Schöne Opern - oft gehört
Francis Poulenc [1899-1963]
Dialogues des Carmelites
Gespräche der Karmeliterinnen
Dialogues of the Carmelites
Oper in drei Akten
französisch gesungen
Libretto vom Komponisten
nach dem Drama von Georges Bernanos in Anlehnung an die Novelle "Die Letzter am Schafott" von Gertrud le Fort
Anlass war die Hinrichtung von 16 Karmeliterinnen aus Compiègne am 17. Juli 1794
Uraufführung am 26. Januar 1957 in der Mailänder Scala unter Nino Sanzogno in italienischer Sprache
und am 21. Juni 1957 an der Pariser Oper unter Pierre Dervaux
Dauer: ca. 150min
Charaktere:
Blanche de la Force - Schwester Blanche von der Todesangst Christi (Sopran)
Madame de Croissy - Priorin des Convents der Karmeliterin (Mezzosopran)
Madame Lidoine - die neue Priorin (Sopran)
Mutter Marie - Pflegerin der alten Priorin (Contralto)
Schwester Constance - Freundin Blanches (Sopran)
Mutter Jeanne, (Contralto)
Schwester Mathilde (Mezzosopran)
Maquis de la Force – Vater von Blanche (Bariton)
Chevalier de la Force – sein Sohn (Tenor)
Der Kaplan – (Tenor)
Zwei Komissare, Kerkermeister, Nonnen, Bürger
Die Handlung Spielt in Paris und in Compiègne während der Französischen Revolution
HANDLUNG
Ester Akt:
Der Chevalier de La Force ist in großer Sorge um seine Schwester Blanche, welche auf ihrer Reise mit der Kutsche in einen randalierenden Revolutionsmob geraten ist. Als er seinem Vater von der Situation erzählt, kommen diesem die tragischen Gedanken der Umstände von Blanches Geburt in den Sinn: Ihre Mutter war damals ebenfalls in einen Volksaufstand geraten und direkt nach der Entbindung gestorben. Vielleicht ist es die Ursache, weshalb Blanche ein sehr scheues, weltfremdes Wesen geworden ist. Bei ihrer Ankunft berichtet das Mädchen von seinem festen Entschluss, ins Kloster zu gehen, um der „lauten Welt“ zu entfliehen und von ihrer ständigen Beunruhigung geheilt zu werden.
Blanche bittet um Aufnahme bei den Karmeliterinnen. Die schwerkranke Priorin hält Blanches Begründung für unzureichend, um in das Kloster aufgenommen zu werden, denn ein Kloster sei kein Zufluchtsort gegen Lebensangst. Als die alte Priorin aber erfährt, welchen Namen sich Blanche im Falle der Eingliederung wählen würde, ist sie zutiefst berührt, weil sie selbst auch diesen Namen trägt. Die Neue will sich „Schwester Blanche, von der Todesangst des Herrn“ nennen. Sie hat Erfolg mit ihrem Nachdruck und wird als Novizin aufgenommen.
Blanche ärgert sich über Schwester Constance, welche Leben und Tod allzu leicht nimmt. Einer Vision zufolge hat Blanche den seltsamen Gedanken, dass Gott ihrer beiden Leben für die Genesung der alten Priorin fordere - ein Vorschlag, den Blanche entrüstet zurückweist. Constance behauptet, es sei ein Zeichen Gottes, dass Blanche den Weg ins Kloster gefunden habe, fasst Zutrauen zu ihrer Geschlechtsgenossin und wünscht sich mit ihr zusammen früh zu sterben.
Die alte Priorin ringt unter den sorgenden Augen von Mutter Marie mit ihrem Leben. Sie wünscht sich, ein letzte Mal Blanche zu sehen. Vor ihrem Tod sieht sie in einer Vision voller Angst die Zerstörung und Plünderung des Klosters. Sie trägt Marie auf, Blanche in ihre besondere Obhut zu nehmen.
Zweiter Akt:
Während der Totenwache im kollektiv mit Constance wird Blanche von ihrer Angst überwältigt und verlässt ihren Platz. Von Mutter Marie wird sie gestellt und gerügt. Constance kann sich den den langen Todeskampf der Priorin nur so erklären, dass sie vielleicht stellvertretend den Tod eines Anderen gestorben ist.
Constance und Blanche schmücken das Grab der verstorbenen Priorin. Madame Lidoine wurde zur Nachfolgerin gewählt. In ihrer Ansprache betont diese, dass auch in den wirren Zeiten die eigentliche Aufgabe des Ordens nicht vergessen werden dürfe: das Gebet. Die versammelten Schwestern geloben Gehorsam.
