OUVERTÜRE
Erster Akt:
Hyazinth freut sich, dass sein Vater zum Lobe Apollos ein Opferzeremoniell angeordnet hat. Mit seiner geliebten Schwester wird er daran teilnehmen. Doch sein Freund Zephir versucht, ihm den Spaß zu verderben. Er wendet ein, dass es neben Apollo auch noch andere Götter gibt, die nach Weihrauch lechzen. Alle Olympier werden von seinem Vater mit Opfergaben bedacht, keiner bleibt unbeschenkt, aber bitte: einer nach dem anderen.
Offenbar ist Zephir ein abgewiesener Liebhaber, denn er erklärt dem Sohn des Oebalus, dass er ihm gern sein Herz darbringen würde, falls er sein Apollo sein möchte. Hyazinth betrachtet es als Blasphemie, mit Göttern in einem Atemzug genannt zu werden, aber er übt Nachsicht, weil offenbar allzu große Liebe den Freund zur Unbedachtsamkeit verleitet hat.
Der Vater erkundigt sich, ob das Feuer im Tempel schon angezündet sei. An Weihrauch soll nicht gespart werden, damit dicke Duftschwaden nach oben steigen. Melia hat beobachtet, dass schwarze Gewitterwolken am Himmel aufziehen und befürchtet ein schlimmes Unwetter. Apollo ist leicht ungehalten und duldet kein längeres Zögern. Oebalus prophezeit, dass fromme Gebete die schwarzen Wolken vertreiben werden.
Vom Tempelchor begleitet, bittet der König Apollo sein Land durch sein Licht zu würdigen. Doch der Verehrteste ist aus unerklärlichem Grund beleidigt. Er schickt einen Blitz und zerstört den Opferaltar. Hyazinth macht seinem Freud Vorhaltungen ob der frevelnden Worte, die er gesprochen hat. Diesem wird angst und er bittet, dem König davon nichts zu erzählen.
„Erloschen das Feuer, gestürzt der Altar, verschmäht das Opfer.“ Von dem grellen Blitzstrahl erschüttert, zittert der König am ganzen Leibe. Hyazinth versteht es, zu beschwichtigen. Warum sollte er von einem guten Gott Böses befürchten? Niemand von den Opferwilligen ist zu Boden gestürzt, alle leben und sind bei voller Gesundheit. Der Himmlische hat mit dem Blitz die Erde ein wenig necken wollen, damit sie sich seiner Macht stets bewusst ist und Gottesfurcht und Vertrauen nicht schwinden.
In der Tat ist die Situation eine ganz andere. Den Blitz schickte nicht Apollo, sondern Jupiter. Die beiden Olympier hatten sich gestritten und Apollo ist nun auf der Flucht. Der Gott erscheint in Person und bittet den König um seine Gastfreundschaft, weil es auf dem Olymp im Moment nicht zum Aushalten sei. Apollo hasst den blitzeschleudernden Jupiter! Hyazinth ist auf den hohen Besuch mächtig stolz, selbst wenn dieser nur als Hirte verkleidet bei seinem Vater Unterkunft erbittet. Oebalus ist gerührt und mahnt seine Tochter, dem Gott seinen Aufenthalt in Lacedämonien so angenehm wie möglich zu machen. Findet sie den hohen Besucher ihres Erstaunens würdig? Melia ist hingerissen, denn schon seit langer Zeit hat sie dem Gott ihr Herz geweiht.
„O wie glückverheißend ist das Gestirn, mit dem dieser umwölkte Tag uns erquickt, indem Apollo selbst als erwünschter Gast unser Haus besucht! O welche Anmut! Welche Schönheit! Welche Würde! Welcher Glanz und welche Hoheit strahlt von all seinen Gliedern! – O quantus decor! Quae forma! Quanta dignitas. Quanta omnibus gloriaque membris atque maiestas sedet!“
Apollo beteuert, dass von allen Gaben dieser Erde Melias Herz ihm am meisten zusagt. Sie soll bitte keinen Rückzieher machen. Allerdings, wenn es Hyazinth gelingt, den Gott zu lieben, wird er immer einen zugeneigten Freund in ihm haben. Zephir vergeht vor Eifersucht. Weh! Nun nimmt Apollo ihm den geliebten Knaben! Oebalus ist entzückt, dass der Besucher beiden Kindern seine Gunst zu schenken bereit ist. Er darf so lange sein Gast sein, wie er will. Apollo bedankt sich mit einer schönen aber nichts ausdrückenden Arie, die den Ausgang der Tragödie noch nicht ahnen lässt.
Zweiter Akt:
Oebalus zweifelt nicht, dass Melia dem Gott seine ganze Liebe weihen wird. Glaubt der Vater wirklich, dass Apollo sich mit einer Sterblichen auf dem ehelichen Lager verbinden will? Aber gewiss doch, des Vaters Einwilligung hat er schon bekommen! Selbstverständlich kann die Tochter sich frei entscheiden. Kein Mädchen in Griechenland würde so töricht sein, die Ehre der Begattung durch diesem hohen Gott zu verschmähen und ihrem eigenen Glück selbst im Wege stehen. Die Tochter handelt klug, sich positiv zu entschließen, denn mit ihrem Engagement werden auch Vater und Bruder geehrt. Durch göttliches Begehren wird durch die Geburt eines Enkels sein Haus zu einem Götterhaus.
