Schöne Oper – selten gehört
Serapis
Karl Heinrich Graun [1703-1759]
Cleopatra e Cesare
Cäsar und Kleopatra
Dramma per musica in drei Akten
italienisch gesungen
Libretto von Giovanni Gualberto Bottarelli
nach dem Drama „La Mort de Pompée“ von Philippe Corneille
Uraufführung am 7. Dezember 1742 in Berlin
Anlass: Eröffnung der Hofoper
Dauer: etwa 200min.
Charaktere:
Cleopatra (Sopran)
Cesare (Mezzosopran)
Cornelia, Witwe des Pompejus (Sopran)
Tolomeo, Bruder Cleopatras (Tenor)
Arsace, Cleopatras Liebhaber (Counter-Tenor)
Lentulo, römischer General (Bariton)
Achilla, ägyptischer Feldherr (Bariton)
Cneo und Sesto, Cornelias Söhne (Sopran)
Das Geschehen spielt 48 v. Chr. in Alexandria / Ägypten
Dokumentation:
LABEL: Harmonia mundi France 1996,
Concerto Köln, René Jacobs
Gesangssolisten: Janet Williams – Iris Vermillion – Lynne Dawson – Robert Gambill
HANDLUNG
OUVERTÜRE
Erster Akt
Erster Auftritt:
Eine römische Flotte läuft in den Hafen von Alexandria ein. Die Ägypter sind sich nicht sicher, ob Julius Cäsar und sein General Lentulus in freundlicher Absicht kommen. Sie haben eine Abordnung ihrer Leute in den Hafen geschickt, um den Feldherrn gebührend zu empfangen. Der Opernchor schmeichelt: So wie einst Bacchus in Theben einzog, erblicken sie den Helden.
Ägyptens König Ptolemeäus hält eine Schüssel in der Hand und man rätselt, ob etwa Suppe darin ist. Nein, es ist ein Kopf, welcher an den Haaren aus der Terrine herausgezogen wird. Ein Spruch hat der Ägypter auch zur Hand. Es sei das erste Pfand der reinen Treue, welches er dem Imperator zu Füßen legt.
Ihr Götter, ist das nicht das Haupt des großen Pompejus? Eine Geschmacklosigkeit ohnegleichen! Die Augen sind ob der durchgestandenen Prozedur weit aufgerissen.
Was macht die Witwe des Pompejus mit ihren beiden Söhne eigentlich im ägyptischen Gefolge. Cornelia geht wütend auf Ptolemäus los und schimpft ihn in Gegenwart Cäsars einen Tyrannen, der seine Lustgefühle noch erweitert, indem er ihren Schmerz konsumiert. Sie erklärt, dass Pompejus verraten wurde und Cäsar möge sich ihrem Flehen annehmen, das Vergeltung für die grausame Tat anstrebt.
Klar, der Nichtsnutz verriet seinen Freund und hat Rom einen Helden entrissen! Ptolemäus gibt sich gekränkt und kritisiert Cäsar: Wenn seine Freundschaft ihm verhasst und hinderlich ist, soll er sich einen besseren Vorwand ausdenken, um Streit mit ihm anzufangen. Er begibt sich sogleich in seinen Palast zurück und erwartet ihn dort. Bisher habe Cäsar Ägypten keinen Schaden zugefügt, doch er soll wissen, dass, wenn er in Opposition geht, seiner Macht Grenzen gesetzt sind. Er selbst sei auch ein Held, der dem Schwert des Eroberers sein eigenes entgegenzusetzen weiß. Er wisse, sein Stolz ist herausgefordert, wenn er ihn zum Feind erklärt und falsche Freunde verachtet er! Das sind markige Worte, die man eigentlich nur bringt, wenn man es sich leisten kann, denkt der Zuschauer.
Zweiter Auftritt:
Dem Bösewicht wird er schon noch zeigen, wer der Herr in diesem Hause ist, wettert Cäsar und versucht, sich bei Cornelia und ihren Kindern beliebt zu machen. Cnesus säuselt in lieblichen Tönen, dass ihm ein Vater entrissen wurde, wie es keinen besseren gibt, und wenn er sein Sterben gesehen hätte, wären auch seinem Auge gerechte Tränen entflossen. Cornelia hat das Blut auch fließen sehen und mitbekommen wie der boshafte Streich dem Körper des Gatten den Kopf abriss und sich die rote Flüssigkeit auf dem Erdboden gleichmäßig verteilte. Gewiss wird Cäsar die Wut billigen, die sie immer noch verwirrt. Bestimmt kann er sich vorstellen, wie betrübt ihr Herz ist. Die Familie soll unbesorgt sein, der gepriesene Schatten des Pompejus, der nun im Grabe liegt, soll besänftigt werden, verspricht Cäsar.
