musirony - Flauto solo
 

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Schöne Oper - selten gehört



Eugen d'Albert [1864-1932]

Flauto solo


Musikalisches Lustspiel in einem Akt

Libretto von Hans Paul Freiherr von Wolzogen 

Uraufführung am 12. November 1905 im Deutschen Theater (heute Staatsoper) Prag.

Dauer: ca. 60min 

Charaktere:

Fürst Eberhard - Bass
Prinz Ferdinand (Nante) - Tenor
Maestro Emanuele - Bariton
Musjö Pepusch - Bariton
Signora Peppina - Sopran 

Die Handlung spielt in der Residenz eines deutschen Kleinfürsten im 18. Jahrhundert
 


Johann Christopher Pepusch



HANDLUNG
 

Wie jeden Morgen baut sich die fürstliche Blaskapelle im Garten seiner Hoheit im Musiktempel auf, um unter Aufsicht von Pepusch drei schöne Märsche zum besten zu geben. Fürst Eberhard kommt hinzu und lobt den packenden Zugriff der Musiker. Pepusch soll nach den Wünschen seines Dienstherrn der neue Musiklehrer seines Sohnes Ferdinand sein, da dieser gerade von dem hochnäsigen Italiener Maestro Emanuele hauptsächlich im Flötenspiel und dessen verweichlichter Tonkunst unterrichtet wird, was Eberhard nicht gefällt. Viel lieber sähe er es, wenn ein deutscher Meister - wenn nicht gleich der Komponist des von ihm vielgeliebten „Schweinecanons“ selbst seinen Sohn unterrichtete. Pepusch bedankt sich ob der Lorbeeren, glaubt aber in seinem Schweinecanon nur eine kleine musikalische Neckerei komponiert zu haben. Ihm ist dieser musikalische Scherz eher peinlich. Eine Trompete gibt das Signal zum Truppenappell und dem abschließenden, eintägigen Nachtmanöver bei Hasenrück, welches Fürst Eberhard selbstständig leiten wird. Er freut sich auf den „schwarfen Ritt“, da er das alltägliche Flötengedudel am Hof satt ist.

Noch bevor er abgeht, vernimmt der frauenverachtende Herrscher Signora Peppina, ihres Zeichens von Emanuele heimlich engagierte Kammersängerin, welche eine kapriziöse Koloratur zum Besten gibt. Pepusch lenkt ab, es handle sich um Ferdinands Flötenspiel, worauf der Fürst verärgert abgeht und dem Kapellmeister den Auftrag erteilt, seinen Sohn zur Inspektion der Artiellerie zu bewegen. 

Ist seiner Kunst der Canon zu gemein,
soll die Kanone seine Flöte sein.“

Während Pepusch im Musiktempel die Noten zusammensucht, schleicht Peppina, ohne ihn zu bemerken, im Park herum. Sie beklagt ihr Leid als Sängerin in dem deutsche Blasmusik so liebenden Haushalt und übt, auf einer Bank sitzend, eine Arie. Pepusch stimmt mit ein und sie unterhalten sich über den Frauenhass und die Trompetenliebe Eberhards. Als Peppina den Schweinecanon erwähnt, erfährt Pepusch peinlich berührt, dass Emanuele darüber weiß und sich öffentlich am Hof darüber lustig macht. 

Il canto die porchi is daitsche Musik!
Nach Durchlauchts Befehle 
setzt er in Noten zu sechs Fagoten der Borstentierle süßes Gequieck,
so urnatürlich,
so ferkelmanierlich, 
wer's hört, der meint sich im Stalle beim Vieh'.
Da fühlt sich die Durchlaucht so wohl so wie und wälzt sich vor Lachen und jauchzt wie toll,
und der Pepusch ist dieser Musen Apoll.“

