Schöne Oper - selten gehört
Simon Mayr [1763-1845]
L'amor coniugale
Die eheliche Liebe
Farsa sentimentale in einem Akt
Libretto von Gaetano Rossi [1774-1855]
nach der Vorlage von Jean Nicolas Bouilly
in der revidierten Ausgabe von Arrigo Gazzaniga
Uraufgeführt im Jahre 1805 in Padua
Personen:
Zeliska, verkleidet als Malvino
Amorveno, ein Gefangener, ihr Gatte
Peters, Gefängniswärter
Floreska, seine Tochter
Moroski, Gouverneur
Ardelao, Amorvenos Bruder
Ort und Zeit: Polen im 17. Jahrhundert
BESCHREIBUNG
SINFONIA
Zeliskas Verkleidung zum jungen Mann muss wohl außerordentlich perfekt sein, denn weder der Gefängniswärter Peters, bei dem sie sich unter dem Namen Malvino vorstellte und eine Anstellung im Strafvollzug fand, noch seine jugendfrische Tochter Floreska, die sich sofort in den neuen Gehilfen verliebt, ziehen ihre maskuline Vorgabe in Zweifel.
Die mutige Dame hat einen Grund für ihre Travestie, denn sie sucht den Zugang zu einem Strafgefangenen, den sie befreien will. Der Opernbesucher soll nicht im Unklaren gelassen werden - es handelt sich bei dem Eingekerkerten um Amorveno, den Ehmann Zeliskas. Die eheliche Liebe kennt keine Grenzen und damit wären wir schon fast bei Beethoven angelangt, der das gleiche Textbuch vertonte. Zuvor hatte sich Fernando Paër auch an den Stoff herangemacht. In Smetanas „Dalibor“ finden sich später ebenfalls Anklänge an Fidelio.
Floreska möchte den hübschen jungen Mann mit Zustimmung des Vaters heiraten, doch der Umworbene versteht es, ihren Wünschen entgegenzuwirken, um Zeit zu gewinnen. Malvino will in Erfahrung bringen, in welchem Teil des Gefängnisses der geheimnisvolle Gefangene einsitzt, um anschließend einen Befreiungsversuch zu starten. Doch die spärlichen Mahlzeiten stellt der Gefängniswärter dem Einsitzenden selbst hin, weil der Gouverneur ihm eingeschärft hat, diesem Gefangenen besondere Obacht angedeihen zu lassen. Malvino verfolgt sein Ziel hartnäckig, doch den Todgeweihten soll er nicht zu Gesicht bekommen – ausdrückliche Weisung Moroskis.
Die Anordnung hat einen stichhaltigen Hintergrund. Amorveno ist dem Gouverneur im Wege und soll durch kontinuierlichen Nahrungsentzug in seinem Verlies zu Tode kommen, damit der Intrigant freien Zugang zu Zeliska hat, in die er verliebt ist. Wie der Opernbesucher während der Ouvertüre beobachten konnte, wurde pantomimisch dargestellt, wie die Gattin Annäherungsversuche des Unholds scherzhaft zugelassen hat, was sie im Nachhinein bitter bereut. Für sein kriminelles Verhalten sind also nicht ehrgeizige politische Ambitionen die Ursache, sondern Herzensnöte plagen den Finsterling. Doch Zeliska ist nicht die Einzige, welche sich Gedanken über die Befreiung des Gatten macht, ihr Schwager Ardelao – ein mächtiger Mann im Staate – hat Wind von Amorvenos Festsetzung bekommen und ist zu seiner Befreiung im Anmarsch.
Moroski bleibt nichts anderes übrig, als den Gefangenen gewaltsam sterben zu lassen. Selbst hat er zur Tat nicht die erforderliche Courage und somit beauftragt er seinen Gefängniswärter, den Gefangenen gegen hohe Belohnung umzubringen. Gern möchte Peters die ausgesetzte Geldsumme kassieren und bittet seinen neuen Gehilfen, ihm bei der Ausführung der Tat zu assistieren. Zeliska kommen bei dem Gedanken die Tränen, den Gatten endlich wiederzusehen.
Die tiefe eheliche Verbundenheit ist auch auf Amorvenos Seite vorhanden. Gern will er sterben, aber sein innigster Wunsch ist es, noch ein einziges Mal vor seinem Tod die Gattin zu Gesicht zu bekommen. Von soviel Tugend ist Johann Simon Mayr selbst tief gerührt und hat seiner Oper den Titel „L’amor coniugale“ gegeben.
Moroski ist misstrauisch, will dabei sein und beobachten, ob Peters den Gefangenen tatsächlich unschädlich macht und die Belohnung auch wirklich verdient. Nun stellt sich heraus, dass Peters die Zloty erschwindeln, sich aber vor der Gegenleistung drücken wollte. Weder psychisch noch physisch sieht der Habgierige sich in der Lage, die erwünschte Schandtat zu begehen. Deshalb sieht der Komponist sein Werk auch nicht als richtige Oper an und hat sein Bühnenwerk in die Kategorie „Sentimentale Farce“ einordnet. Zusätzlich wird das Volumen, welches für zwei Akte gereicht hätte, simpel auf einen Akt zusammengeschrumpft. Damit wurde der Konkurrenzfähigkeit zu Beethovens „Fidelio“ der Todesstoß versetzt.
Nun sieht Moroski sich genötigt, den Mordanschlag gegen Amorveno selbst auszuführen, denn Eile tut Not. Einfach ist das nicht, denn Zeliska hat Erfahrung im Nahkampf sammeln können und rückt dem gemächlichen Gouverneur nun in Person zu Leibe. Da dieser die Angreiferin, die sich als Gattin Amorvenos zu erkennen gibt, liebt, sind ihm zu effektiver Gegenwehr die Hände gebunden. Inzwischen ist auch Ardelao eingetroffen und verfügt, dass Moroski und Amorveno die Plätze tauschen werden.
Anmerkung:
Mit der Umbenennung der Namen für die Protagonisten und der Verlegung des Schauplatzes nach Polen wollte Johann Simon Mayr vertuschen, dass er einen „Fidelio“ komponiert hat, denn Beethoven begann die Vertonung des Stoffes ebenfalls im Jahre 1804. Allerdings fand die Uraufführung in Wien erst zehn Jahre später statt.
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musirony 2008 - Engelbert Hellen