Schöne Oper – gern gehört
Jules Massenet (1842-1917)
Le Roi de Lahore
Der König von Lahore
Oper in fünf Akten
Libretto von Louis Gallet
französisch gesungen
Uraufführung am 27. April 1877 in Paris, an der Grand Opéra
Charaktere:
Alim, König von Lahore (Tenor)
Scindia, sein Minister, (Bariton)
Sitâ, Scindias Nichte und Priesterin des Indra (Sopran)
Indra, hinduistische Gottheit (Bass)
Timour, Hohepriester Indras (Bass)
Kaled, Diener des Königs (Mezzosopran)ein Offizier, ein General, ein Soldatund weitere
Das Geschehen spielt im 11. Jahrhundert in Indien
Massenet
Dokumentation:
LABEL: Decca 1979
Einspielung unter Richard Bonynge mit der National Philharmonic London,Gesangssolisten: Lima, Millness, Sutherland, Ghiaurov, Tourangeau, Morris
HANDLUNG
Erster Akt:
Die Muselmanen sind auf Eroberung der Stadt Lahore aus. Timour, der Hohepriester verspricht der Bevölkerung, dass ihr Gott Indra sie schützen werde und setzt auf die Führungsstärke von König Alim.
Scindia ist Minister des Königs und liebt die Tempelpriesterin Sitâ, die gleichzeitig auch seine Nichte ist, abgöttisch. Er macht Timour seine Aufwartung und ersucht ihn, die Jungfrau vom Tempeldienst zu entbinden, denn er möchte sie heiraten. Sein Wunsch kommt dem Hohepriester ungelegen und er lehnt mit der Begründung ab, dass der König damit wohl nicht einverstanden sei.
Doch Scindia bleibt hart am Ball und denunzierte Sitâ, dass sie im Tempel regelmäßig einen jungen Mann empfange. Sobald der Chor das Abendgebet anstimme, sei dies das verabredete Zeichen, dass die Luft rein ist, um ihn herbeizulocken. Timour stellt die Priesterin zur Rede, die die Zusammenkünfte auch nicht bestreitet, aber keinen Namen nennen will. Das Gespräch über Liebe sei rein verbaler Natur und eine körperliche Annäherung komme dabei nicht in Betracht.
Der eifersüchtige Scindia glaubt ihr nicht und wirft ihr einen Sakrileg vor. Sie solle das Abendlob anstimmen und man werde sehen, wer erscheint. Der junge Mann – für alle sichtbar ist aber König Alim selbst.
Zum Verdruss Scindias gesteht der König Sitâ seine Liebe und die Bereitschaft den Bund der Ehe mit der Priesterin einzugehen. Die Belegschaft des Tempels ist geteilter Meinung, die eine Hälfte ist der Ansicht, dass eine Priesterin, die einen Liebhaber hat, keine Gottesfurcht zeigt, und auch wenn sie flennt auf das Schärfste zu bestrafen ist, doch ihre Freundinnen halten zu ihr und trösten sie.
Nun gibt es ein Kompetenzgerangel darüber, was ein König darf – und was nicht. Timour erwartet von Alim als Sühnelseistung, in die Schlacht zu ziehen, um die Muselmanen zurückzutreiben.
Sitâ geht straffrei aus, beansprucht aber, den König in die Schlacht begleiten zu dürfen und bittet um seinen Segen.
Der Opernbesucher wundert sich über die lasche Behandlung der Kontroverse.
Zweiter Akt:
In der Wüste Thol ist es Abend geworden und die Soldaten des Königs spielen Schach. Aus der Ferne ertönt der Lärm von Schlachtengetümmel. Sitâ ist deshalb in Sorge, aber Kaled der Diener des Königs, versucht sie zu beruhigen. Es fällt ihm schwer, die rechten Worte zu finden, denn die Farbe schwarz ist negativ belegt und bedeutet, dass König Alim auf der Verliererseite steht. Aber der Vertraute des Königs versteht es, das negative Omen als Siegesgeschrei umzudeuten. Um auf erfrischende Gedanken zu kommen, stimmen beide ein Abendlied an.
Fanfaren verursachen neuen Lärm. Ungeordnet und ohne Disziplin stürzt das Heer vor und erschreckt die beiden Mädchen. Die Schlacht sei verloren und der König schwer verwundet, verkündet Scindia. Die Situation nutzt der Minister für sich aus und schwingt sich zum Befehlshaber auf. Er schwört die Soldaten auf sich ein und befiehlt den Rückzug.
Alim ist nicht einverstanden, schleppt sich schwer verwundet herbei und beschimpft die Kampfgenossen als Feiglinge. Wenn auch verwundet, sei er der König und die Befehlsgewalt sehe er noch immer auf seiner Seite. Doch Scindia verhöhnt ihn, während die beleidigten Kampfgenossen ihm den Gehorsam verweigern und einfach abhauen. Alim bricht ob diesem Mangel zusammen und bezeichnet Scindia als Veräter.
