musirony - Boris Goudenow
 

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Schöne Oper - selten gehört


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Johann Mattheson [1681-1764]

Boris Goudenow

oder

Der durch Verschlagenheit erlangte Thron 


Musikalisches Drama

Poesie und Musik vom Komponisten

im Deutsch der Barockzeit mit italienischsprachigen Einschüben

                                               

Komponiert in Hamburg 1710

 

Konzertante Uraufführung am 29. Januar 2005 in Hamburg, Szenische Uraufführung am 18. Juni 2005 in Boston,

Erste szenische Aufführung im St. Pauli-Theater in Hamburg am 30.08.2007.

 

*

 

Charaktere:

Theodorus Ivanowitz
(Bassbariton),  Großfürst (Zar) von Moskau

Boris Goudenow (Bass),  Statthalter, Schwager des Großfürsten

Irina (Sopran),  Gemahlin des Großfürsten, Schwester des Boris

Axinia (Sopran),  Tochter des Boris

Gavust (Tenor),  ausländischer Prinz, bekommt Axinia

Fedro (Bassbariton),  ein Bojar, verliebt in Irina

Josennah (Tenor),  ausländischer Prinz, geht als Bösewicht leer aus

Ivan (Tenor),  ein Bojar, geliebt von Olga

Olga (Sopran),  russische Fürstin

Bodga (Tenor-Buffo),  Diener von Boris Goudenow

Und weitere

Moskau im 16. Jahrhundert

 



 

INHALTSANGABE.

OUVERTÜRE.

Erste Handlung:

 

1                     

Im Thronsaal des Kreml hat der Hof sich versammelt. Irina, Gemahlin des Großfürsten, schwärmt von hochbeglückten Zeiten, in welcher Liebe und Einigkeit den weisen Rat begleiten. Spaltung, Trennung und Eigennutz wird als Kontrast holde Eintracht entgegengesetzt. Theodorus bringt einen Vergleich aus der Antike: Wenn der Riese Atlas unter seiner gewaltigen Bürde zu ermüden droht und seine Schultern, auf der die Last der Welt ruht, sich krümmen, kommt Herkules und bietet ihm seine freundschaftliche Hand und trägt statt seiner das schwere Gewicht. Der Uneigennützige hilft das Ruder lenken, damit der andere sich erholen kann.

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Theodorus findet sich bereits in vorgerücktem Alter. Deshalb muss der matte Geist an eine Stütze denken. Er hat nun den Entschluss gefasst, den Fürsten Boris vorzuschlagen, Statthalter in Moskau zu sein und hofft zuversichtlich, dass man seine Wahl gutheißen wird. Die Bojaren Fedro und Ivan stimmen untertänig zu und meinen, dass der Vorschlag eigentlich jedermann behagen muss. Der Operchor, der sein Fähnchen immer nach dem Winde hängt, bemerkt, dass alle vergnügt sind. Theodorus ist erleichtert. Den Stab als Zeichen seiner Ehren wird er Boris jetzt gewähren. Boris liegt dem Großfürsten zu Füßen und bekennt, dass er niemals in der Lage sein werde, die unverdiente Huld gebührend zu preisen und hat das Bedürfnis, die freigiebigen Hände küssen. Zu den umstehenden Fürsten sagt Boris noch, dass Bosheit und Schuld nimmermehr aus seinem Herzen kommen werden. Der Großfürst lobt die Kompetenz der Person seiner Wahl und verspricht sich durch seinen Beistand, den Sorgen des Regierens enthoben zu sein.

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Eintracht hat Grenzen und die Freundlichkeit ist nur aufgesetzt, denn Steine, welche die Krone zieren, decken nur den innerlichen Brand. Hände, die das Zepter führen, halten ein gefährliches Pfand. Perlen bringen Tränen und Gold und Seide verhüllt viel verborgenes Leid. Wer am Purpur Gefallen findet, läuft Gefahr, sein klares Denken einzubüßen und wer hoch hinaus will, kann tief stürzen.

