DEUTSCHLAND
Felix Mendelssohn-Bartholdy [1809-1847]
Die erste Walpurgisnacht
The first Walpurgisnight
Weltliche Kantate
op. 60, entstanden 1830/31
deutsch gesungen
Textvorlage nach der gleichnamigen Ballade von Johann Wolfgang von Goethe
Uraufführung der revidierten Fassung am 2. Februar 1843
durch das Leipziger Gewandhaus-Orchester
unter Leitung des Komponisten
Charaktere:
Ein Druide – (Tenor)
Eine Alte –(Mezzo-Sopran)
Ein Priester – (Bariton)
Erster Wächter – (Bariton)
Zweiter Wächter – (Tenor)
Druidenpriester und Heidenvolk
Das Geschehen berichtet unter anderem von unhaltbaren Zuständen auf dem Blocksberg
INHALTSANGABE
Vers 1
Kelten und Germanen sehen dem Frühling erwartungsvoll entgegen. Sie wissen, dass der Mai erst lacht, wenn Eis und Schnee verschwunden sind. Der Waldboden ist dann frei und trocken. Das junge Volk kann sich austoben und ihren Frühlingsgefühlen freien Lauf lassen. Lustgesänge, die aus dem Hain erschallen, künden von dem, was Spaß macht. Ein bisschen Schnee ist auf den Höhen noch liegen geblieben. Alle beeilen sich, zum Hügel aufzusteigen um den Himmelsvater loben. Ein konkreter Anlass besteht nicht, aber das ist seit Urzeiten nun einmal so üblich. Ein Feuerchen wird angezündet, um den alten Bräuchen zu genügen.
Vers 2
Eine alte Frau hat Bedenken, althergebrachte Gepflogenheiten zu pflegen. Zudem sei es gefährlich, die Überbringer einer neuen Religion vor den Kopf zu stoßen. Die neuen Gesetze sehen gegen Zuwiderhandelnde harte Bestrafung vor! Die strengen Überwinder lassen bespitzeln und bei Übertretungen der Vorschriften „schlachten sie in jedem Fall die Kinder auf dem Wall“. Den Vätern geht es nicht viel besser- schließlich kommen alle an die Reihe. Nun, ein bisschen übertreibt die Alte schon!
Vers 3
Eingesperrt gehört derjenige, der sich scheut, am Opfer teilzunehmen, meint ein Druiden-Priester. Tagsüber werden sie sich ruhig verhalten müssen. Nachts zieht es die Feiernden dann ins Buschrevier. Es werden Aufpasser aufgestellt, damit die Orgie ungestört ablaufen kann. Frischer Mut beflügelt die Alteingesessenen zum Ungehorsam. Ist die Oma jetzt beruhigt?
Vers 4
In Anlehnung an ihre Pflichterfüllung sollen die wackeren Männer sich im ganzen Wald verteilen und rechtzeitig Alarm schlagen, wenn Gefahr droht. Eindringlinge sollen darauf hingewiesen werden, dass der Blocksberg von einer geschlossenen Gesellschaft für die Nacht gepachtet wurde, dass es möglicherweise etwas lauter werden könnte und man um deshalb im voraus um Verständnis bittet.
Vers 5 und 6
Der Wächter-Chor dröhnt, dass man die dumpfen Pfaffen-Christen keck überlisten soll. Mit dem Teufel, den sie androhen, soll man sie selbst erschrecken. Hacken und Mistgabeln sollen die Teilnehmer mitbringen und mit Klapperstöcken Krach machen. Das gibt einen Radau, vor dem die Eindringlinge zurückweichen werden. Wenn Kauz und Eule aus der Schlucht dazu rufen, klingt der Sound richtig unheimlich und der Klamauk ist perfekt.
Vers 7
Der Druiden-Priester klagt über schlechte Zeiten. So weit ist es nun schon gekommen, dass die althergebrachte Religionsausübung sich nur des Nachts artikulieren darf. Tagsüber kann man dem Himmelsvater nur sein reines Herz anbieten. Dem Besatzer hat man an Zugeständnissen bisher viel zu viel erlaubt.
Vers 8
Endlich kommt Herr Geheimrat von Goethe zur Sache. Ein christlicher Aufpasser hat sich auf den Blocksberg verirrt, finden sich im Hexen-Bacchanal wieder und schreit um Hilfe. Endlich ein bisschen von der Substanz, um die es eigentlich geht:
„Ach, es kommt die ganze Hölle!
Sieh, wie die verhexten Leiber
durch und durch von Flammen glühen!
Menschen-Wölf' und Drachen-Weiber,
die im Flug vorüberziehen!
Welch entsetzliches Getöse!
Lasst uns, lasst uns alle fliehen!
Oben flammt und saust der Böse.
Aus dem Boden
dampfet rings ein Höllenbrodem.
Lasst uns flieh'n!“
Vers 9
Die Wahrnehmung des christlichen Beobachters ist blanker Unsinn – so sieht es zumindest der Madrigalchor. Der Herr Geheimrat verabschiedet sich mit der Feststellung, dass die Flamme sich vom Rauch frei halten soll. Den Glauben können die Unterdrücker ihnen zwar verleiden, aber das Licht kann man ihnen nicht rauben, schließt der Genannte mit dem Bekenntnis des Druiden-Priesters.
Anmerkung:
Die heilige Walpurgis ist nicht die Schutzpatronin der Hexen, wie man irrtümlich glauben könnte. Lediglich der Gedenktag an die englische Äbtissin, die noch nie vom Blocksberg gehört hat, gab den dämonischen Umtrieben ihren Namen. Die Schutzpatronin aller Hexen – von solchen, die es sind und anderen, die es sein möchten – heißt Hecate. Es handelt sich um eine Dreifaltigkeit aus dem Kaukasus und der Mittelmeer-Region, hat in Übereinstimmung mit ihren Attributen drei Köpfe und war nach allgemeiner Vorstellung die Mutter Medeas. Diese Information nur nebenbei!
Der Blocksberg hat es dem Herrn Geheimrat besonders angetan. In seinem 'Faust' kann man über die geographische Erhebung im Harz mehr lesen – ebenfalls über die mitternächtlichen Tanzvergnügen, auch Hexensabbat genannt, die dort einmal jährlich stattfinden. Die weiblichen Ballgäste kommen auf einem Besen angeritten. Bevorzugter Tanzpartner ist Beelzebub.
Ursprünglich sollte Karl Friedrich Zelter die Ballade vertonen. Dieser schob die unliebsame Aufgabe an seinen Schüler Felix weiter. Der holde Jüngling war von dem Umstand, für seine Exelenz etwas Poesie vertonen zu dürfen, so begeistert, dass er von dem Fortgang seiner Arbeit aus Italien laufend berichtete. Die Aufführung der Urfassung fand schon 1833 durch die Singakademie Berlin statt. Robert Schumann und Hector Berlioz waren begeistert. Ein bisschen wurde noch gebastelt und dann bekam die weltliche Katate ihre endgültige Form.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen