LIBANON
Zdenek Zahradnik [geb. 1936]
Wenn die sonne scheint und strahlt
Pri slunci a Jehu jasu
By the sun and his Light - A l'éclat du soleil
Kantate für Sopran, Bariton und Sinfonie-Orchester
tschechisch gesungen
Text von Zdenĕk Zahradník nach Khalil Gibrans Versen und altorientalischer Poesie
entstanden 1979
INHALTSANGABE
Tiefe Gedanken über Grundwerte und Ethik des menschlichen Daseins, die er vornehmlich dem dichterischen Werk des libanesischen Dichters Khalil Gibrans entnimmt, bilden die Pfeiler der Kantate.
Im Vordergrund steht das Universum mit seinen Gestirnen - die Liebe wird in ihren verschiedenen Ausbuchtungen analytisch untersucht. Dem reibungslosen Zusammenspiel der Generationen vertont Zahradník Gibrans schönstes Gedicht. Die Baritonstimme trägt vor:
„Eure Kinder sind nicht eure Kinder,
Sie sind Söhne und Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, nicht von Euch
und wenn sie auch mit euch sind,
gehören sie euch nicht.
Ihr könnt ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr könnt ihren Körpern Obdach bieten,
aber nicht ihren Seelen.
Denn ihre Seelen wohnen in dem Haus von morgen,
welches ihr selbst in euren Träumen
nicht besuchen könnt.
Ihr könnt euch bemühen, so zu sein, wie sie sind,
doch versucht nicht,
sie euch gleich zu machen,
denn das Leben schreitet nicht zurück
und hält sich nicht auf mit dem gestrigen Tag.“
Die Sopranstimme fordert auf, in die Gärten und Wälder zu gehen, denn dort sammeln die Bienen Honig von den Blüten. Für die Bienen sind ihre Staubgefäße die Quellen des Lebens und für die Blüte ist die Biene ein Liebesbote.
Die Wissbegierige bittet den Morgenstern, dass er sagen soll, was zwischen Geburt und Tod ist, bevor er sie verlässt. Seine Worte will sie an ihre Kinder weitergeben, damit die Wahrheit nicht untergeht.
Die Baritonstimme fordert die Männer auf, dass sie der Liebe folgen sollen sobald sie winkt, selbst wenn der Weg steil und schroff ist. Wenn die Naturgewalt sich zu Wort meldet, soll man an sie glauben, selbst wenn sie alle Träume mit einem einzigen Atemzug zerstäubt. Unter ihren Fittichen hält sie ein Schwert verborgen, mit dem sie zu verwunden pflegt, aber das macht nichts. Wenn die Liebe herbei weht, soll man sich ihrer auch bedienen.
Euch hat man gesagt, dass das Leben aus Finsternis bestehe, und ihr seid so dumm und wiederholt müde, was Müde euch verkünden. Der Künstler ist ebenfalls der Ansicht, dass das Leben finster scheint, wenn keine Mühe damit verbunden ist. Jede Erkenntnis ist nichtig, wenn sie nicht mit Arbeit kombiniert wird. Alle Arbeit ist leer, wenn sich ihr die Liebe nicht zugesellt, denn Arbeit ist Liebe, die sichtbar wurde.
Wenn ihr nicht mit Liebe, sondern nur mit Unmut arbeiten könnt, dann legt die Arbeit lieber hin. Setzt Euch vor die Kirchentür und nehmt Almosen von denen, die mit Freude arbeiten. Wenn ihr Brot backt und dabei gleichgültig seid, dann backt ihr bitteres Brot, welches den Hunger nur zur Hälfte sättigt. Wenn ihr beim Weinkeltern murrt, wird euer Missmut Gift in den Traubensaft träufeln. Falls die Hausfrau erklärt, dass sie die Mahlzeit mit Liebe gekocht hat, werden ihre Lieben hurtig zulangen, selbst wenn die Mahlzeit absolut ungenießbar ist. Wenn ihr nicht endlich mit Engelsstimmen singt, macht der Gesang die Ohren taub für die Stimmen des Tages und der Nacht. Die Sopranistin hat sich den Rat zu Herzen genommen und vokalisiert, ohne sich mit Worten abzugeben!
Möchtet ihr das Geheimnis des Todes kennen? Doch wo könnt ihr es finden, wenn nicht im Herzen des Lebens? Öffnet also eure Herzen dem Leben, denn das Leben und der Tod sind eins. Doch was ist Sterben anderes, als nackt im Wind zu stehen, um sich in der Sonne aufzulösen. Jetzt einmal ehrlich, was ist der letzte Atemzug anderes, als die Befreiung des Atems von seinem unruhigen Rhythmus. Nur wenn ihr aus dem Fluss des Schweigens trinkt, werdet ihr wahrhaftig singen. Wenn die Erde erst eure Glieder frisst, werdet ihr wahrhaft tanzen. Gemeinsam wurdet ihr geboren, so nun bleibt ewig zusammen.
Anmerkung:
So schiebt sich eine Verszeile in die andere und der Zuhörer folgt andächtig lauschend dem Duktus der tschechischen Sprache. Die Vertonung erfolgte in Anlehnung an die zweite Wiener Schule und folgt den Gesetzen zeitgemäßer Gepflogenheiten.
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April 2010 musirony – Engelbert Hellen