Schöne Oper - selten gehört
Jaromir Weinberger [1896-1967]
Wallenstein
Musikalische Tragödie in sechs Bildern
tschechisch gesungen
Libretto von Miloš Kareš nach Schillers Dramatischem Gedicht. Deutsche Textfassung von Max Brod
Urauffühung am 18. November 1937 an der Staatsoper Wien
Dauer: ca. 120min
Charaktere:
Wallenstein – Herzog von Friedland
Thekla – Seine Tochter
Octavio Piccolomini – Generalleutnant
Max Piccolomini – dessen Sohn
Gräfin Terzky – Wallensteins Schwester
Graf Terzky – ihr Mann
Illo – Wallensteins Vertrauter
Graf Questenberg – Kaiserlicher Gesandter
Buttler – Chef eines Dragonerregiments
Seni – Astrologe
Gordon – Kommandant von Eger
Wrangel – Schwedischer Gesandter
Ein Kapuziner, ein Mädchen, Dragoner, Jäger, Wachtmeister, Kürassiere, Pappenheimer
Das Geschehen spielt in Böhmen und Mähren
HANDLUNG
Erstes Bild:
Er ist der größte Feldherr des dreißigjährigen Krieges, unbesiegt und reich wie Krösus. Und nur ihm, Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, wie sein Name korrekt lautet, verdankt Kaiser Karl V., dass die voranrückenden protestantischen Truppen nicht den Sieg errungen haben. Nun hat er seine Regimenter und Generäle zusammengerufen, um die verworrene und auswegslose Situation zu beraten. Alle bisherigen Kriegs- und Friedenspläne haben nur zu weiteren, endlosen und blutigen Konflikten geführt und keine klaren Ergebnisse hervorgebracht. Wallenstein sieht die letzte Chance für den lang ersehnten Frieden in einem Übertritt zu den feindlichen Schweden und damit einem Verrat am Kaiser. Die Söldner sehen die Lage weniger problematisch. Sie sind schon lange verroht und kennen nur Krieg, ihren Sold, hier und da Vergewaltigung und Plünderung. Während Sie sich mit ihren wüsten Zechgelagen rühmen, kommt ein Kapuziner des Weges und gerät in rasende Wut. Er begeht den Fehler dem angetrunkenen Haufen seine Meinung ins Gesicht zu brüllen und wird kurzerhand niedergemacht.
Zweites Bild
Wallenstein hat seine engsten Vertrauten um sich versammelt, zu denen auch der seltsame Astrologe Seni gehört. Feldmarschall Illo tritt auf und berichtet, der Bote, mit dem man insgeheim die Friedensverhandlungen mit den Schweden aufnehmen wollte, sei von kaiserlichen Truppen abgefangen worden. Man gerät in erhitzte Diskussionen: Soll sich Wallenstein zum Kaiser begeben und seine geplanten Verhandlungen als kriegerische List ausgeben oder soll er die Friedensgespräche gerade jetzt intensivieren und so zum Verräter werden? Wallenstein wird von seinen engsten Vertrauten dazu gedrängt, den schwedischen Gesandten Wrangel zu empfangen. Dieser stellt harte Bedingungen: Prag und Eger müssen den Schweden übergeben werden.
Wallenstein überträgt seinem Generalleutnant Octavio Piccolomini die Befehlsgewalt über große Teile seiner Armee. Nachdem Piccolomini verchwunden ist, bezichtigen Illo und die Gräfin Terzky ihn des Verrats, Wallenstein aber hält dagegen, dass er seinen Sternen vertraue und von Ihnen noch nie im Stich gelassen wurde. Die Gräfin drängt aber darauf, endlich auf Wrangels Forderungen einzugehen und damit den ihrer Meinung nach einzig möglichen Schritt zu tun. Wallenstein lässt den schwedischen Gesandten nochmals zu sich kommen.
Drittes Bild
Wallensteins Tochter Thekla wartet auf ihren Geliebten Max Piccolomini. Dieser erscheint, beide schwören sich unbändige Liebe und sind sich sicher, bald zu heiraten. Doch nachdem Max wieder verschwunden ist, dämpft Gräfin Terzky die Euphorie: Im Zweifelsfalle habe Thekla familiäre Rücksichten zu nehmen und dürfe nicht dem Willen Ihres Herzens, sondern müsse dem ihres Vaters folgen. Die Gräfin lässt unausgesprochen, dass Wallenstein seine Tochter unmöglich an Max geben kann. Sollte er den Verrat am Kaiser tatsächlich begehen, würde er König von Böhmen. Seine Tochter müsste dynastisch heiraten, um den Thron und damit den Frieden langfristig zu sichern.
Viertes Bild:
Der Kaiserliche Rat Questenberg ernennt Octavio Piccolomini heimlich zum Armeechef und Nachfolger Wallensteins. Mit Hilfe eines fingierten Schreibens schafft er es, Buttler, den Chef eines Dragonerregiments, auf seine Seite zu ziehen und Feindschaft gegen Wallenstein zu säen. Max verweigert seinem Vater den Gehorsam.
Fünftes Bild:
Wallenstein hat sich gegen den Kaiser und für die Schweden entschieden. Ihm werden die Heiratspläne seiner Tochter hinterbracht und er lehnt, wie zu erwarten war, eine eheliche Verbindung mit dem Piccolomini ab. Die Verschwörung gegen Wallenstein beginnt zu wirken: Ihm wird berichtet, dass das Heer nun Octavio gehorcht und Buttler gibt bekannt, dass sich die Truppenverbände in Böhmen und Mähren von ihrem ehemals großen Feldherren losgesagt haben. Das letzte treue Regiment, die Pappenheimer, kommen und schwören Treue zu Wallenstein, verlangen aber den Verrat am Kaiser zu unterlassen. Auch Max entscheidet sich gegen Wallenstein und damit auch gegen seine Geliebte und wendet sich dem Kaiser zu.
Sechstes Bild
Gordon, der Kommandant von Eger, wird von Buttler zum Mord an Wallenstein, Terzky und Illo gezwungen. Thekla erfährt, dass ihr ehemals Geliebter in der Schlacht gestorben sei und sie begeht vor Kummer Selbstmord. Gordon versucht den Mord an Wallenstein zu verhindern und scheitert – Buttler tötet Wallenstein selbst. Man betrauert offiziell das Geschehene. Die Gräfin Terzky nimmt Gift.
Wallensteins Tod
Anmerkungen:
Schillers üppige Dramenvorlage wird von Weinberger und seinen Librettisten auf zwei Stunden geschrumpft. Darunter leidet das Libretto, welches mit verwirrenden Wendungen für mit der literarischen Vorlage nicht vertrauten Hörern aufwartet, gewaltig. Zu viele Hintergründe bleiben unausgeleuchtet. Dennoch darf die Oper als ambtionierter Versucht des durch „Schwanda der Dudelsackpfeiffer“ so populär gewordenen Jaromir Weinberger gesehen werden, durch einen nationalen Stoff trotz Nazi-Wahn wieder einen Erfolg zu landen, welcher seit seinem „One Hit Wonder“ von 1927 auf sich warten liess. Die musikalische Verarbeitung ist so heterogen wie das Libretto. Es finden sich an Verdi gemahnende, prägnante Chor-Märsche, hinreissend sehnsuchtsvolle Liebesduette und auf der anderen Seite dramatische Szenen mit fast atonaler Färbung.
© 2011 – Raphael Lübbers