Schöne Oper – kaum bekannt
Othmar Schoeck [1886-1957]
Don Ranudo
Komische Oper in vier Aufzügen
Op. 27
Libretto von Otto Singer
nach der Komödie von Ludvig Holberg
Uraufführung am 16. April 1919 am Stadttheater Zürich
Dauer: ca. 120min
auf Deutsch gesungen
Charaktere:
Don Ranudo di Colibrados – Ein alter Edelmann (Bass)
Dona Olympia – seine Frau (Alt)
Maria – Tochter der beiden (Sopran)
Gonzalo de las Minas – ein junger Graf (Tenor)
Pedro – Diener Don Ranudos (Bariton)
Leonore – Zofe der Olympia (Sopran)
Gusman – Diener Gonzalos (Bariton)
Ein Mohr – Gemüsehändler (Tenor)
Ein Gerichtsvollzieher (Tenor)
Volk, Marktweiber, Gerichtsleute, Ein Pater, Gefolge des Mohrenfürsten
Die Handlung spielt in einer spanischen Kleinstadt um 1750
HANDLUNG
1. Akt
Pedro wischt Staub im Hause Don Ranudos, doch viel gibt es nicht wischen, denn der ärmliche alte Edelmann hat fast all seine Möbel versetzt, um über die Runden zu kommen. Leonore kommt hinzu und treibt Pedro an, Brot und Schinken für das Frühstück zu kaufen. Dieser turtelt allerdings lieber mit Leonore. Beide werden von Gusman überrascht, der von Graf Gonzalo de las Minas einen Liebesbrief an Maria überbringt. Er kündigt an, dass sein Herr noch heute um die Hand von Maria anhalten wird. Um Pedro und Leonore in Erfüllung ihrer Aufgaben zu stärken, gibt’s zur Belohnung einen Fresskorb, den sie hochnäsig annehmen. Maria ist überglücklich von ihrem heimlichen Geliebten zu hören, doch befürchtet sie, dass ihre hochmütigen Eltern einer Heirat nie zustimmen würden. Don Ranudo und Olympia bereiten sich auf den Besuch des Grafen vor: Pedro muss dem Grafen Socken leihen, da unter seinen eigenen keine ohne Loch sind und den Gewändern fehlt es an massig Putz. Als alles in großer Eile vorbereitet ist, wird Gonzalo hereingebeten, der trotz seines niedrigeren Adelsstandes um die Hand Marias anhält. Sein stattliches Vermögen würde natürlich auch den de Colibrados zukommen. Olympia und Don Ranudo fallen aus allen Wolken – eine Heirat außerhalb der Standesgrenzen ist absolut undenkbar für sie. Die Audienz ist beendet, Gonzalo wird verärgert heimgeschickt. Pedro und Leonore sind entsetzt über so viel Dummheit und unangebrachtem Stolz. Sie planen, dem Glück Gonzalos und Marias sowie ihrem leiblichen Wohl mit besten Kräften nachzuhelfen.
2. Akt
Ein Mohr versucht auf dem Markt recht erfolglos seine Melonen anzupreisen. Pedro bietet ihm an, den Verkauf immens zu steigern. Er drischt pathetische Werbephrasen und stopft sich nebenher, soviel er kann, mit Melonenscheibchen voll. Die Leute greifen zu und die Früchte gehen in großen Mengen weg. Zur Verärgerung des Mohren, gibt Pedro nur viele Melonen gratis heraus, um die Schuldner seines Herrn zu besänftigen. Beiden kann er es nicht recht machen, seinem Arbeitgeber und dem Osthändler. Dieser empört sich und es kommt zu einer Schlägerei.Gonzalo de las Minas erscheint, und der Mohr erhofft sich eine Wiedergutmachung. Doch Pedro tritt zielbewusst an den jungen Grafen und rät zu kühnem Einsatz, um Maria aus den Fängen ihres störrischen Vaters zu befreien. Gemeinsam hecken sie einen Plan aus, in dem auch der Melonenhändler eine Rolle spielen soll.
3. Akt
Don Ranudo und Olympia bewundern in ihrem, von allen Zeichen des Verfalls gekennzeichneten Rittersaal, die Ahnenbilder und singen ein Lob auf den alteingesessenen Adel. Ihr Schwelgen wird von Pedro unterbrochen, der einen Gerichtsvollzieher mit dessen Helfern hereinführt. Dieser ist gekommen um die verärgerten Gläubiger zu besänftigen und die restlichen Möbel mitzunehmen. Unter größten Protest werden selbst die Rahmen der geliebten Ahnenbilder verkauft – die Bilder selbst werden von dem Gerichtsvollzieher als wertlos eingestuft und achtlos beiseite geworfen. Doch es kommt noch besser:
„Was wir da fanden, dekket leide
bei weitem nicht die ganze Schuld.
