Schöne Oper – Gern gehört
Bedřich Smetana [1824-1884]
Libussa
Libuše
Festliche Oper in drei Akten
entstanden 1869-1972
tschechisch gesungen
Libretto von Josef Wenzig in deutscher Sprache,
übersetzt ins Tschechische von Ervín Špindler
Uraufführung: 11. Juni 1881 zur Eröffnung des Nationaltheaters
Dauer: etwa 150min.
Charaktere:
Libuše, böhmische Fürstin, (Sopran)
Přemysl von Stadice, ihr Gemahl (Bariton)
Chrudoš von Otava, Šťáhlav's Bruder (Bass)
Šťáhlav von Radbuza, Chrudoš Bruder (Tenor)
Lutobor von Dobroslavskŷ, beider Onkel (Bass)
Radovan von der Steinernen Brücke (Bass)
Krasava, Lutobors Tochter (Sopran)
Radmila, die Schwester der beiden Brüder (Mezzosopran
Mädchen an Libušes Hof, Edelleute, Älteste, Krieger Erntehelfer, Volk
Das Geschehen spielt in Böhmen vor langer Zeit
Dokumentationen:
LABEL: Supraphon 1965
Besetzung Prager National Theater, Chor und Orchester,
Dirigent: Jaroslav Krombholc, die Libuše singt Nadezda Kniplova
LABEL: Supraphon 1983
Besetzung Prager Nationaltheater, Chor und Orchesteer,
Dirigent: Zdenek Kosler, Die Libuše singt Gabriela Beňacčková
LABEL: Supraphon 1995
Besetzung Prager National Theater, Chor und Orchester,
Dirigent: Oliver Donányi, die Libuše singt Eva Urbanová
HANDLUNG
OUVERTÜRE
Erster Akt: LIBUSSAS GERICHT
Erste Szene:
Radmila hat ein Anliegen und erscheint mit Freundin Krasava bei Fürstin Libussa. Wohlerzogen bedankt sie sich, dass die hehre Fürstin auf ihre dringende Bitte reagierte und den Rat der Ältesten einberufen hat.
Kaum ist der Vater tot, tobt zwischen ihren beiden Brüdern unerwartet und unbegreiflich ein grimmiger Streit um das Erbe. Es ist dringend erforderlich, dass ein gerichtlicher Schiedsspruch diesen schlichtet.
Radmila beruft sich darauf, dass die Fürstin die erforderliche Weisheit besitzt, Ordnung in das Chaos zu bringen. Bisher lebten ihre Brüder immer in Eintracht und Frieden, und es kann nur der mächtige Czernoboh so schadenfroh gewesen sein, Zwietracht zu säen und den Geist der beiden in finsteren Wahn hüllte.
Noch nicht ganz klar ist, weshalb Krasava sich die Schuld an dem Zerwürfnis zuschreibt. Die Zerknirschte fürchtet, dass es bereits zu spät ist, das Unheil, welches sie angestiftet habe, wieder auszubügeln.
Mit Hilfe der Götter wird es möglich sein, die beiden Streithähne auseinander zu bringen. Gnadenreich blicken sie von jeher auf dieses Land, damit die Schlange der Zwietracht kein Unheil stiftet. Die Kräfte der Erde bringen den Segen, damit das Volk sich wohl fühlt. Libussa richtet ein Gebet an die Götter, ihr Land zu schützen und das Volk in ihre Obhut zu nehmen.
Es tönen Hornsignale. Ihre Stimme ruft Libussa in den Ältestenrat zum Heiligen Gericht nach der Väter Recht.
Zweite Szene:
Krasava hat Scheu mitzukommen, weil sie glaubt, seinem Blick nicht standhalten zu können. Sie argwöhnt, dass das Zeichen der Schuld sich in ihrem Gesicht abzeichnen würde und das Gericht durch ihren Blick entweiht würde. Radmila bittet, ihr zu erzählen, was geschehen ist. Sei sei ihr Freundin und Schwester und soll ihr anvertrauen, was ihre Seele vor ihr verbirgt. Sieht sie nicht die Flamme, wie sie sich ausbreitet und immer höher empor züngelt? Es lodert der Rasen, eine Hütte stürzt ein; es wogt bereits ein Flammenmeer und erfasst das ganze Land. Krasava behauptet von sich, dass sie den Brand gelegt und ihn geschürt habe. Die liebe Freundin soll bitte nicht herumspinnen, sondern sich bitte klar ausdrücken, was sie aufwühlt.
