musirony - Mariken von Nimwegen
 

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Schöne Oper – selten gehört

 

Bohuslav Martinů (1890-1959)

 Mariken von Nimwegen

  Mariken z Nimègue - Mariken van Nieumeghen  - Mariken of Nimègue


Oper in einem Akt

tschechisch gesungen

 Worte von Henry Ghéon nach der flämischen Legende.
übersetzt von Vilém Závada

Uraufführung des vierteiligen Zyklus „Marienspiele – Hry o Marii“
am 23. Februar 1935


Charaktere


Prinzipal, Kommentator und Spielleiter – (Sprechrolle)

Mariken, ein junges Mädchen (Sopran und Tanz)
Der Teufel (Bariton und Tanz)
Volks von Anvers, Trunkenbolde, Teufelchen und weitere

Das Geschehen spielt im 15. Jahrhundert in Flandern


HANDLUNG

1

Der Prinzipal begrüßt die Zuschauer und stellt Mariken vor:

Hereinspaziert, meine Damen und Herren,
wir fangen an, ein neues Stück zu spielen:
Die düstere Tragödie einer abenteuerlichen Jungfer,
ein Drama über Mariken, gebürtig aus der Niederlande.
Luzifer selbst aus der Hölle heiratet sie
und sieben Jahre lebte er mit ihr als Ehemann.

Einmal frühmorgens verließ sie den Großvater,
um auf den Markt des nahen Städtchens zu gehen.
Sie wollte in den Läden für den Haushalt
Wein, Kerzen, Linnen. Gewürz und Zwirn kaufen.
Sie war lebhaft, hübsch, wie die Knospen im Mai,
dass sie allen Burschen in der Umgebung den Kopf verdrehte.

Heimkehren wollte sie noch vor dem Abendessen,
ehe sich die Gegend in schwarzes Dunkel einhüllt.
Aber sie fand Gefallen an dem Rummel in der Stadt.
Bezaubert war sie von den Auslagen und Lichtern.
Sie sah dort so viel Schmuck und Kleider,
dass sie die Rückkehr fast vergaß.“

2

Mariken verirrt sich im Wald

Dann wurde es ungemütlich! Sie eilte über verwinkelte Pfade zum Wald. Dornenzweige verwickelten sich in ihrem Haar. Der Sand knisterte in ihren Schuhen und das Tempo, welches sie vorlegte, raubte ihr den Atem. Im Geist sah sie Knochenmänner auf den Bäumen. Als dann von weither eine bimmelnde Glocke erklang, nahm sie ihr Medaillon in die Hand und drückte es fest an sich. Mit blutenden Füßen rannte sie atemlos vorwärts. Durch Schluchten und über Lichtungen irrte sie stöhnend und weinte.

3

Mariken ist ratlos

Sie tritt mit ihrem Körbchen aus den Schatten der Bäume und denkt an Großvaters schmuckes Häuschen. Gott, sie hat sich doch nicht verirrt! Völlig verängstigt ist die Arme. Sie könnte jetzt daheim sein, schön im Stübchen sitzen und nähen in ihrer Ecke am Fenster. Jetzt hat sie die Bescherung, weil sie vor jeder Auslage stehen blieb und sich ständig in die neue Mode verguckte.

Sie ist sich sich sicher, eine Sünde begangen zu haben und jetzt büßt sie für ihren Stolz. Erbarm Dich, Jesus Christus! Der Schutzengel möge sie erhören. Der Schreck fährt ihr in die Knochen und das Herz hat sich vor Angst verkrampft. „Hilfe, mein Gott, hilf mir! Heilige Jungfrau, steh mir bei in dieser Not.“Ihr Teufel aus der Hölle, helft mir!"

4

Der Prinzipal rügt Mariken

Was für einen Wahnsinn veranstaltet das arme Mariken? Den Satan will sie herbeilocken mit lästerndem Rufen? Der Satan ist nah, in schwarze Dunkelheit gehüllt, naht er sich ihr. Wie ein Wolf schnüffelt er hinter ihr her und folgt ihren Spuren. Auch wenn sie ihn nicht sieht, er beobachtet das arme Mädchen. Ein gleißendes Licht in den Augen zündet er an. Er spitzt schon das Maul und leckt sich die Pfoten. „Mariken sei auf der Hut! Der Satan ist in der Nähe!“

5

Der Satan erscheint:

Warum klagst Du Kleine? Du weinst Dir die Äuglein aus!“ „Ach!“ „Hast Du etwa Angst vor mir?“ „O nein, Herr!“ „Hast Du Dich auf den Wegen verirrt? Komm, ich zeige Dir, wohin des Weges es geht. Die ganze Gegend kenne ich gut. Darf ich Dich an der Hand nehmen? Willst Du, oder...?“

Er geht auf Mariken zu und will sie an der Hand fassen. Mariken zieht die Hand zurück: „Aber wer seid Ihr, Herr?“ „Ich heiße Belial! Ich habe zwar nur ein Auge, aber reicher als ein König bin ich! Gold habe ich geradezu im Überfluss. Wie im Paradies würdest Du leben, wenn Du mich zum Mann nähmst!“

Kann der Teufel nicht richtig sprechen? Warum sagt er Belial, wenn er Beelzebub meint? Er fasst sie an der Hand und hilft ihr beim Aufstehen.

Mariken antwortet, dass sie nichts habe, weder Geld noch Mitgift, nur einen kleinen Garten und den Großvater. Ich bin zufrieden. Jetzt wird Satan böse: „Mariken! Mariken! Lüge nicht so! Ich sehe doch,wie Dein Blick glüht vor ungeduldiger Habsucht. Mit mir kannst Du die Welt nach Herzenslust genießen."