 

SZENENWECHSEL

.

2

Unter dem Vorwand, sie zur Beförderung ihres Bruders beglückwünschen zu wollen, hat Fedro sich in den Gemächern der Zarin eingefunden, in die er heimlich verliebt ist. Er weiß aber, dass er sich zu beherrschen hat. Die verbotene Glut soll sich verbergen und das Auge das Objekt seiner Liebe meiden. Mit der Seele darf die Liebe sich vergnügen und sie zur Wohnung wählen bis der Leib im Sarge liegt. Weshalb sieht Fedro so traurig aus, wenn er sie aus einem freudigen Anlass besuchen kommt? Die Ehrerbietung hält seinen Mut zurück. Deshalb muss man doch nicht seufzen! Ach verzeiht! Was soll Irina verzeihen? Er soll sprechen. Lieber würde Fedro sterben. Irina forscht weiter und möchte das Geheimnis erraten. Doch wenn er sich nicht äußern will, hat sie keinen Anhaltspunkt. Auch die geringsten seiner Taten beleidigten nicht der Fürstin Ehre. Wenn Bescheidenheit ihn regiert, wird er der Fürstin Gnade nie verlieren. Eine Weisheit gibt sie ihm mit auf den Weg:

.

Die Neigung widerspricht

sehr oft der schuldigen Pflicht.

Will jene dich verleiten

zu deinem eigenen Hohn

muss diese widerstreiten,

dann Ehre wird ihr Lohn.

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Schöne Aussichten für Fedro!

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SZENENWECHSEL

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3

Boris wird es nicht genügen, nur den ehrenvollen Stab zu halten. Empor! So soll sein Wahlspruch lauten. Herrschen bedeutet doppelte Lust. Der Geist kann sich hervortun. Wenn der Vorsatz eisern ist, kann die wohlerlaubte List auch ihren Weg finden. Diese sollte so beschaffen sein, dass Reich und Staat den größten Vorteil daraus ziehen können.

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Dem verehrten Gavust ist nicht unbewusst, dass ein wertvoller Preis ihm gehören wird, wenn Boris ihm trauen kann. Ein Fünkchen Zweifel hat der fremde Prinz schon, ob er den Lohn auch tatsächlich bekommen wird. Doch die löbliche Absicht des Prinzen dürfte ihm wohl bekannt sein.

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Nun werden Ränke geschmiedet. Beteiligt sind Boris, Ivan, Irina, Fedro und Gavust. Die Intrigen sind allerdings so fein gesponnen und das Libretto so verzwickt, dass es dem Zuhörenden unmöglich ist, sich auf die Andeutungen der Darsteller einen Reim zu machen. Von dem Bojaren Ivan fällt der Spruch: Fällt der Baum nicht von den ersten Streichen, so ist noch nichts verloren, vielleicht wird er von den nächsten weichen. Irina fordert Fedro auf, nachzuforschen, wo der Gemahl sich befinden mag, ob er in seinem Schlafgemach ist und wer um und bei ihm sei. Fedro und Gavust sind erfreut, der Zarin zu Diensten sein zu können und bieten ihre unverfälschte Treue an. Gavust wird von Boris aufgefordert, sich zu bequemen, den Prinzen Josennah auszufragen. Was er erkunden soll bleibt vage. Boris sagt zu Ivan, dass der Vorschlag wohl gelingen wird, aber man soll keine Zeit verlieren. Um welchen Vorschlag es geht, erfährt der Zuhörer nicht. Fedro kommt mit einer Neuigkeit zurück. Nachdem der Zar den Kronrat verlassen hat, verspürte er heftiges Seitenstechen. Die Ärzte seien bei ihm. Welch unverhoffter Streich. Irina und Boris eilen zum Krankenbett. Fedro folgt ihnen. Iwan verlautbart: Mein Gang ist zu dem Patriarchen. Bogda quittiert: Erweckt mich denn mein eigenes Schnarchen.