Dritter Auftritt:
Cäsar gewahrt ein weibliches Wesen, das munter auf ihn zuschreitet „Ihr Götter, welch reizendes Gesicht! Ist das nicht Cleopatra, Ägyptens Königin?“ Die Angesprochene legt gleich los.
Den holden Glanz in seinem majestätischen Blick nimmt sie wahr, der als Beweis von Tapferkeit und Güte aus seinem Auge bricht. Sie fleht sein göttliches Gemüt um Schutz und Beistand an, denn Ptolemäus will ihr die Krone des Reichs rauben. Nanu, das ist ja wohl der Gipfel! Noch heute soll sie den Thron, der ihr gehört, besteigen.
Cäsar rätselt, ob es taktisch klug ist, ihr seine Liebe zu erklären, entscheidet sich aber dennoch dafür. Mehr noch als der Ruhm, den er zu gewinnen gedenkt, habe ihn die Liebe hergetrieben. Das Gerücht von ihrer Schönheit habe in ihm den Wunsch erweckt, sie selbst zu sehen. Er ist begeistert und wird ihre Feinde in Furcht und Schrecken versetzen. Ihr wird er sein Herz schenken und seine jüngsten Siege widmen. Welche Neuigkeit, quittiert spöttisch Lentulus, der neben ihm steht und sich unbehaglich fühlt. Cäsar überhört die spitze Bemerkung, fasst Arsace ins Auge und wägt ab, ob dieser Mensch etwa sein Nebenbuhler sein könnte. Cleopatra ist voller Erwartung, ob Cäsar ihr wirklich sein Heldenherz gönnen wird und tönt in falscher Bescheidenheit: So wie sie ist, will sie gänzlich ihm zu eigen sein. Auch wenn ihr Gesicht den flüchtigen Glanz der Schönheit nicht besitzt, so hält sie noch ein anderes Geschenk für ihn bereit, das sei ihr Herz! Sieht Cäsar ihr zärtliches Verlangen nicht aus den Augen blitzen?
Vierter Auftritt:
Arsace stellt sich selbst vor und beteuert, dass der heutige Tag ihn glücklich mache. Aus Arabien sei er mit den besten Segenswünschen gekommen. Er habe das Verlangen, den großen Sieger willkommen zu heißen.
Seine Funktion bestehe darin, der der Königin Arm und Leben zu weihen. Der große Held möge ihm erlauben, zu ihrem Dienst noch ein Weilchen hier zu sein. Er soll ruhig alles tun, was ihm gefällt, gibt Cäsar ihm ironisch zur Antwort.
Fünfter und sechster Auftritt:
Lentulus teilt dem Imperator seine Bedenken mit, dass Cleopatra durch seine entbrannte Liebe zu gleicher Glut getrieben werden könnte. Was wird Rom dazu sagen? Cäsar beruhigt ihn, dass er alles nochmal abwägen will. Ihm als Soldat gehe solche Art der Liebeswerbung ab, bekennt Lentulus offen und ehrlich. Doch Cäsar hat Lust, sich das schönste Gut – wie er sagt – sogleich zu eigen zu machen.
Siebenter bis neunter Auftritt:
Achilla, Arsace und Ptolemäuus beschließen, Cäsar in der kommenden Nacht zu überfallen. Sein Blut soll sich in den Nil ergießen.
Mit Cleopatra hat Arsace eine Auseinandersetzung und betont, dass sie seine einzige Liebe war, bei der er standhaft blieb. Die gleiche Tugend findet er bei ihr nicht, entschuldigt sich Cleopatra. Der Araber bringt noch den Einwand, er hab davon gehört, dass ein römischer Bürger mit einer fremden Königin keine Ehe schließen darf. Weshalb will sie überhaupt wechseln? War er nicht stets ihr treuer Diener?
