Darsteller:
La Gioconda, eine Straßensängerin
Alvise Badoero, Venezianischer Edler
Laura Adorno, seine Gattin
Enzo Grimaldi, Prinz von Santafior
Barnaba, Spitzel der Staatlichen Inquisition
Zuane, Verlierer bei der Regatta
La Cieca, Giocondas blinde Mutter
und weitere
Venedig im 17. Jahrhundert
INHALTSANGABE
Erster Akt: DAS MAUL DES LÖWEN
Das Volk ist guter Dinge und will nicht wahrhaben, dass unliebsame Bürger eingekerkert werden. Es ist Barnaba, ein Spitzel der staatlichen Inquisition, der Augen und Ohren überall hat. Die Regatta ist eingetroffen und das Volk verlässt den Hof des Dogenpalastes, um das Spektakel zu genießen. Eine Straßensängerin, allgemein einfach ‚Gioconda’ genannt, führt ihre blinde Mutter bei der Hand, lässt sie aber für einen Moment allein, um nach dem Geliebten Ausschau zu halten. Barnaba kann seine Gier kaum zügeln und möchte sie sich gefügig machen. Er vertritt Gioconda den Weg, die ihn mit seiner Gitarre zum Teufel wünscht. Der Wüstling will sie festhalten, doch sie schreit auf und entwischt. Die Blinde hat es gehört und wendet sich mit einem Gebet an die Jungfrau Maria.
Der Sieger der Regatta wird auf den Schultern getragen. Der missgestimmte Verlierer ist Zuane, ein Freund des Barnaba. Ihm macht der Schurke weis, dass die blinde Alte sein Boot verhext habe und ihm deshalb der Sieg nicht zuteil wurde. In Wirklichkeit sei sie gar nicht blind, sondern habe den bösen Blick. Der Gefährte soll sich vorsehen, die alte plane seinen Tod. Gemeinsam wiegeln sie das leichtgläubige Volk auf und die Blinde gerät ernsthaft in Bedrängnis.
Gioconda hat den als dalmatinischen Matrosen verkleideten Enzo gefunden, der Ausschreitungen gegen die Alte zunächst verhindert. Wirksame Hilfe erteilt indes der Inquisitor selbst, der Lynchjustiz nicht duldet und wird dabei von seiner Gattin unterstützt. Gioconda wirft sich ihnen zu Füßen, um die Festnahme ihrer Mutter zu verhindern. Laura sieht den Rosenkranz in den Händen der Alten, stellt fest, dass sie mit der Hölle nichts zu schaffen haben kann und gewährt der Blinden Schutz. Sie soll gerettet sein, verkündet Alvise. Zum Dank schenkt La Cieca ihrer Fürsprecherin ihren Rosenkranz. La Gioconda geht nicht leer aus. Alvise wirft ihr einen Beutel zu und bemerkt ‚Schöne Sängerin, dieses Gold sei Dein’. Barnaba ist verdrossen. Ihm ist nicht entgangen, dass der verkleidete Matrose mit Laura einen vielsagenden Blick ausgetauscht hat und mutmaßt, dass die beiden sich kennen. Am Portal ist Enzo stehen geblieben und Barnaba identifiziert ihn. Er kennt seine Geschichte und weiß, dass er Laura versprochen war und der Gioconda lediglich freundschaftlich zugetan ist. Die Gefühle der Liebe brechen aus Enzo hervor und Barnaba verspricht dem Verbannten heuchlerisch Unterstützung. Er bezeichnet sich als den bösen Geist des ‚Rates der zehn’. Erstaunlich ehrlich sind beide Männer zueinander und jeder deckt aus praktischen Erwägungen seine Karten auf.
Barnaba vermittelt Enzo ein Stelldichein mit Laura auf dessen Schiff, dafür soll er sich von Gioconda endgültig verabschieden. Barnaba liebt die schöne Straßensängerin. Sie hasst ihn, aber er hat geschworen ihr das Herz zu brechen. Er stellt sie und flüstert ihr zu, dass ihr geliebter Enzo treulos sei und am Abend auf seinem Schiff ein Stelldichein mit ihrer Rivalin habe. Die bestürzte Gioconda glaubt ihm und fühlt sich verraten. Mutter und Tochter versuchen ihren Schmerz im Gebet zu vereinen.
