Schöne Oper - selten gehört
Ernst Krenek [1900-1991]
Das geheime Königreich
Märchenoper in einem Akt
deutsch gesungen
Libretto vom Komponisten
Uraufführung am 06. Mai 1928 im Staatstheater Wiesbaden
Dauer: etwa 60min
Charaktere:
Der König - Bariton
Die Königin - Sopran
Der Narr - Bariton
Der Rebell - Tenor
Die drei singenden Damen - Sopran, Mezzosopran, Alt
Zwei Revolutionäre - Tenor, Baß
Ein Wächter - Tenor
Rebellen, Damen der Königin, Tänzer
Das Geschehen spielt zur Märchenzeit im Märchenland
HANDLUNG
Im Königreich ist die große Revolution ausgebrochen und das Volk will die Demokratie notfalls mit Gewalt erzwingen. Von einem Fenster im Schloss hört der Narr dem aufgebrachten Mob zu und hält den Pöbel für dumm. Jeder soll das tun, was er am besten kann und wozu er gemacht ist! Jeder soll seinen Platz erkennen und voller Zufriedenheit einnehmen! Auch der König habe seinen Job verfehlt. Er quäle sich mit seinem Amt, kann keine Entscheidungen treffen und ist für ein anderes Leben bestimmt. Als der Monarch hinzukommt, fragt er seinen Hofnarren um Rat in der brenzligen Revolutions-Situation. Der Narr zuckt nur mit den Schulter und gibt seinem Souverän stattdessen ein Rätsel auf:
„Was ist rund und glänzt und ist an einem Haupte, und fasst eine ganze Welt in sich?“
Der König hält es für seine Krone, jedoch sei dies nicht des Rätsels Lösung - so der Narr. Es werde noch dauern, bis der König reif für die Antwort sei. Er werde noch viel erleiden bis er sein eigentliches Königreich fände. Dazu müsse er aber vorerst aller Macht entsagen und somit sein altes Leben hinter sich lassen.
Die Königin kommt hinzu und ist ungehalten über ihren Mann, dessen nachlässige Regentschaft die Bauern auf die Straße bringt. Der Mob attackierte ihre Kutsche und behandelte sie wie eine „verkrachte Komödiantin“. Der Narr versucht zu schlichten, appelliert an ihre alte Liebe und wünscht, dass sie sich die Hände reichen. Der Regent weicht aus und erklärt, dass er seine Krone ablegen und als einfacher Mann auf die Straße gehen wird, bis er durch Heldentaten verdient auf den Thron zurückkehrt. Die Königin wittert sofort ihre große Stunde – sie verspricht sich die absolute Macht durch den Alleinbesitz der Krone und ohne ihren untätigen Mann ein besser funktionierendes Reich. Als sie die Krone verlangt, zieht ihr Mann es vor, diese dem Narren anzuvertrauen, der das Symbol der Macht für ihn aufbewahren soll, bis er zurück ist. Er verschwindet, sein Handgepäck zusammenzustellen und seine Koffer zu packen, um zeitweise die Umgebung zu wechseln.
Die verbitterte Königin wird Zeuge, wie ein Rebell von zwei Wachen in sein Verlies gebracht wird. Seine Wildheit und Stärke faszinieren sie, denn er scheint das genaue Gegenteil ihres verweichlichten Gatten zu sein. Während der Rebell eine Ode auf die Freiheit singt, ist die Herrscherin von dem Fremden fasziniert. Sie möchte die Regierungsgewalt an sich reißen und fordert ihn auf ihn, sie bei der Ergreifung der Krone zu unterstützen. Als Belohnung bietet sie ihm an, an ihrer Seite das Land mit eiserner Hand zu regieren. Zufälligerweise ist der Freiheitskämpfer aber Idealist und bevorzugt die Demokratie. Er spuckt auf das verhasste Objekt der unbeliebten Monarchie und geht mit den Wachen schweigend in die unterirdischen Gewölbe.
Nun sieht die Königin sich genötigt, selbst aktiv zu werden. Sie ruft ihre hübschesten Dienerinnen und lässt sie in Gegenwart des Narren frivole Tänze aufführen. Der lustige Kamerad schaut sich das Spektakel gelassen an, bemerkt aber, dass die anrückenden Damen verdächtig oft nach der Krone schielen.
Nachdem Liebe und Sex den gewünschten Effekt nicht auslösen, lässt die einfallsreiche Königin Wein bringen. Die Zofen lassen nicht locker und werden durch die akrobatischen Koloraturen der Königin bei ihren Verführungskünsten unterstützt.
Welche Qualitäten haben die Hofdamen außer ihren erotischen Attributen noch anzubieten? Richtig! Sie können Kartenspielen. Die Schönen benötigen noch einen Mitspieler und fordern den Narren auf, seinen Weinbecher zu nehmen und sich zu ihnen zusetzen. Der angesäuselte Kerl verliert ständig die Kontrolle, weil die Partnerinnen beim Spielen schummeln, dass es nicht mehr feierlich ist. Die Barmittel des Angeschmierten sind bald erschöpft, und er ist gezwungen zuerst sein Narrenkostüm zu versetzen und danach die kostbare Krone aus der Hand zu geben. Als fairer Verlierer händigt er der Königin den goldenen Stirnreif aus. Die Siegerin macht sich auf den Weg zu ihrem Favoriten, der im Gefängnis schmachtet.