Krasava will ihr alles erzählen, aber nicht hier, wo sie befürchtet, dass die dunklen Mauern auf sie stürzen könnten. Wollen sie dorthin gehen, wo die Winde unter blauem Himmel frei wehen? Dort soll Radmila alles erfahren.
Die beiden Mädchen begeben sich zu dem Platz unter der Linde, wo Gericht gehalten werden soll. Die Vorbereitungen werden bereits getroffen. Libussas Thron ist aufgestellt, das Becken mit dem brennenden Feuer ebenfalls sowie Wasser zum Löschen.
Dritte Szene:
„Weh, wenn zwischen leiblichen Brüdern
Zwist sich entspinnet und schnöder Streit;
bis zum Himmel dringt der Groll,
wachrufend der Götter vernichtenden Zorn!“
Chrudrš bittet die Leute das Gerede zu lassen. Auf Šťáhlav deutend beteuert er, dass er sich mit ihm nicht vertragen kann. Wie schön sein Gesicht auch sein mag, sein Gemüt sei jedenfalls arglistig. Der Angegriffene setzt sich zur Wehr und bekennt, dass er seinen Bruder lieb habe, doch seine Willkür könne er nicht dulden, schließlich sei auch er auch ein Mann.
Hier seht ihr, dass die beiden unversöhnlich sind, mischt Lutobor sich ein. Als Oheim hat er beiden vergeblich gut zugeredet und fast befürchtet er, dass man sie zwecklos vor das Gericht ruft. Ein Fürst wäre hier von Nöten, welcher Libussa ein guter Ratgeber wäre, meint Radovan. Wenn die Fürstin sich doch entschließen könnte, einen Gemahl zu wählen, der die Leidenschaften zu bannen wüsste! Lutobor flüstert Radovan zu, dass die Fürstin heimlich auf ihrem Schimmel nach Stadice reiten will, um sich Rat zu holen. Dem Lande wäre geholfen, wenn sie Přemysl zum Gatten wählen würde!
Vierte Szene:
Im Gefolge zweier Jungfrauen betritt Fürstin Libussa den Platz, auf dem das Tribunal stattfinden soll. Ein Mädchen hält die Gesetzestafeln und die andere trägt ein Schwert. Nachdem Libussa den Thron bestiegen hat, sieht das Protokoll vor, dass noch zehn weitere Mädchen auftreten und sich ehrfurchtsvoll vor dem Thron der Fürstin tief verneigen.
Chrudoš denkt an Krasava und flüstert vor sich hin, dass die Schlange bestimmt deshalb nicht gekommen ist, weil sie Furcht vor ihm hat. Sein Blick zwänge sie vielleicht in den Staub.
Protokollgemäß hält die Fürstin eine feierliche Ansprache an die Ältesten, dass es in gilt, in dem Streitfall zweier verfeindeter Brüder Recht zu sprechen. Zuvor erklärt sie, dass sie als Kroks Tochter, von den Vladyken und Kmeten – wie es so schön heißt – berufen worden sei, die Verhandlung zu eröffnen. Unter dem Laubgewölk des heiligen Lindenbaumes sehen die Anwesenden zu ihrer Rechten die Gesetzestafeln und zur Linken das Unrecht ahnende Schwert. Vor ihren Augen flackert das Feuer, welches die Wahrheit kündet und zu ihren Füßen steht ein Bottich mit keuschem Waschwasser. Die Rechtsuchenden sind Chrudoš von der krümmungsreichen Otava und Šťáhlav von Radbusa, der kühlen. Die beiden Brüder, beides Klenocici, vom Stamme der Tetva, Popels Sprossen, dereinst mit Čzechs Kriegsscharen, der über drei Ströme in dieses gesegnete Land gekommen ist, hadern um das Erbe, kaum dass der Vater verstorben ist. Nun höret und richtet. Chrudoš möge beginnen!
Er führt an, dass er der Ältere sei und nach dem Recht, welches auch bei den deutschen Nachbarn gilt, stehe ihm das ganze Erbe zu. Darauf besteht er so fest, so wie diese Burg da steht, egal ob ihr die Sonne zulächelt oder der Sturm an ihre Mauern schlägt.
Und wie spricht Šťáhlav, der jüngere Bruder, wendet sich Libussa zuvorkommend an diesen. Willig begnügt er sich mit dem, was die Fürstin und die Ältesten ihm zusprechen. Was sie erkennen, soll geschehen. In ihren gerechten Urteilsspruch legt er felsenfest sein Vertrauen.
Libussa schlägt eine Einigung in Güte vor. Beide Brüder sollen Vaters Erbe zusammen verwalten oder es in zwei Hälften aufteilen. Ist dieses Urteil nicht in Sinn aller? Andernfalls mögen die Ältesten nach einer anderen Erkenntnis die beiden Brüder versöhnen.
Chudoš hält nach Krasava Ausschau, sieht sie nicht und wird wütend. Das falsche Weib soll verflucht sein.
Nachdem Radovan bestätigt, dass sie sich geeinigt haben, fordert Libussa ihn auf, den Urteilsspruch ihrem Volk zu verkünden. Radovan erledigt seine Aufgabe salbungsvoll:
„Ihr zwei leiblichen Brüder Klenovici,
alten Stamms von Tetva, Popels Sprossen,
der gekommen einst mit Čzechs Kriegsscharen,
über drei Ströme in diese gesegneten Lande,
einigt euch über eure Güter solchermaßen:
verwalten sollt ihr sie beide gemeinsam!“
Chrudoš erregt sich und ballt die Fäuste: „Wir gemeinsam? Nein, nein, unerhört ist das! Eher geht die Welt in Trümmer!“ Nun wendet er sich an Libussa „Wehe, wenn sich zu den Vögeln eine Viper schleicht, wehe, wenn ein Weib gebietet voll Wankelmut! Ein Mann soll über Männer herrschen, fest ist seine Faust. Nichts ist mir euer Ausspruch, seit ihn ein Weib getan!“ Sagt es und geht ab.
Der Chor empört sich zuerst. Zu Eis erstarrt ist das Blut in den Adern und voll Schrecken stockt der Atem. Gelähmt sind Zunge, Augen und Ohren. Libussa fühlt, dass ihr Antlitz vor Schmach errötet. Bei Perun, diese Beleidigung, die man ihr antat, wird sie rächen. Libussa ruft den Chor als Zeugen auf:
„Gehört habt ihr meine Kränkung,
wie er mich angesichts des Volkes schmähte,
ich sei nur Weib, nicht tapfer im Kampfe,
und schmählich der, der einem Weib das Zepter gibt!
Wohlan, eisern soll denn herrschen hier
hinfort ein Mann!
Ihr selbst sollt wählen ihn,
der walten soll über euch von dieser Feste Höhe
und rächen mich! Ich nehme ihn zum Gemahl.“
Radovan ergreift das Wort: Wenn der heutige Tag dazu bestimmt war, der Fürstin diesen Entschluss einzugeben, dann sei er immerdar gesegnet, denn Heil brächte er dem Volk! Doch vergeblich verlangt die Fürstin von uns, ihr den Gatten zu bestimmen. Selbst soll sie sich ihren Gemahl aussuchen, so wie sie vom Volk erkoren wurde, dann kann alles gut werden.
Alle bestätigen:
„Selbst wähle nach deiner Neigung,
nach deinem Herzen wohl, ganz ungehindert.
Mit Jubel werden wir begrüßen
unser künftigen Herrn und Herrscher!“
Libussa ist glücklich. Unverhoffte Seligkeit! Frei werde ich meinen Gemahl wählen. Er ist das Kleinod meines Herzens seit der frühen Jugendzeit! So sei es denn! Getroffen ist die Wahl nach reiflicher Überlegung! Nun, meine Teuren, verkündet es allen, dass der, welcher den Thron in Frieden besteigen wird, ist Přemysl von Stadice, er sei euer Fürst!
„Heil ihm! Nun jauchze Volk!“ O welch Entzücken! Im ganzen Land erschalle des Jubels Stimme! An mein Herz werde ich ihn drücken!
„Und wie euch beide der Liebe Band umschlinge uns der Eintracht Bund!“
Zweiter Akt: LIBUSSAS VERMÄHLUNG
Erste Szene:
Lutobor weist seinen Stallburschen an, die Pferde zu tränken. Er kocht vor Zorn und fragt sich, warum die Götter ihn mit einer missratenen Tochter gestraft haben. Mit ihrem Unverstand und ihrer eitlen Träumerei stecken die Weiber noch die halbe Welt in Brand. Weibliche Schwäche bringt ihn schier um den Verstand, aber seine Tochter wird seinen Ärger noch zu spüren bekommen. Krasava beklagt sich bitter über die Beschwerden der langen Reise. Zwei Tage sind sie nun schon unterwegs und er hat ihr nicht einmal gesagt, wohin es geht. Sie weiß auch nicht, was er ihr zur Last legt, dass er sie durch die Wildnis jagt. Bevor er ein strenges Urteil über sie fällt, soll er sie wenigstens sein Gesicht schauen lassen. Lieber würde sie vor Kummer sterben, als in der Finsternis verweilen, in die sie sich abgeschoben fühlt.
Der Vergleich, den Lutobor nun bringt, ist wirklich abwegig und unangebracht. Der Wolf und der listige Fuchs stammen nicht vom edlen Hirsch – sagt er – und der Adler, der sich zu den Wolken erhebt, entspross keiner Missgeburt der Nacht. Krasava kann unmöglich sein Blut sein, denn in ihrer Seele wohne niederträchtige Falschheit, die selbst den trefflichsten Recken mit ihrem schleichenden Gift zur Strecke bringt.
Der Vater soll sie anhören und bedenken, dass sie das Opfer einer bösen Leidenschaft geworden ist. Er soll ihre Schuld nicht richten, ohne die Hintergründe zu kennen. Ihr Herz entbrannte in Liebe zu Chrudoš und sie schätze ihn so ein, dass ihre Gefühle ihn nicht kalt ließen. Listig versuchte sie, ihm sein Geheimnis zu entlocken, doch er stäubte sich, zu seinen Gefühlen zu stehen und darüber ärgerte sie sich.
Krasava sinkt vor dem Vater nieder und hat Erfolg mit ihrer Reue. Lutobor erklärt, dass er ihm am Tage der Auseinandersetzung zwischen der Fürstin und Chrudoš, gefolgt sei, aber den Davonstürmenden nicht mehr einholen konnte. Seinen Neffen forderte er später auf, an das Grab seines Vaters zu kommen, um sich mit ihm in der Sache auseinanderzusetzen.
Krasava solle nun bitte einen Beitrag liefern, ihn zu beschwichtigen, dass er davon Abstand nimmt, zur Waffe zu greifen. Ihre Aufgabe wird es sein, ihn dazu zu bringen, bei der Fürstin, die erhaben über das andere Geschlecht hinausragt, Abbitte zu leisten. Gelingt es ihr, den Verstockten zur Buße zu bewegen, wird der Vater auch ihr verzeihen. Hat sie keinen Erfolg, wird er die Tochter für immer aus seinen Augen verlieren.
Zweite Szene:
Ohne Krasava zunächst zu bemerken, trifft auch Chrudoš am vereinbarten Treffpunkt ein. Weshalb hat Onkel Lutobor ihn ersucht, dem Grab seines Vaters einen Besuch abzustatten? Soll die Weihe des Ortes ihn etwa dazu bewegen, sich mit Fürstin Libussa zu versöhnen? Nie und nimmer wird es geschehen, dass er sich in Demut beugt und sich entschuldigt. Verflucht sei das Weibergeschlecht insgesamt, doch wenn er an seine Krasava denkt, möchte ihm das Herz vor Wehmut brechen. Doch, wo bleibt sein Oheim? Nun nimmt er das Mädchen war und möchte am liebsten die Flucht ergreifen. Sie stellt sich ihm in den Weg und bittet ihn inständig zu bleiben. Er fährt sie an, was sie begehre. Krasava bleibt sachlich, ist aber kurz angebunden: Seine Verzeihung und seine Liebe wünscht sie sich. Wie passt das zusammen? Sie wünscht sich seine Liebe, ist aber dem Bruder zugeneigt.
