicht gehörte. Oder ist es nur ein kleiner Süßwassertümpel, in dem die Nixen sich die Zeit mit Reigenspielen vertreiben. Weialala leia, wallala leialala! Sie hören sein Horn, aber der Held ist nicht in guter Stimmung, denn er hat noch nichts gejagt und ist der Ansicht, dass Alberich das Wild vor ihm versteckt halte. Die Rheintöchter erklären, den Nachtalben, welcher ihm Bären und Rotwild verscheuchte, gesehen zu haben. Ach ist der haarige Geselle etwa ihr Friedel? Eine feine Wahl haben sie getroffen und er gönnt den lustigen Frauen den Spaß gern.
Die Nicker lachen ihn aus und Woglinde fragt, was Siegfried ihnen gibt, wenn sie ihm das Wild wieder zutreiben. Was möchten sie gern essen, aber bis jetzt hat er noch keine Beute gemacht und für eine Einladung ins Restaurant sei er nicht fein angezogen. Der Ring, der ihm am Finger ragt, habe es ihnen angetan. Was bilden die Damen sich eigentlich ein? Um an den Ring zu gelangen hat er einen riesigen Wurm erschlagen müssen. Für ein bisschen Jagdglück gibt er die Kostbarkeit nicht heraus. Sein Weib würde ihn schelten! Bekommt der Geizkragen etwa auch Prügel von ihr? So schön! So stark! So begehrenswert! Ist es denkbar, dass er sich nicht durchsetzen kann? Die Rheintöchter sehen ein, dass Siegfried nicht bereit ist, den Ring zu verschenken, drehen noch eine Runde und tauchen dann ab.
Doch jetzt ist es Siegfried, der keine Ruhe gibt. Er bereut, die Mädchen vergrault zu haben, hält den Ring empor, schäkert mit ihnen und tut so, als ob er jetzt in Geberlaune sei. Die Rheintöchter sagen ihm, dass er das Schmuckstück ruhig behalten soll. Er wird schon noch merken, welches Unheil er am Finger trägt. Er könnte sich froh fühlen, wenn sie ihn von dem Reifen, der aus dem Gold des Rheins geglüht wurde, erleichtern würden. Dann sollen sie Mädchen ihm doch bitte vorsingen, was ihn Schlimmes erwarte. Die munteren Wasserminnen sollen rasch hochkommen - er will ihnen den Ring schenken. Nein, verschaukeln lässt Floßhilde sich nicht. Der Held soll den Ring gut verwahren bis das Unheil ihn erwischt. So wie der Wurm fiel, falle auch er und zwar noch heute - ein Fluch sei in seinem Schicksalsfaden verwoben. Nur die Fluten des Rheins können ihn neutralisieren, wenn er sich von dem Reifen trennt und ihn dem Rhein zurückgibt. Doch Siegfried traut dem listigen Schmeicheln der Frauen nicht. Eindringlich ergeht eine letzte Warnung:
„Siegfried, Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche, weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!“
„Weialala leia, wallala leialala!“
Siegfried stützt den Fuß auf den Felsen und macht sich Gedanken über weibliche Logik. Zuerst wird geschmeichelt und wenn das anschließende Drohen nichts nützt, kommt das Keifen dran. Zumindest Gutrun', die Zierde der Frauen, hat er sich frisch gezähmt. Im Herzen trägt er ihre Treue.
