So etwas gibt es tatsächlich, dass im Souterrain einer Großstadt ein Kater im Range eines Barons Räume angemietet hat und dort mit vielen süßen Kätzchen einen Nachtclub aufmacht. Der Herr Baron hat sich natürlich das Recht der ersten Nacht - der zweiten und dritten auch noch – vorbehalten, so dass es im Katzenclub stets munter und lebhaft zugeht. Ein Mäuschen wird gejagt und kann sich gerade noch in Sicherheit bringen.
Eine Zugezogene nennt sich Agathe und gefällt dem Club-Besitzer so gut, dass er sie sogar heiraten möchte. Die Vorbereitungen zur Hochzeit werden getroffen, aber durch einen Eindringling gestört. Ein Musiker, ein Zweibeiner ist es, der sich im unterirdischen Labyrinth verirrt hat und nicht willkommen ist. Nun einmal anwesend und Toleranz beanspruchend, soll er auch etwas dafür tun. Baron Grotius bittet ihn, zu seiner Hochzeit mit Agathe auf seiner Violine einen musikalischen Beitrag zu leisten. Einzelne Passagen seines beseelten Spiels hören sich wie Vogelgezwitscher an und den Herrn Baron ergreift die Jagdlust. Agathe gelingt es, seine Emotionen in anderes Fahrwasser zu lenken und ihn zu beruhigen.
Die junge Braut hat es auf ganz andere Weise erwischt. Die Klänge der Violine haben ihr Herz erreicht und mit jedem Bogenstrich empfindet sie ihre Liebe zu dem jungen Zweibeiner leidenschaftlicher und tiefer. Agathe umgibt ein Geheimnis, durch die intensive Liebe zu einem Menschen kann sie selbst zu einem Menschen werden. Schon ist es passiert, Agathe nimmt menschliche Gestalt an und fühlt sich in ihrer Umgebung nicht mehr wohl. Der erste Fluchtversuch misslingt, denn die Katzenmutter und der Kammerdiener konnten Gedanken lesen und haben das Clanoberhaupt vorher gewarnt. Sorgfälltiger vorbereitet, gelingt der zweite Aufbruch in ein besseres Leben.
Nach ihrer Metamorphose können die beiden Liebenden endlich auf gleicher Ebene miteinander kommunizieren und machen fleißig Gebrauch davon. Mit der Zimmervermieterin hatten sie kein Glück, denn diese verlangt monatlich pünktlich ihre Miete. Das Musizieren bringt nicht viel ein und Agathe hat nichts gelernt, um zum Haushalt ein bisschen beitragen zu können. Als die Mieterin wieder einmal drängelt, geht der Ärger mit ihr durch. Längst vergessen geglaubte Gelüste erwachen in ihrer Katzenseele. Sie geht zum Vogelkäfig der Mieterin, öffnet das Türchen, greift sich das Vögelchen und isst es auf. Der Geliebte ist entsetzt und möchte Agathe verlassen, aber diese kann den Geliebten beschwichtigen und das Schicksal noch einmal wenden.
Der Katzenbaron lässt sich nicht so ohne weiteres die Braut wegschnappen und hat die Spur der beiden Flüchtigen aufgenommen. Er wartet bis der Geiger schläft und drängt dann Agathe, unverzüglich ins Katzenreich zurückzukehren. Agathe ist der Situation nicht gewachsen und geht mit dem Baron fort. Der Treuebruch hat zwangsläufig zur Folge, dass Agathe automatisch wieder in ein Kätzchen zurückverwandelt wird. Der junge Künstler bemerkt nach dem Erwachen, dass seine Gefährtin verschwunden ist und nimmt die Verfolgung auf. Seine Kletterkunststücke lassen jedoch zu Wünschen übrig. Bei der Flucht über die Dächer begeht er einen Fehltritt und stürzt ab. Agathe sieht aus der Ferne den Freund in Not, verlässt den Baron, um dem Geliebten beizustehen. Zu spät, das Rückgrat ist gebrochen. Der Musiker schickt sich an, sein Leben auszuhauchen. Agathes Schmerz ist grenzenlos. Eng schmiegt das Kätzchen sich an den Geliebten und stirbt mit ihm den Liebestod.
Anmerkungen:
Die Surrealistin Leonor Fini hatte sehr aufwendige und bizarre Kostüme geschaffen und geriet in heftige Opposition zur Primaballerina, welche die Katzenmaske nicht anlegen wollte. Die Künstlerin drohte, das Theater in Brand zu setzen und Roland Petit hatte alle Mühe, die Fonteyn zum Nachgeben zu bewegen.
Das Ballett wurde ein großer Erfolg und auch in London und New York inszeniert. Immerhin zeichnete Jean Anouilh, einer der bedeutendsten französischen Dramatiker der Gegenwart, für das Libretto. Die Musik ist romantisch, humoristisch und elegant, dem Katzenmilieu genau angepasst. Sie folgt keiner avantgardistischen Stilrichtung.
Henri Sauguet hat ebenfalls ein Katzenballett komponiert, welches bereits 1927 in Monte Carlo zur Aufführung gelangte.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen