Erster Akt:
In einem heiligen Wäldchen, steht ein kleiner Hindutempel, in dem die Bajadere Nikija Tempeldienst verrichtet, der vorzugsweise aus Tanzen zu Ehren der Gottheit besteht. Umzüge und Prozessionen aller Art erhalten auf diese Weise ein ehrwürdiges Gepräge. Der Krieger Solor hatte sich in die Tänzerin verliebt und macht von der Jagdgesellschaft einen kleinen Abstecher, um sie zu besuchen. Mit seiner Liebe verstößt der Eindringling gegen die Tempelordnung, besonders verwerflich, weil der Große Brahmane die schöne Bajadere für sich beansprucht. Ihr steht der Sinn jedoch nach dem Helden. Um ihren Empfindungen Ausdruck zu verleihen, versprechen sie sich wechselseitig ewige Treue. Dem Großen Brahmanen hat man von dem heimlichen Zusammentreffen berichtet und er schwört – wie kann es anders sein - fürchterliche Rache.
Zweiter Akt:
Solor ist mit Gamsatti, der Tochter des Rajahs bereits verlobt. Ebenso töricht wie unpraktisch ist es, sich nun anderweitig zu orientieren und den Blick auf eine Tempeltänzerin zu heften. Der Radja hat die Hochzeit Solors mit der Tochter angeordnet und teilt dem Krieger, von dem er erwartet, dass er sich geehrt fühlt, den Heiratstermin mit. Diesen erfasst Unbehagen und er bittet den Herrscher, ihn von der Verlobung mit seiner Tochter zu entbinden. Einer anderen habe er ebenfalls Treue geschworen und nun sehe er sich außerstande, das Eheversprechen zu Gunsten Gamsattis aufrecht zu halten. Der Rajah lässt sich nicht umstimmen und dem Krieger bleibt leider nichts anderes übrig, als sich mit der Prinzessin zu vermählen. Zu allem Überfluss trifft auch noch der Große Brahmane ein, der dem Herrscher von den geheimen Zusammenkünften im Tempel berichtet. Der Radja erwägt, die Bajadere diskret zu beseitigen und wird dabei von Gamsatti belauscht. Diese schickt nach Nikija, um sie mit ihrem Anliegen vertraut zu machen, dass sie bei ihrer Hochzeit mit Solor tanzen soll. In einem Gespräch von Frau zu Frau versucht sie, die Bajadere zu überreden, den Geliebten aufzugeben. Diese ist nicht bereit, zu verzichten und impulsiv greift sie nach einem Dolch, um die Prinzessin zu töten. Der Versuch misslingt, denn die Wache greift ein. Jetzt verspürt auch Gamsatti keine Neigung mehr, sich für die Unbesonnene einzusetzen.
Dritter Akt:
Wegen der angenehmen Abendkühle werden die Feierlichkeiten in den Garten und auf die Terrasse verlegt. Eine verführerische Musik erklingt und die Bajadere zeigt ihre Tanzkünste. Obwohl sie verschleiert ist, erkennt Solor an ihren Tanzschritten, dass es die Geliebte ist. Als kleine Aufmerksamkeit für ihre Darbietung wird ihr von einer Sklavin ein Blumenkörbchen überreicht, in dem eine giftige Schlange sich verborgen hält. Nachdem das Reptil ihr eine tödliche Bisswunde zufügt, erwartet Nikija von ihrem Geliebten, das Gelöbnis ewiger Treue über den Tod hinaus einzuhalten. Das Gegengift, welches der Brahmane ihr anbietet, falls sie sich ihm zuwenden würde, will die Uneinsichtige nicht schlucken. Treue ist heilig und sie zieht es vor, zu sterben. Ihren Solo tanzt Nikija, bis sie entseelt zu Boden gleitet.
Vierter Akt:
Solor ist verzweifelt und auch der befreundete Fakir kann ihn nicht aufmuntern. Gamsatti kommt herbei, um seine Hand zu halten. Doch sogleich erscheint der Schatten Nikijas, um die Zärtlichkeiten der Rivalin abzuwenden. Der Fakir versetzt den Ruhelosen in Trance. In einem Traumgesicht erfährt er von prächtiger Entlohnung im Jenseits, wenn er die Hand Gamsattis standhaft ausschlägt. Die Diener drängen den Gedankenverlorenen, sich wieder zur Hochzeitsgesellschaft zu begeben. Jetzt macht Nikijas Schatten sich auch an Gamsatti heran, die erschrocken zu ihrem Vater flüchtet. Dieser drängt, den Großen Bramahnen, sich mit der Zeremonie zu beeilen. Doch in dem Moment, als die Hände der Brautleute ineinandergelegt werden, erschüttert ein Erdbeben den Palast und macht ihn zur Ruine. Im Zustand der Verklärung erkennt man, wie die Schatten Solors und der Tänzerin zu den Gipfeln des fernen Himalajas schweben, um im Geisterreich das Glück zu finden, was ihnen im Diesseits versagt gewesen ist.
Anmerkungen:
Die Ära vor Tschaikowsky wurde in Russland von Cesare Pugni und Ludwig (Leon) Minkus geprägt. Minkus schuf für St. Petersburg zahlreiche Ballettmusiken, von denen sich zwei, Don Kikhot und Bayaderka, sich bis auf den heutigen Tag halten konnten. Xx Bayaderka, prächtig ausgestattet und mit den führenden Tänzern ihrer Zeit hervorragend besetzt, kam beim Publikum sofort an und feierte weltweit glänzende Triumphe.
In jüngerer Zeit waren es Nurejew und die Fonteyn, die das Interesse an dem Ballettspektakel wach hielten und einem aufmerksamen Publikum den Glanz und die Vorliebe einer vergangenen Zeit nahe brachten. Die Romantik liebte es, den Orient zu idealisieren und vor allem den Märchenzauber Indiens in monumentalen Ausmaßen auf die Bühne zu bringen. Verlagerung des Geschehens ins Reich der Geister waren sehr beliebt und wurden häufig variiert.
Sakkuntala aus dem gleichnamigen Versepos des Dichters Kalidasa entnommen, war Gegenstand von Bühnenkompositionen anderer Komponisten. Das Ballett Bayaderka bestand ursprünglich aus vier Akten. Der letzte Akt wurde im Jahre 1919 abgespalten und zu einem eigenen Ballett „The Kingdom of the Shades“ (Das Königreich der Schatten) umgearbeitet.
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musirony 2006 - Engelbert Hellen