Zweiter Akt: DER ROSENKRANZ
Das Schiff Enzos ankert an einer unbewohnten Insel in der Lagune von Venedig. Die Fischerjungen klettern in der Takelage, und singen, dass sie sich wie die Eichhörnchen des Meeres fühlen. Barnaba lässt nicht lang auf sich warten und schmeichelt sich bei der Besatzung ein. Die Matrosen wünschen sich, dass eine glitzernde Sirene sich in den Netzen verfängt, damit sie ihnen etwas vorsingt.
Enzo, Anführer und Kapitän des Schiffes, steigt nach oben und gibt letzte Anweisungen, weil man in der Nacht vor Anker gehen will. Er schickt alle nach unten, denn er möchte allein sein auf der Brücke, da die Geliebte ihr Erscheinen zugesagt hat. Wo bleibt sie nur? Inzwischen genießt er die Abendstimmung und singt die schönste Arie der Oper
CIELO E MAR - (Himmel und Meer)
Inhaltlich gibt die Cavantina nicht viel her: Die Herrin soll endlich zum Kuss kommen. Voll Inbrunst wird heute Nacht der Wind der Liebe blasen. Der Horizont küsst die Wellen und die Wellen küssen den Horizont.
Endlich hört Enzo den Ruderschlag eines Bootes. Es ist Barnaba in der Begleitung von Laura. Enzo wirft ihnen ein Tau zu, damit er das Boot festmachen kann. Wird er das Glück ertragen können? Die Liebenden gleiten sich in die Arme. Barnaba entfernt sich taktvoll. Laura gruselt es vor ihm. Er habe sie teuflisch angelächelt, behauptet sie; die Stimme kam ihr auch unheimlich vor. Enzo entgegnet, dass dieser Mann ihnen das Paradies erschlossen habe. Die Geliebte soll im Augenblick des reinsten Glücks nicht von Ängsten sprechen. Tatsächlich, der süße Zauber seines Kusses verwandelt ihren Kummer. Den Himmel hat er ihr aufgetan.
Am Klang ihrer Stimme hatte er sie sofort erkannt und sie ihn an der Figur. Vorsicht tut not! Sobald der Mond untergegangen ist, wird man lautlos in See stechen. Was sieht Laura dort unten leuchten. Ist es etwa eine Madonna, die sich nähert. Nein, es ist keine Madonna, sondern La Gioconda, die der Wind hergeweht hat. Sie hat sich maskiert und möchte nun den beiden eine Szene hinlegen und ihr Liebesglück sabotieren. Die Madonna der Vergebung soll ihren Segen auf ihr Haupt herab senden, betet Laura. Doch Gioconda meint, dass ein Fluch angemessener wäre. Ihr Anliegen sei die Rache, denn sie liebt den Mann, den sie auch liebt. Wie ein wildes Tier hat sie in ihrer Höhle geharrt und der Ingrimm ist ihr durch die Adern gekreist. Will die glückliche Rivalin etwa entfliehen und den Geliebten mitnehmen? - Welch schreckliche Wut blitzt in ihren Augen! Laura wird der Rivalin und ihrer Liebe trotzen. Sie liebt ihn wie die Herrlichkeit der Schöpfung, wie die Luft, die dem Busen Leben einhaucht, wie einen glücklichen Traum, aus dem ihr erster Seufzer aufstieg. Die Straßensängerin hat über die Liebe ganz andere Vorstellungen. Sie liebt wie der Löwe das Blut und der Donnerkeil die Gipfel. Um seines süßen Kusses Willen, betont Laura, liebt sie ihn und ihre Liebe sei viel stärker als die der Rivalin. Man wiederholt sich ständig, aber keine kann überzeugen.
Gioconda will sich ihr Antlitz genau anschauen und dann nieder mit ihr - das Ende ist da. Der Dolch ist bereits gezückt, doch die Rächerin besinnt sich eines anderen, als sich eine Galeere dem Schiff nähert. Laura soll hinschauen, es kommt ihr Gemahl und er will schauen, was Enzo mit ihr im Sinn hat. O Cielo! Laura sieht sich verloren und hält den Rosenkranz hoch. Was sieht Gioconda? Es ist der Rosenkranz ihrer Mutter und die fremde Frau ist ihre Retterin. Abrupter Sinneswandel! Gioconda bittet die verhasste Rivalin, die Maske anzulegen, damit ihr Mann sie nicht sogleich erkennt. Die Umgewandelte verstaut die Fremde in ihrem Fischerboot und zeigt ihr die Richtung, damit sie sich schleunigst außer Sichtweite begeben kann. Barnaba schaut dumm hinterher. Mit kräftigem Ruderschlag legt die Flüchtende Tempo vor.
