Uraufführung
am 20. Oktober 1847 Opéra Paris
Choreographie: Arthur Saint-Léon
Bühnenbild: C. A. Cambon und J. Thierry
Kostüme: P. Lornier
Darsteller der Uraufführung
Fatma: Fanny Cerrito
Manasses: Arthur Saint-Léon
Alyatar: H. Desplaces
Belfagor: Quériau
Erster Akt:
ERSTES BILD
Ähnlich Pygmalion hat der Bildhauer Manasses eine weibliche Person aus einem Marmorblock herausgehauen und sich dann in das Bildnis verliebt. Da er aber aus einem anderen Kulturkreis als der Grieche kommt, wendet er sich nicht an Venus, sie möge der Statue Leben einhauchen, sondern an den Satan persönlich, der diesmal nicht Beelzebub, sondern Belfagor heißt.
Es war schon immer ein heikles Unterfangen, sich mit den Mächten der Finsternis einzulassen, denn diese haben nur ein Ziel, sie wollen von den Lebenden die unsterbliche Seele einfangen und in der Hölle brennen lassen, damit die Hitze niemals ausgeht. Verwirrte menschliche Seelen sind die Braunkohle für das Höllenfeuer! Als Gegenleistung erfüllen die unterirdischen Mächte dem Bittsteller seltene Wünsche, die in der Regel auf Liebeslust ausgerichtet sind. Zusätzlich gibt es reichlich Schabernack, Gaukelspiel und Abenteuer. Ränke sind an der Tagesordnung!
Um seine Wünsche besser vortragen zu können, begibt sich Manasses in die feurige Wohnung des Verhandlungspartners, ein Unterfangen bei dem die weisen Sprüche und Mysterien der Kaballa den Weg zeigen, sofern man seine Hausaufgaben gründlich gelernt hat. Belfagors Fähigkeiten sind - wenn auch bestaunenswert – so doch eingeschränkt. Das Gefühl menschlicher Wärme und Liebe kann er dem Marmorblock nicht einpflanzen, dafür aber volle Bewegungsfreiheit der Arme und Beine. Die Entscheidungsfreiheit des künstlichen Wesens bleibt unangetastet. Sollte es jedoch versuchen, sich zu verlieben, streikt der Mechanismus und es muss wieder in den Stein zurück.
Zweiter Akt
ZWEIES BILD
Belfagor hat dem Bildhauer nicht deutlich gemacht, dass das künstliche Wesen sich nicht zwingend ihm zuwenden muss, sondern auch einem anderen Sterblichen seine Aufmerksamkeit schenken kann, obwohl er mit seiner Seele als Pfand die Vertragsstrafe vereinbart hat. Tückisch wie der Satan von Natur aus ist, bewirkt er, dass Fatma – so wurde das wunderbare Wesen benannt – dem maurischen Prinzen Alyatar im Traum erscheint. Der Genannte versteht sich ebenfalls ein bisschen auf die schwarze Magie und hatte den Scheitan um ein schönes Mädchen gebeten. Aber woher nehmen, wenn nicht die Skulptur von Manesses? Beim Aufwachen sitzt Scheitan am Bett des Prinzen und erzählt ihm, er soll zur Fiesta auf den Marktplatz von Sevilla gehen. Dort wird er die Frau, die er im Traum gesehen hat, an der Seite ihres Bildhauers wiedersehen und in Besitz nehmen können.
Auf der Fiesta wird gesungen und getanzt – der Besucher möge nicht vergessen, dass er sich im Ballett-Theater befindet – und der Marokkaner kann sein Traumbild ausfindig machen. Fatma, als Zigeunerin verkleidet, hat ihren großen öffentlichen Auftritt. Belfagor wusste nicht – zum Teufel, auch, man kann nicht alles wissen – dass Zigeunerinnen das Tanzen in der Öffentlichkeit behördlich untersagt ist, weil ihr freizügiges Verhalten die Sittenlosigkeit fördert. Das Mädchen ist genötigt, auf dem Guadalquivir die Flucht in einem Boot anzutreten. Aly ist ein guter Sportler, nimmt die Verfolgung auf und schwimmt, von Liebesglut getrieben, hinterher.
DRITTES BILD
Fatma wird von den Ordnungshütern eingefangen und vor den König von Spanien gebracht. Der Maure hat die Gefangennahme in Erfahrung gebracht, macht seine Krieger mobil und belagert den Alcazar. Der Monarch verliert das Scharmützel, trennt sich widerwillig von der schönen Sklavin, und muss sie dem siegreichen Prinzen aushändigen. Aly bietet der Geliebten Hand, Herz und Thron. Als Belohnung soll sie ihn lieben und für immer bei ihm bleiben. Kann Fatma ein solches Angebot ausschlagen? Sie übertritt das Gebot Belfagors und hat die Konsequenz zu tragen. Diese lautet: Zurück marsch, marsch - ab geht es wieder ins Gestein! Manasses, der für die Entwicklung der Situation überhaupt nichts kann, wird vom Blitz getroffen und muss mit seiner Seele die Vertragsstrafe zahlen.
Anmerkung:
Arthur Saint-Léon choreographierte das Ballett für seine Frau Fanny Cerrito, die bereis mit einem Ballett ähnlichen Inhalts (Alma oder die Tochter des Feuers) in London große Erfolge hatte.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen