Die Personen der Handlung
Ritter Karl von Eichenhorst
Trudchen, seine Verlobte
Der Reichsbaron, ihr Vater
Trudchens Zofe
Eine verräterische Amme
Waffengefährten beider Parteien
INHALTSANGABE
Ritter Karl von Eichenhorst ruft seinem Knappen zu, dass er ihm sein Dänenross satteln soll. Er will einen Ausritt machen, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Im Schloss wird es ihm zu eng und er muss in die weite Natur. Die Unrast plagt den armen Ritter; Angst vor etwas Unbestimmtem hat er auch, aber er kann das Unheil, welches auf ihn zukommt, nicht definieren. Er hat niemanden erschlagen, aber man könnte es denken, denn er spornt sein Ross an, dass die Funken fliegen.
Er hebt den Blick und sieht am Wegrand Gertruds Zofe. Artig grüßt sie den jungen Herrn und bietet ihm Gottes Heil und Frieden. Dann rückt die Kleine mit ihrer Botschaft heraus. Ihr armes Fräulein hat sie ein letztes Mal hergeschickt. Auf Trudchens Hand wird er wohl verzichten müssen, denn der Vater hat sie nun dem Junker Plump aus Pommernland zugesagt. In aller Öffentlichkeit und vor aller Ohren hat er es geschworen. Der Wüterich ist ernstlich böse. Er flucht bei Schwert und Spieß, dass er Trudchen ins tiefe Burgverlies werfen wird. Dort halten Molche und Unken sich auf; die Tochter darf ihnen Gesellschaft leisten, wenn ihr weiterhin nach Karl gelüstet. Der Erzürnte will Tag und Nacht nicht rasten, bis er den Verlobten zur Strecke gebracht hat. Er will ihm das Herz herausreißen und Trudchen hinterher schmeißen – so wütend ist er. Jetzt sitzt die Bedauernswerte in ihrer Kammer und hat Herzenswehen. Sie hat ihren Schöpfer gebeten, ihrer Pein gnädig zu sein. Der edle Herr soll seine Lauscher anheben. Hört er demnächst die Glocken läuten, weiß er, was er von dem Gebimmel zu halten hat! Zum Abschied übermittelt die Zofe einen letzten Gruß der Verlassenen und überreicht dem Edelmann als Erinnerung einen goldenen Ring und ein hübsches Schwert. Er soll Trudchen nie vergessen! Doch plötzlich erwachen in Karl die Lebensgeister. Er bedankt sich bei dem Mädchen für die Botschaft, sie soll wohlgemut sein und forteilen. Ihrer Herrin möge sie ausrichten, dass er sie selbst aus tausend Ketten erretten wird. Zu Mitternacht, bei Sternenschein, wird er unter ihrem Fenster sein. Ihm gehe es wie es gehe, wohl oder ewig wehe!
Wieder daheim, lässt er von den Zinnen seiner Burg sein Silberhorn erschallen, um seine Artgenossen herbeizurufen. Er versucht, die jungen Männer für sich einzunehmen, nimmt sich jeden einzeln vor und flüstert ihm ins Ohr, dass es um verlorene Minne geht, die nur mit Waffengewalt zurückerobert werden kann. Im Dunkel der Nacht begibt sich Karl zunächst allein zum Wohnsitz seiner Edeldame. Alle Fackeln sind ausgeflimmert, nur Gertrud wacht in Fieberangst noch in ihrem Zimmer und denkt an ihren Ritter. Doch horch! Süße Liebestöne kommen leise emporgeflogen! Trudchen, frisch auf! Sie soll sich geschwind etwas Warmes überziehen. Karl ist zur Stelle. An der Mauer steht die Leiter, der Klepper bringt sie weiter. Der Herzenskarl soll sie nicht in Bedrängnis bringen. Von einer Entführung will Trudchen nichts wissen. Willigt sie ein, ist es um ihre Ehre geschehen. ‚Ein letzter Liebeskuss sei Liebster dein und mein Genuss’, schlägt die Verängstigte vor. Aber Trudchen kann doch auf Karls Rittertreue bauen und ihm ihren Leib anvertrauen. Er bringt sie zu seiner Mutter. Dort ist sie geborgen und Gott wird für sie sorgen. Das Sakrament wird sie vereinen, sie soll nicht länger weinen! Nein, Karl soll von ihr ablassen. Um ihn ist ihr bange. Ihr Vater ist ein Reichsbaron und seines Zornes Flamme sieht sie schon. Nicht rasten wird er Tag und Nacht. Das Herz wird Karl herausgerissen und ihr vor den Fuß geschmissen. Schließlich gelingt es Karl doch, die Liebste zu überreden. Er greift nach ihrer Schwanenhand und schwingt sie aufs Pferd. Der Ritter sitzt hinten und Trudchen vorn, ein Dämon treibt des Ritters Sporn.
