Schöne Oper – selten gehört
Giovanni Battista Pergolesi [1710-1736]
Lo frate 'nnamorato
Der verliebte Bruder oder Die Heiratslustigen von Neapel
Oper in drei Akten - Commedia per musica
italienisch gesungen
Libretto von Gennaro Antonio Federico
Uraufführung: Neapel, Teatro del Fiorentini, 27. September 1732
Charaktere:
Marcaniello, ein wohlhabender Bürger (Bariton)
Don Pietro, sein Sohn (Bass)
Luggrezia, seine Tochter (Mezzosopran)
Ascanio, sein Adoptivsohn (Sopran)
Carlo, Onkel von Nena und Nina (Tenor)
Nena und Nina (Sopran, Alt)
Vanella und Cardella, Dienstmädchen (Sopran)
ein Fechtmeister
Das Geschehen spielt in Capodimonte im Jahre 1730
HANDLUNG
Erster Akt:
Das Anwesen von Marcaniello gleicht ein wenig einer Ruine, strahlt aber immer noch einen morbiden Charme aus. Zwei Reinigungskräfte sind damit beschäftigt, den Fußboden der Veranda intensiv zu schrubben. Vanella und Cardella, so heißen die beiden hübschen Mädchen, finden dabei Zeit, ausgiebig über ihre Herrschaft zu tratschen. Der Haushalt Marcaniellos besteht aus ihm selbst, seinem Sohn Pietro und seiner Tochter Luggrezia. Zur Verzierung der Familie tragen noch die beiden Nichten Nena und Nina bei, die sich aber gegenseitig nicht besonders gewogen sind.
Pietro hat seinen affektierten Freund Carlo dabei, der ihm von seinem Schnupftabak abgibt. Außer diesen beiden ist noch ein Fechtlehrer anwesend, der mit Carlo ein paar Übungen durchzieht, wenn dieser seine Männlichkeit unter Beweis stellen will. Der Letztere ist mit Luggrezia, Pietros Schwester verlobt. Besonders begeistert ist sie von ihm nicht und weigert sich seiner Weisung Folge zu leisten, denn sie hat keine Lust zu erscheinen, und lässt ihn durch das Hauspersonal informieren.
Fast hätten wir es vergessen, zur Familie gehört auch Ascanio, ein Jüngling wie aus Zuckerwatte – der Mittelpunkt allen weiblichen Interesses. Seine Herkunft ist mysteriös, seine Wurzeln sind nicht restlos erkundet. Er ist einfach da und der Liebling aller!
Marcaniello, das Familienoberhaupt, hat die Gicht und kann sich nur humpelnd vorwärts bewegen. Seine Schmerzen im Bewegungsapparat sind ihm ständig bewusst und der alte Querkopf macht seinem Zorn unablässig Luft. Er fühlt sich nicht respektvoll behandelt und macht Nena darauf aufmerksam, dass ihr Verlobter eintreffen wird. Nina hat er insgeheim für sich selbst reserviert. Doch die beiden Damen sind viel zu selbstbewusst und haben ihren eigenen Kopf. Mittelpunkt ihrer Gefühlswelt ist der hübsche Ascanio, aber auch Luggrezia hat eine Schwäche für das Bürschchen entdeckt und protestiert bei ihrem Vater, dass sie Carlo nicht heiraten wird.
Marcaniello versucht Ascanio, der sich liebevoll um seine Gehbehinderung kümmert, für seine Zwecke einzuspannen, doch der Plan läuft schief. Lugrezzia bezichtigt ihn der Undankbarkeit und behauptet, dass er ihren Tod suche. Ascanio befindet sich im Dilemma seiner Entscheidungen. Seinem Wohltäter will er sich nicht undankbar zeigen, aber Luggrezia möchte er auch nicht enttäuschen. Hinzukommt, dass er so verwirrt ist, nicht zu wissen, wo er mit seinen Gefühlen für Nena und Nina hin soll. Es ist schon eine Qual mit der Liebe!
Doch Ascanio hat nicht allein Probleme. Pietro wartet auf Nena, vertreibt sich die Wartezeit mit Vanella und improvisiert mit ihr lustige Spielchen. Die zum Rendezvous bestellte Nena kommt doch noch und reagiert mit Eifersucht. Sie hat Zweifel an den ernsten Absichten ihres zukünftigen Gatten. Vanellas Beteuerungen, sie sei an der Situation unschuldig, werden ihr nicht abgekauft. Nina gibt Marcaniello einen Korb und behauptet, von Pietro beeindruckt zu sein. Mit einem Hexenkessel ungelöster Probleme geht es in den nächsten Akt.
Zweiter Akt:
Es beginnt wieder mit dem Hauspersonal, welches im Eingang zum Innenhof das Küchengeschirr abtrocknet. Macaniello ist untröstlich, weil Nina nichts von ihm wissen will. Im Hof sitzt er mit seiner Theorbe, die er nicht spielen zu weiß und klagt, dass er ohne Nina nicht leben kann. Vanella bedauert ihn und beglückwünscht aber gleichzeitig die Befreite, dass sie ihren ungeliebten Verehrer bequem los geworden ist.
Ascanio tritt mit seinen beiden Verehrerinnen Nina und Nena auf, die ihm klarmachen, dass er sich zwischen ihnen entscheiden soll. Beide gleichzeitig zu lieben, komme nicht in Betracht. Der unschlüssige Ascanio zelebriert seinen Liebesschmerz! Luggrezia hört sich das an und schlägt wütend die Haustür zu. Carlo, der zufällig vorbeikommt, findet ihr Benehmen nicht mehr ganz vornehm und schlägt vor, ihre Verlobung zu lösen.
Der zweite Akt schließt mit einem Knalleffekt. Marcaniello bewegt sich ungeschickt vorwärts und stützt schwer. Unter Zetergeschrei wird der Verletzte ins Haus getragen.
Dritter Akt:
Es geht dermaßen turbulent zu, dass es problematisch ist, den Ereignissen zu folgen. Alle Damen lieben Ascanio und dieser muss sich noch mit dem Degen gegen einen Rivalen durchsetzen. Der Zuckerjunge trägt eine Verletzung davon, bei der ein Arm freigelegt wird. Ein Muttermal, welches sichtbar wird, klärt auf, dass Nena und Nina seine Schwestern sind und somit für eine Liebesbeziehung nicht mehr in Betracht kommen. Dafür ist Luggrezia nun frei, aber ob sich die beiden noch finden werden, bleibt offen. Im Trubel des Schlussapplauses geht alles unter.
Giovanni Battista Pergolesi
Anmerkung:
Als Tondokument steht die Einspielung der Mailänder Scala aus dem Jahre 1989 zur Verfügung. Es dirigiert Riccardo Muti. Als Marcaniello poltert in zerzauster Perücke Alesssandro Corbelli und den Ascanio verkörpert en travestie Nuccia Focile. Der Aufbau des Bühnenbildes auf einer Drehscheibe ermöglicht die verschiedene Ansichten eines Barockschlösschens im ständigem Wechsel. Die Komposition bietet Belcanto in berauschender Fülle mit atemberaubenden Koloraturketten. Die Besetzungliste lässt keine Wünsche offen.
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2012 musirony - Engelbert Hellen