Schöne Oper – gern gehört
Paul Hindemith [1895-1963]
Neues vom Tage
News of the Day
Lustige Oper in zwei Akten
deutsch gesungen
Libretto von Marcellus Schiffer
Uraufführung am 08. Juni 1929 in der Krolloper Berlin
Dauer: ca. 95min
Charaktere:
Laura - Sopran
Eduard - Bariton
Der schöne Herr Hermann – Tenor
Herr M. - Tenor
Frau M. - Mezzosopran
Ein Hoteldirektor - Bariton
Ein Standesbeamter - Bass
Ein Fremdenführer - Bass
Ein Zimmermädchen - Sopran
Ein Oberkellner - Bariton
Sechs Manager
Museumsbesucher, Polizisten, Hotelangestellte, Theaterbesucher, Passanten
Ort und Zeit der Handlung: Eine deutsche Großstadt um 1929
INHALT
Das junge Ehepaar Laura und Eduard streiten sich - wie so oft. Während sie sich anschreien, kommt unerwartet Besuch von den frisch vermählten M's. Diese prahlen über den Ehestand und versuchen den Streit von Laura und Eduard zu schlichten. Dabei geraten sie aber selbst mehr und mehr in Zwist miteinander und am Ende tönt es laut von beiden Paaren: „Wir lassen uns scheiden, wir können uns nicht leiden...!“
Leichter gesagt, als getan: Laut Standesbeamten ist die Scheidung nur bei triftigem Scheidungsgrund zulässig. Verzweiflung macht sich bei dem unglücklich Verheirateten Laura und Eduard breit. Da kommen mal wieder die M's. Ihre erfolgreiche Scheidung haben sie mit Hilfe der Firma „Büro für Familienangelegenheiten GmbH“ abgewickelt. Leiter dieses Unternehmens ist der „schöne Herr Hermann“, den man gegen ein gesalzenes Honorar praktischerweise auch als Scheidungsgrund mieten kann. Auch die M's hatten von dem geschäftstüchtigen Beau Gebrauch gemacht, wobei dem schönen Herrn Hermann ein kleines professionelles Missgeschick passiert ist: Er verliebte sich in Frau M., während beide sich von Herrn M. auftragsgemäß in flagranti erwischen ließen. Jedenfalls muss er sich nun vertragsgemäß Laura zuwenden.
Treffpunkt des Flirts ist ein Museum, dessen Prachtstück eine 3000 Jahre alte Venus ist. Ein Fremdenführer bringt eine Gruppe Reisender vorbei, die ihm bereitwillig glauben und alle Informationen zu dem antiken Meisterwerk nachplappern. Die Szene von Laura und Herrn Herrmann ist schnell eingerichtet: Umarmung, Kuss und Liebesschwüre, alles im Preis inbegriffen!
Wie verabredet erscheint Eduard kurze Zeit später, um den Betrug aufzudecken, wird sich beim Anblick des inszenierten Seitensprunges aber bewusst, dass er Laura trotz aller Spannungen noch liebt. Er gerät in Rage und zerstört im Affekt die berühmte Venus. Wegen öffentlicher Sachbeschädigung in besonders schwerem Fall, wird er von der Polizei in Untersuchungshaft gebracht.
Laura will nicht wieder in die eheliche Wohnung zurückkehren und mietet sich übergangsweise im Savoy-Hotel ein. Sie sitzt in der heißen Badewanne und lobt in einer Arie die Vorzüge der städtischen Warmwasserversorgung. Der schöne Herr Hermann hat sich in seine neue Klientin verliebt und hat ihr nachgestellt. Überraschend kommt er in das Badezimmer und macht Laura Avancen. Schließlich kommt auch noch Frau M. hinzu, welche voller Eifersucht den schönen Herrn Hermann nebst Badewanne für sich beansprucht. Das Gerangel wird immer turbulenter und durch den Lärm angelockt, steht schließlich das gesamte Hotelpersonal nebst Geschäftsführer auf den Fliesen. Dieser bangt durch die anrüchige Szene um den Ruf seines Hauses: „Ein Herr im Bade bei zwei Damen, wie schauderhaft modern... Im Baedeker verlier' ich jetzt meinen Stern...“.
Die Ereignisse um Laura und Eduard sind ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse, welche die Sache zur voyeuristischen Skandalgeschichte aufbauscht. Dies wäre nun ein idealer Scheidungsgrund, doch Eduard ist in Haft und kann sich durch den immensen Schadensersatz, den er an das Museum leisten muss, sich eine Scheidung nicht leisten. Rettung naht: Manager der Unterhaltungsindustrie winken mit fetten Schecks und wollen die allseits bekannte Geschichte von Laura und Eduard mit den Original-Protagonisten als massenwirksame Attraktion auf die Bühne bringen. Die M's, mittlerweile wieder versöhnt und verheiratet, besuchen die ausverkaufte Revue, in dem Laura und Eduard dem sensationslüsternen Publikum ihren Fall live servieren.
Als die beiden am Ende genug Geld zusammengespielt haben, um sich Museumsschaden und Scheidung leisten zu können, erkennen Sie, dass sie eigentlich doch für einander gemacht sind.
Doch das Publikum hat sie schon lange in die Schublade des „Scheidungspaares“ gesteckt und will die gute Show nicht verlieren: „Niemals! Ihr seid abgestempelt. Ihr seid keine Menschen mehr. Ihr seid das Neueste vom Tage. In Drähten, Blättern, Tönen seid ihr nur noch vorhanden. Uns seid ihr überantwortet. In euren Entschlüssen seid ihr nicht mehr frei.
Laura und Eduard bleibt am Ende nicht viel übrig als die zynisch-pragmatische Einsicht: „Wir leben nur im Hirn des Lesers, sind eine Handelsware. Als solche sind wir allerdings jetzt 'stark gefragt'.“
Anmerkungen:
Hindemiths flotte Zeitoper über eine turbulente Scheidungs-Geschichte erregte 1929 prompt einen Theaterskandal, wobei insbesondere bei politisch rechten Kreisen Lauras Badewannen-Szene Anstoß erregte. Hindemith nahm sich sein mit Idiomen verschiedener Stile gespicktes Werk 1953 nochmals vor und bearbeitete es zu einer zweiaktigen Fassung. Die Uraufführung der Neufassung erlebte am 07. April 1954 in Neapel ihre Uraufführung.
Insbesondere diese Oper verdient eine Repertoirestellung an den Operntheatern, liefert sie mit ihrem originellen Plot und der schnellen, frechen Musik doch einen umwerfend kurzweiligen Abend, bei dem aber auch so manch zeitkritischer Ton mitschwillt. Orchester und Sänger müssen in Höchstform sein, um die Tour-de-Force zu meistern.
© April 2013 – Raphael Lübbers