Cleopatra reißt der Geduldsfaden und gibt eine abschließende Antwort. Sein Eifer, den er für sie entwickelt habe, sei lobens- und bewundernswert, doch den Lohn, den er dafür begehrt, sei mehr, als sie zu geben bereit sei.
„Die Liebe weiß nichts von Gesetz und Pflicht.
Genug jetzt, Du gefällst mir nicht!“
Gut, dann wird er dafür sorgen, dass sie den Cäsar auch nicht kriegt, quittiert Arsace.
Zehnter Auftritt:
Die Urne des Pompejus hat man auf ein prächtiges Gerüst gestellt. Ein Holzhaufen, Räucherwerk und ein Opfermesser liegen bereit. Um den Unmut des Gatten zu besänftigen, beabsichtigt Cornelia, sich selbst zu erstechen. Die Söhne betteln, sie solle nicht vor ihnen fliehen und die nassen Augen noch einmal aufschlagen. Der Vater hat erfahren, dass man vom höchsten Glück ins größte Unglück stürzen kann, wenn man von Freunden verraten wird. Genau so ergeht es wahrscheinlich auch ihr und deshalb will sie nicht länger leben. Cnesus und Sextus versuchen sie umzustimmen. Doch Cornelia bleibt hart und argumentiert, dass sie dem geliebten Mann kein besseres Opfer anbieten kann, als ihr Leben. Hilfsweise soll er sich erst einmal mit ihren Seufzern zufriedengeben. Mit dieser Flamme soll zugleich sein Zorn verschwinden: Sie gießt heiliges Öl auf die Kohlen, damit die Kräuter schön flackern und nimmt dann einen Dolch in die Hand. Cornelia hat die Hoffnung, dass sie in jener Welt, in die er gegangen ist, wieder vereint sind, sobald die Tat vollbracht ist.
Elfter bis zwölfter Auftritt:
Cäsar kommt und redet Cornelia aus, wozu Wut und Not sie bewegen. Waffenlärm ist plötzlich zu hören. Lentulus informiert den Imperator, dass Ptolemäus und Arsace beabsichtigen, ihn umzubringen. Doch er konnte sie abwehren und die Übeltäter sind in die Stadt geflohen. Cornelia macht die Götter darauf aufmerksam, dass man ihnen trotzt und sie sich diese Unbotmäßigkeit nicht gefallen lassen sollten. Cäsar beschwichtigt sie, wenn sie für den Geist des Pompejus ein Opfer sucht, wird Ptolemäus zur Verfügung stehen und sie solle sich bitte schonen und an ihre Kinder denken.
Dreizehnter Auftritt:
Zum Finale des ersten Akts bringt Lentulus eine schöne Koloraturarie, die zu einem Seemannsgarn passen würde:
„Nun seh' ich,
dass mein Herz des Schiffers Zustand gleicht,
der sich dem Meer vertraut,
wenn Sonn' und Hilfe weicht,
das Wetter tobt, die Wellen fliehen.
Er fürchtet keinen Sturm,
er hoffet keine Ruh;
bald steht er ganz erstaunt,
bald greift er mutig zu.
Die Segel wieder aufzuziehen.“
Der Schönheit der Deklamation zuliebe sei der italienische Wortlaut noch nachgetragen:
„Parto qual navigante,
Ciu nel fidarsi all' onde,
Gran nube il sole asconde,
E un' aura non costante
Vede scherzar in mar.
Non teme la rempesta,
la calma aver non crede,
Ora s'arresta,
Or riede
Le vele a dispiegar“
Zweiter Akt
Erster bis fünfter Auftritt:
Römer und Ägypter kämpfen gegeneinander. Ein Sinn ist nicht zu erkennen und eine Schlachtenordnung auch nicht. Arsace und Achilla können in den Wald laufen, doch Ptolemäus wird gefangen gesetzt. Seine Absicht war allerdings Cäsar seinen eitlen Lorbeer vor die Füße zu werfen. Ungerechtes Geschick! Die grausamen Götter haben anders entschieden. Ptolemäus wird gefesselt und Cornelia zugeführt. Cäsar stellt ihr frei, ihn zu bestrafen oder ihm zu verzeihen. Der Ägypter bleibt teilnahmslos. Will ihn das Schicksal unterdrücken, so hält er ihm gelassen still. Sein Geist wird nie darüber klagen, denn er ist gewohnt, viel zu wagen. Sein unerschrockener Mut, den ihm kein Zufall raubt, sei noch immer vorhanden. Allem Drohen und allen Schicksalsschlägen, geht er mit kühnem Ernst entgegen.
