Schöne Oper - selten gehört
Niccoló Jommelli [1714-1774]
Die verlassene Dido
Dido abbandonata
Melodram in drei Akten
italienisch gesungen
komponiert 1745
Libretto von Pietro Metastasio
nach der Aeneis des Vergil
Uraufführung am 28. Januar 1746 am Teatro di Torre Argentina
Personen:
Dido, Königin von Karthago
Aeneas, Held von Troja
Jarba, König der Mauren
Selene, Schwester der Dido
Araspes, Begleiter Jarbas
Osmida, Würdenträger am Hof von Karthago
Volk von Karthago
Flüchtlinge aus Troja
Das Geschehen spielt in Nordafrika,
etwa 12. Jahrhundert v. Chr.
HANDLUNG
Erster Akt:
Die ränkesüchtige Göttin Venus hat es so eingerichtet, dass Dido, Königin von Karthago, sich unsterblich in den trojanischen Helden Aeneas verliebt. Dieser hatte an der punischen Küste mit seinen Gefährten auf seiner Irrfahrt durch das Mittelmeer Schiffbruch erlitten und Gastfreundschaft in Anspruch genommen. Von seinen Erzählungen über den Ablauf der Ereignisse des trojanischen Krieges kann Dido nicht genug bekommen und immer wieder muss er alles noch einmal erzählen. Ihre Schwester Selene hört auch zu, denn auch sie liebt den Tonfall des Helden, hält ihre Gefühle aber geheim.
Liebe und Dankbarkeit erhält der trojanische Berichterstatter also von zwei Seiten. Trotzdem treibt es ihn nach langer Zeit süßen Müßiggangs in die Ferne. Angeblich wird Aeneas vom Schatten seines Vaters getrieben, aber in Wirklichkeit hat er einstweilen genug von königlicher Liebe und sehnt sich nach Ruhm und Heldentaten. Den Gefährten geht es genau so. Er berät sich mit Silene, der Schwester und Osmida, dem Vertrauten der Königin, wie der Unvorbereiteten seine Reiseabsichten am besten kundzutun sind.
Jarba, König der Mauren, findet Gefallen an dem kleinen Landstrich am Mittelmehr und der Königin, die das Land beherrscht. Zunächst unter dem Decknamen eines seiner Minister erscheint ‚Arbax’ bei Hofe in diplomatischer Mission als Brautwerber in eigener Angelegenheit. Er schmollt, denn sein Gesuch auf Thron und Beischlaf wurde schon einmal unter dem fadenscheinigen Vorwand, dass sie dem Gedächtnis ihres verstorbenen Gatten treu bleiben möchte, von der Königin abgewiesen. Nun hat man Jarba hinterbracht, dass eine Verehelichung mit Aeneas bevorstehe, Grund genug, den Griechenhelden zu hassen. Er prahlt damit, dass er sogar das Leben des Rivalen schonen will und bietet einem Nichtangriffspakt gegen Karthago an, wenn eheliche Bande einen Krieg überflüssig machen würden. Dido zeigt ihm ‚Vögelchen’ und Jarba sinnt auf Mittel, doch noch ans Ziel zu gelangen. Dabei kollaboriert er mit Osmida, dem Vertrauten der Königin, dem sein Schreibtisch als Betätigungsfeld nicht mehr ausreicht, sondern auf dem Thron sitzen will.
Der Begleiter König Jarbas, erhält von seinem König Anweisung, Aeneas zu töten. Der Aufgeforderte lehnt jedoch ab, weil er Probleme bei der Ausführung der Untat sieht. Jarba muss sich leider mit dem Treuegelöbnis seines Untertanen zufrieden geben. Dazu gehört auch, den König vor Dummheiten zu bewahren, die er gerade versucht, zu begehen. Mit gezücktem Dolch rückt er Aeneas zu Leibe, verletzt ihn aber nur, weil er auf energische Gegenwehr stößt. Araspes nimmt ihm den Dolch weg, wird aber irrtümlich für den Attentäter gehalten und die königliche Leibwache nimmt ihn fest.
