musirony - Die Italienerin in London
 

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Schöne Oper - selten gehört




Domenico Cimarosa [1749-1801]

Die Italienerin in London

L'italiana in Londra


 

Oper in zwei Akten

italienisch gesungen

Libretto von Giuseppe Petrosellino

Uraufführung vom 18.12.1778


Personen:

Livia
Madame Brillante
Sumers          
Milord Arespingh
Don Polidoro

Ort und Zeit: London im 18. Jahrhundert



HANDLUNG

Erster Akt: 

Madame Brillante ist Besitzerin eines malerischen Gasthofes mitten in London. Durch die großen Bogenfenster hat man einen herrlichen Blick auf die Themse und kann den regen Schiffsverkehr beobachten. Die beiden Hotelgäste, Sumers und Don Polidoro, sind heute ein bisschen mürrisch. Dem ersteren passt es nicht, dass auf der Titelseite seiner Zeitung nur über Krieg geredet wird. Er möchte lieber an Geschäfte denken - zu Wasser oder zu Lande - und legt die Zeitung zurück. Dem anderen ist der Tee zu heiß und er fühlt sich von dem Getränk nicht erfrischt. Er sehnt sich nach Neapel zurück. Madame Brillante nimmt es gelassen. Liebt er die Gazzetta heute nicht? Der Tee ist einer der besten! Es tut ihr sehr leid. Sie ist wirklich traurig. Nun, jeder mag denken, wie ihm beliebt. Jede Klimazone, jede Stadt hat Ihre besonderen Eigenschaften.

Ein neuer Gast tritt ein. Es ist Milord Arespingh. Er gibt sich unzufrieden und ist verdrossen. Wo immer er geht. Er hat seine Qual mit sich selbst. Der Tee ist wieder einmal zu schwach und sein Gemüt findet keine Ruhe. Oh Gott!  Sumers und Don Polidoro nehmen den Neuankömmling aufs Korn. Ein ernstes Gesicht macht der Fremde. Bestimmt ist er Engländer. Welch ein teuflisches Land, keiner lacht hier. - Aber der Neapolitaner lacht viel, zu viel und noch flegelhaft dazu. - Macht nichts. Er will sich mit dem Kauz unterhalten und wendet sich ihm zu. 

Wer ist der fremde Herr? Was wünscht er? - Oh, gar nichts. Er bittet um Verzeihung. - Madame Brillante stellt Milord eine Tasse Tee hin. Er möchte aber gar keinen Tee. - Aber er hat ihn doch bestellt. - Ist das wahr? Er gibt ihr einige Münzen. - Weshalb so viel? - Für den Ärger, den er verursacht hat. - Wie stolz er ist!  Ein teuflischer Mensch. - Er ist wirklich betrübt kommentiert Madame Brillante. - Don Polidoro soll etwas zurückhaltender sein, meint Sumers. Der Neapolitaner regt sich auf. Sie kennen sich nun gerade drei Tage und der Holländer will ihn ständig erziehen. Das sei eine Unverschämtheit und zeuge von schlechten Gewohnheiten. Milord murmelt vor sich hin: Diese verabscheuungswürdige Lady möchte ihn absolut heiraten, damit er gezwungenermaßen seine Livia vergisst. Sein Vater ist ebenfalls gegen ihn. 

Polidoro versucht seinem Tischnachbarn Sumers vernünftig auseinandersetzen, wie sein Betragen zu erklären ist. Es ist seine Art, liebenswürdig zu sein, ein bisschen schäkern, ein bisschen tanzen. Er liebt das Wortspiel, er liebt den Spaß. Sumers ist der Ansicht, dass er sich unmöglich aufführt. - Ist es ein Fehler, liebenswürdig zu sein?  Dazwischen seufzt der Lord über seine Bekümmernisse. Was soll geschehen, wenn der Vater auf seine Einmischung besteht. Einen Moment schauen beide zu ihm hinüber. Da stimmt etwas nicht! - Aber bald bringt Sumers das Gespräch auf Mademoiselle Errichetta. Man sagt, dass sie schön sei. - Und sehr tugendhaft. - Bei allen ist sie hochgeschätzt!  Sumers mahnt, der andere solle Taktgefühl bewahren und verabschiedet sich, weil er Geschäften nachgehen muss. Er sieht ihn später. Im Vorbeigehen hebt er noch Milords Hut auf, welcher ihm seinen Respekt zollt.