Sechster und siebenter Auftritt:
Mit wilden Schlägen klopft das Herz in Cleopatras Brust. Sie seufzt, weil süße Triebe ihr erstarrt geglaubtes Herz bewegen. Wo bleibt der Geliebte? Endlich ist er da, denn die Feinde sind besiegt. Sobald sie in Rom angekommen sind, wird sie seinen Thron besteigen. Aber geheiratet wird schon in Ägypten, fordert Cleopatra. Wer weiß, ob sich in Rom ein passender Altar und ein Tempel finden, der dem Serapis geweiht ist. Noch heute wird Hochzeit gemacht, denn Cäsar kann es kaum erwarten, dass die Geliebte seinen Thron schmückt. Cleopatra ergießt sich:
„Mich rühret meine süße Liebe,
Mich rühren angenehme Triebe!
Es springt fürwahr in wahrer Lust
mein zärtlich Herz in meiner Brust.
Alsdann hoff ich erst Ruh zu finden,
wann uns ein ewiges Verbinden
der Liebe reinen Segen schenkt.
Dann weicht die Furcht, die mich noch kränkt."
Achter bis zehnter Auftritt:
Seinem Freund Lentulus versucht Cäsar die Macht der Liebe zu beschreiben, die ihn verleitet, die Vermählungsfeier voranzutreiben. Hat Cäsar überhaupt bedacht, dass der Rat in Rom ihm untersagen wird, seinen Thron an eine Barbarin zu verschenken? Mag sein, aber er kann ohne die Ägypterin nicht leben. Lentulus rät, zuerst den Senat zu überzeugen, dass es Nutzen bringt, wenn er sich mit Cleopatra nuptial verbindet. Lentulus findet die Gesetze der Liebe wunderlich und tadelt die Einfalt mit welcher sein Freund Julius sie wahrnimmt. Arsace hat seinen Anspruch noch nicht aufgegeben, befürchte aber, dass der Eroberer mit der Königin unversehens verschwinden wird. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als mit brennendem Verlangen den Lohn zu empfangen, zu dem ihn seine Treue seiner Ansicht nach berechtigt.
Elfter bis vierzehnter Auftritt:
Cornelia wird durch ihre Söhne aufgehetzt. Der Unwürdige sterbe, er falle und verderbe! Cornelia zückt bereits den Dolch, um ihn Ptolemäus in die Brust zu stoßen. Cäsar rät ab, denn es sei klüger, den Frevler nach Rom zu schaffen, damit ein ordentliches Gericht über ihn ein Urteil fällt.
Cornelia entschuldigt sich bei dem Schatten ihres Gemahls, dass Cäsar nicht Wort gehalten habe und es nicht ihre Schuld sei, wenn er weiterhin auf Sühne warten muss. Der Imperator stellt Ptolemäus zur Rede, was ihm in den Sinn gekommen sei, das Recht zu brechen und einem Gast den Kopf abzuschlagen. Der hochmütige Unterdrücker und unersättliche Tyrann, soll lieber darüber nachdenken, ob es angebracht ist, ein weit entferntes Land in seiner Ruhe zu stören, entgegnet der unsanft Angefahrene. Die Sehnsucht nach Ruhm und die Liebe haben ihn bewogen, Ägypten zu besuchen, aber Cäsar will kein Unglücksbringer sein. Er befiehlt, Ptolemäus die Ketten abzunehmen und ordnet für unbestimmte Zeit Hausarrest an. Ptolemäus darf den königlichen Palast nicht verlassen, andernfalls ist die erteilte Gnade verwirkt. Cornelia zieht eine Fleppe und Cnesus bittet die Götter, die liebenswerte Mutter zu schützen, seinen Vater zu rächen und den Unhold schrecklich sterben zu lassen.