Gioconda baut sich vor Enzo auf. Vergebens rufen seine Seufzer nach der falschen Geliebten. Die sündhaften Küsse seiner Träume bekommt er nun nicht mehr verabreicht. Lauras Reue war mächtiger als ihre Liebe. Im stillen Kanal ist ihr Boot nun auf rasanter Flucht. Auch Enzo ist verloren. Ein grausamer Schurke hat dem ‚Zehnerrat’ seinen Namen mitgeteilt. Auf ihn lauert der Tod. Die Galeere, im Trubel der Ereignisse zuvor unbeachtet, kommt näher. Die Schiffsjungen jammern und bangen um ihr Leben. Doch Enzo fürchtet den Tod nicht. Das Gebrüll der Schiffskanonen kennt er zur Genüge.
Enzo steckt mit einer Fackel sein Schiff in Brand, welches mit Mann und Maus versinkt. Zuvor ist er ins Wasser gesprungen, um sich im Schutz der Dunkelheit ans Ufer zu retten. Gioconda gibt sich ebenfalls als gute Schwimmerin, weil sie im folgenden Akt noch benötigt wird.
Dritter Akt: DAS GOLDENE HAUS
Alvise hat beschlossen, dass die Frau Gemahlin sterben muss. Einen Badoero verrät man nicht. Sein Name darf nicht ungerächt in den Staub gezogen werden. Hoffnung auf Gnade gibt es nicht. Auch wenn er sie gestern auf der Insel nicht ergreifen konnte, soll doch die Strafe nicht minder schrecklich sein. Gestern hätte ein Dolch ihr Herz zerfleischt. Heute ist es nicht der Stahl, sondern das Gift. Bei lebendigem Leibe werden sich die Eingeweide in einen matschigen Pudding auflösen. Die Gifte der Renaissance sind schrecklich! Selbst Päpste konnten sich ihrer zerstörerischen Wirkung nicht entziehen. Nebenan wird man feiern und im wonnigen Rausch hin- und herwogen. Ihr Todesröcheln wird sich mit dem Lärm der Orgie vermengen. Nicht länger sollen die Ahnen vor seiner verratenen Ehre erröten. Der venezianische Adel genießt die Großzügigkeit des Badoero und hier schafft der unerbittliche Gatte seiner Ehre Genugtuung.
Laura kennt offenbar die Wasserwege der Lagune von Venedig sehr genau, denn sie hat im Boot zum heimatlichen Palast mühelos zurückgefunden. Ihr schönstes Kleid zieht sie an und legt ihren kostbarsten Schmuck um den schlanken Hals. Dem Gatten begegnet Sie, als ob nichts geschehen sei. So schön wie heute hat Alvise die Herrin nie gesehen, doch ihr Lächeln dünkt ihm ein wenig schwach. Ist es ein zärtliches Geheimnis, welches sie ihm nicht verraten möchte oder muss er den schwarzen Schleier erst zerreißen? Seine Stimme klingt ungewohnt nach bitterer Ironie. Laura begreift den edlen Gatten nicht. Die Stunde hat geschlagen, einem anderen Mann gelten die Seufzer. Er schubst sie zu Boden. Ach, was muss Laura da hören? Sterben soll sie. Das ist gar zu fürchterlich. Gestern gehörte ihr noch der Himmel und nun soll sie hinab in das Dunkel eines trostlosen Grabes? Der Tod ist eine schreckliche Strafe, selbst für das ärgste Vergehen. Umsonst ist ihr inbrünstiges Flehen. Die störrische Gattin zerrt Alvise ins Nebengemach und zeigt auf den bereitstehenden Katafalk. Er wird ihr Brautbett sein! Eine Phiole mit Gift holt der Erzürnte hervor. Wer mit seinen Lippen Küsse schlürfen kann, dem schmeckt auch diese Flüssigkeit. Wenn in der Ferne die letzte Note des Liedes verklungen ist, wird der Becher geleert. Hat sie die Weisung des Gatten verstanden? Alvise verlässt den unheilschwangeren Raum. Doch wer tritt hinter dem Katafalk hervor? Es ist La Gioconda. Wie kommt sie hierher? Was führt sie im Sinn? Sie hat ein Schlafmittel dabei. Laura soll sich beruhigen. Man wird die Flüssigkeiten austauschen und dann kann nichts Verhängnisvolles passieren. Die Mutter betet unten in der Kapelle, damit alles gut geht. Eile tut not! Entsetzlich! Das Lied in der Ferne schildert wie der Mond mit seinen silbernen Strahlen in der Lagune spielt. Die zarten Lieder in den Lüften haben sich verflüchtigt und die Ruder tauchen in die Wellen. Entflogen ist die Serenade und Alvise bewegt den Vorhang, ob die Phiole zerbrochen und der Becher ausgeleert wurde. Zufrieden ist er, der Tod schwebt jetzt über dem Haupt der untreuen Gemahlin.