Wenn der Holländer weiterhin Streit mit ihm sucht, wird er sich noch in die Themse werfen. In seinem Ärger hat es ihn unbeabsichtigt in die Nähe von Milord gezogen. Dieser ist überraschenderweise zugänglich. Falls er möchte - wollen sie nicht zusammengehen? Zusammen? Warum? Um sich gemeinsam von der Brücke in die Themse zu stürzen. - Er hat das doch nur in Spaß gesagt. Aber dem anderen scheint es damit ernst zu sein. Er soll zuhören, welches Unglück ihn getroffen hat. Ist er Italiener? Er vertraut ihm!  Aus Genua war er nach London zurückgekehrt und was tat sein Vater, dieser schreckliche Mensch. Er schickte ihn unverzüglich nach Jamaika. – Zum Teufel auch. In die Türkei? - Er irrt, Jamaika liegt in Amerika und gehört zur neuen Welt. - In der Tat? Somit verhindert, konnte er nicht zurück nach Genua, wie er es seinem Liebchen versprochen hatte. -  Dem Neapolitaner tu es für ihn leid. Er kann es nachvollziehen, denn unglücklicherweise ist er ebenfalls verliebt. -  Aber seine Liebe ist bestimmt längst nicht so schön, wie Livia. - Diese Bemerkung lässt der Italiener nicht auf sich sitzen. Sie ist wunderschön, sie ist ein Juwel. Ihresgleichen hat er nie gesehen. – Nun möchte sein tyrannischer Vater ihn mit Milady Lindane verheiraten. – Wenn er sie nicht liebt, kann Polidoro sie doch auch heiraten. – Ist er verrückt? 

Livia ist von Genua nach London gereist. Sie hat soeben den Gasthof verlassen, in dem sie sich einlogiert hat und wirft einen Blick in das benachbarte Café. Eine verlassene Fremde ist sie, ängstlich bei jedem Schritt, den sie tut. Und In jedem Stein, den sie sieht, ist der Name des Verräters eingraviert, der sich vor zwei Jahren abgesetzt hat. Um den mitleidlosen Mann zu suchen, oh Gott, hat sie ihr Vaterland verlassen. Ach hätte sie ihn doch niemals gesehen. Wirtschaftlich eingeschränkt muss sie nun von ihrer Hände Arbeit leben. Ängstlich eilt sie in die Fachgeschäfte der Stadt, beschämt, dass der Preis, den sie für den Verkauf ihrer Stickereien fordert, zu hoch sein könnte.

Aber wen sieht sie da? Welch ein Zufall! Ist das nicht Milord? Sie registriert das Zittern ihres beklommenen Herzens. – Der Erwähnte schaut misstrauisch in ihre Richtung. Ist es wirklich Livia. Kaum zu glauben. Eine Italienerin hier in London? - Milord ist zurück von Jamaika, so schnell! Es ist besser, ihn nicht zu beachten. Sie gönnt ihm den gleichen Schmerz, den sie selbst in den letzten zwei Jahren gefühlt hat. 