Fünfzehnter Auftritt:
Im Tempel des Serapis bahnt sich die Eheschließung zwischen Cäsar und Cleopatra an. Römer und Ägypter sind gleichermaßen als Gäste geladen. Cleopatra freut sich, schon bald erfüllt zu sehen, wonach sie sich so eifrig sehnt. Augenblicklich soll geschehen, was sie erfreut und ihm Glück beschert, verspricht er seiner Schönen. Er wird sie niemals mehr verlassen. Die Zusage reicht ihr nicht, vor dem Altar des Serapis soll er Treue schwören. Gut, Rom kann ihm den Buckel herunterrutschen. Zum Zeichen seiner ernsten Absichten reicht Cäsar seiner Partnerin die Hand. Als Gegenleistung schenkt die Königin von Ägypten ihm ihr Herz. Beide schwören sich vor der Götterstatue ewige Treue.
Sechzehnter Auftritt:
Arsace, Ptolemäus und Achilla stören die Zeremonie und stürmen mit einer Waffe in der Hand den Tempel. „O nein, Arsace lässt es nimmermehr geschehen, die er so liebt, als Cäsars Braut zu sehen!“ Ptolemäus räumt den Altartisch ab und wirft die kostbaren Gefäße auf die Erde „Du falscher Bösewicht“ schimpft Cäsar. Seine Gefolgschaft treibt die Eindringlinge mit der Waffe auseinander. Draußen geht der Tumult weiter. Cleopatra ist entsetzt, dass die Frevler auch die Götter nicht verschonen und hält ihre Flucht für das Allerbeste.
Siebzehnter bis zwanzigster Auftritt:
Die Angreifer kommen mit Verstärkung zur zurück. Achilla sieht das Bild des Serapis verächtlich an. Wie kommt die närrische Gottheit, die in diesem Reich wohnt, dazu, einem Römer Schutz zu gewähren? Es sei töricht, den Göttern zu vertrauen, verkündet er der Soldateska. Die Angefeuerten sehen das auch so, stürzen das Standbild des Gottes um, und tragen alle wertvollen Gegenstände aus dem Tempel. Werft alles Volk hinaus, zerstört den Altar und lasst Priester und Tempel untergehen, befiehlt der Wüterich. Die Wortführer belegen sich gegenseitig mit Schimpfwörtern. Cleopatra weint und Cäsar ruft zu den Waffen. Der freche Hochmut muss verderben!
Dritter Akt
Erster Auftritt:
Ptolemäus, Achilla und Arsace wurden in Ketten gelegt. Cäsar nimmt sie ins Schlepptau und legt sich mit dem Erstgenannten an. Das hat er jetzt davon, dass er seinen Großmut missbrauchte. Er befreite ihn von seinen Ketten, gab ihm seine Freiheit und die Störung seiner Hochzeitsfeier war der Dank. Achilla fragt, was es ihm nutze, sich damit zu beschäftigen, sie zu beleidigen. Was nützt ihm ihr Schmerz? Ptolrmäus habe nichts anderes getan, als seinen Thron gegen ihn zu beschützen. Die Triebfeder seines Handelns seien Stolz und Wut, schließt sich Ptolemäus den Ausführungen an. Was man ihnen als Verbrechen ankreide, praktizieren die Lateiner ständig, nur ihnen legt man es als Tugend aus.
Cäsar gesteht, dass ihn das Urteil über ihn überhaupt nicht zum Zorn reizt, sondern er bedauere nur ihre Verblendung. Ptolemäus werde in Zukunft gezwungenermaßen in seiner Gesellschaft weilen, damit er ein Zeugnis für einen König hat, der Treu und Glauben bricht. Arsace klagt, das sich in seiner Brust ein Herz bewegt, welches ihm allerhöchsten Schmerz verursacht und zur Niederträchtigkeit unmöglich fähig ist.
Dem Hauptmann von der Wache befiehlt Cäsar, die drei sogleich ins Gefängnis zu stecken. Harte Ketten sollen ihre Gelenke umschließen, damit sie für die begangenen Freveltaten den gerechten Lohn empfangen. Sie mögen mit Schrecken untergehen, weil sie keinen Trieb von Lieb und Treue spüren. All denen sollen sie ein gültiges Beispiel sein, die sich erneut erheben, obwohl sie besiegt wurden. Sie schmähen den Sieger und verachten den Frieden.
Zweiter Auftritt:
Arsace tröstet Ptolemäus, er solle zeigen, wer er ist. Doch Ptolemäus entgegnet, er habe gelebt und regiert. Jetzt komme sein letzter Tag, sein letzter Augenblick. Das Schicksal wird ihm Thron und Leben erhalten, er solle nur guten Mutes sein. Wenn ihm anderes beschieden ist, wird er großmütig untergehen.
