Wenn eine Herzogin für ihre Tochter einen Mann auswählt, ist es nicht zwingend erforderlich, dass diese ihn schon vor der Verlobung kennt. Die Feierlichkeiten werden angesetzt, die Gäste geladen und dann ist der Moment der Überraschung gekommen. Isabella sieht das ein bisschen anders. Sie möchte nicht wegen ihres Standes oder ihres Geldes geliebt werden, sondern wegen ihrer Talente und Tugenden. Die Mama darf gern aussuchen, aber bitte den Richtigen. Ob es der Richtige ist, will die hohe Tochter durch eine List selbst herausfinden.
Eine Wandertruppe führt ein Marionettentheater auf und während die Puppen tanzen, tauscht Isabella mit ihrer Dienerin die Kleider. Jetzt schleicht sie sich an den Marquis heran und versucht, ihn zu umgarnen. Keineswegs will sie prüfen, ob der Zukünftige auch treu sein kann – bei Haydn und Mozart war das so – nein, sie will wissen, ob ihre Anziehungskraft ausreicht, um ihn in Besitz zu nehmen. Siehe da, es klappt auf Anhieb, denn der Herr Marquis kennt keinerlei Standesdünkel. Sie tanzen einen Walzer zusammen und man kommt sich nah. Schon will der Treulose die Verlobte sitzen lassen und mit der falschen Zofe fliehen. Vermögen, obwohl völlig verarmt, will er nicht anhäufen und der gesellschaftliche Aufstieg ist ihm egal, denn was zählt ist allein die Liebe. Das Spiel ist gewonnen und sie gibt sich als Tochter der Herzogin zu erkennen. Beglückt schließt er sie in seine Arme und gemeinsam will man den zukünftigen Reichtum genießen.
Der Besucher möge daraus lernen, dass Verstand nicht von Wichtigkeit ist. Da beide recht wenig davon besitzen und das Geldproblem geregelt ist, dürfte die Beziehung funktionieren.
Anmerkung:
Für Marius Petipa waren die Ruses d’amour die vorletzte Produktion in St. Petersburg. Der Leib-Choreograph Tschaikowskys und Glasunows war sich bewusst, neuen Talenten und neuen Ideen Platz machen zu müssen. Diaghilew kündigte sich an. Auch Pierina Legnani, die gefeierte Primaballerina assoluta, nahm bald ihren Abschied. Die herzerfrischende Musik Glasunows hat sich über die Zeiten gehalten. Bemerkenswert sind die Marionetten-Szene und herausragend der Grand Pas des Fiancés
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musirony 2007 - Engelbert Hellen