Milord klammert sich an die angebetete Madame Brillante, entweder er ist verrückt oder das Mädchen, was er soeben gesehen hat, ist Livia aus Genua. Nur sie kann seinem Herzen jetzt noch Frieden bringen. – Madame fühlt sich geschmeichelt. Spricht der Herr im Ernst? – Er schwört es. -  Wenn er sie liebt, kann er sie doch heiraten. – Unsinn, er möchte von ihr lediglich Information über die fremde Frau. – Ihre eigene Hochzeit ist gelaufen. Gute Nacht. -  Sie soll ihm erzählen. Ist die Fremde Genuesin? –Nein, aus Marseille kommt sie, schwindelt Madame. – Wie heißt Sie? – Madame erklärt, dass es sich um Mademoiselle Errichetta handele. - Zum Teufel, kann es eine derartige Ähnlichkeit auf dieser Welt geben. Er hätte schwören können, dass es sich um Livia handele.  Es ist nicht in Ordnung, ihm Angst zu machen, aber diese Guineen nimmt sie erst einmal. Dafür hat dieser Teufel sie an der Nase herumgeführt und ihr Hoffnungen gemacht... Sumers bittet um Gnade für ihn.  In ihrer Eigenschaft als Seelentrösterin ersucht nun Don Polidoro um Ihr Engagement. Wenn sie kann, hilft sie gern! Er hält eine Frau in hohem Respekt. Redet er von Liebe? Richtig, aber sie weiß noch nichts davon. Madame bezieht seine Gefühle schon wieder auf sich selbst, aber er redet von einer völlig anderen, von Errichetta. Madame möchte verschont bleiben. Vielleicht weiß Sumers Rat.

Madame Brillante ist mit ihrem weiblichen Hotelgast allein und erzählt ihr, dass etliche Herren gern ihre Bekanntschaft machen würden. Livia berichtet, dass sie den schrecklichen Milord Asperigh mit eigenen Augen gesehen hat. Dieser widerwärtige Mensch ist aus Amerika zurückgekehrt, nachdem er sie zwei Jahre lang hat schmoren lassen. -  Sein Vater hatte ihn hingeschickt. – Nun ist sie nach London gekommen und findet den schrecklichen Lord hier in diesem Gasthof. Madame gerät in Rage. Sie will ihn ausschimpfen, wenn er sie nicht auf der Stelle heiratet, dieser Rüpel. Livia ist ein wenig besorgt, weil sie der Herbergsmutter eine Menge Geld schuldet. - Sie soll sich keine Gedanken machen. 

Madame Brillante ist allgemein auf die Männer nicht gut zu sprechen, weil sie auch bittere Erfahrungen gemacht hat. Einst liebte sie einen charmanten blondhaarigen jungen Mann, perfekt in der Liebe, aber mit allen Wassern gewaschen. Ihre Schüchternheit nutzte er aus und er versprach ihr die Ehe. Immer wieder hat er davon angefangen, bis sie nachgab. Der Hochzeitstermin war angesetzt, die geladenen Gäste erschienen, aber er war auf und davon. Treulos sind sie alle und launisch. Sie könnte schreien Tag und Nacht! 

Sumers hat sich an Livia herangemacht und erklärt ihr, dass er ein ehrenwerter Mann sei. Das ist wahr, alle loben ihn! Sie soll nicht wieder davonrennen. Sie darf ihm sogar ihren Kummer erzählen. Milord kommt und stört. Er will jetzt endlich herausfinden, wer die Dame ist. Himmel! Was sieht er! Aber sicher ist er sich nicht und stellt sich deshalb als Lord Arespingh vor. Sumers denkt, er will mit seinem Titel Eindruck schinden und bezeichnet sich selbst als ehrenwerten Geschäftsmann. Zwanzig Jahre war er in Indien und China hat er besucht und bei den Barbaren war er auch. Man begegnete ihm überall mit Respekt und Höflichkeit. Dann verschwindet er. 