Pferdegetrappel in dunkler Nacht ist nicht zu überhören. Die Amme hat ohnehin Schlafstörungen und kann sich zusammenreimen, was abläuft. In der Erwartung einer Belohnung trommelt sie den Baron aus dem Bett und informiert ihn über die Flucht der Tochter. Der Junker aus dem Pommernland ist ebenfalls aufgewacht und nun gilt es, schnell zu handeln. Die Flüchtenden werden eingeholt. Junker Plump wirft die Lanze, zielt aber daneben. Zwischen den Rivalen gehen dem Zweikampf wohlgesetzte, dennoch zynische Worte voran. Die Damaszenerklingen werden gekreuzt. Unter ihrer Fersen Stampfen beginnt der Grund zu dampfen. Trudchen ist angst und bange, dass der Falsche gewinnen könnte, doch der Himmel steht auf der Seite der Liebenden. Den Ungeschliffenen schlug des Liebsten Schwert, Trudchens Held bleibt unversehrt!
Nun ist es an Karl ins Silberhorn zu blasen, damit die Vasallen anrücken. Bevor es zu Waffengewalt kommt, sucht Karl vernünftigerweise den Dialog mit dem Vater. Er führt an, dass er die Tochter schon seit langer Zeit liebt uns sie ihm auch zugetan sei. Warum will der Edle zwei Herzen auseinanderreißen? Plump vom Pommernland ist nicht länger im Gespräch - Karl hat ihn niedergestreckt – und weshalb sollen die Waffengefährten sich für eine Sache gegenseitig aufreiben, die gegenstandslos geworden ist. Karl hat die Tochter stets mit Zucht und Ehr’ behandelt. Seine Burg ist ein Juwel der Architektur und solide ausgestattet Auf seine Ahnengalerie kann er stolz sein und auf eine ergebene Ritterschaft kann er sich verlassen. Karls Rhetorik verfehlt ihre Wirkung nicht. Nun bekommt er auch noch Unterstützung von Trudchen. Der Vater soll an seinem armen Kinde Barmherzigkeit üben, denn diese Flucht hätte sie nimmer versucht, wenn sie vor des Junkers Bette nicht geekelt hätte.
Das Herz des Vaters schmilzt wie Wachs an der Sonne. Er hebt sein Kind vom Boden auf und wirft es Walter zu. ‚Da, nimm sie meinetwegen und meinen ganzen Segen!’
Anmerkung:
Es ist immer ein fatales Unterfangen, eine Ballade nacherzählen zu wollen. Die Schönheit der Dichtung kann durch sparsame Zitate nur angedeutet werden. Die Balladen von Gottfried August Bürger haben gesellschafts- und sozialkritischen Inhalt und sind wahre Meisterwerke der Dichtkunst und unterscheiden sich wohltuend von anderen Reimeschmieden ihrer Zeit. Die kleinen Szenarios sind dramaturgisch sorgfältig aufgebaut, die ornamentale Ausschmückung gepflegt und niemals schwulstig. Der Endreim wird nicht zwanghaft herbeigezogen, er ist immer stimmig.
Da ist es kein Wunder, dass Komponisten nach den Werken hervorragender Dichtkunst wie besessen greifen. Häufig stehen die Tonsetzer im Wettstreit zueinander und versuchen sich am gleichen Gedicht. Dichten ist offenbar schwerer, als eine passende Melodie zu finden!
Johann Rudolf Zumsteeg hat sich dieser Aufgabe mit Bravour unterzogen. Er gilt als Vorläufer der Romantik. Insbesondere Robert Schumann führt die Vertonung von Chorballaden zu einem steilen Höhepunkt. Als Großmeister dieser Form des Kleinen seien auch Franz Schubert und Karl Loewe genannt.
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musirony 2007 - Engelbert Hellen