Zauber des Balletts
Cesare Pugni [1802-1870]
Pas de Quatre
Ballett-Divertissements
nach einer Idee von Benjamin Lumley für die Damen
MARIE TAGLIONI - FANNY CERRITO - LUCILE GRAHN - CARLOTTA GRISI
Uraufführung: 12. Juli 1845, Her Mejesty’s Theatre, London
Choreographie: Jules Perrot
Bühnenbild: Hintergrundprospekt mit Landschaft, ansonsten kein weiteres Dekor
Kostüme: Langes weißes Tutu und Blumenkränze auf den Köpfen gemäß der Lithographie von A. Challon
Ausführende: Maria Taglioni - Fanny Cerrito - Lucile Grahn - Carlotta Grisi
Die Idee
von Benjamin Lumley, Director of Her Mejesty’s Theatre in London, kann man schon fast als verrückt bezeichnen. Er beabsichtigt, vier der berühmtesten Ballerinen ihrer Zeit gleichzeitig in einem Stück an einem Abend auftreten zu lassen. Jeder der Damen sollte Gelegenheit geboten werden, ihre Vorzüge, mit denen sie sich gegen ihre Konkurrenten vorteilhaft abhhebt, ins rechte Licht zu rücken.
Bei Marie Taglioni waren es die großen Sprünge, die das Publikum so liebte. Der Grisi gelangen die kleinen Sätze und die raschen Bewegungen der Füße besonders gut, Fanny Cerrito operierte mit lebhaften Kombinationen und Lucile Grahn zeigte ihre Spezialität kleine Hüpfer zu vollführen, bei denen sie eine halbe Drehung entweder nach rechts oder nach links machte.
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Den Choreographen Jules Perrot hatte der Impresario auf seiner Seite. Die Verhandlungen gestalteten sich nicht so schwierig, wie die beiden ursprünglich dachten. Natürlich musste auf die Empfindsamkeit der Damen volle Rücksicht genommen werden. Es gelang den beiden, ihre Idee so gut zu verkaufen, dass jede Künstlerin bei dem Wettstreit für sich einen Vorteil sah. Man war sich schließlich nicht spinnefeind. Fanny Cerrito war sogar bereit, der Taglioni den Vortritt zu lassen und ihr während der Ovationen des Publikums den Lorbeerkranz aus weißen Rosen aufs Haupt zu setzen. Wie die berühmte Litographie von A. Chalon zeigt, gelangen noch zwei weitere Kränze zur Verteilung.
Die Handlung
Die vier Damen bringen sich in der Mitte der Bühne in die vom Choreographen vorgeschriebene Positur und verneigen sich vor den Kolleginnen - ein Zeremoniell was sich in abgewandelter Form auch bei den japanischen Sumo-Kämpfern findet. Danach tritt jede der Tänzerinnen einzeln vor, führt ihren pas seul aus und begibt sich anschließend zurück, um ihre ursprüngliche Pose wieder einzunehmen. Herr Pugni hat seine Musik natürlich so gewählt, dass sie zu den Schritten passen, welche die Stärke der Ballerina hervorhebt und Effekt macht. Zuerst war Lucille Grahn mit ihrer Variation an der Reihe, es folgten die Grisi, die Cerrito und zum Schluss war es die Taglioni, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. An eine Story waren die Damen nicht gebunden. Sie selbst waren Story genug.
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Am Ende tanzen sie gemeinsam einen Pas de quatre, der in der Konfiguration stehen bleibt, wie der Lithograph sie für die Nachwelt festgehalten hat. Wie eine Königin wird die Taglioni in die Mitte genommen. Die Hände hat sie über dem Haupt erhoben und eine gelbe Rose mit reichlich Blattwerk ziert das Mieder. Fanny Elßler wird ihre unversöhnliche Rivalin dafür beneidet oder gar gehasst haben. Dem Choreographen Jules Perrot gebührt das Lob, zusammengestellt zu haben, was das romantische Ballett ausmacht.
Anmerkung:
Es gab zahlreiche Wiederholungen des PASSO A QUATRO, in denen die Damen der Uraufführung nicht mehr vollzählig zur Verfügung standen. In einer Aufführung 1846 an der Scala tanzten neben der Taglioni die Ballerinen Carolina Rosati, Sofia Fuoco, und Carolina Vente.
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Bis in die heutige Zeit hat das Ballett seine Popularität behalten. Prominente Ballerinen lassen es sich nicht nehmen, den berühmten Kolleginnen der Romantik zu huldigen. Im Jahre 1948 führten Alicia Markowa, Mia Slawenska, Natalie Krassowska und Alexandra Danilowa in New York den PAS DE QUATRE in unterschiedlicher Besetzung aus. Die letztgenannte Aufführung folgte allerdings nicht der Musik von Cesare Pugni, sondern Kompositionen von Vincenzo Bellini wurden ausgewählt. Es gab Aufführungen 1951 in Monte Carlo und 1970 St. Petersburg.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen