1
Der Himmel ist klar und ruhig. Das Wäldchen bietet erquickenden Schatten. Freundlich murmelt das Bächlein und der Wind wispert durch die Äste. Die kleine Schäferin kann die friedliche Stimmung nicht genießen, Aufruhr herrscht in ihrer Brust. Zu Tränen war sie geboren, die Unglückliche! Das kleine Herz schlägt traurig, manchmal ächzt es auch in Not und Pein
2
Wie klar war einst dieser schöne Platz, an dem die Seele in Frieden atmete - ein Friede der nun verloren ist. Die Seele verausgabt sich in bitterer Klage. Die Seufzer vermischen sich mit den Geräuschen der Natur. Sie müssten theoretisch im Himmel und in der Unterwelt zu hören sein.
3
Armidoro, den sie verehrt, ist grausam zur kleinen Schäferin, denn er verschmäht ihre Liebe. Vielleicht hasst er sie sogar und alles wegen einer anderen, die mehr Glück hat, als sie. Teolinda kann diesen Gedanken nicht ertragen.
4
Sie wünscht sich, dass der Liebste in diesem Moment kommen möge. Mitleid würde er empfinden und sie lieben, wenn er sieht, wie aufgelöst sie ist. Kein anderer kann den Tag mit solch süßem Gesang verbringen wie Armidoro ihn seinem kleinen Instrument entlockt. Aus Schilfrohr hat der Kunstfertige es selbst gebaut. Welches Echo verweilt in diesen Hügeln. O süße noch immer geliebte Illusion! Dem Echo wird sie lauschen und versuchen Trost zu finden.
5
An Geselligkeit kann es Teolinda eigentlich nicht fehlen. Der Schäferchor meldet sich zu Wort und bietet wohlmeinenden Rat. Diejenigen, welche meinen, nicht glücklich zu sein, wissen oft gar nicht, wie wenig dazu gehört. Wahre Zufriedenheit würde ihren geplagten Herzen gut tun.
6
Diese Ansicht kann die Hoffnungslose nicht teilen. Wie glücklich ist der beneidenswerte Schäfer, wie unschuldig sind die Freuden, mit denen er sich zufrieden gibt. Teolinda dagegen stirbt vor Kummer. Solches ist die Verfügung eines grausamen und mitleidlosen Schicksals. Der Treulose lässt sich überhaut nicht blicken. Ihr fühlendes Herz bleibt unbeachtet. Zur Beute von tausend Schlangen ist es geworden, die in ihrer Gefräßigkeit nichts anderes im Sinn haben, als es zu verschlingen.
7
Oh, sie wagt es nicht länger nach dem Geliebten zu rufen. Wenn er in ihr Herz schauen und lesen könnte, was darin geschrieben steht, dann würde er sie lieben, so wie sie ihn liebt. Der Hochmütige soll erwachen und ihr erzählen, wann ihre Liebe endlich belohnt wird! Warum lässt er sie diese grausamen Torturen erleiden? Komm, geliebter Armidoro, lass uns in Seligkeit gemeinsam sterben! Der Undankbare lässt ihren Seufzer unbeachtet und antwortet nicht einmal.
8
Den Schäfern im Tal bleibt der Schmerz Teolindas nicht verborgen. Sie sind vor Mitleid gerührt! Welch gottgefälliger Sound besticht ihre Herzen? Wer singt mit solcher Leidenschaft? Kann der Kollegin nicht geholfen werden? Teolinda bittet die Freunde inbrünstig, ihren Liebsten, der die Panflöte so herrlich spielt, ausfindig zu machen, egal wo er sich aufhält. Dem Gesang seines Instrumentes kann sie nicht länger widerstehen. Sie sollen ihn herbringen, auch wenn er zappelt.
Die Schäfer versprechen es im Chor, er wird ihnen nicht entkommen.
Doch was tut der Undankbare. Er bricht seinen Gesang einfach ab. Die Flöte verbirgt er in seiner Hirtentasche. All ihre Sehnsucht, ihre ganze Leidenschaft versinkt in Schmerz. Vorübergehender Wahnsinn befällt sie, Vernunft hält danach Einzug. Die Brust kann nicht ewig seufzen und sich nach Liebe sehnen. Ihre Trotzreaktion sichert der kleinen Schäferin das Überleben.
Die Tempobezeichnungen der Sätze
- Introduction: Andante
- Cavantina: Andante
- Recitativa: Allegro
- Allegro moderato
- Coro dei Pastori: Allegro con moto
- Recitative: Allegro
- Andante con Variazione
- Allegro molto moderato
Anmerkung
Mit den ‘Liebschaften der Teolinda’ ist es nicht weit her, denn was sie liebt, bekommt sie nicht. Der Titel der dramatischen Kantate ist irreführend, er müste eigentlich ‚Die Liebesschmerzen der Teodlinda’ lauten. Das Objekt ihrer verzweifelten Zuneigung heißt Armidoro. Seine Fähigkeit besteht darin, dass er vorzüglich Panflöte spielt. Das klassische Sinfonie-Orchester kennt dieses Instrument nicht und hat es gegen eine Klarinette ausgetauscht, die nun versucht, es der Panflöte an Virtuosität gleichzutun. Sie ist der wirkliche Star des Musikstückes, vertritt sie doch den Liebsten Teolindas, der ihr in Person niemals begegnet ist. Die Schäferin fühlt ihre Koloraturen durch die Panflöte verhöhnt, weil sie meint, dass das Instrument ihren bitteren Liebesschmerz als Echo glossiert. Sie bittet die Schäfer, den Undankbaren einzufangen. Dieser lässt sich den Übergriff auf seine Freiheit nicht bieten und sein Instrument verstummt. Der kleinen Schäferin bleibt keine Wahl, Ihre grausamen Liebesschmerzen hat sie in Zukunft ohne musikalische Untermalung zu ertragen. Wie wäre es mit einem Wechsel der Gefühle?
In Verona traf Meyerbeer zwei alte Freunde aus seinen Münchener Tagen, den Klarinettisten Heinrich Baermann und seine Gattin Helen Harlas, beliebte Solisten am Hoftheater. Hocherfreut erklärten sie sich bereit, seine Kantate aus der Taufe zu heben. Die virtuose Salonmusik geriet in Vergessenheit, weil Meyerbeer als Schöpfer monumentaler Opern im Kollektivbewusstsein der Opernwelt haftete. Zwei Primadonnen unserer Zeit, Mariana Nicolesco und Julia Varady stellten das brillante Stück einem hochinteressierten Publikum erneut vor.
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musirony 2008 - Engelbert Hellen