SZENENWECHSEL
Die Gäste werden zum Maskenball vom Hausherrn willkommen geheißen. Sagredo und Loredan sind gekommen. Sogar der teure Vetter Partecipazio ist anwesend. Große Herren, Schöne Damen, Willkommen! Willkommen! Die heiteren Sänger und Masken mögen jetzt die Tänze beginnen. Das Lob vom Cà d’Oro wird gesungen, in dem der Lorbeer der Tugend mit der Myrte der Liebe verschlungen ist. Der Hausherr bedankt sich ausgiebig und hat zur abendlichen Unterhaltung noch Ballett anzubieten. Ausgewählte Mädchen tanzen eine Pantomime in der die Stunden des Tages personifiziert sind und von den Geschehnissen berichten, die während ihrer Anwesenheit täglich ablaufen. Am Finale beteiligen sich alle Tänzerinnen gemeinsam. Der Opernbesucher kennt das instrumentale Intermezzo als
TANZ DER STUNDEN.
Giocondas Mutter hat die Angewohnheit, sich dort aufzuhalten, wo s absolut nicht angebracht ist. Barnaba hat sie in der Hauskapelle beim Hexen erwischt. Die Blinde behauptet, sie habe lediglich für jemanden gebetet, der im Sterben liegt. Enzo, obwohl nicht eingeladen, hat unerkannt am Maskenball teilgenommen und möchte von der Alten wissen, wem die Totenglocke läutet. Barnaba kennt die Antwort und beeilt sich, Enzo zu informieren. Den Gästen ist die Laune verdorben. Eines unheilvollen Vampirs eisiger Flügel ist vorbeigezogen.
Enzo hat das weiße Laken entdeckt, in dem Laura eingewickelt ist. Reglos und bleich ist sie. Der süße Engel ist tot, der Stern der Liebe erloschen. Aller Emotionen schwappen über. Wirklich ein grauenvolles Fest. Wie konnte es geschehen? Gestern war Laura noch frisch und munter. Zur falschen Zeit am falschen Ort tönen Enzos Klagen. Gioconda will sich dem Schutz des Geliebten opfern, spielt aber mit gezinkten Karten. Barnaba soll den Klagenden mit dem Boot in Sicherheit bringen, dann bekommt er von ihr die Belohnung, die er sich sehnlichst wünscht. Dem furchtbaren Sänger soll ihr Leib tatsächlich gehören. Während das Herz blutet, weinen die Augen. Alvise bekennt sich hochmütig zur Tat und zieht an der Leine, damit der Vorhang zum Katafalkraum sich beiseite schiebt. Alle dürfen die Reglose, die seinen Namen in den Staub getreten hat, noch einmal in Ruhe betrachten und Abschied nehmen, während der Bühnenvorhang zum dritten Akt sich senkt.