Pepusch will sich dankend entfernen, wird aber von Peppina zurückgehalten; es tut ihr Leid, den Musiker mit der grausamen Wahrheit konfrontiert zu haben. Zusammen reden sie weiter über Eberhard und Emanuele. Pepusch gibt sich als gutmütliger Gentleman und Peppina offenbart, dass sie zu einem Fest italienischer Musik, welches in Abwesenheit Eberhards am Abend stattfinden soll, von Emanuele eingeladen wurde. Geladen seien einige hochrangige Wiener Adelige und sie hofft auf ein Engagement im Burgtheater. Zur Kostprobe singt sie Pepusch die Arie vor, welche für sie eigens komponiert wurde. Der Komponist schüttelt sich vor lauter Koloraturen und es kommt zu einem Diskurs über die wahre Musik. Pepusch schreitet entschieden für die verkopfte, deutsche Polyphonie ein und fodert Peppina auf, einen Kanon ad hoc mit ihm zu singen. Auf der Bank gerät das Duett schnell zu einer andeutungsvollen Neckerei, welche aber vom Flötenspiel des Prinzen unterbrochen wird. Pepusch fühlt sich an seinen Auftrag erinnert und eilt dem Jungen entgegen. Der aufgebrachte Emanuele kommt in den Garten und stürzt sich auf Peppina. Ob sie verrückt geworden sei, sich im Garten öffentlich zu zeigen, in dem der Fürst stets spazieren zu gehen pflegt, fragt er in gebrochenem Deutsch.

Nachdem die Aufregung sich gelegt hat, kommt es zu einer gekünstelten Szene, in der der italienische Maestro seine angebetete Peppina mit einer großen Arie anschmachtet. Die Primmadonna jedoch weist mit dem großen Pathos einer Opera seria den Schmeichler in den Staub. Als der Prinz des Weges kommt, schiebt Emanuele seine Gespielin schnell in die Büsche und wundert sich gegenüber seinen Dienstherren, wieso er nicht „inspiziert“, wie Pepusch es ihm aufgetragen hätte. Ferdinand sagt, dass dies Zeit habe und er Pepusch selbst einige Aufträge erteilt habe. Zur Überraschung kommt dieser gerade zurück und teilt mit, die Befehle an andere Untergebene abgewälzt zu haben. 

Ziemlich genervt von dem Musiker, der sich als Adjutant seines Vaters aufspielt, lädt der Prinz ihn kurzerhand zu dem musikalischen Festakt ein und wünscht gleichzeitig, dass der Schweinekanon gespielt werde. Pepusch will vor peinlicher Berührung am liebsten im Boden versinken, würde doch so sein musikalischer Scherz an ein breites Publikum getragen. Der Prinz verschwindet und der Verzweifelte Komponist überlegt sich unter der Arienprobe Peppinas eine Lösung, um seinen guten Ruf und den der deutschen Musik zu retten. Plötzlich kommt ihm ein Einfall. Er gibt Peppina einen dankenden Kuss und lässt sie verdutzt zurück. 

Zur großen Überraschung trifft sie auf Fürst Eberhard, der unerwarteterweise nicht auf Nachtmanöver geht. Peppina erkennt ihn zunächst nicht, jedoch klären beide ihre Identitäten im Laufe eines neckischen Gesprächs auf. Der zunächst ziemlich verärgerte Eberhard wird durch den Charme der kecken Tirolerin besänftigt und in den Plan des abendlichen Konzerts eingeweiht. 

Der Fürst plant, selbst ungeladen zu erscheinen und seinem geschätzten und von Peppina geliebten Pepusch aus der Patsche zu helfen. Dieser kommt gerade zurück und berichtet, dass er einen guten Plan habe. Gemeinsam schwören sich die Drei auf einander ein. 