Jetzt beginnt Livias Rachefeldzug mit Madame Brillante im Komplott. Sie beklagt sich bei der Wirtin, dass dieser Mann offenbar ein bisschen gestört sei, weil er sich als Milord Asperingh vorstellt, doch sie soll ihn trotzdem mit ihr bekannt machen - Milord will nicht glauben, dass er „Mademoiselle Errichetta“ vor sich hat. Zu groß ist die Ähnlichkeit mit Livia. Wer ist Livia, will „Errichetta“ wissen. Sie kenne keine Frau namens Livia. Doch Milord lässt sich nicht länger verschaukeln. Diese wundervollen bewunderten Lippen und diese Augen erzählen ihm die Wahrheit. Er will nach ihrer Hand greifen und bekommt etwas auf die Finger. Der Unverschämte! Was fällt ihm ein. Ein bisschen mehr Respekt vor einer Dame! Wo bleibt die Höflichkeit?  Madame Brillante flüstert sie zu, dass sie ihm gern ihren Namen sagen würde, aber dieser Mann war untreu und verdient keine Vergebung. Trotzdem regt Milde sich in ihrem Herzen. Milord nimmt einen neuen Anlauf und bittet Madame Brillante zu bestätigen, dass er Livia, seinen Schatz, vor sich hatte und verlässt zitternd das Lokal, verspricht aber, bald wiederzukommen. Der Widerwärtige soll für seinen Verrat den Preis bezahlen. Polidoro kommt. Er ist der einzige, der Madame Brillante bei allen Verdruss noch ein bisschen aufheitern kann. Sie will sich einen Spaß mit ihm erlauben. Er möchte gern wissen, ob es möglich sei, die fremde Frau zu sehen. Nein, er darf nicht. Aber die Tür steht doch offen. Er soll bitte nicht hineingehen. Ist es eine verbotene Frau? Madame Brillante wird ihm ein Geheimnis offenbaren und den Grund sagen, weshalb sie den Gast in hohen Ehren hält. Aber er soll niemandem davon erzählen.  Sie vermutet, dass Mademoiselle Errichetta ihn verehrt, weil sie oftmals zu ihm spricht. Ist er etwa taub? - Die Geheimnisvolle hat das Geschick, sich unsichtbar zu machen, wann immer sie es wünscht. - Ist sie etwa eine Hexe? Sie besitzt den Heliotrop, der sie für jede andere Person unsichtbar macht, sobald sie den Stein kurz in der Hand hält. - Dieses Juwel ist kostbarer, als eine Peperoni. Er wird solch einen Stein suchen und ihn ihr übergeben. - Sie hüstelt und macht ihm ein Zeichen, dass die Fremde möglicherweise anwesend sein könnte. - Unsichtbar? Im Moment ist sie im Raum. Sie merkt es an gewissen Anzeichen, denn sie hat bereits ihre Erfahrungen machen können. Jetzt küsst sie seine Hand. Wo steht sie, hier oder dort? Links! Jetzt geht sie nach rechts!  Denkt sie vielleicht, er sei der Stadtkiller? - Grauenvolles Schicksal! Livia sackt zusammen, ihr ist ganz schwach. 

Polidoro ruft um Hilfe. Madame Brillante eilt herbei und will wissen, was sich zugetragen hat. Sie sieht den Verstörten mit dem Schwert in der Hand und zieht ihre Schlüsse. Ah, dafür wird der Schurke bezahlen. - Aber das Schwert gehört ihm gar nicht. – Darüber wird später diskutiert. Livia liegt auf dem Rasen und stöhnt, dass ihr Herz keinen Frieden finden kann. Sie ist nicht bereit, länger durchzuhalten. - Dieser schreckliche Mann ist zu allem fähig, schätz Madame Brillante die Situation ein. Polidoro ist erschüttert. Das widerwärtige Schwert soll zum Teufel gehen. Er wirft es von sich. 

Es kommen Leute und legen Livia zur Seite. - Er ist unschuldig. Was soll er tun? Schnell, schnell! Er versteckt sich unter dem Tisch. Summers hat Stimmen gehört und eilt herbei. Er weiß nicht, was er von dem Aufruhr halten soll. Alles ist konfus. Er wird der Gefahr aus dem Weg gehen. Aber um Himmels Willen! Da liegt ein Schwert. Soll etwa jemandem der Schädel gespalten werden. Er geht lachend davon. 

Don Polidoro ist erleichtert. Wenn jemand lacht, während er zittert, ist das ein gutes Zeichen. Was ist er doch für ein Feigling. Er wird sich die Zeit mit einem Lied vertreiben. Wird sie zurückkommen, seine geliebte Errichetta? Wer zurückkommt ist Madame Brillante, um ihn zu verhören. Wie kann er nur singen mit solcher Inbrunst und Fröhlichkeit? Sie will jetzt den Grund wissen, weshalb er die Mademoiselle umbringen wollte. Aber das ist doch nur ein Missverständnis. Er kann alles aufklären. 

