musirony - Djamileh
 

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Schöne Oper - gern gehört




Georges Bizet [1838 -1975]

Djamileh


Komische Oper in einem Akt

Libretto von Louis Gallet
nach der Dichtung 'Namouna' von Alfred de Musset

in französischer Sprache

Uraufführung am 22.Mai 1872 in Paris

Dauer etwa 60 Minuten

 

Personen :
Djamileh, eine schöne Sklavin
Haroun, (Harun) ein verwöhnter Pascha
Splendiano, sein Diener, in Djamileh verliebt
Sklavenhändler, Haremsdamen, Freunde, Musikanten

Kairo im 18. Jahrhundert



HANDLUNG

Szene 1

Harun al Raschid wohnt in Bagdad; der Harun unserer Geschichte lebt in Kairo und besitzt einen prächtigen Palast an den Ufern des Nils. Kalif ist er auch nicht, nicht einmal Wesir, aber immerhin so reich, dass er sich jeden Monat eine andere Frau leisten kann. Er ist keine Sammelnatur und unterhält auch keinen Harem, denn dazu fehlt ihm der Nerv. Auf Abwechslung möchte er allerdings nicht verzichten, deshalb darf jede Neuanschaffung nur einen Monat verweilen. Die Neue kommt, die Alte geht! Man verschenkt sie weiter oder verkauft das Stück mit Gewinn auf dem Sklavenmarkt. Die kaufmännische Abwicklung der Tauschgeschäfte besorgt für ihn ein gewiefter Italiener.

An einem wonnigen Sommerabend sitzen Herr und Diener auf der Terrasse und lauschen dem Chor der Nilschiffer, die ihre Segel einziehen, weil sie Feierabend machen wollen. Der heiße Tag entschwand, mild glänzt im Osten der erste Stern und strahlt Frieden in die Brust der Menschen. Splendiano kommt auf die Liebe zu sprechen und meint, dass der Herr sich vor der Macht Amors hüten solle. Harun nennt seinen Diener einen Schwätzer, ihm muss er nicht erzählen, denn,  gottlob, sein Herz ist kalt! Daran wird auch der poetische Schwulst von Alfred de Musset nichts ändern.

Szene 2

Djamileh sei in Wahrheit wunderschön, meint der Diener. Den Pascha interessiert es nicht. Im Palast wird sie keine dauerhafte Bleibe finden, entweder sie kam zu früh oder zu spät. Auf jedes Weib, welches ihn heute entzückt, wartet schon die Rivalin von morgen. Die Liebe befindet sich ständig in Fluss. Die schönen Stunden mit ihren verführerischen Gaben schenkt der Gott des Zufalls. Doch der Zufall bedarf des Wechsels. Harun macht seinem Diener einen Vorschlag, den dieser mit Freuden zur Kenntnis nimmt. Er kann Djamileh für sich haben und für ihn soll er die inzwischen fällige Nachfolgerin ausfindig machen. Eine Maurin mit schmachtendem Blick, eine Jüdin mit ernster Stirn oder eine Griechin mit trunkenem Sinn - ihm ist es egal, was Splendiano anschleppt. Ketten sind Harun verhasst, er glaubt weder an die Liebe, noch an die Treue und sterben in Reue kommt für ihn ohnehin nicht in Betracht. Niemals weckt der Wahn in ihm die Liebespein, er glaubt nicht an die ideale Frau auf Erden, er will die Freiheit, die Freiheit ganz allein. Splendiano findet diese Weisheit ganz vortrefflich, denn sie kommt dem Plan, den er hegt, entgegen. Sein Herz ist voller Freude und er hofft zuversichtlich, dass Djamileh eines Tages die Seine wird.

Aber es sind nicht nur die Frauen, die der Pascha zwar begehrt, auf deren Liebe er aber gern verzichten kann. Nein Harun hat noch andere Gelüste:

Besser noch als falsche Frauenliebe
Dünkt ihn des Weines Feuergeist.
Vergessen macht er und macht trunken,
Wenn der Becher fröhlich kreist. 

Gleich gilt, ob von Gold die Schale,
Ob von Glas, von geringem Ton.
Den Wein preist der Zecher
Und nicht den Becher.

Szene 3

Harun bemerkt, dass Djamileh sich zaghaft nähert. Welche Blässe sieht er auf ihren Zügen, Verstohlene Schatten trübern ihre Stirn. Glücklos ist ihr Blick und um ihren Mund sieht er es schmerzlich zucken. Sie träumte schwer, aber nun ist es vorbei. Harun erkundigt sich höflich nach dem Inhalt ihres Traumes. Vom Wasser hat sie geträumt, das Meer schwoll an und angstbetört streckte sie die Arme nach ihm aus. Doch es war umsonst. Sie blickte in grauenvolle Leere und sank dann ins Wellengrab. Wie ein banges Vorgefühl lastet die Angst schwer auf ihr.