Nach langem Zögern fasst sich Aeneas ein Herz, der Königin von seinen Abreiseplänen zu erzählen. Doch diese beginnt mit völlig intakten Stimmbändern dermaßen zu lamentieren, dass Aeneas es im Moment nicht wagt, seine Absichten zu verwirklichen. Italien rückt im Moment in weite Ferne
Zweiter Akt:
Araspes, aus der Untersuchungshaft durch Vermittlung von Selene entlassen, wirft ein Auge auf die Schwester der Königin. Diese ist nicht grundsätzlich abgeneigt, bringt aber den Einwand, dass ihre heimliche Liebe einem anderen gehört.
Die Königin ist misstrauisch geworden und verdächtigt den Geliebten der Untreue. Sie will ihn prüfen und tut so, als ob sie Jarba nun doch die Hand zum ehelichen Bunde reichen wolle. Aeneas zeigt sich wenig beeindruckt und sieht im Verhalten der Königin eine günstige Wende für seine Reisepläne. Da ihre Intrige nicht funktioniert, macht sie ihre Zusage an Jarba ein zweites mal rückgängig. Der Zorn des Maurenkönigs kennt keine Grenzen. Er braust auf, fühlt sich mit Recht in seiner Ehre gekränkt und sinnt auf fürchterliche Rache.
Dritter Akt:
Von seinen Gefolgsleuten bedrängt, trifft Aeneas nun endlich die Vorbereitungen zur Abreise. Klug wäre es nun von Jarba, ihn einfach ziehen zu lassen. Seinen Ärger hat er jedoch noch nicht überwunden. Mit seinen Gefolgsleuten stört er das Auslaufen des griechischen Schiffes und sucht den Zweikampf mit dem trojanischen Helden. Er unterliegt. Aeneas schenkt ihm aber das Leben, weil er im Moment im Kopf mit anderen Gedanken beschäftigt ist, als seinen Widersacher der Gerechtigkeit zuzuführen.
Selene unternimmt auch noch einen Versuch, den Helden zurückzuhalten und meint, wenn die kleine Schwester ihre Liebe zu ihm in die Wagschale wirft, kann das etwas bewirken. Doch der Held ist taub für ihr Flehen und hat nur noch einen Gedanken – weg von Karthago.
Die Katastrophe bricht herein. Jarba hat sich vor Bosheit nicht zu lassen gewusst, die Stadt und den königlichen Palast in Brand gesetzt. Das Druckmittel hat nicht gefruchtet. Dido will den Brandstifter nicht heiraten. Die Königin erfährt vom Verrat ihres Ministers und der Liebe ihrer Schwester zu ihrem Helden. Närrisch vor Verzweiflung wandelt sie in den rauchenden Trümmern ihres brennenden Palastes und erfüllt die Lüfte mit ihren Klagen. Die Opernkomponisten aller Zeiten haben zum Lamento der Dido Noten komponiert. Da alle sie verlassen haben, wird die Beklagenswerte von Herrn Metastasio als ‚Didone abbandonata’ bezeichnet und geht als solche in die Musikgeschichte ein.
Das Schiff des Aeneas schaukelt auf dem Wasser und vom Deck genießt die Mannschaft das prächtige Feuerwerk eines brennenden Karthago.
Anmerkungen:
Pietro Metastasio war einer der bedeutendsten Librettisten seiner Zeit. Seine Textbücher hatten rege Nachfrage und wurden von diversen Komponisten mehrfach benutzt. Die Oper von der verlassenen Dido ist von Jommelli gleich dreimal vertont worden. Es gibt noch die Wiener Fassung von 1749 und eine Stuttgarter Version von 1763.
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musirony 2006 - Engelbert Hellen