Schöne Oper – selten gehört
i
m Hafen von Yokohama
Hans Werner Henze [geb. 1926]
Gogo no Eiko
Das verratene Meer
Musikdrama in zwei Teilen
Libretto von Hans-Ulrich Treichel nach dem Roman „Gogo no Eiko – Der Seemann, der die See verriet von Yukio Mishima
Uraufführung der Urfassung am 5. Mai 1990 an der Deutschen Oper Berlin in deutscher Sprache,
Uraufführung der Version 2003/5 am 26. August 2006 im großen Festspielhaus zu Salzburg (japanisch gesungen)
Dauer etwa zwei Stunden
Charaktere:
Fusako Kuroda – eine Geschäftsfrau (Sopran)
Ryuji Tsukazaki – ein Seeman, ihr späterer Ehemann (Bariton)
Noboru – ihr Sohn, in der Jugendbande die Nummer 3 (Tenor)
Nummer eins – der Anführer der Jugendbane (Bariton)
Nummer 2 (Altus)
Nummer 4 (Bariton)
Nummer 5 (Bass)
Tondokumentation:
LABEL: ORFEO 2009
Einspielung der Salzburger Festspiele, August 2006,
Orchestra Sinfonica Nazionale della Rai unter Gerd Albrecht,
Gesangssolisten: Mari Midorikawa – Tsuyoshi Mihara – Jun Takahashi und weitere
Yokohama bei Nacht
HANDLUNG
Teil I: SOMMER
Erste Szene:
In der Hafenstadt Yokohama besitzt die schöne junge Witwe Fusako Kuroda eine kleine Modeboutique. Mit ihrem Sohn wohnt sie in einem einstöckigen Häuschen sehr beengt, so dass das Zimmer des 13-Jährigen Wand an Wand an ihr Schlafzimmer grenzt.
Bedauerlicherweise ist Yokohama ein Tummelplatz der Jugendkriminalität geworden. Damit Noboru nicht in schlechte Gesellschaft gerät, schließt sie ihn jeden Abend in seinem Zimmer ein. Die strenge Aufsicht passt dem Halbwüchsigen nicht und er kommt auf abwegige Gedanken. Durch ein verstecktes Guckloch, welches er eingerichtet hat, beobachtet er erregt seine schöne Mutter, wenn sie sich abends entkleidet. Sie ist in den Anblick des Bildes ihres toten Mannes, welches an der Wand hängt, versunken und denkt voller Liebe und Sehnsucht nur an ihn. Deshalb bekommt sie die Indiskretion des neugierigen Sprösslings auch nicht mit.
Für den folgenden Tag hat sie eine kleine Überraschung für ihren kleinen Liebling eingeplant. Im Hafen hat ein malerischer Segler angelegt und sie denkt, dass es dem Sohn Spaß macht, dem Schiff einen Besuch abzustatten.
VERWANDLUNGSMUSIK
Zweite Szene:
Der zweite Offizier führt Mutter und Sohn am nächsten Vormittag durch das Schiff. Während Noboru sich ein wenig umsieht und bei einem Matrosen über Mechanik und Fortbewegung des Schiffes Erkundigungen einzieht, haben die Mutter und der Offizier Gefallen aneinander gefunden. Ryuji wird von Fusako zum Abendessen eingeladen, was dieser nach höflichem Zögern annimmt
VERWANDLUNGSMUSIK
Dritte Szene:
Der Dialog funktioniert und ein paar Tage später verbringen Fusako und Ryuji allein miteinander den Abend in einem Park hoch über dem Meer. Ryuji schwärmt von der unendlichen Weite und Schönheit des Meeres, berichtet aber auch von der gleichförmigen Arbeit und seiner Verantwortung. Aber warum bleibt er nicht an Land und wird sesshaft, wenn ihm seine Arbeit nur bedingt gefällt? Auch wenn es den Anschein hat, dass ihn die Tätigkeit anödet, so zieht es ihn doch immer wieder aufs Meer hinaus.
Beide sind ineinander verliebt und küssen sich.
VERWANDLUNGSMUSIK
Vierte Szene:
Folgerichtig befinden sich die Liebenden zwei Stunden später in Fusakos Wohnung. Noburo findet Gelegenheit, durch das Guckloch den Liebesakt des Seemanns mit seiner Mutter zu beobachten. Die Frau empfindet endlich die Erfüllung ihrer Sehnsucht.
Zwischenspiel
„Tsukazaki, Du gehörst mir!" meldet Fusako ihren Besitzanspruch an und das Meer sei tiefschwarz an seiner dunkelsten Stelle, steuert der Seemann zum Dialog bei. Noboru ist irritiert, ihn interessiert nur noch das Meer und nicht das Liebesgeflüster der beiden.