Vierter Akt: DER KANAL ORFANO
La Gioconda ist bei der Bevölkerung beliebt und hat gute Freunde. Die im Tiefschlaf liegende Laura haben sie aus dem goldenen Haus entwendet und zu ihr gebracht. Stattdessen ist aber die Mutter spurlos verschwunden. War es etwa Barnaba der sie entführt hat? Verloren hat sie die Mutter, verloren die Liebe. Gift und Dolch liegen auf dem Nachttischchen bereit. Jetzt will sie nur noch ruhig im Grabe schlafen. Erneut plagt die Eifersucht. Wenn sie Laura nachträglich doch noch umlegt, wird es bestimmt keiner merken. Eine ferne Stimme meldet eine Leiche im Kanal. Es ist doch nicht etwa Enzo? Nein, Enzo steht plötzlich in der Tür. Die Straßensängerin soll ihm jetzt endlich erklären, was sie eigentlich von ihm will. Die Unglückliche will ihm die Sonne und das Leben wiedergeben, die ungehemmte Freiheit, das Glück und die Zukunft. Enzo ist nicht zum Scherzen aufgelegt. Die Liebe bietet ihm keinen Trost mehr. An ihrem heiligen Grabe wollte er noch einmal die Tote küssen. Aber Lauras Grab ist leer! Sie soll diese grässlichen Lästerworte von ihren unreinen Lippen tilgen. Ha, die blutrünstige Hyäne hat einen Friedhof geplündert. Sie soll sofort sagen, wo sie seinen Engel mit dem totenblassen Antlitz verborgen hält. In dieser schrecklichen Stunde wird der Tod ihr blühen. Des Dolches blanker Stahl glänzt schon. Hinter dem Wandschirm tönt rechtzeitig Lauras Stimme: "Enzo, mein Geliebter, komm her zu mir". Sie erzählt ihm sogleich, dass Gioconda ihr das Leben gerettet hat. Das engelsgute Mädchen! Selbstlos wie sie ist, hat sie sogar die Flucht der beiden vorbereitet. Das Boot, welches sie in Sicherheit bringen soll, hat gerade angelegt. Den Rosenkranz der Mutter schenkt Laura ihr zurück. Die Tränen, die aus tiefster Seele quellen, sollen nicht vergessen sein. Gioconda ringt sich endgültig zum Verzicht durch. Die Scheidenden wollen derjenigen immer gedenken, die dieses heilige Opfer vollbracht hat. Gioconda will sich der Giftphiole bedienen, als ihr einfällt, dass sie die verschwundene Mutter noch suchen muss. Die Abmachung mit Barnabas hat sie ganz vergessen. Plötzlich steht er in der Tür, aber Gioconda bittet die heilige Muttergottes, den Teufel zu vertreiben. Sie befreit sich aus seinen Armen, weil sie sich zuvor noch ein bisschen schmücken möchte, sagt sie. Will sie etwa fliehen? Nein, ihren Schwur wird sie halten! Ihren Leib bekommt er auf jeden Fall, allerdings nicht lebendig. Gioconda nimmt den Dolch und sticht ihn sich ins Herz. Barnaba sieht sein erträumtes Glück ins Jenseits entschwinden. Sein Unmut war gerade im Schmelzen und sein fühlloses Herz füllte sich mit Strahlen. Arglistig getäuscht entringt sich seiner Brust ein Wutschrei. Eine Gemeinheit kann er der Sterbenden noch ins Ohr flüstern. Die blinde Mutter, welche ihn beleidigte, hat er ersäuft.
Anmerkung:
Das Libretto ist eine Zumutung an den Opernbesucher. Daran ändert auch der Tatbestand nichts, dass es von Arrigo Boito unter einem Decknamen verfasst wurde. Ponchielli selbst fand es schwulstig und ging nur zögernd an die Arbeit. Trotzdem gelang ihm nach vier vorangegangenen Versuchen der Welterfolg. Begründeter Kritik war der Komponist trotzdem zugänglich und brachte vier Jahre später eine revidierte Fassung heraus. Waren es die großen Melodienbögen oder die gewaltigen dramatischen Ausbrüche, die das Publikum begeisterten und nach der Logik des Handlungsablaufes nicht fragten? Schließlich war man von Donizetti und Bellini einiges gewohnt. La Gioconda als große heroische Oper auf der Schwelle zum Verismo knüpfte an die Tradition Giuseppe Verdis an und ebnet den Boden seinen Schülern Puccini und Mascagni.
Das Drama von Victor Hugo ‚Angelo tyran de Padoua’ wurde auch von Cesare Cui vertont, allerdings mit einem völlig anderen Personenverzeichnis. Das Teatro Amazonas in Manaus eröffnete am 7. Januar 1897 seine Pforten mit „La Gioconda“.
***
musirony 2007 - Engelbert Hellen