Welchen Gedanken spricht die Törin aus? Sollte sie etwa ahnen, was er mit ihr im Sinn hat? Ah, sie beruhigt sich schon wieder. Die Qualen des Traumes sind entflohen und sie vernimmt seine vielgeliebte Stimme. Fühlt das arme Kind etwa Liebe? Solche dunklen Träume soll es verscheuchen und das Leben genießen, solang die Jugend anhält. Keine Pläne soll die Kleine für die Zukunft machen, denn diese ist verschleiert. Splendiano ist in Djamileh verliebt:

„O schönes Mädchen, wie ich zittre,
bald vielleicht die Stunde schlägt,
die mich in den Himmel trägt!
Perlt der Wein in den Bechern,
hebt der Mut sich bei den Zechern.
Die Zukunft lacht, mir ist nicht bang.“

Harun rückt nun mit der Sprache heraus. Er sähe Djamileh gern zufrieden. Hat sie noch irgendwelche Wünsche? Sie soll es sagen, bevor er von ihr geht. Bestimmt wünscht sie sich die Freiheit. Wozu Freiheit? Nach Freiheit fragt sie nicht, denn sie ist stets glücklich in seinem Haus. Die Seele kennt auf Erden kaum ein anderes Heim, als diesen Raum. Sie ist glücklich, wenn sie bei ihm ist. Er gab den Frieden ihr zurück und sie wünscht sich kein anders Glück. 

Am schönsten sei das Leben nach einem leckeren Mahl, wenn man es durch das volle Glas betrachtet. „Schenkt ein, schenkt ein, es wohnt eine höhere Kraft im Wein“, bestätigt Harun. Um ganz ohne Wunsch zu sein, bedürfe es nur die Nähe ihres Herrn, äußert sich Djamileh. Nachdem nun der funkelnde Wein die Kehle heruntergeflossen ist, soll sie ein liebliches Lied singen, um die Stimmung anzuheben. Sein Wunsch ist ihr Befehl, die Magd wird ihm folgen! Splendiano spottet, bald wird sie für ihn allein singen.

Das nun folgende Ghazel bildet das Schmuckstück der Oper:

« Nour-Eddin, roi de Lahore,
« Est fier comme un dieu.
« Il est beau comme l’aure ;
« Ses yeux sont de feu ! …

Gemeint ist: Noureddin, der König von Lahore, ist stolz wie ein Gott. Er ist schön wie der Morgen, seine Augen sind wie Feuer. Mit glühendem Strahl bohren seine Augen in ihre Brust unheilbare Wunden und füllen das Herz mit süßer Qual ... Als der König kalt vorüberschritt, musste das Mädchen bitterlich weinen, weil das Herz unendlich litt.

Harun kennt das Lied schon und es fällt ihm auch nicht schwer, zu erraten, was die schöne Sklavin ausdrücken will. Das Liedchen ist sehr rührend, aber er kennt das Ende. Jede Blume blüht nur kurze Zeit.

Zum Abschied schenkt Harun seiner Sklavin ein kostbares Geschmeide, würdig einer Königin. Djamileh ist glücklich über die Hand, die es ihr gab. Sie sei so gut und liebenswert, sie solle ihn nicht vergessen, verabschiedet sich Harun von ihr ohne weitere Zeremonie.

Szene 4

Es kommt Besuch. Der Chor der Freunde stimmt ein Loblied auf Djamileh an

„Seht doch, seht! Wer ist die Schöne,
deren Augen glänzend funkeln
und ganz unverhüllt vom Schleier
Selbst der Sterne Licht verdunkeln?
Fest geschlossen sind die Lippen
wie zwei brennend rote Rosen ... 

Es ertönt der Ruf des Muezzins und Harun entfernt sich mit seinen Freunden, um seinen religiösen Pflichten nachzukommen. Im Weggehen äußern sie sich abfällig über die trügerischen Frauen. Von Launen werden sie regiert und wer ihnen traut wird betrogen. Häufig unterliegt sogar der Klügste. Alles dummes Zeug, welches der Opernbesucher nicht glauben soll.

Doch Splendiano kennt den Hausgebrauch. Sein Herr wird ihm Djamileh für eine dauerhafte Liebesbindung großzügig überlassen und ist sich seiner Sache sicher. Er wird es sein, der ihr zukünftiges Glück begründen wird. Deshalb soll sie nicht weinen und Vertrauen zu ihm haben, denn er liebt nur sie ganz allein.

Szene 5

Djamileh ist in der Tat tieftraurig. Einen Monat ist sie erst im Haus und schon soll sie vergessen sein! Sie liebt ihren Herrn und mutmaßt, dass er sie verstoßen will. Ist das nicht schrecklich, auch für die Leute im Parkett, auf den Balkonen und in den Rängen? Trübes unheilvolles Ahnen erfüllt unrettbar ihre Seele. Was hilft es ihr, dass sie sich grausam quält. Ein Blick des Herrn, ein Wink und alles ist aus! Wird sie ihm entsagen können? Zerstört ist ihr Himmel! Doch Splendiano verspricht ihr, es so einzurichten, dass sie all ihre Wünsche erfüllt sieht. Völlig selbstlos wird er eigene Interessen zurückstellen. Beide besprechen miteinander hinter den Kulissen eine Strategie.