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Fünfte Szene:
Noboru trifft sich mit seinen Freunden in einer halb verfallenen Lagerhalle am Hafen am Vormittag des nächsten Tages. Er schildert ihnen die Liebesnacht seiner Mutter mit dem Seemann. Der Anführer macht sich lustig. Er sieht in dem Seemann keinen Helden, sondern beschimpft ihn als Zwerg. Man diskutiert über das Leben. Ob man die Mütter oder die Väter bewertet, es gibt nichts Gutes an ihnen. Der Anführer verspottet Noboru, dass es ihm an Härte fehle. Er deutet an, dass er eine Katze besorgen wird, an der er sich beweisen kann.
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Sechste Szene:
Am Spätnachmittag ist Ryuji allein im Park auf dem Hügel. Unter einer Fontäne möchte er sich abkühlen, am liebsten zusammen mit Fusako. Er fühlt sich sicher, dass sie ihn liebt. In drei Tagen läuft sein Schiff aus. Doch diesmal hat er etwas, an das er denken kann.
Noboru und seine Gang kommen durch den Park. Ryuji begrüßt Noboru außerordentlich freundlich. Der Junge fragt ihn, was passiert sei – sein Hemd sei nass. Ach, er hat sich nur am Brunnen ein wenig erfrischt. Noborus Bande beobachtet und verhöhnt den Seemann. Noboru bitten den Angetroffenen, seiner Mutter nichts von dem Zusammentreffen mit seinen Freunden zu berichten. Keine Sorge, er wird nichts erzählen. „Es ist schon spät. Muss er nicht nach Hause?“ „Ja, leider!“
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Siebte Szene:
Ryujis Schiff ist bereit zum Auslaufen. Von Fusako verabschiedet er sich auf den Landungsbrücken. Fünf Monate fährt er nun zur See. Er verspricht zu schreiben. Noboru produziert schlechte Manieren. Der Seemann solle verschwinden - er gehöre dem Meer, bemerkt er zu seiner Mutter.
Achte Szene:
Die Bande trifft sich verabredungsgemäß im Lagerhaus. Als Mutprobe verlangt man von Noboru, dass er eine Katze erschlagen soll. Der Anführer fordert den Jungen auf zu beginnen. Aggression verdrängt die Bedenken. Noboru ergreift kurzerhand die Katze und zerschmettert diese auf einem Holzblock.
Teil II: WINTER
Ein Vorspiel illustriert eine Winterlandschaft im Park am Neujahrsmorgen.
Neunte Szene:
Ryuji ist von seiner Tour zurück. Nie war Fusako glücklicher. Zusammen beobachten sie über dem Meer die untergehende Sonne. Ryuji nutzt die Abendstimmung und macht Fusako einen Heiratsantrag. Aber du gehörst doch dem Meer, wendet sie scherzhaft ein. Ryuji wehrt ab. Heute ist sein glücklichster Tag.
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Zehnte Szene:
Im Lagerhaus im Hafen ist die Bande krimineller Minderjähriger zum geselligen Beisammensein wieder anzutreffen. Sie verspotten die Väter im Allgemeinen. Nur weil sie sich auf die Mütter legen, halten sie sich für Helden. Feiglinge und Schwätzer sind die alle.
Die Bande verspottet den Seemann, der offenbar keine Lust mehr hat, in See zu stechen, weil ihm sein neues Zuhause besser gefällt. In der Tat plant Fusako, ihn in ihrer Modeboutique als Verkäufer zu engagieren. Damit ist Ryuji für Noboru erledigt. Als Seemann hat er ihn vergöttert und jetzt hat er nur noch Verachtung für ihn auf Lager; emotional wendet er sich von ihm ab.
Der Anführer höhnt, ob er wieder einen Helden aus ihm machen soll?
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Elfte Szene:
Ryuji hat sich einen Hausmantel übergeworfen und es sich auf der Couch bequem gemacht. Fusako ist damit beschäftigt, den Tisch für das Abendessen zu decken. Sie bringt ihrem Halbwüchsigen bei, dass sie wieder heiraten wird. Seinen neuen Vater kennt er schon: es sei Ryuji. Noboru zeigt keine Begeisterung, vertilgt seine Abendmahlzeit und geht dann zu Bett.
