Uraufführung
am 8. April 1931 am Marinsky-Theater, St. Petersburg.
Dirigent Alexander Gauk
Choreographie:
Fjodor Kopukhow
Ausführende:
Olga Zhungalowa, Leonid Leontiev, Boris Shavrof, Konstantin Sergejev
Personen:
Kyonka Gulla
Koselkow
Ein Zerstörer
Ein Schmied
Ein Bürokrat
Eine Leibeigene
Ein Priester
Eine Ästhetikerin
Ein Vermittler
Kirchendiener
Oberingenieure
Techniker
Textilarbeiter
Putzfrauen
Frauen in schäbigen Mänteln
Junge Kommunisten und Pioniere
Die Rote Armee
Boris und Olga
Das Geschehen spielt in den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in der Sowjet-Union
Szenenablauf:
OUVERTÜRE
Erster Akt:
1. Gymnastik
2. Aufbruch zur Arbeit
3. Szene der Lyonka Gulla
4. Aufbau der Maschinen
5. Pantomime der Oberingenieure, Techniker und Arbeiter
6. Auftritt des Koselkow
7. Mimiktanz der Putzfrauen
8. Die Abteilung füllt sich
9. Der Zerstörer
10. Der Bürokrat
11. Der Schmied
12. Auftritt der Mitglieder des Bundes junger Kommunisten und der Pioniere
13. Die Abteilung beginnt mit der Arbeit
14. Mimiktanz der Raufbolde
15. Pantomime der Raufbolde und Entrüstung der Arbeiter
16. Die Abteilung bei der Arbeit
Zweiter Akt:
1. Vorspiel, Ein Kirchendiener, ein Junge, Frauen in schäbigen Mänteln, ein Priester
2. Pantomime und Tanz des Priesters
3. Auftritt der Pilger
4. Tanz des Bundes junger Kommunisten
5. Koselkows Tanz
6. Tanz der Frauen in schäbigen Mänteln
7. Tanz des Jungen
8.
Tanz der Mitglieder des Bundes junger Kommunisten, Tanz des Kirchendieners
und Szene der Pilger
9. Tanz der Raufbolde
10. Tanz der Raufbolde und Szene der Lykonia und des Priesters
11. Pantomime Koselkows und Pantomime von Boris und Olga
12. Tanz Koselkows und seiner Freunde
Dritter Akt:
1. Zwischenspiel
2. Arbeitsschluss
3. Bolzenszene
4. Marsch
5. Die Marine-Abrüstungskonferenz
6. Tanz der Ästhetikerin
7. Ein Vermittler
8. Tanz der Textilarbeiter
9. Tanz des Fuhrmanns
10. Tanz der Leibeigenen aus den Kolonien
11. Tanz der Jungen und Mädchen des Bundes Junger Kommunisten
12. Die Aufdeckung der Provokation
13. Die Rote Armee tanzt
14. Schlußtanz und Apotheose
HANDLUNG
Im Rückblick als Glosse empfunden, dürfte der linientreue Dmitri Schostakowitsch zu Beginn der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts durchaus edle Absichten gehegt haben, die allerdings durch Beifall nicht belohnt wurden. Von der Sorgfalt, mit welcher der Komponist sich dem vaterländischen Thema widmete, zeugt allein schon die Länge seiner musikalischen Ausführungen. Er stellt die russische Gesellschaft so vor, wie sie sich sieht und wie er sie sieht. Den Menschen der unteren Schichten, die an ein System geglaubt und ihre Kraft und ihren Ansporn aus der Ideologie bezogen haben, gebührt in jedem Fall die volle Hochachtung.
Das Ballett hat einen roten Faden: Ein Übeltäter und Feind der Gesellschaft wird wegen Faulheit und Trunksucht aus dem Betrieb entlassen. Aus Rache verleitet er einen jungen Gesellen zur Sabotage. Er soll einen Bolzen in das Getriebe stecken, damit alle Maschinen stehen bleiben. Es passiert ein Unfall und der junge Kommunist Boris wird fälschlich verdächtigt. Goshka sieht, was er angerichtet hat und bereut seine Tat. Lenka wird als Anstifter entlarvt und nach Sibirien geschickt. Aus Freude, dass die Ordnung wieder hergestellt ist, gibt die Rote Armee ein Konzert.
Ein wohlwollendes Lächeln kann man sich allerdings nicht verkneifen, wenn erst im dreizehnten Bild mit der Arbeit begonnen wird. Dem Geheimdienst wird kein Solo gewährt. Nein, er darf nicht einmal im Kollektiv auftreten. Nur so ist es zu erklären, dass in einem staatlichen Betrieb sich auch Raufbolde aufhalten dürfen – und das gleich in vier Bildern. Sogar ein Zerstörer, ein Priester und viele Kirchendiener verzögern einen produktiven Arbeitsablauf. Eine Leibeigene aus den Kolonien - bestimmt eine Mandeläugige, vielleicht eine Jakutin oder Korjakin - weist darauf hin, dass die Sowjetunion ein Vielvölkerstaat ist, in dem alle friedlich nebeneinander leben. Wenn auch dem Geheimdienst Lustbarkeit wie Tanz versagt ist, so ist die Rote Armee gut drauf. Zahlenmäßig den Tschuktschen im Betrieb weit überlegen tanzen ihre schmucken Jungens am Schluss des dritten Aktes bis zum Umfallen.
Anmerkungen:
Von dem Ballett gab es nur eine Aufführung, es wurde dann aus dem Programm genommen und nie wieder aufgeführt. Von niemandem geliebt, verschwand es in der Versenkung. Schostakowitsch war es recht und er reagierte ziemlich kühl, wenn man eine konzertante Aufführung in Erwägung zog. Aus Verehrung für den Meister der Symphonik holte der Dirigent Gennadi Roshdestwensky es aus der Versenkung hervor und brachte im Jahre 1995 das vollständige Ballett mit der Stockholmer Philharmonie zu Gehör.
Als der vielleicht prominenteste Komponist des zwanzigsten Jahrhunderts wird die Musikwelt darauf drängen, dass auch seine Ballette wieder zur Aufführung gelangen. Zeitlich entlegen, dürfte der politische Bezug verblassen und der kabaretistische Gehalt in den Vordergrund treten. Einer Rehabilitierung kann man durchaus Chancen einräumen.
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musirony 2007 – Engelbert Hellen