Blanche bekommt Besuch von ihrem Bruder. Die mißtrauische Priorin gibt die Erlaubnis unter der Bedingung, dass Schwester Marie bei der Unterhaltung dabei sein darf.
Der Marquis drängt seine Schwester wegen der brisanten politischen Ereignisse, mit ihm ins Ausland zu fliehen. Blanche glaubt nicht, dass ein Ortswechsel Sinn hat, denn sie fühlt sich im Konvent besonders sicher und möchte als Karmeliterin auf ihre Art kämpfen.
Der Beichtvater des Klosters nimmt Abschied von den Nonnen, und feiert mit ihnen eine letzte Messe. Er hat den Eid auf die neue Verfassung verweigert, fühlt sich im Kloster nicht mehr sicher und möchte sich versteckt halten.
Mutter Marie ruft zum Martyrium auf, was von der neuen Priorin scharf verurteilt wird. Das Martyrium dürfe nie zum Ziel werden, sondern ergebe sich, wenn Gott es wolle. Der Priester geriet auf der Straße in Bedrängnis und kehrt abgehetzt zurück. Die Verfolger verlangen unter lautem Geschrei den Tod des Geistlichen.
Nun wird es dramatisch: Zwei Komissare kommen herein und proklamieren die Auflösung des Klosters. Den Nonnen soll es nicht mehr erlaubt sein, ihre Kutte zu tragen, und haben gutbürgerliches Verhalten an den Tag legen.
Dritter Akt:
Während die neue Priorin vor Angst gelähmt ist, möchte Mutter Marie den Schwestern das Gelübde des Martyriums abnehmen. Alle sollen Ihre Entscheidung auf einem vorbereitetem Zettel ankreuzen und dem Priester übergeben. Es gibt nur eine Gegenstimme – man verdächtigt sofort Blanche. Constance gibt sich jedoch als Abweichlerin zu erkennen. Mit ihrer Gegenstimme wollte sie der Freundin Rückendeckung geben, zieht aber nunmehr ihr Votum zurück, weil das Motiv für ihre Gefälligkeit durch Blanches Abwesenheit entfallen ist.
Blanche ist in dem geplünderten Haus ihres ermordeten Vaters untergeschlüpft, wo sie von Mutter Marie aufgesucht wird, um sie in die Gemeinschaft zurück zu holen. Blanche verweigert den Gehorsam und möchte im verlassenen Elternhaus die schlimmen Zeiten überstehen.
Indessen sind die Nonnen verhaftet worden. Nach der ersten Gefängnisnacht versucht die Priorin ihre Mitschwestern durch eine Ansprache zu trösten. Constance ist sich gewiss, dass Blanche zurückkehren wird. Die Namen der Schwestern werden aufgerufen und das Todesurteil wird ausgesprochen.
Während ihres Ganges zum Schafott singen die Schwestern ein letztes „Salve Regina“. Mit einem Karren geht es zur Richtstädte und eine nach der anderen legt den Kopf unter das Beil. Als schließlich nur noch Constance übrig bleibt, kommt überraschend Blanche aus der umstehenden, gaffenden Menschenmenge und stellt sich mutig an ihre Seite. Sie stirbt als letzte. War sie diejenige, deren Todesangst die alte Priorin auf sich genommen hatte, bevor sie verschied?
Anmerkung:
Das Meisterwerk von Francis Poulenc hatte bis in die 1980er auf der Bühne keinen großen Zuspruch. Der Erfolg kam erst später und heute kann man die „Dialogues“ als eine der meistgespielten Opern zeitgenössischer Komponisten betrachten.
Die ausgedehnten Betrachtungen menschlichen und göttlichen Waltens bilden den Kern der Oper, während in den dezenten Andeutungen weiblicher Homosexualität sich autobiografische Aspekte des Komponisten wiederfinden.
Der dramatische Aufbau des Dreiakters schiebt sich unaufhörlich voran und erzeugt unendliche Spannung. Die Schlussszene, vom Orchester spektakulär illustriert, kann man zu den markantesten der gesamten Operngeschichte zählen. Jedesmal, wenn ein Kopf rollt, wird das Ergebnis akustisch vermerkt, Das „Salve Regina“ klingt in dem Maße dünner, wie die Zahl der Carmeliterinnen abnimmt. An der visuellen Umsetzung der Schluss-Szene dürfen sich die Regisseure die Zähne ausbeißen.
© 2011 – Raphael Lübbers