Zweite Szene:
Die Jagdgesellschaft trifft sich zum Mahl. Siegfried hat nichts erjagt, weil er seine Zeit mit den Rheintöchtern vertrödelt hat. Er bittet daher sie Gefährten, ihm von der Beute ein wenig abzugeben. Hat er wirklich nichts gefangen? Drei wilde Wasservögel hätte er erlegen können; die seltsamen Geschöpfe haben ihm gesungen, dass man ihn noch heute erschlagen würde. Gunther erschrickt und blickt düster auf Hagen. Das wäre eine schlimme Jagd, wenn der Jäger selbst vom lauernden Wild erlegt würde. Siegfried hat Durst und man reicht ihm ein gefülltes Trinkhorn. Er soll die Jagdgesellschaft ein wenig unterhalten. Man sagt, dass er Fremdsprache beherrsche und sich sogar im Wortlaut der Vögel auskenne. Er habe inzwischen vieles verlernt, weil er auf das Lallen der Vögel nicht mehr sonderlich achte, antwortet der Gelobte. Siegfried möchte von Hagen zugeflüstert bekommen, ob Brünnhilde dem Gemahl auch keine Probleme mache. Wenn er sie so gut verstünde, wie er seine Vögel, gäbe es in der Tat keine. Seit er die Frauen singen hörte, ist ihm der Gesang der Vögel gleichgültig. Gunther soll nicht so betrübt dreinblicken! Wenn er möchte, erzählt Siegfried ihm aus jungen Tagen. Alle sind von dem Angebot begeistert und drängen sich um ihn. Siegfried bringt sich in Positur:
„Mime hieß ein mürrischer Zwerg“, beginnt Siegfried seine Ballade, der ihm das Schmieden beibrachte, obwohl der Buckelige selbst diese Kunst nicht beherrschte. Die Rüstung hat er schließlich hingekriegt, aber das Schwert musste er schon selbst basteln. Mime schickte ihn los, einen Wurm zu erlegen und er zeigte ihm die Höhle, die Fafner sich als Unterschlupf gewählt hatte. Doch als er das Tier erlegt hatte floss Blut über seine Finger, welche danach fürchterlich brannten. Um sie zu kühlen führte er den Zeigefinger zum Mund und flugs konnte er die Sprache eines Vögleins verstehen, welches auf dem Ast über ihm saß und aufgelegt war, Konversation mit ihm zu machen. Der Piepmatz erzählte ihm, dass er aus dem Schatz, der in der Höhle läge nur den Tarnhelm auswählen solle, weil dieser zu wonnigen Taten anregen würde. Den Ring solle er aber auch mitnehmen, denn dieser mache ihn zum Beherrscher der Welt. Allen anderen Plunder möge er liegen lassen, denn er sei von minderer Qualität. Die erwähnten Sachen habe er, wie geraten an sich genommen, aber der wonnige Laller war mit seinem Vortrag noch nicht fertig. Er warnte ihn vor dem heimtückischen Mime, der beabsichtige, alle netten Sachen an sich zu bringen. Und was ist dann mit Mime passiert. Kurzen Prozess habe er mit seinem Ziehvater gemacht: „Notung steckte den Strolch!“
Hagen füllt dem Redseligen das Füllhorn nochmals nach und träufelt den Saft eines Kräutleins hinein, um wie er sagt, zu bewirken, dass ihm auch Zurückliegendes nicht entfalle. Das Medikament bewirkt, dass die jüngsten Ereignisse den Weg in sein Gedächtnis zurückfinden. Folgerichtig erzählt der Betrogene nun von dem herrlichen Weib, welches oben auf dem Felsen schlief. Er durchschritt die flammende Barriere und brachte es in seinen Besitz. Es war Brünnhilde, die er dann von Helm und Rüstung befreite. Siegfried gerät in Verzückung und Gunther in Bestürzung, als der mutige Held nun auch die Einzelheiten hervorkramt.
„Zum Lohn fand er ein wonniges Weib
in lichter Waffen Gewand.
Den Helm löst ich der herrlichen Maid;
mein Kuss erweckte sie kühn:
oh, wie mich brünstig da umschlangen
der schönen Brünnhilde Arm.“
Errät Siegfried auch der Raben Geraun', die gerade über seinem Kopf vorbeifliegen. Siegfried kommt nicht dazu, sich zu auf sein Umfelt zu konzentrieren, denn er ist durch die Frage abgelenkt. Seinem Erzfeind hat er den Rücken zugedreht und Hagen nimmt seinen Speer und stößt blitzschnell zu. Gunther will ihm in den Arm fallen, reagiert aber zu spät. Mit seinem geschwungenen Schild versucht Siegfried, seinen Widersacher zu erschlagen, doch auf halben Weg verlässt ihn die Kraft und er bricht tödlich getroffen zusammen.
Die Männer sind zutiefst erschrocken und rügen die grausame Tat. Mit den Worten „Meineid rächt ich!“ verteidigt sich Hagen. Von zwei Gefährten gestützt wird der Held in sitzende Position gebracht und schlägt noch einmal die Augen auf. Mit dem Monolog „Brünnhilde, heilige Braut“ verabschiedet sich der Sterbende von der Abwesenden. Die Erinnerung übermannt ihn: Er war der Wecker, der sie wachküsste und dann lachte ihm Brünnhildes Lust. Ihres Atems wonniges Wehen verbindet sich zu süßem Vergehen in seligem Grausen. Während der
TRAUERMARSCH
erklgleichmäßig auf der Bühne. Der Techniker richtet es ein, dass die Gibichungenhalle aus dem Hintergrund heranfährt und zur nächsten Szene überleitet.