Milord ist zurück. Was hat er gehört? Dieser fürchterliche Mann, wollte seine Liebste ermorden? Er zieht die Pistole. Der Verräter soll auf der Stelle sterben. Polidoro ruft um Hilfe. Madame Brillante fürchtet um den Ruf ihres Hauses. Milord ist nicht zu bremsen. Er wird den Übeltäter abschlachten. Polidoro verlegt sich aufs Bitten. Der Schütze soll noch ein bisschen Geduld haben. 

Livia ist aus ihrer Benommenheit erwacht. Sie zeigt Milord einen Brief und nun weiß er, dass jeder Irrtum ausgeschlossen ist. Es ist tatsächlich seine Livia. Wird der Widerwärtige jetzt sein Versprechen erfüllen und Hochzeit machen? Er will schon, aber was wird sein Vater dazu sagen. Dieser wird ihn töten. Milord bittet um Mitleid. Polidoro sieht, dass das Schicksal sich zu seinen Gunsten wendet und wird gleich frech. Wenn Milord ihn killen will, wird es aber langsam Zeit. 

Jeder der Anwesenden trägt zur Meinungsbildung bei. Ist Milord ein Mann von Ehre? Ist er ein wirklicher Engländer? Weiß er nun, wie weh er seiner Livia getan hat? Sie schickt ihn zum Teufel. Polidoro wird sie jetzt beschützen und Summers wird immer für sie da sein.  Milord fühlt wie ein Schiff auf unruhiger See. Der Horror eines Sturmes hat das Schiff und sein Herz ergriffen.

Zweiter Akt:

Madame Brillante will wissen, was Milord hier noch zu suchen hat. Er mag die vertraute Umgebung nicht missen. Ist Madame auch sein Feind? Er bedauert es und kann für diese Reaktion nichts. Es war nicht sein Fehler. Polidoro taucht auf und meint, dass eine leckere Mahlzeit ihm gut tun würde, was Madame bestätigt. Milord ersucht den Ankömmling ein wenig zur Seite zu treten, weil er in geheimer Mission mit Madame zu sprechen habe. Er denkt nicht daran, Platz zu machen und rührt sich nicht von der Stelle. Beide streiten, wer nachgeben soll. Jeder behauptet, die besseren Manieren zu haben. Man beschimpft sich wechselseitig als Ottoman und als Parthenopeo. Madame Brillante versucht, zu beschwichtigen. In jedem Fall wird Don Polidoro die Ohren spitzen, ob das Gespräch sich um Mademoiselle Errichetta dreht. Man schaut sich gegenseitig verächtlich an. 

Milord hat großen Rückhalt in London und wichtige Freunde. In Kürze wird seine Hochzeit mit Milady Lindane sein. Sein Schicksal ist besiegelt. Der Vater wird zur Ruhe kommen. So ist es recht. Was würden die Zeitungen sagen, wenn er Wortbruch verüben würde? Der Italiener bringt ihn noch zur Verzweiflung. Das Mistvieh soll verschwinden. Welches Schicksal muss er ertragen! 