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Bodga ist der Diener von Boris, liebt seine Ruhe und philosophiert über den Lauf der Welt. Gavust sagt ihm, dass der Zar krank ist und sein Herr zu ihm gegangen sei. Hierüber ist er ungehalten und weiß dem Zaren keinen Dank, dass dieser zu einer ihm ungelegenen Zeit unpässlich wird. Es raubt ihm die Ruhe. Mattheson hat eine schöne Buffo-Arie für den Komiker komponiert:

.

Seht, wie sich die Leute plagen,

weil sie wollen Kronen tragen,

da wird keines Schlafs gedacht,

bis das Ding zurecht gemacht.

Und indessen muss ihr Leben

immerdar in Unruh schweben.

Nein, es will ihm nicht gefallen,

Ruh und Schlaf liebt er vor allem,

wo ein süßer Traum vergnügt,

wo man ohne Sorgen liegt,

wo ihn Thron und Krone laben,

die man kann im Bette haben.

.

4

Die Fürstin Olga und die beiden Prinzen Gavust und Josennah äußern sich zum Phänomen der Liebe. Wer die geliebten Augen sieht, verlangt dem Herzen nah zu sein. Wer das geliebte Licht nicht sieht, verlangt demselben auch nah zu sein. Der Anblick wünscht, die Seele zu besitzen. Josennah meint, dass Liebe nichts nützt, wenn sie keinen Vorteil bringt. Gavust setzt dagegen, dass die Absicht nicht gemein sein sollte. Olga stellt richtig:

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Im Lieben sieht ein zartes Herz

Auf nichts als bloße Liebe.

Wer diese Absicht ganz vergisst,

dem Liebe nur ein Vorwand ist,

verdient nicht ihre Triebe.

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5-7

Jetzt haben die beiden Prinzen es auf die Tochter von Boris abgesehen. Von Übermut und Falschheit, von Erquickung und Herzenspein ist die Rede. Wenn der deutsche Wortschatz versagt, wird das Italienische zur Hilfe genommen. Axinia spricht von der Eifersucht tödlichem Schmerz. Die Dialoge haben allgemein wenig Substanz und bringen die Handlung nicht weiter.

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8

Ivan erzählt Boris, dass die Krankheit des Zaren überhand nimmt. Die Ärzte stimmen überein, dass seines Lebens Ziel nicht mehr weit sein kann. Dann muss  man für das Vaterland sorgen. Es entscheidet sich des Reiches Fall und Glück, orakelt der Chor. Ihm entgegnet Boris: Das letzte ist das schwerste Stück. Ivan ist das egal. Geht gleich das ganze Reich zu Trümmern und flieht ihn Olga stetiglich, kann doch sein liebend Herze sich – so lang es schlägt – um nichts als sie alleine kümmern. Unmöglich kann er seinen Abgott vergessen, weil das Herz es nicht zulässt. Wohin er seine Augen wendet, er sieht nur Olga! Wohin er seine Schritte lenkt, sie führen zu Olga.

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SZENENWECHSEL

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9

Im Finale des ersten Aktes haben sich alle im Schlafzimmer von Theodorus versammelt. Dieser ist im Begriff, hinüberzudämmern. In der Hand des Schöpfers steht das Leben des Sterblichen, der das Himmelsrund bestirnte und will, dass es sich bewegt und nicht untergeht. Krone und Zepter erfreuen den Todkranken nicht mehr, weil die große Mattigkeit über ihn gekommen ist. Bei dem jammervollen Gesundheitszustand sollte den Anwesenden ein kleiner Trost zuteil werden. Könnte Majestät nicht einem aus ihren Reihen hoch beglücken und ihm das Zepter geben, damit er sich nach seinem Tod auf den Thron setzen kann. Theodorus will seinem ermordeten Bruder Demetrius in die Ewigkeit nachfolgen, andere Wünsche hat er nicht mehr. Wenn Ivan das Zepter nicht haben will, soll es Fedro nehmen. Wenn dieser das Ding auch nicht haben will, kann es sich nehmen wer will. Theodorus nimmt den lästigen Gegenstand und wirft ihn auf die Erde. Boris entrüstet sich: Wovor sich alle Untertanen biegen, soll das also Verworfne liegen. Alle üben sich in falscher Bescheidenheit und das Zepter liegt am Boden. Man ist sich nicht schlüssig, ob man über den Tod des Zaren lachen oder weinen soll. Es könnte allerdings sein, dass Irina das Ableben des Gatten schmerzt, urteilt Fedro. Deshalb schickt es sich nicht, gierig nach dem Zepter zu greifen, doch heimliches Hoffen eilt zum künftigen Vergnügen. Die Zeit wird alle Bedenken besiegen.

