Schöne Oper - kaum gehört
Andronico III. Palaiologos
Saverio Mercadante [1797-1848]
Andronico
Tragisches Melodram in zwei Akten
italienisch gesungen
Libretto von Graf Giovanni Kreglianovitsch (Pseudonym Dalmiro Tindario)
Uraufführung unter Leitung des Komponisten
am 26. Dezember 1821 am Teatro La Fenice
Personen:
Calojanni Paleologo – byzantinischer Kaiser (Tenor)
Andronico – Sohn des Kaisers (Countertenor)
Irene di Trabsonda – Gemahlin des Kaisers (Sopran)
Leone – Minister und General
Eudossa – Hofdame der Kaiserin
Marziano – Anführer der unterdrückten Bulgaren
Das Geschehen spielt in Konstantinopel im 14. Jahrhundert
EXPOSÉ
Erster Akt:
Prinz Andronico hat ein gespanntes Verhältnis zu seinem Vater. Calojanni hat ihm seine Verlobte Irene ausgepannt und sie zur Kaiserin von Byzanz gemacht. Der Gedemütigte möchte das Land verlassen und macht dem Vater den Vorschlag, ihn als Gouverneur in die annektierte Provinz Bulgarien zu entsenden.
Im Prinzip hat Colojanni Paleologo keinen Einwand und gibt zunächst grünes Licht. Doch sein schurkischer Minister Leone äußert Bedenken, weil der Prinz mit Marziano, dem Wortführer des abtrünnigen Landes befreundet ist. Der Ehrgeizige möchte die Position des Gouverneurs ebenfalls bekleiden und spinnt heimtückisch seine Intrigen. Er führt aus, dass der Prinz als ungestümer Idealist, für ein politisches Amt ungeeignet ist. Es sei nicht auszuschließen, dass er die Aufrührer nicht bekämpfen, sondern unterstützen werde.
Der Kaiser ist sich insgeheim nicht sicher, ob die Liebe des Prinzen zur Stiefmutter tatsächlich erkaltet oder er zu klug ist, seine Gefühle offen zu zeigen. Eudossa, die Hofdame der Kaiserin, ist in den Prinzen verliebt, stößt aber auf Zurückweisung. Die Summe von Calojannis Überlegungen führt zu dem Resultat, dass das Anliegen des Prinzen sarkastisch zurückgewiesen wird. Tief enttäuscht zieht Andronico in seiner Verzweiflung das Schwert, um sich selbst den Tod zu geben. Der Kaiser missversteht die Geste, unterstellt Hochverrat und glaubt, der Sohn wolle die Waffe gegen ihn richten. Seine Leibwache entwaffnet den emotional Überforderten und führt ihn ab.
Zweiter Akt:
Die Eifersucht verleitet Eudossa, der Kaiserin die Briefe zu stehlen, welche Andronico dieser zu der Zeit geschrieben hat, als er noch mit Irene verbunden war. Sie spielt dem Kaiser die Briefe zu. Zu plump vorgegangen, bemerkt Colojanni die heimtückische Absicht und Eudossas Intrige läuft ins Leere. Am Datum erkennt der Kaiser, dass die Post nicht aktuell ist, doch sein Zorn ist geweckt. Nun setzt Leone alles auf eine Karte. Eudossa entwendet einen kostbaren Ring aus der Schatulle ihrer Herrin. Dieser wird mit einer fingierten Botschaft an Andronico übermittelt, dass die Stiefmutter ihn sprechen wolle und der Ahnungslose tappt in die Falle. Zwischen den Liebenden brechen die alten Gefühle wieder auf:
"In dem friedvollen Reich
in dem die Schatten der Liebenden verweilen
werden Leiden und Tränen
zu einem Ende kommen.
Und mögen unsere Seelen
verzückt in Ekstase
in purer Leidenschaft
glückselig genießen.“
Dem Kaiser wird von Leone die Richtung gewiesen und er überrascht die beiden in unmissverständlicher Umarmung. Andronico wird zur Exekution gezerrt, während Irene in wohltuende Ohnmacht sinkt.
Anmerkung:
Den Namen Calojanni Paleologo wird man in der Auflistung der byzantinischen Kaiser vergeblich suchen, doch eine Irene Palaiologina regierte in der kurzen Zeit von 1340-41 in Trabzon dem kleinen Kaiserreich am südöstlichen Schwarzen Meer. Um der Zensur vorzubeugen, vermied man es im 18. Jahrhundert, Herrscher auf der Opernbühne mit ihrem wirklichen Namen vorzustellen. Calojanni ist italienischen Ursprungs und Paleologo ein Begriff dynastischen Urprungs. Als Handlungsträger kann am ehesten Andronikos III. Palaiologos gemeint sein. (Regierungszeit von 1328-41)
Die Ähnlichkeit der Handlung mit Schillers Don Carlos ist nicht zu übersehen.
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April 2010 musirony - Engelbert Hellen