Nun kann Madame sich den von ihr favorisierten Polidoro in Ruhe vorknöpfen. Simuliert er oder meint er es ernst, wenn er von Livia spricht? Im Moment hat er die Beleidigung von Milord noch nicht verkraftet. „Italienisches Mistvieh“ hat er gesagt. Kann er sich im Kampf mit ihm messen? Madame ist neugierig auf seine Antwort. - Neapel weiß, wie viele Duelle er auf dem Platz vor dem Schloss schon ausgefochten hat. - Das  erzählt er ihr, die ein so weiches Herz hat, keinen Hund töten und kein Huhn rupfen kann. In solch einer Stadt würde sie sterben vor Furcht. - Er würde nur in dunkler Nacht kämpfen, wenn sie nicht dabei ist.  Madame Brillante soll ihm erzählen, was die griechische oder seinetwegen auch äthiopische Schönheit den ganzen Tag so tut, wenn sie sich unsichtbar macht. Ist sie wohlauf? - Sie seufzt, denn seinetwegen lebt sie in Unruhe. Immerzu kommt sie ihm nahe, immerzu spricht sie mit ihm, sie liebt ihn, sie verehrt ihn. Eines Tages macht sie sich vor seinen Augen sichtbar. -  Genug, er wird sie finden. -  Er soll Obacht haben, wenn er sie tatsächlich findet, so soll er so tun, als ob er sie gar nicht sähe. Er hat keine Ahnung, wie schüchtern sie ist. Sie möchte nicht, dass jemand mit ihr spricht.  Aber warum spricht sie offen mit Milord und nicht mit ihm? - Weil sie den Lord  hasst. Frauen tun häufig das Gegenteil von dem, was sie empfinden. Das ist ihr Geheimnis, und er muss es verstehen. Er geht. Jetzt möchte auch Milord wissen, was die fremde Frau den ganzen Tag tut. Er soll sie doch selbst fragen, antwortet Summers. Er ist doch ihr Freund und er kennt sie. - Seit drei Tagen ist sie hier. Und sie heißt Livia und nicht Errichetta. - Summers will gar nicht wissen, wie sie heißt. Sie ist intelligent und das genügt ihm. - Er liebt sie, er sieht es ihm an. - Unsinn, Summers verehrt ihre Weisheit. – Warum beeinflusst er die dann? - Er beeinflusst sie nicht, er simuliert nicht und wenn er sie lieben würde, gäbe es keinen Grund, es nicht zu sagen. 

Don Polidoro macht sich im Garten zu schaffen und sucht den Heliotrop. Livia beobachtet die drei aus ihrem Versteck und lauscht. Sumers erklärt, dass es einige Personen gäbe, die behaupten, dass Milord gar nicht die Absicht habe, Livia zu heiraten. - Wer redet solch einen Unsinn, Livia ist seine Liebe und noch heute wird sie seine Braut, und wenn es sein Blut und sein Leben koste. Livia hört es gern. Wenn er selbst sich danach sehnt, tut sie es auch. Der verrückte Polidoro wird ihre Anwesenheit noch verraten. Deshalb geht sie. Sumers erklärt dem Lord, dass er ihm kein Wort seiner Beteuerungen glaubt. - Das sei falsch und gleichzeitig eine Beleidigung, die er eines Tages bereuen werde. Es ist schon so, Milord sei unbeständig und halte sein Wort nicht. Sumers selbst wird wie ein Vater zu ihr sein und sie vor der Bosheit ihrer Feinde beschützen. 

Nachdem Livia selbst gehört hat, dass Milord sie zur Gattin auserkoren hat, kann sie wieder frei atmen. Sie hat selbst gehört, wie er geschworen hat, einzig sie zu begehren. Madame Brillante meint, dass man Männern nicht trauen sollte. Es bleibt immer ein Risiko. 

Don Polidoro hält seinen Hut in der Hand und hat darin Steine gesammelt. Er beäugt dieselben und rätselt, welcher besagte Stein könnte die Gabe haben, ihn unsichtbar zu machen. Er muss den Heliotrop fest in der Hand halten, wenn der Zauber wirken soll. Hat er ihn in der Hosentasche, wird er seine Kraft schnell verlieren. 

Madame spricht zu Livia von Don Polidoro. Er sei ein einfacher Mann, aber ehrenwert und zärtlich. Im Fall, dass er vorbeikommen sollte, möge sie ruhig bleiben. Gut, sie wird ihren Wunsch erfüllen.
Don Polidoro ist perplex. Haben die beiden ihn nicht gesehen? Dann hat er den richtigen Stein in der Hand gehalten. Wunderschöner Heliotrop. Er fand ihn als letzten. 

