musirony - Das Goldene Zeitalter
 

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Zauber des Balletts


Der Hindu-Tänzer

Dmitri Schostakowitsch [1906-1975]

Das Goldene Zeitalter

The Golden Age


Ballett in drei Akten

op. 22, komponiert 1925

Szenario: Dynamida des Filmemachers Alexander Iwanowsky


Uraufführung am 26. Oktober 1930
in St. Petersburg, Staatliches Akademisches Thater

Choreographie: Visily Wainonen

Aufführungsdauer 140 Minuten

Personen:
Die Diva
Der Kapitän der sowjetischen Fußballmannschaft     
Ein Faschist
Ein Hindu  
Ein afroamerikanischer Boxer
Das Kosmopol-Mädchen

Fußballer, Provokateure, Spießer, Pioniere



SZENENFOLGE

1. Prelude

Erster Akt:

ERSTE SZENE:  Das Goldene Alter der Industrie-Ausstellung

2. Aufzug der Ehrengäste
3. Inspektion der Schauvitrinen
4. Demonstration der Wichtigkeit von Ausstellungen,
    Auftritt der sowjetischen Fußballmannschaft
5.
Divertissement: Tanz des ‚Hindu’
6.
Simulierter Boxkampf
7. Skandal während des Boxkampfes, Auftritt der Polizei

ZWEITE SZENE: Die Ausstellungshalle 

8.
Tanz der Goldenen Jugend
9. Tanz der Diva (Adagio)
10. Auftritt des sowjetischen Fußballteams und Variationen der Diva
11. Sowjetischer Tanz
12. Die Diva bittet den Leiter des sowjetischen Teams, mit ihr zu tanzen
13. Tanz und Szene mit Diva und Faschist
14. Tanz des Afroamerikaners mit zwei Fußballspielern
15. Der mutmaßliche Terrorist (‚Die Hand von Moskau’)
16. Allgemeines Durcheinander – Die Verlegenheit der Faschisten
17. Der seltene Fall von Massenhysterie
18, Aussprache mit dem Direktor der Ausstellung und dem Faschisten
19. Foxtrott – Foxtrott – Foxtrott

Zweiter Akt:


DRITTE SZENE: Eine Straße in der gleichen Stadt

20. Pantomime der Störenfriede, Provokation und Arrest (Galopp)

VIERTE SZENE: Im Sportstadion


21. Aufmarsch der Teilnehmer zum Sportstadium,
      Tanz der jungen  Pioniere, Sportspiele
22. Fußballspiel
23. Intermezzo ‚Jeder amüsiert sich selbst auf seine eigene Weise’
24. Tanz des westlichen Kosmopol-Mädchens mit vier Sportlern
25. Streit unter den Sportlern, Gemeinschaftlicher Tanz
26. Szene und Abgang des Sowjet-Teams

Dritter Akt: 

27. Zwischenakt: Tea for Two’

FÜNFTE SZENE: Musikhalle (Divertissement)


28. Chechotka (Tap-dance)
29. Tango
30. Polka Tuchfühlung der Koalition der Klassen, leicht betrügerisch
31. Auftritt der Diva und des Faschisten, ihr Tanz
32. Can-can

SECHSTE SZENE: Gefängnisgebäude

33. Prelude
34. Szene von der Befreiung der Gefängnisinsassen
35. Völlige Enthüllung der Konspiration. Die Bürger in Panik
36. Abschließender Tanz der Solidarität xx



HANDLUNG

Erster Akt

ERSTE SZENE: Die Industrie-Ausstellung ‚Das Goldene Zeitalter’

Die Ehrengäste betreten im Walzertakt die Halle, in der industrielle Konsumgüter gezeigt werden. Die Ausstellung steht unter dem Motto ‚Das Goldene Zeitalter der Industrie’. Die Besichtigung der Vitrinen verursacht viel Lärm. Die Wichtigkeit der Ausstellung wird durch den Besuch einer sowjetischen Fußballmannschaft besonders betont. Ein Werbeagent hat sich als Hindu verkleidet und zeigt seine Tanzkünste. Abwechslung bringt anschließend ein simulierter Boxkampf. Es kommt zu Übergriffen, was den Auftritt der Polizei zur Folge hat.

ZWEITE SZENE: Ausstellungshalle

Der Tanz der ‚Goldenen Jugend’ bereitet eine Attraktion vor. Es ist der Auftritt der Diva. Das bezaubernde Adagio, welches von Saxophon und Violine vorgetragen wird und ihren Tanz einleitet, nimmt den Zuschauer gefangen. Endlich erscheint die sowjetische Fußballmannschaft. Die Diva freut sich am meisten und tanzt eine Variation. Der sowjetischen Teamleiter muss inständig gebeten werden, bevor er sich herablässt, um mit der Diva einen Pas de deux hinzulegen. Ist sie ihm zu dekadent? Besonders gut setzt er seine Schritte nicht, denn die Diva wendet ihre Aufmerksamkeit bald dem Faschisten zu, der nicht weiß, was Disziplin überhaupt bedeutet. Der dunkelhäutige Amerikaner weiß es auch nicht, denn er fordert zwei sowjetische Fußballspieler zum Tanz heraus. Dann tritt ein Spion aus der ‚Goldenen Hand von Moskau’ auf und stiftet Verwirrung. Immer wieder gibt es Individuen, denen das gesellschaftliche System nicht gefällt und Steinchen ins Getriebe werfen. Er stößt mit den Faschisten zusammen, was eine Massenhysterie auslöst. Der Direktor der Ausstellung bringt seine Autorität zum Ausdruck und kann die Ruhe wieder herstellen.