Szene 6

Der Sklavenhändler tritt mit seinem Gefolge auf und prahlt, dass er tausend schöne Mädchen in seinem Angebot habe. Er unterstellt, dass Harun ein freigebiger Mann sei. Der Herr soll ein Blick auf seine Schätze werfen. Es sind wahre Perlen, die er dabei hat. Der Opernchor beschreibt die übliche Prozedur von Musterung und Kaufentscheidung. Die Musik ertönte, ein Mädchen tritt vor und macht ein paar zierliche Bewegungen, um Liebreiz zu signalisieren.

Kalt und ruhig,
still und bedächtig,
halbgeschlossene Augenlider,
setzt sie ihr Füßchen auf den Teppich
und dehnt ihre Glieder ...

Szene 7

Es ist natürlich Djamileh, die sich das Kostüm der Tänzerin ausgeliehen hat, welche favorisiert wird. Woher soll Harun wissen, wen er vor sich hat, wenn sie sich den Schleier über die Nasenlöcher hält? Der Mann ist der Jäger und die Frau ist das Wild! Ha! Die Wilde, wie sie läuft. Aber das ist ja köstlich, dieser Widerstand. Harun gibt seine ursprüngliche Absicht, den Sklavenhändler fortzuschicken, auf, weil er sich mit seiner Beute näher beschäftigen möchte. Splendiano kann er in seiner Nähe jetzt nicht gebrauchen und gibt ihm einen Beutel Gold. Zu seinen Gunsten soll er es verspielen, in jedem Fall gehorchen, schweigen und verschwinden. 

Szene 8

Djamileh ist ängstlich. Ist dies nun Furcht oder eine Laune, was die Verschleierte ihm vorgaukelt? Wer löst ihm das Rätsel? Nun er wird selbst die Probe machen. Die Nacht soll ihr gnädig sein und ihr gewähren, was sie heiß ersehnt. Harun muss die am ganzen Körper Zitternde beruhigen. Das holde Kind soll nichts fürchten. Sie sind allein und sie möge doch die schönen Sterne am Himmel betrachten. Die Stunde ist zur Seligkeit bestens geeignet. In die blaue Ferne soll sie ihren Blick richten, dort steht geschrieben, dass es ihr Schicksal sei, ihn zu lieben. Ach, ja!

Der Herr soll ihre Tränen verzeihen, denn sie sei seiner Güte nicht wert. Ein unheilbares Leid trägt sie im Gemüt. Unsinn, jeder Schmerz soll heute dem Liebesbund weichen. Von den Augen wird er sanft die Tränen küssen und sie möge ihre süßen Lippen auf seinen Mund pressen. Für Leid und Kummer ist jetzt nicht die Zeit, die holdselige Schöne soll alles Unerquickliche vergessen. Sie habe Angst! Abermals Unsinn! Die Sklavin, deren Platz sie jetzt einnehmen wird, war weniger zimperlich. Sie hat er geliebt! Aber, wenn er sie liebte, weshalb hat er sie dann verstoßen? Also, sie soll es so nehmen, wie es gemeint ist. Keine Fessel hat ihn je gebunden. Seine Freiheit hat er stets im Auge gehabt. Niemals blieb Bedauern zurück, wenn er sich verabschiedete. Ein Gruß, ein Kuss und sie war frei wie der Vogel in der Luft und konnte gehen, wohin sie wollte!

Weshalb weint sie? Tat er ihr etwa weh? Ach wie grausam ist er doch. Harun gesteht ihr, dass Djamileh eine unglaubliche Frau war. Aber die Frage, ob sie ihn wirklich geliebt hat, kann er sich nicht beantworten. Nun sieht das Mädchen klar, sein Herz ist tot. Doch diese Aussage zieht nun Harun wieder in Zweifel. Wenn die Liebe leere Täuschung ist, weshalb schlägt sein Herz dann so ungestüm. Das Glück, welches er leugnete, bewege ihn nun wie ein Traum. Ach, sterben möchte er, bevor das Bild entschwindet.

Es macht für sieh nun keinen Sinn mehr, sich zu verstecken. Djamileh offenbart ihre Identität. Doch Harun will sie noch einmal auf die Probe stellen. Er sagt, das Wort, dass sie erhofft, wird niemals über seine Lippen kommen. Sie soll jetzt gehen! O weh! Er spielt mir ihr, die Liebe war ihr Leben und ihr Hoffen. Jetzt hat er alles vernichtet. Mehr als die Freiheit hat sie ihn geliebt.

Die Prüfung soll er ihr verzeihen. Er hat erkannt, durch ihr Herz fand er das seine. Man fällt sich in die Arme.

Anmerkungen:

Fast alle französischen Komponisten den 19. Jahrhunderts hatten eine Vorliebe für die Welt des Orients und schufen Werke für die Bühne oder den Konzertsaal. Bizets kleine Oper führt ein Schattendasein, weil es von der temperamentvollen Carmen fast erdrückt wird. Gustav Mahler hatte eine Vorliebe für den Einakter und dirigierte 1898 die erste Aufführung in Wien mit 18 Reprisen. Berlin erlebte seine Erstaufführung schon sechs Jahre früher.
 

***
Musirony 2008 – Engelbert Hellen


 

 

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