Das Teebeutelchen wurde gleich viermal aufgebrüht: als Ballett, als Bühnenmusik, als Oratorium und als Symphonische Fragmente. Wenn die Ballerina Ida Rubinstein bei Claude Debussy Musik bestellt und Léon Bakst Skizzen für aufwändige Kostüme entwirft, darf man davon ausgehen, dass dem Ballett der erste Platz gebührt. Gabriel d’Annunzio hat sich hierbei kräftig eingemischt und dem Ausstatter die geistigen Hintergründe erleuchtet.
Die Rubinstein und der Dramendichter umschmeichelten sich heftig, denn jeder wollte aus dem anderen das optimale an Effizienz herausholen. D’Annunzio mutmaßte, das die Rubinstein eine Wahrsagerin sei, die Gott in ihrem Innern hört. Ihre Beine seien die vom Heiligen Sebastian, nach denen er seit Jahren gesucht habe. Léon Bakst wurde vom Applaus nicht ausgespart. Seine Bühnenbilder besäßen den Glanz von Byzanz und die Mystik der gotischen Kathedralen habe er neugeschaffen. Claude Debussy soll den französischen Parzival erfunden haben.
In der Tat sind die Kostüme überwältigend. Ida in ihrem blauen Käppi, dem fuchsbraunen Wams mit einem Überwurf aus Wabenmuster und den spitzen Stiefeln sieht mit ihren üppigen pechschwarzen Haaren eher wie ein Jägersmann aus. Sie wird auch nicht an eine Säule gebunden, wie die kirchlichen Maler und Bildhauer zum Ergötzen der Gläubigen es darstellen. Ida lehnt sich in dunkelgrünes Tuch eingewickelt und mit Schiffstau gebunden mit dem Rücken an einen Baum. Vier Pfeile sollen reichen und ein paar Tropfen Blut müssen sein. Die Kostümierung der Nebenfiguren in pseudobyzantinischem Stil gestaltet sind extrem üppig und angenehm für das Auge. Der ‚Hof der Lilien’ des ersten Aktes prangt in den Farben grün, blau, rostbraun und strohgelb. Schmale Säulen tragen die Arkaden der Innenarchitektur.
Die Handlung wird von Extase und Leidenschaft geprägt. Unklugerweise weist Sebastian als Führer der Leibgarde Diokletians die intimen Annäherungen des Kaisers zurück und bekommt die Quittung. Er wird angebunden und findet den Tod durch seine Bogenschützen. Wie weit der Ballettmeister die Situation ausschlachtet, und wie viel Zeit er dazu braucht, liegt in seinem Ermessen. Der Kardinalbischof von Paris brachte gegen das Bühnenspektakel Einwände vor. Heidnische Sinnlichkeit und christliche Geistigkeit wollte er nicht unter einem Dach vereinigt sehen. Christus und Adonis haben nichts miteinander zu tun! Die christliche Heiligsprechung hat sich den prominenten Leibwächter gegriffen und in ihre Ikonographie aufgenommen.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen