Schöne Oper - gern gesehen
Eugen d'Albert [1864-1932]
Die toten Augen
Drama in einem Akt mit einem Vor- und einem Nachspiel
deutsch gesungen
Libretto von Hanna Heinz Ewers
nach dem Drame 'Les yeux morts' von Marc Henry
Uraufführung am 5. März 1916 an der Dresdner Hofoper
unter dem Dirigenten Fritz Reiner
Charaktere:
Arcesius – Römischer Gesandter in Jerusalem (Bariton)
Myrtocle – Seine schöne, aber blinde Frau, eine Korintherin (Sopran)
Aurelius Galba – Ein römischer Hauptmann, ein Freund des Arcesius (Tenor)
Arsinoe – Myrtocles Sklavin (Sopran)
Ktesiphar – Ein ägyptischer Quacksalber
Jesus von Nazareth
Maria Magdalena
Die Frauen am Brunnen: Rebecca, Ruth, Esther, Sara
Volk und Sklaven.
INHALTSANGABE
VORSPIEL
An einem Sommerabend kehren die Schnitter von der Ernte zurück. Ein Hirte macht einem der Schnitter, der sich von den übrigen abgesetzt hat, das Angebot, neben ihm am Feuer zu rasten. Der Schnitter erzählt, ihn treibe eine Sehnsucht in die Einsamkeit. Der Hirte kann den Schnitter nicht verstehen, denn er ist zufrieden mit seinem Leben. Der Hirtenknabe nähert sich mit der Schafherde und berichtet, dass eines der Lämmer fehle. Der Hirte steht sofort auf, um das verlorene Lamm zu suchen. Auf das Geld und das Essen, welches der Schnitter ihm freundlicherweise als Ausgleich für das verlorene Lamm anbietet, damit er ihm für den Rest des Abends Gesellschaft leiste, verzichtet er.
HANDLUNG
An einem Brunnen plaudern Frauen und Mädchen von der bevorstehenden Ankunft des Propheten Jesus von Nazareth. In einem Haus, nahe dem Brunnen, wohnen der römische Gesandte Arcesius und seine schöne, blinde Frau Myrtocle. Die Dienerin Arsinoe kommt vorbei und Ruth, eine der Mägde am Brunnen, macht sie auf den wunderwirkenden Jesus aufmerksam. Es treten Arcesius und die von ihm geführte Myrtocle aus dem Haus. Die Blinde wünscht sich nichts sehnlicher, als einmal die Welt und ihren lieben Mann, den sie sich als sehr stattlich vorstellt, zu erblicken. Arcesius, der mit dem Attribut einer ebenmäßigen Gestalt nicht dienen kann, nimmt den Wunsch seiner Gattin mit gelindem Schrecken entgegen. Myrtocle sinnt darüber nach, wie ihr Gatte sie in Korinth als armes Mädchen zu sich nahm und ihr die Geschichte von 'Amor und Psyche 'erzählte: Dem Mädchen war es nicht erlaubt, den Liebsten zu sehen. Als sie eines Nachts eine Öllampe anzündet, um ihn zu erblicken, entschwand Amor für immer.
Der römische Hauptmann Galba tritt auf, um Arcenius zu einer Versammlung zu begleiten, die Pontius Pilatus einberufen hat. Es geht um Sicherheitsmaßnahmen zu Gunsten des Propheten aus Nazareth, der zum Volk sprechen will, von der jüdischen Priesterschaft aber als Ketzer angesehen wird. Arcenius nimmt von seiner Gattin liebevoll Abschied und entschwindet mit Galba.
Ktesiphar tritt auf, um Myrtocle zum wiederholen Mal ein Wundermittel zur Wiederherstellung ihres Augenlichts zu verkaufen. Die Angesprochene ist misstrauisch, will dem ägyptischen Quacksalber aber eine Chance nicht verweigern. Doch muss der Anbieter sich zur Verfügung halten, bis das Mittel gewirkt hat. Bei nachgewiesener Untauglichkeit würde er selbst geblendet werden - Myrtocle verweist auf die Machtposition ihres Gatten. Verängstigt verdrückt sich Ktesiphar und gibt an, das Mittel zuvor an einem blinden Hund ausprobieren zu wollen. Myrtocle resigniert, Heilung verspricht sie sich von niemandem mehr.
Arsinoe tritt zu ihrer Herrin und berichtet vom Einzug des Wunder wirkenden Nazareners. In unmittelbarer Nähe des Hauses des römischen Gesandten versammelt sich das Volk, um der Wunder des reisenden Propheten teilhaftig zu werden. Als Griechin missachtet, versperrt das Volk der Hilfesuchenden den Weg zu ihrem Erlöser. In der Erwartung magischer Zauberkunststücke ist der Mob einer Massenhysterie erlegen. Maria-Magdalena belehrt die Menge, dass Jesus zu allen Menschen gekommen sei und sich wie ein Hirte über jedes verlorene und wiedergefundene Schaf freue. Zur Situation von Myrtocle passt der Vergleich zwar nicht, aber sie erreicht durch ihr intensives Flehen, dass ihr - von Maria-Magdalena zu Jesus geführt - durch Handauflegen das Augenlicht wieder gegeben wird.
Nicht immer ist es für den Menschen gut, auch zu bekommen, was er sich wünscht. Traurig klingt die Stimme des Meisters als er dem Mädchen, welches sich überschwänglich für seine Heilung bedankt, weissagt, dass es noch vor Sonnenuntergang seinem Namen fluchen werde.
Myrtocle ist überglücklich, sehen zu können und lässt sich einen Spiegel bringen, um sich optisch wahrzunehmen. Sie geht ins Haus, um sich für die Ankunft des Gatten herzurichten. Arcesius und Galba sind zurückgekehrt. Der Hauptmann hat um seine Versetzung in eine andere Provinz gebeten. Als Grund für seinen Abschied nennt er die leidenschaftlichen Gefühle, die er für seine schöne Gattin hege. Arsinoe erscheint und berichtet dem schockierten Arcesius von den Geschehnissen während seiner Abwesenheit.
Als Myrtocle zwischen den Säulen des Innenhofes erscheint, versteckt Arcesius sich erschrocken hinter dem Springbrunnen, um sein unansehnliches Äußeres nicht sogleich präsentieren zu müssen. Myrtocle erblickt den stattlichen Galba und hält diesen für ihren Gatten. Erfreut eilt sie auf ihn zu, um ihn leidenschaftlich zu umarmen. Der Hauptmann kann sich nicht zurückhalten und erwidert die Zärtlichkeit der von ihm geliebten Frau durch einen Kuss. Für Arscesius ist die Szene zu viel, stürzt aus seinem Versteck hervor und umklammert mit seinen gewaltigen Pranken den Hals des Nebenbuhlers. Myrtocle kann die Szene nicht einordnen, schaut den Täter schockiert an und stößt einen Schrei aus. Von ihrer Dienerin wird ihr Aufklärung zuteil, während der Mörder die Flucht ergreift.
Myrtocle erinnert sich an die letzten Worte des Propheten und verflucht den Mann, der ihr Glück zerstört hat. "Verzichte auf das eigene Glück, um das des nächsten zu retten" Den Inhalt der Worte setzt sie in die Tat um. Mit weit geöffneten Pupillen schaut sie ins gleißende Sonnenlicht, um das Augenlicht sogleich wieder zu verlieren. Sie verrät die Mordtat ihres Mannes nicht. Den Ermittlungsbehörden erklärt sie, Niemanden gesehen zu haben. Arcenius kommt zurück und still und glücklich verbringt Myrtocle den Rest des Lebens an seiner Seite.
NACHSPIEL
Während des orchestralen Finales kommt der Hirte das verlorene Lamm auf den Schultern, zurück. Er rezitiert die Bibelworte "Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schäflein gefunden, das verloren war."
© September 2009 - Raphael Lübbers