Fusako verzichtet heute darauf, ihren Sprössling wie gewohnt einzuschließen. Um sich die Zeit zu vertreiben, liest er in seinen Schulbüchern und wandert dann zu seinen Guckloch, um zu beobachten, was die beiden miteinander machen. Fusako wird unruhig, fühlt sich beobachtet und Ryuji erkundet das Guckloch. Seine Neugierde sieht der Überraschte ihm großzügig nach. Fusako ist erbost und hätte es lieber gesehen, wenn er den Jungen züchtigen würde.
Noboru bleibt allein und denkt an den Anführer, der gesagt hat, dass es Schlimmeres gebe, als gezüchtigt zu werden. Vielleicht hat ihm eine kleine Abreibung durch den Stärkeren, der in Zukunft sein Vater sein möchte, zur rechten Zeit gerade gefehlt. Einen Vater hätte er gebraucht – Freunde hat er genug!
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Zwölfte Szene:
Einige Tage später trifft sich die Bande wieder im Lagerhaus. Die Haltung ist brutaler und kaltschnäuziger geworden. Eine Gerichtsverhandlung wird in Szene gesetzt, in der Noboru seinen zukünftigen Stiefvater angeklagt, obwohl dieser ihm nichts Schlimmeres getan hat, als ihm die Mutter wegzunehmen. Die Anklagepunkte werden zusammengefasst, die Vergehen benannt und bewertet.
Der Angeklagte schmeichelt ständig und er vergisst das Meer, welches er als seine Heimat bezeichnete. Besonders schwer wiegt, dass er Noboru verziehen hat, dass er seine Mutter im Bett beobachtete.
Schlecht steht es um den Seemann – sehr schlecht. Die Todesstrafe ist ihm sicher! Der Anführer bringt neben den Ausführungen zur Sache großspurig auch seine Philosophie unter: „Wir sind es, die den Dingen erlauben zu sein. Wir sind es, die den Müttern erlauben zu weinen und den Vätern zu schreien...Der Seemann hat versagt. Er hat das Meer verraten...!“ Der Seemann soll vom Leben zum Tode befördert werden.
KINDERLIED
Die Kinderbande macht sich nun Gedanken über die Vollstreckung des Urteils. Unter dem Vorwand, dass er ihnen von seinen Abenteuer und vom Meer erzählen soll, könnte Noboru ihn herlocken. Benötigt werden Werkzeuge wie Messer, Seile, Handtücher und Sägen.
Es gibt kein zurück! Es hat doch nicht etwa jemand Angst? Das Meer ist riesig und kalt.
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Dreizehnte Szene:
In ihrer Modeboutique berät sich Fusako über die Beschaffenheit ihres Hochzeitskleides. Mit ihren Gedanken ist sie bei ihrem geliebten Ryuji. Gewiss wird er sich mit Noboru gut verstehen
VERWANDLUNGSMUSIK
Vierzehnte Szene:
Nur mühsam kommt der Dialog zwischen dem Seemann und den Ganoven, die seine Henker sein werden, in Gang. Ist es noch weit bis zu eurem Trockendock. Ward ihr eigentlich schon einmal auf einem großen Schiff?
Noboru reicht dem Seemann eine Tasse Tee, in die er ein Betäubungsmittel gegeben hat. Der Seemann singt ein Lied vom Wind, den Wellen und den Sternen. Von den Ganoven wird er ausgelacht. Nein, nicht aus Liebe zum Meer ist er zur See gefahren, sondern, weil er das Land hasste. Noboru versteht, dass man von schönen Schiffen schwärmen kann. Das Sextett singt ein mystisches Requiem. Der Text setzt sich aus Themen zusammen wie Meer, Sonne, Licht Schmerz und Leid. Das Betäubungsmittel zeigt seine Wirkung. Dem Seemann ist der Kopf herabgesunken. Ahnt er, was ihm blüht? Dunkelheit umfängt ihn.
Anmerkung
Die Berliner Uraufführung der ersten Fassung der Oper „Das verratenen Meer“ war leider kein Erfolg. Hans Werner Henze entschied sich daher, die Geschichte ins Japanische zurück übersetzen zu lassen und komponierte dazu eine neue neue Musik, die das japanische Libretto mit vielen „Verwandlungsmusiken“ durchsetzte. Die sorgfältig durchdachte und irrsinnig spannende Inszenierung zeigte das „Festival zweier Welten“ in Spoletto im Juni 2010 Der Komponist nahm regen Anteil an der Inszenierung, die alle Erwartungen übertrafen.
Die Salzburger Festspiele waren 2006 mit einem japanischen Ensemble vorangegangen und sorgten unter Gerd Albrecht für eine exemplarische Einspielung.
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musirony 2012 - Engelbert Hellen