Erinnert er sich nicht, wie er sie hochmütig quälte und peinigte, bevor er ihr gestand, dass sein Herz ihr zugeneigt sei? Die Flammen des unterdrückten Zornes schlugen in ihr hoch. Von Rachsucht getrieben tat sie nur so, dass sie dem Bruder den Vorzug gebe, ohne zu bedenken, dass es der Heimat Schaden bringen könnte, wenn sie ihn täuscht. Chrudoš möge bitte nachvollziehen, dass sie sich nur aus heißer Liebe verstellte und ihr Täuschungsmanöver nun bitter bereut. In drohendem Ton wirft er ihr vor, dass sie falsch sei und Falschheit hasse er. Er solle sich doch bitte des Mädchens erbarmen, welches sonst zugrunde geht. Nein, ein jeder soll die Folgen seiner Tat tragen. Er solle bitte zum Grabhügel schauen, wo sein teurer Vater ruht. Die Bande der Familie heischen Versöhnung und wenn er dazu nicht geneigt ist,soll er ihr Herz mit dem Schwert durchbohren. Chrudoš lässt sich unter Druck setzen und wird butterweich. Gleich feurigen Pferden dringen die Worte in sein Inneres und wühlen ihn auf. Sie liegen sich verzückt in den Armen. „Krasava mein!“ „Chrudoš mein!“
Von Radmilla, Šťáhlav und Lutobor werden die beiden observiert. Nun wird er sich auch mit der Fürstin versöhnen. Der Stern der Hoffnung leuchtet schon und die Morgenröte glüht.
BILDWECHSEL
Dritte Szene:
Přemysls stattliches Gehöft wirkt besonders eindrucksvoll, weil es von hochgewachsenen Linden umsäumt wird. Hurtige Schnitter sind auf dem Feld wacker an der Arbeit, damit ihr Pensum noch vor Anbruch der Nacht fertig wird. Hell scheint die Sonne des Friedens, nur in Přemysls Brust herrscht Unruhe. Ist es die Vorahnung auf eine Wende seines Schicksals oder ist es Libussa, die ihn entzückt, wenn sie auf den Ritten durch das Land hin und wieder bei ihm einkehrte. Erinnerungen aus der Jugendzeit tauchen auf, als sie gemeinsam die Schule von Budeč besuchten. Ihr Bild umschwebt ihn Tag und Nacht und mit allen Sinnen muss er immerfort an sie denken. Selbst wenn es Liebe ist, die ihn befällt, ist er nicht so töricht, nach den Sternen zu greifen. Am Himmel ziehen sie, um am weiten Horizont unterzugehen. Aber eine Gegenstimme ermuntert ihn, dass er ruhig auf die Liebe bauen soll, denn mit irdischen Gütern haben ihn die Götter reichlich versorgt.
Das Volk hat Vertrauen zu ihm und weiß um die Kraft seiner Arme. Des Bären Gebrüll schreckt ihn nicht und des Sturmes Zorn verursache ihm keine Unruhe. Raufen kann er, und wenn er erst das blitzende Schwert schwingt, wackelt sogar das Gemäuer. Sollte ein Feind sich herwagen, wird er ihn verjagen. Mit blitzenden Waffen und schnellen Pfeilen würde er Libussa und die Linden verteidigen. Doch wohin haben sich seine Gedanken verirrt. Dreimal stößt er ins Horn, denn für das Gesinde ist die Ruhepause angebrochen.
Vierte Szene:
„Lieb ist der Linde Schatten
und Lüftchen flüstern mir die Mär von Libussa.
O, ihr Linden, o, ihr Linden,
der Ahnen Hand, sie pflanzte euch!
Wie erhaben reckt sich euer Haupt,
atmend den Duft,
liebliche Speise den Bienen spendend
und den Menschen des Schattens Kühle!
Mit Recht geheiligt
seid ihr meinem Volke.
O, seid sein Ebenbild,
der Kraft, der Tugend, Schönheit Urbild seid!“
Ein langer Reiterszug nähert sich Stadice. Lechen und Vladyken schreiten voran und das lustige Volk trottet dem Zug hinterher. Libussas Ross trabt voran, aber seine Herrin ist nicht zu sehen. Was hat das zu bedeuten?