Der Vater soll sagen, wo sich Apollo im Moment aufhält; unverzüglich will Melia sich an seinem unvergleichlichen Gespräch erfreuen. Im Moment übt Apollo sich mit dem Bruder im Hain beim Diskuswerfen. Zephir ist auch mit von der Partie. In seinem Haus soll Apollo, der doppelter und dreifacher Verehrung würdig ist, alles bekommen, was sein Herz begehrt. Melia hat konkrete Vorstellungen von ihrem zukünftigen Glück. Zusammen mit dem Gott wird sie auf Wolken treten und zwischen Sternen herumtollen; Faune und Sartyrn werden sie anbeten. So sehen in Griechenland die Träume der kleinen Mädchen aus!
Zephir kommt mit einer Schreckensbotschaft. Hyazinth hat den Diskus an den Kopf bekommen. Um sein Heil ist es geschehen, er ist der Länge nach hingefallen, möglicherweise ist er tot. Apollo war der Übeltäter!. Melia ist untröstlich. Der Gott, der sie glücklich machen wollte, hat den Bruder umgebracht. Es ist wahr, mit eigenen Augen hat Zephir es gesehen. Sogleich ist er dann aber davongelaufen, damit er nicht als nächstes an die Reihe kommt. Der Gott schlägt also Schuldlose! Ist das der Dank, dass Oebalus ihn bei sich aufgenommen hat, indem er nun seinen einzigen Sohn tötet? Man kann Göttern nicht über den Weg trauen. Melia schließt nun aus, jemanden zu heiraten, der sich mit dem Blut ihres Bruders befleckt hat. Der Vater fürchtet, dass Apollo auch ihm die Liebe Melias rauben wird.
Was meint Zephir, was den Ruchlosen zu dieser Tat bewogen hat? Natürlich war Apollo neidisch, weil Hyazinth im Diskuswerfen besser ist, als er. Oebalus beabsichtigt, Apollo unverzüglich aus seinem Reich zu verbannen. Er fordert Zephir auf, ihn fortzujagen bevor er noch mehr Unheil anrichtet. Das Königreich gehöre nicht ihm und Oebalus selbst soll den Übeltäter entfernen. Zephir denkt nicht daran, sich in die Nesseln zu setzen!
Als Vater und König entschließt sich Oebalus, nachzuschauen, ob Hyazinth durch eine Erste-Hilfe-Aktion noch zu retten ist. Falls er auf den Übeltäter trifft, wird er ihm ordentlich die Meinung sagen.
Melia zweifelt inzwischen an der Aussage Zephirs, weil sie die Logik der Tat nicht nachvollziehen kann. Wie kann der Gott die Schwester lieben, wenn er zuvor die Hand mit dem Blut des Bruders besudelt hat? Die geliebte Melia soll sich nicht wundern, dass Apollo solches Verbrechen begangen hat, weil sie den Ruchlosen überhaupt nicht kennt. Er ist schlau, grausam, unanständig und leichtfertig. Sie soll doch an seiner Stelle Zephir beglücken, dessen Treue sie kennt. Zephir führt aus, dass Melia zwei Personen vor sich sieht: Den Helfer und den Wüterich! Den Bruder hat er bereits auf dem Gewissen. Was wird er erst alles mit der zarten Schwester anstellen? Sie soll doch ihm, dem lieben Zephir, die Hand reichen. Gewiss wird Apollo sie nach dem ersten Ehestreit töten. Er wird noch die ganze Familie ausrotten.
Inzwischen ist der nichtsahnende Apollo auf dem Schauplatz der Entrüstung eingetroffen. Melia hält ihm eine Standpauke. Er soll endlich den Blitz aus der Hand legen. Hat er nicht schon genug Unheil angerichtet? Es würde sie freuen, wenn der Tyrann sie endlich verließe, denn Melia fürchte sich vor ihm. „Discede crudelis ...“ Ihr Sopran steigert sich zu hochdramatischer Wucht, dass es eigentlich an Apollo wäre, sich zu fürchten. Tatsächlich ist es soweit gekommen, denn der Gott erklärt, dass er treu und milde sei und sie einen Freund in ihm verlieren würde. Doch er sei bereit, sich zu verstecken, bis der Grimm ihres Herzens sich verflüchtigt habe.
Dritter Akt:
Oebalus ist auf dem Sportplatz eingetroffen. Hyazinth ist noch nicht ganz tot, liegt aber in den letzten Zügen. Wenn er seinen Vater liebt, soll er sagen, wer sein Mörder ist. „Das war der böse Zephir! Lebe wohl Vater, Hyazinth scheidet jetzt, der Tod ist bitter!" Das wird Zephir zu bereuen haben! In Oebalus erwacht der Blutdurst, denn die Rache schüttelt ihn.
