Schöne Oper – gern gehört
Paul Dukas [1865-1935]
Ariane et Barbe-Bleue
Ariadne und Blaubart -
Ariane and Bluebard
Lyrisches Märchen in drei Akten
französisch gesungen
Libretto von Maurice Maeterlinck
mit Änderungen vom Komponisten
sowie nach dem Märchen von Charles Perrault
Uraufführung: am 10. Mai 1907 in der Pariser Opéra-Comique
Dauer: ca. 120min
Charaktere:
Barbe-Bleue, Herzog Blaubart (Bass)
Ariadne (Mezzosopran)
La Nourrice, Die Amme (Alt)
Sélysette (Mezzsopran)
Ygraine (Sopran)
Mélisande (Sopran)
Berangére (Sopran)
Aladine (stumme Rolle)
Chor der Bauern (inklusive dreier Herren-Soli)
Volk
Das Geschehen spielt zur Märchenzeit in Frankreich
HANDLUNG
Erster Akt:
Barbe-Bleue und Ariane, seine neue Frau, kommen nach dreißig Tage langer Reise zu seiner Burg. Eine Gruppe Bauern hat sich am Tor versammelt und beschimpft den Ritter. Man munkelt, er habe seine fünf Exfrauen umgebracht und nun ein neues Spielzeug gefunden.
Da Blaubart noch geschäftlich zu tun hat, betreten Ariane und ihre Amme allein die üppig dekorierte Eingangshalle. Die Zofe ist aufgrund der Gerüchte beunruhigt und möchte am liebsten flüchten, doch Ariane versichert ihr, dass Blaubart sie liebt und das Gerede der Bauern daher Unsinn sei. Sie glaubt nicht an den Tod der Frauen und schwört ihr Schicksal aufzudecken.
Blaubart hat den beiden Neuankömmlingen sieben Schlüssel in die Hand gegeben, damit sie etwas haben, womit sie sich beschäftigen können. Es ist ihnen erlaubt, sieben Türen damit zu öffnen, um sich an dem dahinter liegenden verborgenem Geschmeide zu erfreuen. Das Öffnen der siebten Tür sei aber strikt untersagt. Neugierig öffnen die beiden Frauen eine Tür nach der anderen. Sie finden Saphiere, Perlen und Diamanten. Doch obwohl die Amme sich an jedem Stein tagelang ergötzen könnte, geht Arianes Begehren in eine andere Richtung. Sie interessiert sich wenig für die Klunker und öffnet - entgegen die Anweisung ihres neuen Gatten - zuletzt auch die siebte Tür.
Der Gang führt in eine tiefe Grotte; aus der Ferne erklingt die gedämpfte Weise des Liedes „Les cinq filles d'Orlamonde“. Noch bevor Ariane ihre Erkundungen fortsetzten kann, kommt der Ehemann überraschend nach Hause und ist erbost, weil seine Weisungen nicht beachtet wurden. Ariane gibt sich unbeeindruckt und hält seinen Ausführungen erregt entgegen, dass sie nicht unter der Last dunkler Geheimnisse in dem Schloss leben könne. Blaubart will Nachsicht üben, doch Ariane sucht keine Vergebung, sondern die vollkommene Wahrheit über rätselhafte Vorkommnisse.
Blaubart wird zornig, packt Ariane am Arm und will sie mit sich zerren, doch die Amme öffnet geistesgegenwärtig das Burgtor und der Mob aufgebrachter Bauern strömt in die Eingangshalle. Bevor Blaubart mit Waffengewalt versucht, sie zu verjagen, stellt sich Ariane dazwischen und gibt vor, ihr Mann habe ihr nichts zuleide getan. Sie fordert die Bauern auf, zu verschwinden und gibt Weisung, das Fallgitter herunterzulassen. Blaubart fühlt sich besiegt von dem Mut der resoluten Frau.
Zweiter Akt:
Von ihrem Gatten unbeobachtet, erkundet Ariane weiterhin die Geheimnisse des Schlosses. In Begleitung der Zofe betritt die Wissbegierige hinter der siebten Tür eine große unterirdische Halle. Im Gegensatz zur Dienerin, welche durch die Dunkelheit und seltsame Geräusche verängstigt ist, gibt sich Ariane auch hier beherzt und schreitet tapfer voran.
Nach einer gewissen Zeit gewahrt sie die Gestalten der totgeglaubten Exfrauen Blaubarts und umarmt Sie freudig und spontan. Die Eingeschüchterten bewegen sich nur sparsam und sind völlig verängstigt. Die Kleidung ist zerlumpt und das Haar nicht gekämmt. Um eine Diskussion zu führen, wählt Ariane zwei Personen unter ihnen aus: es sind Selysette und Ygraine, Blaubarts erste Frau. Erste Erkundigungen ergeben, dass es den Frauen nie in den Sinn gekommen sei, sich insgeheim zu entfernen. Ihre Zeit hätten sie mit Singen, Beten und Flennen verbracht.
Nach und nach gewinnt Ariane Vertrauen, quetscht auch die drei anderen aus und erfährt ihre Namen: Melisande, Bellangere und Alladine. Als Beute frevelhafter Raubzügen wurden sie aus fernen Ländern hier hergebracht - die Landessprache ist ihnen nicht geläufig. Ariane ist überrascht über die Passivität der Gefangenen und singt zur Aufmunterung ein Loblied auf die Sonne und die Schönheit der Natur.
Ein Wassertropfen fällt von der Decke und bringt Arianes Lampe zum Erlöschen, ein Zustand, der die alte Zofe - wie zu erwarten - völlig verängstigt. Mit der Finsternis hinlänglich bekannt, führen Blaubarts Frauen Ariane zu einer mit Bolzen und Barrieren verschlossenen Öffnung, die in die Freiheit führt. Zur Bestürzung der eingesperrten Gattinnen versucht Ariane den Weg zu bahnen und schafft es schließlich mit einem Werkzeug, welches Selysette ihr gab, das Hindernis zu sprengen. Alle sind überglücklich, das hereinflutende Tageslicht zu sehen. Die Vergessenen kommen aus ihrem Verlies langsam, eine nach der anderen, zögernd heraus und erfreuen sich an der schon fast vergessenen Natur. In Stimmung gebracht singen sie wie wieder das gewohnte Lied:
„Les cinq filles d'Orlamonde
la fee noire est morte
Les cinq filles d'Orlamonde
ont troivé les portes ! … -
Die fünf Töchter von Orlamonde
(Die schwarze Fee ist tot).
Die fünf Töchter von Orlamonde
haben die fünf Türen gefunden!“
Dritter Akt:
Die Eingangshalle der Burg ist nun der neue Tummelplatz der gedemütigten Frauen. Nun stehen alle fünf vor fünf großen Spiegeln, kämmen sich das Haar, legen sich üppigen Schmuck an und frönen ihrer Eitelkeit. Unter der Aufsicht der alten Zofe machen sie sich wieder salonfähig. Blaubart gilt als verschwunden, was die Damen ausgiebig feiern. Leider können sie die Burg nicht verlassen, weil die Zugbrücke hochgezogen wurde und der Burggraben mittlerweile geflutet ist.
Ariane erwartet insgeheim die baldige Rückkehr Blaubarts und fordert die Frauen auf, sich mit ihrem Äußeren Mühe zu geben. Blaubart würde sie nicht appetitlich finden, wenn sie schäbig aussähen und nicht gebadet haben. Aus dem Fenster hat die Zofe die Rückkehr des gefürchteten Mannes bereits beobachtet. Blaubart wird von aufgebrachten Bauern umringt, welcher mit Forken, Sensen und Dreschflegeln bewaffnet im Begriff sind, eine Revolte anzuzetteln. Von ein paar Leibwächtern geschützt, sind diese zu wenig, um nicht von den Aufrührern gefangen und gefesselt zu werden. Als der Mob das Burgtor erreicht, öffnet Ariane den Zugang. Die Bauern übergeben ihr den Gefesselten und seine Frauen lassen die Retter hochleben. Als Glücksbringer bestätigt, gehen die Befreiten trotzdem auf Distanz und geben großspurig zu verstehen, dass sie den verhassten Despoten selbst töten wollen. Das Fallgitter wird herunter gelassen, nachdem die Befreier enttäuscht abgezogen sind. Vorher hatte Ariane um einen Dolch gebeten aber statt ihren Mann aufzuschlitzen, löst sie die Fesseln des schwer Verwundeten. Er gehört sofort ins Bett und wird sorgsam gepflegt.
Gefolgt von der Zofe bewegt Ariane sich in Aufbruchstimmung zum Burgtor. Die besorgten Frauen erkundigen sich bei ihr, wohin sie gehen wolle. „Weit weg“ ist die vage Antwort. Mitkommen wollen sie jedoch nicht, denn sie möchten sich von ihrem Mann, dessen Qualitäten sie in Zukunft im Kollektiv nutzen wollen, und seiner komfortablen Behausung nicht trennen. Einmal aufgeweckt nutzen sie ihre Intelligenz und fragen sich, wer sie ernähren wird? Wer soll Wildbret heranschaffen, denn mit Pfeil und Bogen können sie nicht umgehen. Wer sorgt für angenehmen Zeitvertreib im Bett und auf der Tenne. Gäste sollen kommen, damit man lustig sein kann. Unter Besinnung auf weibliche Urinstinkte wird man List und Tücke zur Anwendung bringen, und den Wiedergeschenkten dahin bringen, wohin man ihn haben will. Was bildet die törichte Ariane sich überhaupt ein?
„Selbst ist die Frau.“ Ariane zuckt bedauernd mit den Schultern, wirft einen letzten Blick auf die Burg der Entrechteten und verschwindet in dem Bewusstsein, ihre Mission erfüllt zu haben, auf Nimmerwiedersehen.
Anmerkungen:
Dukas' Version der symbolistischen Umdeutung der Blaubart-Legende fand bei seiner Uraufführung größten Zuspruch, besonders bei Vertretern der „Neuen Wiener Schule“. Der Text und die Musik stehen ganz in der Tradition von Claude Debussys „Pelleas et Melisande“. Interessant ist die Oper auch aufgrund ihrer fast ausschließlich von Frauen gesungenen Partien. Die männliche Titelfigur ist infolge physischer Abwesenheit vom Volumen her eher eine Nebenrolle und kennt nur nur kurze Auftritte zu Beginn und zu Ende der Oper.
© 2011 – Raphael Lübbers
Inhaltlich behandelt das Libretto die Emanzipation der Frau in satirischer Form. Die Chance von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen, nutzen Blaubarts Frauen nicht. Trotzdem handeln sie richtig! Was nutzt die große Freiheit, wenn niemand mehr das ist, der kostenlos Mahlzeiten und Unterkunft spendiert, hofiert, Schmuck schenkt und für Zerstreuung sorgt? Erzogen werden muss der Mann – alles weitere ergibt sich von selbst! Der Kampf der Geschlechter wütet bei Mensch und Tier seit ihrer Erschaffung. Er ist Bestandteil der Schöpfung und bringt Bewegung in den faden Alltag. (Anm. E.H. Red.)