Fünfte Szene:
Radovan hat Přemysl eine traumhafte Botschaft zu verkünden. Er und das Volk bringen ihm Grüße von Libussa. Den Schimmel soll er besteigen und sobald die Sonne aufgeht, soll er als Gemahl der Fürstin Libussa durch das Tor von Vyšehrad reiten. Libussas Gatte soll er sein und Perun soll seine Schritte lenken. Ist es Wahrheit oder Traum, was Radovan so unerwartet kündet? Nochmals bestätigt er, dass die Botschaft echt ist und von Libussa kommt. Unte allen Edlen hat sie ihn ausgewählt. Als sie es dem Volk kund tat, brach dieses in lauten Jubel aus, weil es ihn nun als Herrscher bekommt. Jetzt möge er sich beeilen und sein Glück genießen.
Erfüllt hat sich Přemysls Ahnung und seiner Seele Traum ist Wirklichkeit geworden. Des Ruhmes Tor, welches ihm bisher verschlossen war, steht nun offen. An ihrer Seite darf er schreiten, so hat sie es selbst bestimmt. Sein Weg ist bestreut mit Blumen und am Himmel steht der Stern, der den Weg freigibt zu großen Taten. Ei, seht doch, wie des Glückes Strahl sein Angesicht zum Glänzen bringt, stellt Radovan fest. Für Přemysl heißt es nun Abschied nehmen:
„Wohlan, leb' wohl der Väter traute Wohnstatt,
wo ich der Jugend Traum geträumt,
wo meine Wiege stand!
Lebt wohl denn, all meine Getreuen,
ich segne euch mit bebenden Händen!
Lebt wohl denn, ihr blühenden Auen, Haine.
Reiche Ernte gewähre euch der ewigen Götter Gunst.
Ich scheide auch von dir mein Pflug,
in Ehren halten mögen dich die Kindeskinder!
Du bringst Segen den Menschen aller Lande
und lockerst den Boden, auf dass der Same keime,
den Armen Kraft verleihst zum Lebenskampfe,
und fruchtbar machst du, was brach da lag.
Wohlan, sie ruft, dem Rufe folge ich!“
Dritter Akt: Prophezeiung
Erste Szene:
Libussa ist mit der Entwicklung der Situation zufrieden. Die beiden Brüder sind wieder miteinander versöhnt. Versöhnt sind der Geliebte mit der Liebenden und die Liebende mit dem Geliebten auch. Die Zwietracht ist gebannt und das holde Band der Eintracht umschließt die Zerstrittenen. Wie sollte sie sich am Tage ihrer Ehe mit dem geliebten Mann nicht auch darüber freuen? Chrudoš und Šťáhlav sollen sich noch einmal die Hände reichen und der Erstgenannte seine Krasava anschauen. Gern verzeiht sie ihm seine Missetat und wird auch ihren Gatten, der mit der vollen Macht eines Herrschers bekleidet ist, bitten, dass er dem Liebespaar vergibt, wie sie es ihm vorgemacht hat. Nicht länger mag sie zürnen zumal das Herz vor Freude überquillt und die Seele vor Glück jubelt. Der von Gott Erwählten sei Dank für Edelmut und Güte. Das Glück möge sie auf all ihren Wegen begleiten.
Zweite Szene:
Noch kann das Auge Libussas den Gemahl nicht erspähen, denn viel Volk umringt ihn wie die rauschenden Wogen den Felsen. Ihr verstorbener Vater, der erhabene Krok, welcher einst vom Vyšehrad machtvoll regierte, möge den Gemahl segnen. Er möge bitte dafür sorgen, dass die Geschicke des Zorns ihr Volk nicht packt und es sicher durch die kommenden Jahrhunderte geleiten.
Dritte Szene:
Die tugendreiche Braut wird gegrüßt. Der keuschen Magd naht die Stunde der Vermählung. Das Antlitz des Bräutigams strahlt. Er kommt schon, gleich ist er da! Euer Bund möge glücklich sein. Er ist die Sonne, sie ist der Mond und um sich herum sieht sie viele Sterne, die beschienen werden. Der Chor der Jungfrauen singt, dass sie der Sonne entgegen gehen und das Antlitz des Mondes glänzt, weil es von der Sonne bestrahlt wird.