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Zweite Handlung:

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10

Wenn man mit der Sprache nicht unmittelbar herauskommen will, kann man erst einmal die Sonne besingen. Die anwesenden sind der Ansicht, dass die Sonne deshalb ihr Licht verbirgt, weil sie sich den allgemeinen Klagen um den toten Zaren anschließt. Sie verschwindet und sucht finstere Grüfte auf, während der Donner rollt und Blitze durch die Lüfte zucken. Aber nach der Nacht lacht wieder ein neuer Morgen und von neuem glänzt der Tag.

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11

Entgegenkommend hat Boris das Zepter aufgenommen, doch er ist bereit, es wieder an den Platz zurückzulegen, von dem er es an sich herangezogen hat, wenn jemand daran Anstoß nimmt. Eigentlich hat er sich vorgenommen, sich vom Hofleben zurückzuziehen und sich ins nächste Kloster zu begeben, um dort den Rest seiner Tage in Frieden und Andacht zu beschließen. Irina hofft, dass man ihr die Freiheit lässt, mit dem Bruder das gleiche Glück zu genießen. Boris hofft, dass derjenige erwählt wird, der für die Regierungsgeschäfte am besten geeignet ist.

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SZENENWECHSEL

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12

Josennah rechnet sich für die Zeit nach Boris eine Chance aus. Wenn fürstliches Ansehen und hohes Gemüt der Neigung lacht, die man Liebe nennt, zeigt Amor manchmal den Weg zum Glück. Wenn es ihm gelingt, Axinia wieder einzufangen, könnte ein Kind den Weg zum Thron bahnen.

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Er fragt bei Bodga an, ob er nicht sein Diener werden will, verhält sich aber dermaßen arrogant, dass dieser ablehnt. Der Prinz denkt, dass Bodga die Einsamkeit des Klosters missfallen könnte. Im Gegenteil, es gibt dort nichts zu schaffen und er kann bis Mittag schlafen. Nun, wenn er den Müßiggang liebt und ihm vor der Arbeit graut, ist es gut für seine Haut, sich ins Kloster zu begeben. Süß ist des Klosters Ruh, faule Leute zu ernähren, die sich um die Welt nicht scheren. Frisst er gerne Leckerbissen, trinkt er gern den besten Wein, er wird deren nicht vermissen, kehrt er bei den Mönchen ein. Süß bist du, Kloster Ruh, denn vom Schmausen kann man rasten in den fischereichen Fasten. Will er schöne Mädchen haben, kitzelt ihn der Venus Lust, die nicht jedermann bewusst. Hier kann er sich heimlich laben. Süß bist du, Kloster Ruh. Niemand wird so leicht erfahren, wenn sich hier die Buhlen paaren. Solche Vorstellung hat der landfremde Josennah.