Völlig außer Atem kommt Melia gelaufen. Zuerst hat sie Zephirs Ende gesehen und nun sieht sie den Bruder in seinem Blute liegen. Sie hat dem Gott befohlen, Lacedämonien unverzüglich zu verlassen, denn einen weiteren Mord hat er auf den alten gehäuft. Von welcher neuen Leiche spricht sie? Von einer solchen kann gar nicht die Rede sein, der Gott hat den armen Zephir vor ihren Augen durch wilde Stürme zerreißen lassen, so dass keine sichtbare Spur zurück blieb. Wie gerecht ist doch Apollo! Der Vater findet es an der Zeit, das arme Kind aufzuklären. Einigermaßen betreten rätselt man, ob Apollo sich schlechte Behandlung bieten lassen wird. Jetzt sind sie ganz und gar verloren. Ohne Apollos Schutz wird das Reich nicht mehr lange Bestand haben. Melias Schmerz ist unerträglich, nun ist sie eine Braut ohne Bräutigam.
Doch Apollo hat sich noch nicht endgültig entfernt. Hat er Handlungsbedarf? Der Leichnam Hyazinths verschwindet in der Versenkung und stattdessen sprießen jede Menge Hyazinthen auf der Waldwiese. „Quid video? Surrexisse de nato meo conspicio flores?” – Was sieht Oebalus? Dem Leib seines Sohnes entsprießen Blumen? Blitzschnell hatte Apollo den Leib des Toten mit Blumenzwiebeln gefüllt, die sich nun beeilen, aus dem Boden zu schießen. Ein wenig Balsam für das geschundene Vaterherz!
Melia errötet vor Scham, weil sie den Gott irrtümlich beschuldigt hat und extrem garstig zu ihm gewesen ist. Die Gottheit soll nun die Magd sehen, die ihm erneut ihr Herz anträgt. Apollo ist nicht beleidigt, im allgemeinen kommt es dazu schnell – aber diesmal nicht. Von Jupiter hat er gesehen, dass er oft Spaß an sterblichen Frauen hat. Folglich werden künftige Geschlechter das Haus des Oebalus zu preisen haben, denn der Lichtgott sieht nicht ein, weshalb er hinter dem Göttervater zurückstehen soll.
„Tandem post turbida
fulmina nubila,
tonantis mumura
pax alma vires
et explicat se.”
Nach stürmischen Blitzen und Donnergrollen, grünt nun endlich der Friede und erfrischt die Seelen.
Anmerkung:
Nach der literarischen Überlieferung war es tatsächlich Zephir, der den Tod seines Freundes Hyazinth verursachte. Der Übeltäter wurde nicht in einen Sturm verwandelt, sondern war schon immer ein windiger Bursche, der aus dem Westen kam. Auf Apollo eifersüchtig, verschob er dessen im Spiel geworfene Scheibe so, dass sie von der Bahn abkam und den armen Hyazinth tödlich am Kopf traf. Aus schmerzvollem Gedenken zauberte Apollo das erwähnte Knollengewächs.
An der Salzburger Benediktiner-Universität, war es üblich, dass zum Abschluss des Schuljahres ein Theaterstück aufgeführt wurde, welches von Dozenten der Universität verfasst wurde. Durch ein orchestrales oder vokales Intermezzo, von einem fremden Tonsetzer beigesteuert, wurde dieses dem Sprechstück als Prolog vorangestellt oder als Zwischenakt-Musik eingeschoben.
Damit die Sache nicht zu schwergewichtig ausfallen sollte, hatte man im vorliegenden Falle den elfjährigen Wolfgang Amadeus Mozart, der bereits als Wunderkind einen Namen hatte, engagiert. Pater Rufinus Widl schrieb das Libretto zu der die Einlage, die auf sein Drama abgestimmt war, sich harmonisch einfügte. Der kleine Wolfgang machte dazu die Musik. Höchstes Lob verdienen beide gleichermaßen, der Komponist wie der Librettist. Für den Elfjährigen war es nach „Die Schuldigkeit des ersten Gebots“ der Auftakt zu einer gefeierten Karriere.
Das Theaterstück, dem Mozart sein Talent hinzufügte, hieß „Clementia Croesi“ - eine Vorlage des antiken Geschichtsschreibers Herodot - die zu seinem Intermezzo thematisch hervorragend passte. Es geht um einen wilden Eber, der von Atys erlegt werden soll. Der verhängnisvolle Lanzenwurf des voreiligen Andrast trifft jedoch nicht den Eber, sondern den Gastfreund. Auftretende Komplikationen werden durch die Milde des Krösus gelöst. Der Zuschauer erkennt die Parallelen der Handlungsabläufe und zieht auch eine Linie zu Mozarts letzter Oper „La Clemenza die Tito.“
"Apollo und Hyazinth" ist eine völlig ausgereifte Komposition, welche an den Koloraturgesang höchste Anforderungen stellt. Man denke nur an das Finale des zweiten Aktes.
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musirony 2008 - Engelbert Hellen