Don Polidoro will wissen, ob Madame Brillante ihn sieht. - Wie, ist er anwesend? Was macht er gerade? - Unsichtbar war er, ganz in ihrer Nähe. Er ging um sie herum. Welch ein Vergnügen. Den Stein hält er in der rechten Hand. Mal versteckt er ihn unter seinem Hut und dann holt er ihn wieder hervor. Er hat einen mordsmäßigen Spaß mit dem Mineral. Die schöne, welche sein Herz drangsaliert soll ihm versprechen, dass sie sich nicht selbst umbringt. Unsichtbar werden beide durch das Land reisen, er und die Mademoiselle. Bald wird noch ein Baby dazukommen. An seine Gläubiger wird er heranschleichen, aber sie werden ihn nicht sehen. Eine Menge „Slaps, Kicks and Blows” wird er austeilen und manch einer wird sogar ein blaues Auge davontragen. O, welches Entzücken, welches Vergnügen. Gelächter und Spaß ohne Ende. 

Was wird auf Livia zukommen? Sie fühlt, dass das Herz ihr Unglück voraussagt und unfreiwillig fallen Tränen aus ihren Augen. Von Milord wird sie angebetet. Kann sie jetzt endlich daran festhalten, dass sie ihm gehört? Sicher ist es nicht. Sie soll mitkommen zu seinem Vater, und wenn er sie erst einmal sieht, wird es ihn beruhigen. Der Schatz soll abwarten und Vertrauen haben. Sumers taucht auf und will das unglückliche Mädchen von ihm fortlocken. Milord ist erschrocken, dass sie ohne weiteres mitgeht und ihn mit der Erklärung abspeist, dass seine Seele nicht so ehrenwert sei, wie die von Mister Sumers. 

Im Gesichtsausdruck von Madame Brillante zeigt sich tiefe Besorgnis. Die Gendarmerie ist im Haus und will Livia mitnehmen. Wie? Vor allen Leuten? Gott im Himmel. Die irdische Gerechtigkeit muss respektiert werden, die Beamten haben ihre Weisungen. In Sumers flammt der Ärger auf. Entweder Milord, dessen Vater oder Milady haben diesen Unfug inszeniert. Milord tut überrascht! Für Livia steht fest, dass er das gnadenlose Monster ist, welcher ihr das Süppchen eingebrockt hat. - Der Himmel soll donnern, wenn er der Anstifter solcher Niedertracht sei. Meineidig seit er, ein bösartiger unverantwortlicher Mensch. Selbst wenn die See oder der Wind alles wegreißt, was er besitzt, Sumers wird den schändlichen Lord töten! 

Livia hat nicht die geringste Ahnung, was sie verbrochen haben soll. In der Tat verliert sie nun ihre Freiheit durch die Heimtücke eines betrügerischen Mannes. Als schuldige Frau wird sie dieses Haus verlassen und die Menschen werden mit Fingern auf sie zeigen. Welcher Horror, welches Grauen. Vielleicht wartet ein dunkles Gefängnis auf sie. Milord kommt auf sie zu. Er soll schnell davonlaufen. Einst war er ihr Geliebter. Kalt rinnt es durch ihre Adern, wenn sie daran denkt.

Den zu Unrecht Verdächtigten quälen Zweifel an sich selbst. Ist er der Teufel oder Milord Asperigh. Sein Vater würde sich sofort beruhigen, wenn er ihm sein Mädchen vorführt. Und jetzt kommt dieser grauenvolle Arrest dazwischen. Wie konnte es nur geschehen? Er steht zu sich selbst. Er weiß was er vorhat und wird die Sache bereinigen. Tausend dunkle Gedanken drehen sich in seinem Kopf, sie sind kummervoll und dunkel. Ins Delirium führen sie ihn! Ist er verrückt? Gott im Himmel! Er hasst die tyrannische Liebe im Prinzip, welche die Ursache zu aller Aufregung ist. Es dürstet ihn nach Rache gegen unbekannt. In seinem Zorn denkt er an die Schlachten der Weltgeschichte. Er möchte, dass Flüsse von Blut fließen. Alle sollen sich vor ihm fürchten, zittern und davonrennen. 