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SZENENWECHSEL

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13

Olga ist es unmöglich, ein Herz zu haben und nicht zu lieben. Eine unbestimmte Munterkeit hat sie erfasst, die sie zwingt, zu seufzen. Ivan wäre ihr Wunschpartner. Anzubieten hat sie Glück und Liebe. Zu Diensten stehen ihr Freunde Geld und Macht um durch ihr Getriebe, gemeint sind wohl Intrigen, ihm den Thron zu schenken. Ihre vornehme Herkunft hat andere Anwärter bisher verachtet, doch sein königliches Wesen hat sie vor den übrigen stets geehrt und in seinen Augen kann sie sattsam lesen, nur er allein sei dieses Bündnis wert. Ivan antwortet, dass wundersame Triebe den Wohlstand vergessen lassen, wenn man ein Anerbieten akzeptiert, welches gefährlich ist. Prinz Josennah, der im Handlungsablauf der Oper den Bösewicht verkörpert, kann sich noch zu nichts entschließen, bevor Axinia keine feste Zusage erteilt hat. Jedenfalls wird es vorteilhaft sein, mit Schmeichelei nicht zu sparen, um Olga auf seine Seite zu ziehen. Die Umworbene zeigt sich wohlgefällig und alles wird ins Werk gestellt, was Josennah wohlgefällt. Doch Ivan will ihm sein Lustschloss zerstören. Nur zum Schein weist der Prinz die Ambitionen der Prinzessin zurück: Ach Olga du betrügst dich, es ist Axinia, die um ihn seufzt. Anmutig ist sie, lieb und schön, aber sie sei nicht diejenige, die ihm das Herz geraubt habe. Goldenes Haar hat sie, dazu rubinrote Lippen, aber die Person wonach er seufzt, hat ein anderes Gesicht.

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SZENENWECHSEL

.

14

Jetzt sind Axinia und Ivan zusammen. Wer ihm nicht sein Leben nimmt und wer ihm nicht das Herz raubt, der kann ihm auch nicht sein Liebstes aus dem Busen reißen. Tiefeingeprägt von Amors Hand trägt er dort das angenehme und holde Antlitz seines Gegenüber. Darf sein treuer Mund der Durchläuchtigsten beschreiben, welche Beschwernisse dem Reich drohen, weil Josennah mit Olgas Beistand sich nicht scheut, sich an sie heranzumachen, dass ihm die Krone aufgesetzt werde. Nun glaubt er zwar von Axinia, dass ihr Herz den Betrüger hassen wird, da ihr seine Falschheit bekannt sein dürfte. An ihn selbst traut der übermütige Fremdling sich nicht heran, weil er ihn mit dem kalten Stahl in seine Schranken weisen würde. Axinia stellt sich auf Ivans Seite und wird bemüht sein, die Anschläge des Fremdlings zunichte zu machen.

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SZENENWECHSEL

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15-16

Gavust buhlt auch um Axinia und spricht von dem Pfeil Amors, der sein Herz verwundet hat. Josennah wird ihm keinen Kummer machen, vielmehr wird er seiner Torheit lachen. Er soll überlegen, was zu tun ist. Tatsächlich versuche der Fremdling sich über Olga an die Krone heranzumachen. Nimmer wird Gavust ruhen, aber zunächst muss er den Schimpf in allen Einzelheiten erkundet haben. Die Fürstin hat es nicht verdient, von dem fremden Prinzen mit Unarten bedacht zu werden. Verliebten Weihrauch will er streuen, den Lasterhaften wird es gereuen. Will sich die Liebe rächen, benutzt sie den Verstand, der stärkste Widerstand muss biegen oder brechen.

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SZENENWECHSEL

.

 

17-18

Es darf nicht sein, dass der Titelheld überhaupt nicht mehr zu Wort kommt. Im Intrigieren ist er genau so geübt wie Josennah. Wer vergnügt herrschen will, muss Verstellung üben. Selten wird ihm das gewährt, was er auf das Heftigste begehrt, oftmals aber angetragen, was zum Schein er hat abgeschlagen. Was er sich heimlich wünscht, muss er vor sich herschieben. Irina meint, dass des Hofes Pracht dem Klosterleben vorzuziehen sei, doch um glaubwürdig zu bleiben, ist es hin und wieder notwendig, Unbequemes in Kauf zu nehmen. Irina tut sehr tugendhaft. Um ein Vergnügen zu verfolgen, würde sie niemals gegen die Ehre verstoßen. Es sei besser, der Leidenschaft zu entsagen, als den Gesetzen der Pflicht nicht zu gehorchen, selbst wenn diese hart und streng ist. Bodga hat auch ein paar dumme Bemerkungen beizusteuern.