Ich bitte daher um Geduld
und mit Verlaub um ihre Kleider.“
Zwar eschoffiert sich Don Ranudo aufs äußerste, doch kann der Gerichtsvollzieher ihn mit einer Erinnerung an seine adelige Würde, mit welcher er alles ertragen sollte, besänftigen. Großzügig bietet Ranudo ihm eine Priese Schnupftabak an. Die Dose wird sogleich gepfändet und zu den übrigen Sachen gelegt. Als die Blutsauger fort sind, sehen sich die Herrschaften in kahlen Räumen, fast gänzlich entkleidet. Einzig der alte Trauermantel ist Don Ranudo geblieben, den er nun würdevoll trägt.
Ein Loblied auf den Adel wird durch fremdartige Marschmusik unterbrochen, die in der Ferne vernehmbar wird. Der verkleidete Mohr stellt sich Ranudo als Scheich Theophrastus Chrysogamus von Äthiopien vor und eine ihm folgende Menge huldigt ihm. Leonore mimt einen Dolmetscher namens Ginesilo de Parapilla, Doktor der Sprachen aus Sevilla. Der Scheich sei zum Christentum konvertiert und suche seit langem eine ehrbare, alte Familie, um einzuheiraten. Don Ranudo ist sofort angetan, doch fragt er, ob der Stammbaum des Scheichs weit genug zurückreiche. Schon unter den Heiligen Drei Königen seien Verwandte zu finden, so der Dolmetscher und sechs Sklaven bringen ein schweres Buch, an welchem der Stammbaum routiniert erläutert wird.
„Dieser Schlange wirres Streben
ist Sinachirib aus Theben,
unten diese schwarze Lilie
ist die Königen von Saba,
Hasdrubal dies, Ali Baba.
Und so weiter, viele Seiten
nur allein bis Christi Zeiten.“
Don Ranudo hat genug gehört und willigt angesichts dieses Stammbaums sofort der Hochzeit mit Maria zu. Gemeinsam beschließt man, noch am heutigen Tage um vier Uhr die Hochzeit zu feiern. Die Prozession entfernt sich und Ranudo steht mit verzücktem Blick gen Himmel wie eine Statue mitten auf der Bühne, bis der Vorhang sich geschlossen hat.
4. Akt
Pedro bringt einen auf Pump gekauften Teppich zur Kapelle und wird dabei von allerlei Gläubigern bedrängt, die er beschwichtigen kann, indem er eine Heirat Marias mit dem reichen Gonzalo ankündigt. Alle Gläubiger werden in der Kirche als Publikum erwartet. Die Hochzeitszeremonie, bei der auch Gonzalo geladen ist, beginnt. Maria wird ihrem neuen Bräutigam vorgestellt, den sie verabscheut; lieber würde sie ins Kloster gehen. Als Pedro den Mohrenfürsten demaskiert, die anwesenden Gläubiger ihre Schuldscheine hochreißen und Ranudo erfährt, dass auch Leonore und Pedro gegen ihn arbeiten, gibt er sich geschlagen. Als Vater will er Maria verzeihen aber als de Colibrados enterbt er sie, was schallendes Gelächter hervorruft. Als die beiden Alten fort sind bricht freudiger Hochzeitstrubel aus.
„So siegt nun die Liebe, der Adel verlor,
Verblendung und Hochmuth entwichen.
Hoch lebe Pedro, es lebe sein Mohr!
Die Schulden werden beglichen!“
Die Hochzeit findet statt, allerdings nicht mit dem Mohren, sondern mit dem Grafen Gonzalo de las Minas.
Anmerkungen:
Unter den Opern Schoecks wartet einzig Don Ranudo auf eine Einspielung. Musikalisch durchaus lohnend und auch in ihrer Moral grundsätzlich nicht verkehrt, macht ihr offenkundiger Rassismus eine Aufführung in heutigen Zeiten schwierig. Zwar wird auch die Zauberflöte trotz ihrer rassistischen und sexistischen Tendenzen heutzutage an allen Häusern der Erde gerne gegeben, dich erschweren derartige „Moden“ einer unbekannten Oper die Wiederaufnahme immens. Eine geschickte Abwandlung des Librettos würde sicher den Weg ebnen.
© 2012 musirony – Raphael Lübbers