Schöne Oper – gern gehört
Franz Schreker [1878-1934]
Die Gezeichneten
Oper in drei Akten
deutsch gesungen
Libretto vom Komponisten nach Motiven von „Hidalla“ von Frank Wedekind
Uraufführung am 25. April 1918 in der Oper Frankfurt
Dauer: ca. 165 min.
Charaktere:
Herzog Antoniotto Adorno - Bass
Graf Andrae Vitelozzo Tamare - Bariton
Lodovico Nardi, Podestà der Stadt Genua - Bass
Carlotta Nardi, seine Tochter - Sopran
Alviano Savalgo, ein genuesischer Edelmann - Tenor
Sechs genuesische Edellleute:
Guidobald Usodimare - Tenor
Menaldo Negroni - Tenor
Michelotto Cibo - Bariton
Gonsalvo Fieschi - Bariton
Julian Pinelli - Bass
Paolo Calvi - Bass
Der Capitaneo di giustizia - Bass
Ginevra Scotti - Sopran
Martuccia, Haushälterin bei Salvago - Alt
Pietro, ein Bravo - Tenor
Ein Jüngling - Tenor
Ein Mädchen - Sopran
Drei Senatoren - Tenor, Bariton, Bass Diener; Drei Bürger; Vater, Mutter; Kind; Drei junge Leute; Ein riesiger Bürger; Acht Vermummte; Edle; Bürger; Soldaten; Dienerinnen; Diener; Frauen; Mädchen; Kinder
Ballett: Faune; Najaden; Bacchanten
Genua und ein Eiland in der Nähe Genuas, im 16. Jahrhundert
INHALTSANGABE
Erster Akt:
Der Edelmann Alviano Salvago ist ein Sonderling, der glaubt aufgrund seiner Hässlichkeit niemals echte Liebe erfahren zu können. All seine Energie steckt er in sein ehrgeiziges Traumprojekt, die Insel Elysium, eine paradiesische Traumlandschaft, die jedem, der sie sieht und erlebt, Wonnen des Glücks vermittelt. Alviano hat die Insel nie selbst betreten, ist aber geistiger Schöpfer des Projekts und hat zum Motto der Attraktion „Die Schönheit sei Beute der Starken!“ gewählt.
Doch das scheinbare Paradies hat seine Schattenseiten: Alvianos vermeintliche Freunde – verwöhnte Adelige auf der ständigen Suche nach neuen Reizen – missbrauchen Elysium als geheimen Treffpunkt für Orgien. Sie leben dort ihre sexuellen Gewaltphantasien aus, indem sie junge Bürgermädchen dorthin verschleppen und vergewaltigen. Einige der Frauen bleiben vermisst, doch keiner der begangenen Morde wurde bislang aufgedeckt.
Als Alviano von der Pervertierung seines Idealprojekts erfährt, ist er entsetzt und er entschließt sich, seine paradiesische Schöpfung der Bürgerschaft Genuas als Allgemeingut zum Geschenk zu machen und damit der exklusiven Nutzung durch seine adeligen „Freunde“ zu entziehen.
Um dies zu verhindern, wird der schillernde Graf Tamare Vitelozzo aus der Gruppe von Alvianos Freunden vorgeschickt und auf Herzog Adorno angesetzt – mit dem Ziel, dieser möge die Übertragung der Insel an die Bürger verhindern.
Während einer offiziellen Besprechung von Alviano mit dem Bürgermeister, bei dem die Schenkungsmodalitäten vereinbart werden sollen, umschwärmt der ebenfalls anwesende Tamare die Tochter des Podestà, die Malerin Carlotta Nardi. Diese entzieht sich allerdings seinem Werben.
Pietro, ein Handlanger der adeligen Clique, überredet Alvianos Haushälterin Martuccia, ein von ihm für seine Freunde entführtes Bürgermädchen, Ginevra Scotti, für einige Zeit im Hause ihres Dienstherren zu verstecken, ohne dass dieser davon Wind bekommt.
Carlotta entwickelt ein reges Interesse für den Einzelgänger Alviano und bittet ihn, ihr in ihrem Atelier Modell für ein Portrait zu stehen. Alviano, der im Umgang mit Frauen ungeübt ist, lehnt zunächst eifrig ab, da er befürchtet, dass Carlotta, für die er eine große Faszination hegt, lediglich ein Spiel mit ihm treiben will. Schließlich gelingt es Carlotta aber doch, Alviano von ihrer ernst gemeinten Absicht zu überzeugen. Beschämt und glücklich zugleich, sagt er sein Kommen zu.