Sitâ eilt herbei und versichert dem allein gelassenen Alim ihre Liebe. Aus der Ferne ertönt der Ruf „nach Lahore“ Mit einem Verzweiflungsschrei gibt Alim in Sitâs Armen seinen Geist auf. Scindia lässt sich noch einmal blicken und bezeichnet sich als neuen König und gibt Weisung, Sitâ mitzunehmen
Dritter Akt:
Von der Erde wechselt der Handlungsfaden direkt hinüber in den Hinduhimmel. An Kurzweil und Zerstreuung fehlt es nicht. Hier agiert nämlich das Ballett, welches sich betont erotisch gibt – genau wie sich die Inder nach dem Willen des Spielleiters die ewige Seligkeit vorstellen.
Alim hat den Krieg auf Erden zwar verloren, hat aber tapfer gekämpft und deshalb einen Anspruch darauf, zu den Glücklichen zu gehören und einen bevorzugten Platz im Himmelreich zu ergattern. Zu seinem Erstaunen muss Gott Indra vernehmen, dass Alim im Gegenteil beantragt, zur Erde zurück versetzt zu werden. Da er unten nicht alle Angelegenheiten ordnungsgemäß regeln konnte bittet er um befristeten Urlaub.
Gutgelaunt gewährt Indra ihm diese Bitte, knüpft daran aber die Bedingung, dass er sich unauffällig verhalten soll und nicht durch extremen Vorwitz hervortreten möge. Am besten solle er als Bettler auftreten. Er darf solange untenbleiben, bis seine geliebte Sitâ stirbt. Danach muss er sich ebenfalls aufmachen und sich wieder von der Erde verabschieden. Da er keine andere Alternative sieht, stellt er sich im Vertrauen auf die göttliche Güte den Anordnungen des Himmelsvaters nicht quer.
Alim hat jedoch insgeheim den Plan, Scindia die geraubte Sitâ wieder abzujagen und ihm den Thron streitig zu machen. Wie die Sache ausgeht, wird sich bald zeigen.
Vierter Akt:
Die himmlische Belegschaft – zuständig für Transportarbeiten – hat Alim behutsam auf den Stufen zum Königspalast von Lahore niedergelegt, wo er soeben aufwacht.
Eine Menschenmenge hat sich versammelt, um die Krönung Scindias zu feiern. Dieser steht unter Zeitdruck, Sitâ zu überzeugen, dass es zweckmäßig sei, ihn zu heiraten, denn nur mit einer Königin würde seine Krönung komplett ein.
Da die Tempeljungfrau sich beharrlich weigert, spannt er den kurzerhand den Hohepriester Timour ein, der Widerspenstigen den Befehl zu überbringen, dass sie ihn zu heiraten habe. Das Volk huldigt ihm, aber anstelle von Sitâ sieht dieser Alim auf sich zu kommen. Ist Alim nicht tot? Scindia glaubt zunächst ein Gespenst zu sehen. Als der Spuk zu sprechen beginnt, lässt Scindia ihn ergreifen. In diesem Moment wird Sitâ aus dem Palast geleitet. Natürlich muss Alim nun denken, dass sie ihm untreu geworden ist.
Die rachsüchtige Vision Alims versperrt Scindia den Weg als dieser sich “seiner Königin“ nähern will. Die Menge glaubt in Alim einen armen Irren vor sich zu haben. Timour hält ihn dagegen für einen Visionär, der vom Himmel gesandt wurde und fordert Scindia auf, Sitâ zurückzugeben.
Fünfter Akt:
Vor der Gewalt Scindias sucht Sitâ Zuflucht im Tempel des Indra. Alim wird von Timour ins Heiligtum eingelassen, wo beide die Möglichkeit haben, sich zu begegnen. Scindia kommt auch und bedroht beide ständig aufzugeben. Sitâ bittet Gott Indra, sie durch den Tod zu erlösen.
Wie gewohnt, erschallen aus der Tiefe die Stimmen, die zum Abendlob rufen. Alim erkennt die Situation und beide fallen sich in die Arme. Durch den Geheimgang wollen Alim und Sitâ entfliehen, als ihnen Scindia entgegentritt. Der König fordert den Gehorsam seines Ministers doch dieser verhöhnt ihn. Als er Sitâ ergreifen will, ersticht sie sich.
Gemäß der getroffenen Vereinbarung mit Gott Indra nimmt Alim automatisch seine Form als Geist wieder an. Jetzt begegnen sich beide auf der gleichen himmlischen Ebene und finden in Liebe zusammen. Scindia sieht all seine Pläne durchkreuzt.
Anmerkung:
Das Besondere an dieser Oper ist, dass die Handlung sich auf zwei Ebenen bewegt - auf Erden und im Jenseits; von der üblichen Schablone weicht sie daher ab. Der kuriose Inhalt wird plausibel ausgebreitet. Die Vergnügungen im Hinduhimmel bestehen vorwiegend aus erotischem Ballett. Der ankommende Alim überreicht seine Visitenkarte, die Indra auf einem Elefanten reitend, entgegen nimmt
Neben der schon etwas betagten exemplarischen Versionen mit Bonynge beglückt die DVD aus Venedig durch eine stimmgewaltige Sitâ. Die Inszenierung ist aufwendig modern voller Einfallsreichtum.
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2014 musirony - Engelbert Hellen