Die Festvorbereitungen beginnen, man stellt Stühle vor dem Musiktempel und bringt Windlichter. Die Musiker nehmen Platz und spielen ein Menuett, während Ferdinand die eintreffenden Gäste begrüßt. Als das Fest offiziell eröffnet wird, marschiert Pepusch mit sechs Fagottisten, die ihre Instrumente wie Gewehre schultern, herein. Er selbst trägt zur Verwunderung des Prinzen noch einen siebten Notenständer, obwohl im Pavillion schon sechs aufgebaut sind. Der Komponist klärt über das neu komponierte Flötensolo auf und bittet den Meister des Flötenspiels, Emanuele, die ehrenvolle Aufgabe zu übernehmen. Der Italiener fährt temperamentvoll aus der Haut und Pepusch an den Hals. Bevor die Situation völlig eskaliert, tritt Fürst Eberhard auf und befiehlt seinem deprimierten Sohn selbst das Solo zu blasen. 

Das Stück erklingt. Es handelt sich um den Schweinekanon mit der Solomelodie der von Emanuele komponierten Arie Peppinas in der Flöte. Der Prinz und die Gäste sind schlussendlich begeistert und Pepusch bekennt ehrlich und demütig, dass eine Hälfte des Lobes seinem Rivalen gehöre. Doch nun wird noch die berühmte Peppina angekündigt. Freudig erwartet man ihre große, dramatische Arie. Die Diva erscheint mit langem Mantel auf den Stufen des Tempels, wirft diesen ab und trägt zur Verwunderung aller ein Tiroler Dirndl. Statt der Arie jodelt sie und zieht die Gäste in ihren Bann. Emanuele verkriecht sich und möchte nach den beiden gelungen Darbietungen nicht mehr selbst vortragen. Pepusch wird vom Fürsten ein Wunsch gewährt und er bittet um Peppinas Hand an. Der Prinz gibt seinen Segen dazu: 

Mit durchlauchtigster Permission
notifizier' ich, Prinz Nante der Sohn, 
hier gegewärtigen Musicis 
Pepi und Pepusch in Gnaden dies: 
daß Durchlaucht Euch zu gestatten geruhe,
zeit lebens zu blasen Flauti due.“ 

Mit der Aufforderung an Emanuele, seinem Rivalen zu verzeihen, eröffnet Ferdinand das Buffet. Peppina unterstreicht, dass es egal sei, welche Musik man spiele, solange sie Menschen zusammenbringe. Der Chor lässt das Paar und (nur) die deutsche Tonkunst hochleben.


Anmerkung: 

Hans von Wolzogen, vielleicht bekannt als der Librettist von Richard Strauss' „Feuersnot“, liefert mit „Flauto solo“ einen originellen, wenn auch wertenden Beitrag zum Kunstdiskurs der Jahrhundertwende. Die unterschiedlichen Dialekte und Akzente der handelnden Personen stellen des Weiteren eine besonders reizvolle Besonderheit dar. Während Emanuele eine deutsch-italienische Mixtur spricht und Peppina in tiroler Mundart daherkommt parliert Ferdinand oder Nante, wie er sich nennt, bevorzugt auf französisch. Die unverblümte politische Unkorrektheit und die am Ende trotz einiger Eingeständnisse an die „wälsche“ (italienische) Musik ziemlich eindeutig deutschnationale Parole, macht es schwierig, das musikalische raffinierte Werk heute auf die Opernbühne zu bringen. Doch klingen nicht auch in den berühmten Meistersingern von Nürnberg die gleichen Floskeln an, die es dennoch nicht verhindern konnten, dass Wagners Oper zu einem Repertoirehit geworden ist? 

Zwar spielt das Geschehen laut Libretto am Hof eines deutschen Kleinfürsten, doch ist ziemlich offensichtlich, dass es sich bei Eberhard um den harten, preussischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und bei Ferdinand um dessen Sohn, den kunstliebenden, flötespielenden Friedrich II. handelt. 

Musikalisch ist das Werk d'Alberts etwa mit dessen früheren Einakter „Die Abreise“ zu vergleichen, wenn auch unterschiedliche Idiome zum Einsatz kommen. Ziemlich amüsant und auch genial ist besonders der thematisierte Schweinekanon zu sechs Fagotten und eben Flauto solo. 

© 2011 - Raphael Lübbers

 

 

 

 

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