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SZENENWECHSEL

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19-21

Nun kommt die Szene mit welcher der Mussorgski-Boris beginnt. Boris will flehentlich gebeten sein, die Zarenkrone anzunehmen und hat sich in einem Kloster verschanzt. Schau Boris uns in Gnaden an, erhöre unser Weinen! Das Reich ist allen Jammers voll. Ganz Russland ist im Waisenstand, hält Boris dem Volk sich abgewandt. Er soll das Zepter in die Hand nehmen und Hilfe erscheinen lassen. Bodga steht am Fenster und schimpft. Was haben diese Affen die Kostermauern anzugaffen. Sie sollen verschwinden und seinen Kopf nicht toll machen. Irina hat noch eine kleine Auseinandersetzung mit Fedro. Seine Liebesschwüre soll er sich für später aufheben – sie hat dafür jetzt keine Zeit.

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22-23

Endlich ist es soweit. Ivan trägt auf einem Purpurpolster Krone und Zepter, um diese Utensilien Boris anzubieten. Jedermann sei bereit, dass Oberhaupt fußfällig zu verehren. Ivan sieht sich als des Reiches Knecht und Boris soll die Worte seines Knechtes hören. Des Reiches Rat lässt ihm als Zeichen seiner Macht als Zar von Moskau Krone und Zepter übermitteln und hofft zuversichtlich, dass er  das Amt in seiner Majestät annimmt, das die Gnade des Himmels ihm anträgt. Ein merkwürdiges Zeremoniell.

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Nun trägt auch Irina vor, was sie auswendig gelernt hat. Der Bruder und Fürst soll erwägen, was er Volk und Vaterland schuldig sei. Er soll tun, was das Volk begehrt und zuhören, wie die Kinder flehen, weil er ihr Trost und Retter ist. In ihrer Eigenschaft als Fürstin schließt Irina sich den Bitten des Volkes an. Wie könnte es anders sein, Boris lässt sich überreden!

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BALLETTEINLAGE: MENUETT DER KINDER

Dritte Handlung

24-25

Gavust und Josennah geraten miteinander in Streit. Es kommt zu Tätlichkeiten, bei denen Josennah unterliegt. Sein Leben wird ihm geschenkt, aber er muss versprechen, an Axinia nicht mehr zu denken und Moskau verlassen. Sonst würde es ihm übel ergehen. Er schwört alles, um sein Leben zu erhalten, doch wird die Schande noch sein Herz zerspalten. Gavust erläutert: Es muss das Unrecht unten liegen und Großmut über Falschheit siegen. Nun hat Ivan bei Olga freie Bahn: Der lasterhafte Prinz ist nun verbanntund seine Treue jetzt erkannt. Olga soll daran denken, dass im Paradies niemals grausamer Stolz herrschen darf.

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26-27

Die Herren umwerben die Dame, die gerade in Reichweite ist. Die Dame empfindet Liebesschmerzen, der Opernbesucher kann aber nicht ausmachen, wer der Favorit ist. Das Chaos ist vollständig, Zustände wie in Persepolis. Irina tönt: Ein unbekanntes Leiden verhindert alle Freuden, die ihr der Sinn verspricht. Der Mund lässt Seufzer fahren, Schmerz will sich mit Liebe paaren. Die Ursache kennt sie nicht. Fedro ist immer noch hinter ihr her. Sie ist grausam, doch betet er die Flamme seines Herzens an. Amor will, dass er dieses Feuer ewig empfinden soll. Es quält ihn in tyrannischer schändlicher Strenge.

