Schöne Oper - selten gehört
Alberto Franchetti [1860-1942]
Germania
Opera in zwei Akten mit Prolog und Epilog
italienisch gesungen
Libretto: Luigi Illica
Uraufführung: 11. März 1902 im Teatro alla Scala in Mailand
unter Arturo Toscanini
Dauer: 160min
Charaktere:
Giovanni Filippo Palm
Federico Loewe
Carlo Worms
Crisogono
Ricke
Jane
Lene Armuth
Jebbel
Pastor Stapps
Ludwig Adolf Wilhelm von Lützow
Königin Luise
Der Führer der deutschen Polizei
Una donna
Un poliziotto
Studenten, Polizisten, Soldaten
Ort und Zeit der Handlung: Nürnberg, der Schwarzwald, Königsberg und Leipzig zwischen 1806 und 1813
HANDLUNG
PROLOG
Eine Gruppe Studenten hegt revolutionäre Gedanken, besingt die großen Dichter und Denker Deutschlands und träumt von der napoleonischen Befreiung ihres Landes. Sie halten den Buchhändler Johann Philpp Palm versteckt, welcher von der Polizei dringend wegen der Publikation seiner anonymen Schrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ gesucht wird. In dem Buch kommen Napoleon und einige deutsche Landesfürsten nicht gerade gut weg. Die jungen Studenten sowie bedeutende Dichter und Denker versuchen das deutsche Volk aufzuwecken, Revolte gegen die Kleinfürsten zu organisieren und am Ende das in hunderte Kleinstaaten zersplitterte Deutschland zu vereinigen.
Über die Kampfmittel sind sich die versammelten Studenten noch uneinig – Schwert oder Feder? Der idealistische Student, Adjutant von Worms, ist sich seiner Position sicher: Er beruft sich auf Carl Gottlieb Fichte und will im Sinne Friedrich Schillers von den Fürsten Rede- und Denkfreiheit einfordern. Einer seiner Freunde, Federico Loewe, Mitglied im radikalen Tugendbund, sieht die Sache anders: „Siegen oder Sterben!“ - Für ihn ist Waffengewalt die einzige Option die starrsinnigen Fürsten zu überzeugen, das Feld zu räumen.
Aber nicht nur die unterschiedlichen politischen Ansichten trennen die beiden Freunde – auch die gleichzeitige Liebe zu ein und der selben Frau. Ricke stellt ihre Freundschaft auf die Probe. Worms hatte zwischenzeitlich eine Affähre mit Ricke und die Betrügerin ist ziemlich verzweifelt, da der Nebenbuhler droht, dass es zum tödlichen Duell kommen wird, sollte sie ihrem Verlobten Loewe von der Sache beichten. Sie schweigt also, trotz ihrer Gewissensbisse.
Ein kleiner Junge hat gegen ein Paar Groschen das Versteck Palms an die Polizei verraten. Er wird abgeführt und die Studenten ergreifen, sofern es ihnen noch gelingt, die Flucht.
Erstes Bild:
Im Schwarzwald haben Loewe, Ricke, deren Schwester Jane, deren Mutter, sowie Crisogono, der Adjutant vor Worms, Zuflucht gefunden. Die Nachricht von Worms' Tod erreicht die Gruppe. Ricke ist bestürzt, aber sie hofft auf eine unbeschwerte Zukunft an der Seite ihres Ehemannes Federico. Doch ausgerechnet, als die beiden sich vermählt haben, taucht der schwer verwundete Worms wieder auf und stürzt gleich wieder davon. Kurze Zeit später ist auch Ricke verschwunden. Federico findet einen Abschiedsbrief in welchem seine Frau ihm die Affäre mit Worms gesteht und ihn um Verzeihung bittet. Doch Loewe schwört blutige Rache zu nehmen.
Zweites Bild:
Einige Jahre ziehen ins Land und Worms hat sich mit vielen Studenten aus ganz Deutschland im unterirdischen Treffpunkt des Luisen-Bundes in Königsberg versammelt. Die gemeinsame Losung lautet:
GERMANIA
Der Junge, welcher einst Palms Versteck an die Polizei verriet, ist zum jungen Mann herangereift und gesteht seinen Verrat. Die meisten Anwesenden pochen auf eine schnelle Hinrichtung. Einer der wichtigsten Kämpfer im Untergrund, Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von Lützow, beschwichtigt die Studentenbande und wirbt ihn für sein Freikorps an, welches er in die bevorstehende Schlacht gegen Napoleon lenken will.
Plötzlich erscheint Loewe voller Rachegedanken und fordert den Rivalen zum Duell auf Leben und Tod. Der Nebenbuhler jedoch demonstriert wie immer Geistesgröße und bietet an, seinem Leben und damit dem Konflikt direkt ein Ende zu bereiten. Bevor es aber soweit kommen kann, taucht plötzlich, wie ein Deus ex machina, Königin Luise von Preussen höchstselbst auf und lenkt die Gedanken aller Anwesenden in nur die eine Richtung: Sieg für das Vaterland. Der Nationalismus beseitigt alle nebensächlichen Privatkonflikte und unter fanatischen Parolen zieht man nach Leipzig zur nahenden Völkerschlacht. „Hurra! Es lebe der Tod!“
SYMPHONISCHES ZWISCHENSPIEL:
DIE VÖLKERSCHLACHT LEIPZIG
Epilog
Das Schlachtfeld gleicht einem fremden Planeten. In den Trümmern und Leichenbergen sucht Ricke nach „ihren“ Männern. Sie findet den gefallenen Worms und ihren schwer verwundeten Loewe.
Anmerkung:
Es mutet schon sehr merkwürdig an, dass ein adeliger, jüdischer Italiener um 1900 eine Art deutsche Nationaloper schreibt. Im Land des Geschehens kommt das ganze eher wenig an: Erste und einzige Aufführung blieb, bis zur Wiederentdeckung an der Deutschen Oper Berlin, eine Produktion in Karlsruhe (1906).
Das Libretto, wohlgemerkt von Illica, ist gelinde gesagt eine Katastrophe. Was ist die Tragödie? Was soll die Moral? Warum müssen Namen wie „Fichte, Schlegel, Körner und Humboldt“ wie im Zwang, möglichst oft genannt werden? Wieso müssen Figuren aus der Hinterhand wie Lützow und Luise von Preussen die Situation retten?
Das bizarre Sujet der Oper, macht diese aber eben doch interessant. Zumal das Symphonische Zwischenspiel und auch die restliche Musik der Oper wirklich ausgezeichnete Momente haben.
© 2011 – Raphael Lübbers