Obwohl der Rüpel vorher großspurig verkündet hat, dass er kein Royalist sei, will er den Wertgegenstand sofort an sich reißen. Doch die Königin ist nicht so vertrauensselig wie der Hofnarr und erwartet zuerst Signale seiner Ergebenheit. Das Machtsymbol würde später nachgeschoben. Doch der Rebell kann seine Gier nicht zähmen und gibt den Revolutionären durch das Gitterfenster Handzeichen, das Schloss zu stürmen. Er schiebt die Königin einfach beiseite, öffnet das Schlosstor und der aufgebrachte Mob strömt durch das Portal.
Als die Hofdamen den König in seiner Kammer finden, bangen sie um dessen körperliche Unversehrtheit, denn die Revolte hat es hauptsächlich auf sein Leben abgesehen. Sie ziehen ihm geschwind das Narrenkostüm an und hoffen, dass er sich so aus der Burg stehlen kann. Der Narr hingegen schämt sich seiner Entgleisung und der Untreue zu seinem Herrn. Er sucht peinlich berührt das Weite. Das Schloss wird auf den Kopf gestellt und die Königin zum Teufel gejagt. Ihre Flucht wird in einem Zwischenspiel illustriert.
In einem Wäldchen, kommt die Königin zum Stillstand, denn die Puste ist ihr ausgegangen und sie hofft, ihre Verfolger abgehängt zu haben. Doch der Rebell ist ihr auf den Fersen. Er plant, die Königin auf der zu Stelle töten, doch kann er der Krone und ihrem Liebreiz nicht widerstehen. Sein Blutdurst wandelt sich in Begierde und die beiden stürzen sich ins Gebüsch, wo die Königin, zum allergrößten Erstaunen ihres Verfolgers wie einst Daphne in einen Baum verwandelt wird. Dem Zugriff des Wüterichs ist sie nun entzogen, und der Spaß, der nicht einmal angefangen, ist schon zu Ende. In der Ferne hört man das Volk Revolutionslieder singen. Sie suchen im Mondschein nach ihrem Führer, der in den Wald geflohen ist.
Der König irrt ebenfalls im Narrenkostüm umher. Er fühlt sich ausgelaugt und hält eine Flucht für sinnlos. Er lässt sich nieder und zwei arg betrunkene Revolutionäre kommen herbei und singen eine Ballade über Königsmord. Dem nicht erkannten Monarchen bieten sie einen Schluck Branntwein an und horchen ihn nach dem geflüchteten Regenten aus. Der König ist denkbar nervös und die Tölpel interpretieren seine unsicheren Antworten als Zeichen, dass der Fremde weiß, wo sich der ehemalige Regent sich versteckt hält.
Der Narr beobachtet die komische Szenerie hinter einem Baum. Sie intensiviert sich noch, als der König, seines Lebens müde, sich als Herrscher zu erkennen gibt, um sich zu opfern, was die Revolutionäre lediglich als Scherz auffassen. Sie klopfen ihm wohlwollend auf die Schulter und torkeln weiter. Die deprimierte Hoheit plant daraufhin, sich an einem Ast selbst aufzuknüpfen. Majestät sucht sich just den Baum aus, der einst seine Frau Gemahlin war. Grade will er seinen Freitod vorbereiten, da spricht die Stimme der Angetrauten aus dem Baum und erklärt, dass man sie mit einer neuen Aufgabe betraut habe. Extreme Bosheit hatten die Schicksalsmächte ihr zur Last gelegt und sie in eine andere Existenz verwandelt. Als geläutertes Wesen soll sie ihrem Gatten nun dessen wahres Königreich vorführen.
Sie ersucht ihn, doch öfter in der Natur zu verweilen, um den Wert der göttlichen Schöpfung zu erkennen. Jetzt fällt dem vergesslichen König auch die Lösung des Rätsels ein, welches der Narr ihm einst stellte. Es ist das Auge eines Tieres, in dem er lesen und Weisheit schöpfen soll. Diese Erkenntnis beflügelt den König, sein Narrenkostüm abzustreifen, sich an einen Baum zu lehnen bis er entschlummert. Der Narr kommt hervor, schlüpft wieder in sein Kostüm, nimmt die Krone aus den Ästen des Baumes und setzt sie dem schlafenden König auf das Haupt.
„Nur im Schlaf kehren Menschenkinder zur Heimat zurück.“
Der Vorhang will sich schließen, doch der Narr lugt noch einmal kurz hervor, um das Publikum aufzuklären: Bitte alles nicht so ernst nehmen! Es ist alles nur ein Märchen und soll etwas zum Nachdenken anregen.
© 2011 Raphael Lübbers