Vierte Szene:
In Chrudoš regt sich der Unwille und Lutobor rät, dass seine Stirn statt Starrsinn Vertrauen ausstrahlen soll. Hat sie nicht gesagt, dass alle Macht nun in seinen Händen liegt? Jetzt hat er bekommen, was er wollte und ist auch nicht zufrieden, wenn ein Mann regiert:
„Nein, nein, was nicht nach meinem Sinn,
das mag ich nicht ertragen!
Auch ich bin Mann wie er
und in den Armen spüre ich Kraft.
Ein Mann bin ich und – Perun ist mein Zeuge.
Ich fürchte keine Macht,
in den Kampf, in den Kriegssturm will ich mutig gehen.“
Šťáhlav versucht einzulenken, um die Wogen des Unmuts gar nicht erst hochkommen zu lassen: Der teure Bruder möge doch bitte seinen blinden Hass bezähmen. Zum Guten wird sich das Üble wenden und er soll sich von bösen Absichten frei machen.
Nun spricht Lutobor ein Machtwort: Wenn der Rasende sich seinem Fürsten, der nach Recht gewählt wurde, nicht unterwerfen will, wird er nicht sein Eidam und seine Tochter nicht sein Weib! Von Krasava bekommt der Vater Rückenwind. Sie bremst ihren Schatz und fleht, dass er in seinem Zorn innehalten soll, sonst wird es ihrem Herzen Leid bringen. Um ihrer Liebe willen soll der Teuerste sich fügen und endlich kleine Brötchen backen. Das hat gefunkt: „Meine Braut, mein Teuerstes, du meines Herzens Schatz, soll ich, kaum dass ich dich gefunden, schon wieder verlieren?“ Er wird alle Fallen vermeiden, welche der Rachedurst bringen mag!
Fünfte Szene:
Endlich ist es so weit, dass endlich die Person erscheint, auf die alle sehnsüchtig warten. Hei! Der trotzige Vyšehrad, soll gegrüßt sein. Ein neuer Gast hat heute seinen Fuß auf die Zugbrücke gesetzt, bereit seinem Volk zu dienen. Přemysl begrüßt die Gattin und erklärt, dass er sich in seligem Taumel befinde. Möge es weder ein Traum noch eine Täuschung sein. O Gatte mein Teurer und Ersehnter, auch mit fehlen die Worte! Ein Glück erfüllt sich, das sie bisher nie empfunden hat, schwärmt Libussa. Mit Sternen ist des Lebens Firmament besät. Přemysl und Libussa finden sich im Duett: Die Götter thronen im Strahlenglanze und herrschen über allem auf der Welt Mit gnädigem Angesicht sollen sie herabschauen und sie beide segnen. Unter dem Jubel der Menge besteigt an der Seite Libussas der neue Fürst nun den goldenen Thron der Tschechen.
Zu den ersten Pflichten eines Fürsten gehört auch die Rechtsprechung. Der grimme Zwist zweier Brüder ist beigelegt, denn der ältere Bruder hat sich den Bitten seiner Angehörigen gefügt. Das Schwert muss der Fürst also nicht mehr zücken und darüber ist er froh. Doch die Schmach, mit der der ältere Bruder die Fürstin überhäuft hat, geht auf kein Eberfell. Es ruft ihn sein Fürst und Chrudoš ist bereit, sich der Tat, um die es geht, zu stellen und Sühne zu leisten. Er übergibt dem Fürsten sein ganzes Vermögen und belässt es in seiner Gewalt. Und fordert er sein Leben, stellt er seinen Kopf zur Verfügung. Aber er solle nicht verlangen dass er sein Haupt in den Staub beuge. Er habe Stolz im Herzen, der keine Furcht kennt.