Zweiter Akt:
Der Herzog zögert die Genehmigung von Alvianos Schenkung an die Bürgerschaft hinaus und nimmt dabei den Ärger der Stadtväter in Kauf. Tamare berichtet ihm von seiner Leidenschaft für Carlotta und klärt ihn zugleich über das perverse Treiben auf Elysium auf. Zwar reagiert Adorno verärgert, doch ist ihm der bei der Bürgerschaft so beliebte Alviano ein Dorn im Auge.
Carlotta empfängt Alviano in ihrem Atelier. Sie erzählt ihm die seltsame Geschichte von einer Malerin, die von der Vorstellung wesenloser Hände verfolgt wurde und immer nur Hände malte. Hände, die sich zuweilen auch im das Herz dieser Frau krampften und sie zu ersticken drohten. Das Carlotta damit in verschlüsselter Form von sich selbst spricht und damit ihre Angst, sich einem Mann in liebender Leidenschaft ganz hinzugeben preisgibt, entgeht dem verwirrten Alviano. Schließlich spricht Carlotta von ihrer „Liebe“ zu ihm und macht sich gleichzeitig daran, den Moment des Glücks, wie er sich in der Reaktion Alvianos abzeichnet, in sein Portrait zu bannen.
Dieser Vorgang, der für sie die Vollendung ihrer sämtlichen künstlerischen Verausgabung bedeutet, verlangt ihr alle Kraft ab. Eine Körperliche Vereinigung zwischen der Künstlerin und ihrem Modell, für Momente in den Bereich des Möglichen gerückt, bleibt aus. Adorno erscheint, um seinem Versprechen nachzukommen, für seinen Freund Tamare bei Carlotta ein gutes Wort einzulegen.
Dritter Akt:
Alviano sieht sich am Ziel seiner Träume: Der Tag, an dem Sein Geschenk an die Bürgerschaft übergeben wird, rückt näher. Außerdem sieht er – ein Gezeichneter – sich von Carlotta geliebt.
Mit Staunen und Scheu wird Elysium von den Bürgern erkundet. Der Podestà äußert sich gegenüber Alviano besorgt über die Wirkung der Insel auf die Menschen.
Martuccia informiert Pietro aufgeregt, dass das die Scotti aus Alvianos Haus geflohen sei. Sie macht Pietro Vorwürde, da sie sich und Alviano in möglicherweise großen Schwierigkeiten sieht.
Carlottas Hinneigung zu Alviano hat sich seit der Fertigstellung des Porträts verflüchtigt, wie sie Adorno anvertraut. Unter dem Eindruck Elysiums sucht sie, die in ihrem Verhältnis zu Männern wahre Leidenschaft nie zugelassen hat, nach letztgültiger Erfüllung – und findet Tamare.
Alvianos Elysium verzaubert alle und eine knisternde Stimmung hebt unter den Inselbesuchern an: Während sich die Menschen dem Glücksrausch erotischer Offenbarung hingeben, sucht der verzweifelte Alviano – das Schlimmste befürchtend – nach Carlotta.
Adorno lässt den von allen als großen Wohltäter gefeierten Alviano verhaften. Er soll für die in seinem Elysium begangenen Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Als Kronzeugin gegen ihn fungiert die in seinem Haus gefangen gewesene Ginevra Scotti. Zudem bestätigen sich Alvianos schrecklicher Verdacht, als Tamare und Carlotta zusammen in der Liebesgrotte im Zentrum Elysiums angetroffen werden. Sie hat mit Tamare das Glück echter Leidenschaft erfahren und stirbt.
Alviano fleht seinen Rivalen an, ihm zu versichern, er habe Carlotta vergewaltigt nur so könne er sich den Glauben bewahren, von Carlotta geliebt worden zu sein, doch Tamare konfrontiert ihn mit der Realität: Carlotta hat sich ihm, der das Recht des Stärkeren verkörpert und lebt, freiwillig und bedingungslos als Beute hingegeben. In der schrecklichen selbst-erfüllenden Prophezeiung seines eigenen Mottos für Elysium, tötet er Tamare.
© 2013 musirony – Raphael Lübbers