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SZENENWECHSEL

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28

Bodga äußerst sich über seinen Herrn recht abfällig. Boris tut so, als ob er wieder ins Kloster gehen möchte. Lauft hin und seht wie man ihn schmiert, wie er sich ziert und wie man mit ihm triumphiert! Bogda mag gar nicht mehr hinschauen. Seine Philosophie lautet, dass er zwei Dinge immer hassen wird, sie heißen Krone und Weib. Beim Lieben leidet man Hungerstod, aber kein König schlief sich je zu tod. Sein delikater Leib kann Schmaus und Schlaf nicht lassen, drum wird er Weib und Krone stetig hassen. Der Hofdienst trägt viel Mühen ein, da muss man stets zu Diensten sein und Müßiggang und Zeitvertreib will dazu nimmer passen. Ein Ding nur will er lieben, das heißt Bequemlichkeit. So dir ein guter Braten schmeckt und dich ein warmes Bett bedeckt, magst du dich in Zufriedenheit im Nichtstun fleißig üben.

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SZENENWECHSEL

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29

Endlich kommt es zur Krönungsszene. Der Chor darf sie eröffnen und erläutert. Glückliche Völker, hier blüht euer Vergnügen. Die Klugheit nimmt das Zepter an. Boris muss leben, um zu herrschen und zu siegen. Alle sind ihm untertan. Axinia und Gavust ertönen im Duett. Kummer verkehrt sich in Lachen und Spiel. Unruh und Zweifel hat nunmehr ein Ziel, weil man Großmut und Tugend erkannt hat. Olga und Ivan möchten mit Lob nicht zurückstehen. Das gloriewürdige mächtige Haupt sei immer mit Lorbeer und Palmen belaubt. Die Feinde sollen stürzen. Jetzt ist Boris an der Reihe. Tolle Sprüche hat er drauf. Die ihm vertraute Macht ist groß und das Amt schwer. Fleiß wird seine Sorgen begleiten. Gelinde will er regieren und in den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit soll kein Blut fließen. Seine Güte willigt ein, dass Missetat nur noch mit Verhaftung und nicht mehr mit dem Tod bestraft werden soll. Um Liebe und Macht noch besser darzulegen, lässt er schöne Münzen prägen und unters Volk mit voller Hand ausstreuen, dass sich ein jeder seiner Gunst erfreuen möge. Am beglücktesten wird er herrschen, wenn er Siegeslorbeeren heimbringen kann. Diese Augenblicke werden ihm ein Lächeln abnötigen.

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Der Opernbesucher lächelt auch. Mit der Krönungsszene hätte Mattheson die Oper ausklingen lassen können. Die Paare sind mit Liebesgeplänkel und Intrigenspiel aber noch nicht fertig. Da es zu nichts führt und nur noch leeres Stroh gedroschen wird, soll die Beschreibung der Boris-Oper mit der Thronrede des Boris Goudenow abgeschlossen sein.

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Anmerkung

Es wird überraschen, dass es vor Mussorgski in der Barockzeit schon einmal eine Oper Boris Goudenow gab.  Allerdings hatte sie das Pech, niemals aufgeführt worden zu sein. Offenbar hat der Komponist das Werk aus politischen Erwägungen zurückgezogen. Zwischen West und Ost bahnten sich über die Ostsee Handelsbeziehungen an und den Handelpartner wollte man nicht verprellen.

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Nun, die Partitur ging zunächst verloren, wurde aber wieder aufgefunden. Konzertante Uraufführung im Jahre 2005 in Hamburg, der Geburtsstadt des Komponisten und opulente szenische Aufführung in Boston noch im gleichen Jahr. Unter musikgeschichtlichen Aspekten ist eine Wiederbelebung zu begrüßen und die Original-Partitur ein wertvolles Dokument.

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***

musirony 2007 – Engelbert Hellen

 


 

Unverbindliche Empfehlung: Die CD mit 3 Scheibchen und vollständigem Libretto befindet sich im Vertrieb der Jacobi-Kirche Hamburg. Dezente angenehme Gestaltung der Textbeilage, Preis z..Zt. 29,90 Euro, Live-Mitschnitt der Uraufführung. Vorzügliche Besetzung, Cythara Ensemble unter der Leitung von Rudolf Kelber

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