Sein Schicksal ist zwar hart, allein die Hoheit seines Geistes wird immer größer sein.
Dritter Auftritt:
Cleopatra wedelt mit einen Brief in der Hand und ist wütend:
"Gefangen soll sie zum Tiber gehen,
gefesselt an einen Wagen
und bitteren Schimpf ertragen,
dass sie das Volk in Rom verlacht.
Gottloser Cäsar! Wie kann dies von dir geschehen?
Cleopatra, wohin wirst du gebracht?"
Vierter Auftritt:
Cornelia und Arsace nehmen sie ins Verhör. Der Librettist hat offenbar vergessen, dass Arsace im Gefängnis in Ketten liegt und eigentlich gar nicht anwesend sein kann. Die Witwe des Pompejus wundert sich, das der Sieger beabsichtigt, die schönste Königin mit nach Rom zu nehmen. Cleopatra bittet darum, sie ihrem Kummer zu überlassen. Arsace macht ihr Vorwürfe: Will die Grausame mit dem falschen Herzen sich tatsächlich entschließen, dem Eroberer als Braut nach Rom zu folgen? Will er etwa damit fortfahren sie in ihrem Gram durcheinanderzubringen? Die Götter wissen, dass sie sich über ihn ohne jeden Grund beklagt. Sie sieht nur, dass er sich zum Nachteil ihres Ruhms – wie so oft – schlau bemüht. Ist sie sich nicht bewusst, dass ihre Untreue mit ihrer Verachtung für ihn gleichzieht und sie ihm auf das Stärkste betrübt? Cornelia bittet, dass er Cleopatra nicht hassen soll, wenn die Liebe erloschen ist, sondern seine negativen Emotionen auf Cäsar beschränken soll. Ganz richtig, auch er ist ein Verräter, ein grausamer Übeltäter. Doch was ist mit seiner Liebe? Ach, wer die Tugend nicht kennt, kennt auch die Liebe nicht! Cornelia versteht Cleopatras Sinneswandel nicht. Sie soll einmal diesen Brief lesen, fordert Cleopatra die Römerin auf. Cornelia liest allen vor, was Cäsar geschrieben hat:
„Da Ptolemäus bei mir in Ketten liegt,
Cleopatra muss nun allein noch überwunden sein.
Es ist der einzige Weg, auch diese zu besiegen,
Sie durch die Hoffnung zu betrügen,
dass ich mein Herz ihr völlig schenke,
dass ich mich zu vermählen denke.
Der Tiber soll sie nächtens beide,
zu unserem Ruhm und zu des Volkes Freude,
mit ihrem ganzen Schatz bei meinem Einzug seh'n.
Ich werde bald zu Schiffe geh'n, und zu euch eilen."
Hat Cornelia nun begriffen? Arsace hat es gleich gewusst, dass Cäsars stolzer Sinn sie zu berücken suchte, um sie gefangen und beschimpft nach Rom zu entführen. Cornelia bekennt, dass ihr Schicksal sie ehrlich bewegt. Cäsar liebe sie wirklich, so grausam könne er nicht sein, sie zu verraten. Sie soll sich bitte gedulden und abwarten, ob nicht noch eine zweite Botschaft auftaucht. Cleopatra fällt es schwer, zu dem Schreiben etwas zu sagen, weil sie im Moment zu viel Jammer berührt. Allein sie wird sich den überhäuften Plagen und des Schicksals harten Schlüssen schon zu entreißen wissen. Im Moment folgt sie den Schmerzen, die sie führen.
Vielmehr als alles Missvergnügen fürchtet sie des Stolzen List und schändliches Betrügen. Er ist und bleibt ein Wüterich, ein Tyrann, und wer die Treue nicht übt, der auch nicht lieben kann.
Fünfter bis siebenter Auftritt:
Cornelia glaubt, in Cleopatras Brust die zärtlichen Triebe der reinsten Liebe zu entdecken, die auch bei ihr zu finden sind. Ihr wurde der edle Gemahl von Mörderhand entrissen, den sie unaufhörlich beweint. Der Sachverhalt ist etwas anders, aber die Regungen des Herzens sind die gleichen.