Dritte Szene:
Die Jagdgesellschaft kehrt heim. Von böser Vorahnung geplagt, wollte sie Trost bei Brünnhilde suchen, doch deren Kammer war leer. Ebenfalls zutiefst beunruhigt hatte sie den Fußweg zum Rhein zurückgelegt. Hagen erscheint als erstes in der Halle und kündet zynisch, dass man Beute gemacht habe und Siegfried, der starke Held, heimkehre. Gutrune möchte die Ursache erfahren, weshalb sie sein Horn nicht gehört habe. Der bleiche Held wird nicht mehr blasen, nicht mehr zur Jagd stürmen und auch nicht mehr um wonnige Frauen buhlen. Was tragen die Männer auf dem Schild, erkundigt sich Gutrune ängstlich. Sie bringen eines wilden Ebers Beute, ihren toten Mann. Gutrune wirft sich über die Leiche. Hysterisch beschuldigt sie ihren Bruder, ihren Siegfried umgebracht zu haben, doch Gunther verweist sie an Hagen, welcher der wilde Eber gewesen sei und den Edlen zerfleischt habe.
Hagen gibt sich keine Mühe zu leugnen. Absprachegemäß habe er gehandelt und Gunther und Brünnhilde waren bei der Planung dabei. Durch die Bestrafung des Meineids habe er sich heiliges Beuterecht erworben und Gunther möchte ihm bitte den Ring überantworten. Gunther verweigert die Herausgabe und der schamlose Albensohn solle sich nicht an Gutrunes Erbe vergreifen. „Her mit dem Ring“, als Sohn Alberichs sei er der Erbe. Sachlich gesehen ist seine Ansicht möglicherweise korrekt, denn veredelt wurde der rohe Goldklumen von den Arbeitskräften Alberichs. Die beiden ungleichen Brüder fechten miteinander und Gunther zieht den Kürzeren. Übernatürliche Kräfte greifen ein und der Tote hebt sie Hand, als Hagen ihm den Ring vom Finger ziehen will. Brünnhilde schreitet feierlich in den Vordergrund und es gelingt ihr mühelos das Geschenk ihres Mannes wieder an sich zu nehmen. Doch Gutrune protestiert und erhält von Brünnhilde zur Antwort:
„Armselige, schweig!
Sein Eheweib warst du nie.
Als Buhlerin bandest du ihn.
Sein Mannesgemahl bin ich,
er ewige Eide er schwur,
eh Siegfried je dich ersah!“.
Gutrune bricht in Verzweiflung aus und wechselt nun von Siegfried zu Gunthers Leiche, um nun auch hier ein Weilchen zu verbringen. Brünnhilde, überwältigt von Schmerz und Wehmut, fasst nun den Entschluss zu einem der spektakulärsten Suizide, welche die Operngeschichte kennt: Im Galopp wird sie mit ihrem Lieblingspferd Grane in den Scheiterhaufen reiten, der zur Verbrennung der Leiche Siegfrieds aufgeschichtet wird.
Die Idee ist umwerfend – nur der Spielleiter muss sich etwas ausdenken, wie die Ausführung der aufwendigen Prozedur umgangen werden kann, damit der Einsatz der Feuerwehr sich erübrigt und der Tierschutzverein keinen Protest einlegt. Mit wortgewaltiger machtvoller Stimme legt Brünnhilde los:
„Starke Scheide schichtet mir dort
am Rande des Rheins zuhauf!
Hoch und hell lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehrsten Helden verzehrt.
Sein Ross führet daher,
dass mit mir dem Recken folgt;
denn des Helden heiligste Ehre zu teilen,
verlangt mein heiliger Leib.
Vollbringt Brünnhildes Wunsch!“
An dieser Stelle wollen wir unseren Report beenden, denn Brünnhilde kann sich nur schwer entschließen, das Erdachte auch auszuführen und singt ihren Monolog endlos weiter. Es sei nur noch verraten, dass der raffgierige Hagen in voller Rüstung zu den Rheintöchtern, die er in der Wurzel nicht ausstehen kann, ins Wasser springt um von zarter Hand in die Tiefe gezerrt zu werden. Floßhilde hält den dem Rhein zurückgewonnenen Ring empor und das Publikum kann mit der Gewissheit leben, dass das Schicksal angemessen gewaltet hat
Anmerkung:
Der Spielleiter würde, Wagners absurde Idee, Brünnhilde ins Feuer reiten zulassen, am liebsten aussetzen. Das Pferd macht den Spuk auch nicht mit. Zweckmäßig kann man den Schluss so abändern, indem Brünnhilde lakonisch erklärt: „Komm Grane, in Worms sind wir nicht gelitten! Siegfried kommt nicht mehr zurück und wird traditionsgemäß bestattet. Wir reiten zurück zum Brünnhildenstein, machen das Feuer aus und eröffnen mit dir eine Pferdezucht."
***
2011 musirony – Engelbert Hellen