Ehrenwert ist der Mann, der sich selbst in Ehren hält. Seine Ehre will Přemysl nicht beflecken. Jedoch die Schmach, die der Fürstin angetan wurde, erfordert Sühne. Ein heiliges Recht habe er, dies zu verlangen. Aber er räumt dem Schuldigen ein, das Gewicht der Verfehlung selbst festzulegen. Versöhnung soll seine Sühne sein! Alle sollen sehen, wie er sein Knie vor Libussa in den Staub beugt. Nun ist die Schmach getilgt und Versöhnung kann gefeiert werden. Der Fürst sei für seine Gnadenbezeugung gepriesen. Ein wirkungsvoller Einstand zur Thronbesteigung. Er hat in das Herz des Volkes geblickt und seinen Dank entfacht. Das Volk jubelt und bekundet seine Sympathie für das Fürstenpaar.
FINALE
Dramaturgisch wäre die Oper damit eigentlich abgeschlossen. Die hellseherischen Fähigkeiten Libussas fanden keine Erwähnung. Der Komponist bringt daher einen Nachtrag und entwirft ein paar biographische Skizzen von historischen Persönlichkeiten regionaler Bedeutung. Der Vollständigkeit halber werden diese Texte nachfolgend aufgelistet
Libussa hat in hellseherischer Verzückung die Hände empor gehoben und rollt mit den Augen. Ihr mächtigen Götter für diesen glücklichen Tag habet Dank. Aus den Wolken lächelt ihr hernieder. Mit der Hand zeigt ihr in dunkle Fernen, als ob ihr damit sagen wolltet, dass mein teures tschechisches Volk solch schöne Tage noch viele erleben würde. Ha, welch ein Bild voll zauberhaften Glanzes aus der Wolken Schoße entrollt sich dem verzückten Blick!
Leise, leise! Der Wahrsagung lauschet!
Die Zukunft enthüllt der Seherin Geist:
BILD 1: Bretislav und Jitka
Mit einem wuchtigen Schwertstreich gewann der Held sich die Braut. Drohende Wolken aus dem Westen verscheuchte der Fremdling auf Böhmens Thron.
Bild 2: Jaroslav von Sternberg
Ein Sturm wälzt sich aus dem Osten heran, rings um sich herum Dunkel verbreitend. Jaroslav kommt wie ein Aar geflogen, mit stählernem Panzer um die mächtige Brust. Unter dem Stahl trägt er Kühnheit und Heldenmut, unter dem Helm des Feldherrn Scharfsinn. Jugendkraft sprüht ihm aus feurigem Auge. Ha, er verscheucht und vernichtet das grausige Gewölk!
Bild 3: Otakar II, Eliška und Karl IV.
Und dort eine Schar ruhmreicher Fürsten schreitet ein! Willkommen mir, o Herr von Meer zu Meer gebietend. Der Städte Gründer und der Völker Freund! Auch dich grüße ich, hochedle Frau. Liebling des Volkes, welche den Tschechen nicht einen König, einen Vater geboren, der ihnen des Wissens Brot an ihrer eigenen Tafel gab.
Bild 4: Žižka, Prokop der Große und die Hussiten
Doch höret! Wie die Windsbraut heult, die grimme,
und die Donner krachen fürchterlich!
Am Himmel Blitze kreuzen sich,
es stürzt der Baum von der Felsenhöh'!
Die ganze Erde ringsumher
erbebt bis zum tiefsten Grund,
nur sie gehen festen Schritts!
Wie ein Landmann reife Ähren,
so mähen sie des Volkes Feinde.
Ihnen loht im Busen der heiligen Rache Feuer
der Welt bringen sie Tod und Wiedergeburt
Bild 5: Georg von Poděbrady
In dem wallenden Nebel
strahlt der letzte Held, der vom Volk
auf den Thron berufen war.
Im Frieden wie im Krieg gleich groß
an Geist ein Riese, der sein Jahrhundert überragt.
Ein Mann, dem selbst der Feind Bewunderung zollt
und weiter? Das verhüllt dem Aug ein Nebelschleier
und vieles bringt er dem betrübten Blick.
Düstere Geheimnisse – Verdammnis! -
Doch was sich auch begeben mag. Das fühl' ich in der Seele tiefsten Tiefen: Mein teures Tschechenvolk wird niemals untergeh'n. Der Hölle Schrecken wird es glorreich Sieger sein.
Die königliche Burg erstrahlt in magischer Beleuchtung.
***
2012 musirony - Engelbert Hellen