Mit Cäsars Schreiben an den Senat in der Hand stellt Cleopatra ihren Julius zur Rede und macht ihn rhetorisch fertig.
Der Falsche sollte erkennen, was ihn beschämen muss. Auf solche Art wird Cleopatra von dem Undankbaren verraten! Ist das etwa die Treue, die sein strafbarer Mund ihr schwor, um sie zufrieden zu stellen? So manchen Jubelton hört sie die Lüfte füllen. Doch allein dieser Brief führt ihr ihren Stellenwert als Sklavin vor und macht sie mit ihrem Schimpf und ihrer Not bekannt. Ein königliches Herz wird unterdrückt.
Sie soll ihm doch bitte erst einmal zuhören, unterbricht Cäsar die Empörte. Will er etwa leugnen, dass das Blatt von seiner Hand geschrieben wurde? Er sei ein Bösewicht, der seine Pflicht nicht kennt und die Treue bricht. Stets habe er Schand und Laster getrieben und diese mit dem Attribut der Tugend ausstaffiert. Der Himmel soll ihn strafen und zögert er, gerecht zu sein, so ist es müßig, ihm Flehn und Opfer zu weihen.
Ihre Großmut soll ihr etwas Ruhe schaffen und ihn dann geduldig anhören. Doch Cleopatra lässt sich nicht besänftigen und wütet weiter: Vielleicht will er, dass Ägypten sie als Sklavin sieht? Sein Wunsch soll geschehen und er soll sich vergnügen. Sie selbst beraubt sich der überflüssigen Krone und wirft sie ihm vor die Füße. Auch ohne sie behält sie noch das Herz einer Königin. Ihre Hoheit borgt sie sich nicht vom Thron. Cleopatra entfernt sich zornentbrannt mit ihrer Wache.
Achter Auftritt:
Cäsar ist bestürzt und fordert die Götter auf zu sehen, welch scharfer Donner ganz unverhofft auf ihn fällt. Lentulus gesteht, dass das Blatt, welches an den Senat gehen sollte, ihm abhanden gekommen sei. In der Tat ist das ein unglaubliches Missgeschick. Die Königin hat das Papier gefunden und ihm unter die Nase gehalten. Er solle jetzt das, was er vermasselt hat, wieder in die Reihe bringen und zu ihr gehen und Fürsprache einlegen. Cäsar warte mit zärtlichem Verlangen im königlichen Saal, sie bei sich zu sehen. Aus Trotz gegen Rom und die Welt will er sich nun endgültig mit ihr als Gemahl verbinden. Lentulus gibt sich untertänig will versuchen, seine Hoffnung und seinen Willen zu erfüllen. Cäsar fühlt sich ungerecht behandelt, weil man seinem Herzen Arglist vorwirft, und beklagt sich bei den Göttern.
„Man trauet meinem edlen Herzen
den Undank und die Untreu zu.
Die, die ich über alles liebe,
vergisst der Zärtlichkeiten Triebe.
Wie grausam muss mich dieses schmerzen?
Wie heftig stört dies meine Ruh.
Ihr Götter, die ihr meine Seele,
mein Wünschen und mein Denken kennt,
ihr wisst, ob ich ein Glück erwähle,
dass mich von Treu und Großmut trennt!“
Neunter und zehnter Auftritt:
Lentulus legt sich bei Cleopatra mächtig ins Zeug. Noch in dieser Stunde will Cäsar ihr seine Hand auf ewig schenken. Ihm falle es niemals ein, betrügerisch, falsch und ungerecht zu sein. Durch das Schreiben wollte er den Senat nur blenden. Die Götter ruft Lentulus als Zeugen an.
Elfter Auftritt und zwölfter Auftritt:
Lentulus hat mit seiner Rhetorik Erfolg. Cleopatra glaubt seinen Ausführungen und gibt sich frohgemut. Im Thronsaal findet man zusammen, schwingt salbungsvolle Sprüche und die Liebenden versprechen sich, für immer zusammenzubleiben.
Den Gefangenen, die den Serapis-Tempel stürmten, wird Amnestie gewährt. Cornelia und ihre Söhne müssen ihre Rachegedanken begraben. Römer und Ägypter leisten Cäsar und Cleopatra den Treueeid und der Opernchor offeriert seine Segenswünsche.
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2012 musirony – Engelbert Hellen