Madame Brillante ist auf das äußerste erregt. Oh welcher Affront, welches Unrecht. Geschen in London tatsächlich solche Sachen, dass Unschuldige eingesperrt werden? Polidoro wird, unsichtbar durch den Heliotrop, hinterhereilen und schauen, wohin man sie bringt. Sumers hat sich bereits engagiert und nicht erlaubt, dass Livia die Herberge verlässt.

Mit dem Schwert will Polidoro gegen Milord zum Zweikampf antreten, aber Madam Brillante fleht, von dem Verdächtigten abzulassen, weil sie nicht will, dass ihm etwas passieren könnte. Sie gesteht ihm, dass sie seine schönen Augen liebt und ihm außerordentlich zugetan ist. – Damit hätte sie etwas früher herausrücken sollen. Jetzt möchte er sich für Livia oder Errichetta, - der Name ist ihm egal – engagieren. – Sie nennt ihn ihren Bräutigam. In welche Aufregung zieht sie ihn. Zuerst wird die Sache mit Livia durchgestanden und dann kommt sie mit nach Neapel. Ein bisschen italienisch, um sich mit den Leuten dort unten zu verständigen, kann sie schon. Sein geliebtes Idol soll für immer bei ihr bleiben. 

Der liebe Sumers ist ein großartiger Freund. Sie schuldet ihm so viel. In ihm fand sie eine Hilfe, einen Vater. Möglicherweise sieht sie ihn nicht mehr. Sie will ihm einen Brief hinterlassen. Dieser Mann ist ihr Wohltäter. Sie ist ungebunden und frei. Nur für ihn lebt sie. Sie erlaubt sich, in wenigen Worten zu erklären. 

Milord ist im Anmarsch und hat ebenfalls einen Bogen Papier in der Hand. Langsam kommt er näher, um zu spionieren, wem Sie schreibt. Er muss ihre neue Liebe ausfindig machen. O verdammte Eifersucht!  Der Ruchlose wagt es, in ihre Nähe zu kommen? Entweder er entfernt sich unverzüglich oder sie wird auf der Stelle den Raum verlassen. Für sie ist jede Liebe beendet. Milord ist jedoch zuversichtlich. Sie soll doch schauen, was er bei der Gendarmerie erreicht, wie er sich für sie eingesetzt hat. Die polizeiliche Untersuchung war von ihrem eigenen Vater ausgelöst worden, weil sie plötzlich ohne Grund von Italien ausgereist war. Alles hat er in Ordnung gebracht. Behandelt wird er aber von ihr wie ein Verräter. Soll er weggehen und nicht mehr wiederkommen? O furchtbares Missverständnis! Was soll das arme Mädchen jetzt tun? 

Die Zeit der Wirrungen sind vorbei. Als seine Braut wird er sie mitnehmen in sein Haus. Er wird sie immer lieben. Der alte Herr wird sich beruhigen, wenn er sie erst sieht und Milady Lindane wird verzichten müssen. 

Von allen will Livia sich verabschieden. Das Auge bleibt nicht trocken. Das Adieu von Madame Brillante, die immer so gut zu ihr war, fällt ihr besonders schwer. Summers väterliche Liebe wird sie vermissen. Alle sind sich einig, welch eine herrliche Braut Livia doch ist! Polidoro hat sich mit seinem Heliotrop unsichtbar gemacht - so glaubt er. Madame Brillante hat das Geheimnis von Polidoro aber verraten und die Anwesenden spielen die Komödie mit. Der Zauber lässt sich nicht aufrecht halten und alles endet in einem fröhlichen Gelächter. Jetzt kann der Heliotrop verschwinden. Aber wenn das Mädchen nun doch Enrichetta ist? So ganz abgefunden hat sich Polidoro noch nicht, aber Madame Brillante wird ihn schon noch auf den richtigen Gedanken bringen. Sumers mit seinem alten Spruch mahnt Polidoro "vernüftig" zu sein.- Der Teufel soll ihn aufhängen!

***
musirony 2006 - Engelbert Hellen
 






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