Zweiter Akt:

DRITTE SZENE: Eine Strasse in derselben Stadt

Schon wieder sind Störenfriede am Werk, die nichts anderes als provozieren wollen. Ihre Festnahme beendet ihre Aktivitäten


                                              


VIERTE SZENE:  Das Sportstadion

Dem Aufzug der Arbeiter schließt sich der Tanz der jungen Pioniere an. Das Fußballspiel, welches nun vom Ballett aufgeführt wird, lässt keine Spielregeln erkennen. Da kein Schiedsrichter anwesend ist, werden Verstöße auch nicht gerügt. Spektakulär stellt man gesellschaftliche und kulturelle Differenzen spielerisch zur Schau.

Die Diva hat abgewirtschaftet. Die russischen Sportler werden nun von einem Kosmopolmädchen unterhalten. Die Kleine ist sehr lebhaft und nimmt es gleich mit vier Athleten auf. Die Mannschaften streiten und versöhnen sich. Der zweite Akt geht zu Ende und keiner weiß, wer das Spiel gewonnen hat. Verlängerung gibt es nicht!

Dritter Akt:


FÜNFTE SZENE: Die Musikhalle

Bevor die fünfte Szene beginnt, gibt es ‚Tea for two’, eine Einlage, die   Schostakowitsch im Jahre 1928 unter der Bezeichnung ‚Tahiti Foxtrott’ vorab komponiert hat. Kein Ballett ohne Divertissements! Der Komponist hält sich an alte Regeln und spinnt am Handlungsfaden nicht weiter. In bunter Reihenfolge werden Tänze unterschiedlicher Stimmungen und Regionen vorgeführt. Unglaublich, man beginnt mit einem flotten Stepptanz, dem ein schwermütiger Tango folgt. Eine lustige Polka zieht einen feurigen Can-can nach sich. Was politische Deklamationen nicht vermögen - die Musik bringt die Klassen zusammen! Man gibt sich unendlich gerührt! Die Diva ist auch wiedergekommen und albert mit dem Faschisten herum. Es ist immer gut, wenn Faschisten tanzen, dann können sie nämlich keinen Unfug anzetteln.

SECHSTE SZENE: Gefängnis

Es startet eine Gefangenenbefreiung. Der Ballettbesucher fragt sich natürlich, wozu es gut sein soll, Gefangene laufen zu lassen. Waren die Leute etwa alle irrtümlich eingesperrt worden?

Eine Verschwörung kann nicht länger geheim bleiben, weil sie durch die Klugheit der Behörden aufgedeckt wird. Die Bürger sind erschrocken, dass es so etwas wie Verschwörungen überhaupt geben konnte. Langsam dämmert es den Naivlingen, wie wichtig ein staatlicher Geheimdienst, der zu seinem Schutz funktioniert, überhaupt ist. Die dissonanten Blechbläser demonstrieren, welcher Gefahr die Unbescholtenen entronnen sind. Man muss zusammenhalten - der abschließende Tanz der Solidarität verheißt eine hoffnungsvolle Zukunft.

Anmerkungen:

Wegen des blühenden Unsinns, der in seinen drei Ballettmusiken auf der Bühne zelebriert wird, hat Dmitri Schostakowitsch sich ein Leben lang vor der Öffentlichkeit geniert und jede Aufführung – was selten genug vorkam – mit Argwohn begleitet. Dabei ist gegen die Musik nichts einzuwenden. Sie ist spritzig, kühn, abwechslungsreich und voller Spannung. Lediglich akustisch wahrgenommen, fühlt sich der Zuhörer von opulenter Klangpracht, und tänzerischem Schwung wohltuend eingefangen. Mit seinem Choreographen hatte der Komponist ständig Streit, weil dieser Probleme hatte, die Fülle des musikalischen Materials  tänzerisch zu einer Einheit zu formen. Der schlechte Ruf, der den Balletten vorauseilte, bewirkte, dass sie die unbekanntesten Werke im Gesamtschaffen des bedeutendsten russischen Komponisten der Neuzeit blieben. Nach dem Ableben des Künstlers wurde man mutig, weil man spürte, dass es hier eine Informationslücke zu schließen gab. Insbesondere der Dirigent Gennadij Roshdestwensky setzte sich in Stockholm für eine exemplarische Einspielung aller drei Ballette auf Tonträger ein. Die Verantwortlichen des Bolschoi- und des Marjinskij-Theaters änderten das Libretto völlig um, verlegten es teilweise in die Gegenwart und bewirkten zwar kein ‚Goldenes Zeitalter’, erreichten aber, dass die Bühnenwerke nicht in Vergessenheit gerieten. Der historische Rückblick schafft es mühelos, den Ballettbesucher zu erheitern. Der Besuch einer sowjetischen Fußballmannschaft in einer westlichen Stadt während einer Industrieausstellung unter dem Namen ‚Das goldene Zeitalter’ war seinerzeit tatsächlich eine Sensation. Die Ballett-Suite, vor der Premiere des gesamten Stückes eingerichtet, besteht aus den Nummern  1, 2 9, 11, 30, uraufgeführt am 19. März 1930.

***
musirony 2007 - Engelbert Hellen

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