6

Mariken ist unschlüssig:

Der Prinzipal warnt: „Mariken sei auf der Hut!“ Mariken hat die Hände auf der Brust verschränkt und kann sich nicht entschließen. Auf jedes Locken nähert sie sich dem Satan und weicht wieder zurück. Der Satan kreist um sie herum. Der Prinzipal ist ernstlich besorgt: „Entsinne Dich Deines Häuschens mit dem Garten“ rät er dem Mädchen.

Jetzt meldet sich auch der Chor mahnend zu Wort: „Mariken! Mariken, entsinne Dich der Jungfrau Maria, Deiner Patronin!“ Der Prinzipal, ihr Hüter, ist verzweifelt: Mariken soll sich des Kreuzchens im Medaillon entsinnen. Wütend reißt Satan ihr das Medaillon herunter und wirft es weg. Mariken ist ganz überrascht ob solcher Unverschämtheit. Spätestens jetzt müsste ihr kommen, dass mit dem Teufel nicht gut Kirschen essen ist.

7

Mariken unterliegt

Der Chor fleht, Mariken solle sich der Jungfrau Marie entsinnen. „Mein Gott, mein Gott erbarme Dich meiner!“ Der Chor und Mariken wechseln mit ihren Gebeten ab. „Herrgott habe Erbarmen mir ihr“ „Gekreuzigter Christus, erbarme Dich meiner.“ Der Chor holt zum Endspurt aus: „Christus am Kreuze, Deinem göttlichen Wunder zuliebe, habe Erbarmen mit mit der Armen. Mariken fleht ein letzten Mal um Erbarmen, sinkt dann zu Boden und verhüllt ihr Angesicht.

Der Satan vollführt einen aggressiven Tanz um Marikens Seele bis zu deren Überwältigung. Mariken leistet Widerstand, wehrt sich, ergibt sich und leistet erneut Widerstand – bis sie zuletzt dem Willen des Satans unterliegt. Während des Tanzes erscheint eine Gruppe von Teufeln und singt im Takt immerzu. „Mariken! Mariken! Mariken!“

8

Mariken wandelt sich

Die Unschuld vom Lande wandelt sich und singt aus voller Kehle:

Ach, was für ein schönes Spiel
Ich, federleicht, wie ein Schatten,
keine Schwere fühle ich!
Nur im Herzen flammt es heftig
das Feuer der seligen Liebe -
mein heiliges Kreuzchen habe ich nicht mehr,
der Teufel holte es, was soll ich damit?
Es naht die goldene Zeit des Glücks
in der ich vor Leidenschaft trunken sein werde!
Sieh, ich steige schon wie ein Vogel
aus dem Tränental zu den Wolken empor.
Komm, Du überschwängliche Liebe!
Es perlt der Wein und das Lachen.
Warum quält mich die Erinnerung
an meine fürchterliche Sünde?
Von Wein und Liebe berauscht
werde ich tanzen wie ein Schaum,
solang sich der Wind nicht legt,
der wie ein Feuer in meiner Brust brennt."

9

Mariken verreist nach Anvers

Der Prinzipal fühlt sich bemüßigt, ein paar Erklärungen über Marikens Verhalten loszulassen: Ei, Mariken begann also ein neues Leben, sie ergab sich dem garstigen Satan auf Leben und Tod. Der nützte seine Tricks aus und setzte sich mit ihr auf den Besen - wie ein scharfer Wind flog er eilig davon. Er flog über Kanäle, Wälder und Weinberge, bis er sich in der Stadt Anvers herabsenkte. An der Tür zur Bar legte er Mariken nieder. Unzüchtige Weiber strömten heraus. Mariken in Brokat mit Perlen am Hals, mit diesem teuflischen Glück berauscht sie sich.

10

Wie lustig ist das Leben in Anvers

In der Bar zum „Goldene Hain“dort trinkt man, dort spielt man,
dort tanzt man und dreht sich unter dem Taktstock des Todes!
Dort verdünnt man Bier mit Gin, Schnaps mischt man mit Wein,
dort verspielt man in den Karten, oder man gewinnt in der Liebe

Wer daheim eine Alte hat, der zwickt sich eine Junge auf

in der Bar zum „Goldenen Hain“! Auch das Messer blitzt plötzlich auf und
rotes Blut spritzt herum. Wir haben Geld wie Heu, und sind die Taschen leer,
stehlen wir es dem Schankwirt in der Bar zum „Goldenen Hain“!

11

Mariken genießt die sündige Welt

Inzwischen kommt Mariken her, begleitet vom Satan. Mariken ist ungemein herausfordernd geschminkt, rote Lippen, markante bemalte Augen, hat ein herrliches Kleid an und einen scharlachroten Mantel. Ihr Benehmen ist lasziv und provozierend. Der Satan bleibt im Hintergrund. Die Gruppe von Abenteurern beobachtet beide neugierig, aber anfangs traut sie sich nicht, an Mariken heranzutreten.

Dann greift der erste Trunkenbold sich ein Herz: „Verdammt! Nie hab ich so ein hübsches Mädel gesehen! Schön und anmutig ist sie, wie eine Prinzessin.“ Die Kellnerin warnt sie, sie sollen auf der Hut sein. Die Trinker machen sich gegenseitig Mut. Das Mädchen soll keine Angst vor ihnen haben. Es soll herkommen und aus ihrem Becher trinken. Für ein Küsschen auf die Wange bekommt sie auch einen Taler, singt der Chor. Das Mädchen wird als raffiniert und durchtrieben eingeschätzt. Hier ist mein Glas, sie soll mit ihm trinken, fordert der eine Trunkenbold sie auf. Die Kellnerin nimmt eine feindselige Haltung ein. Die Kleine lache die Narren nur aus! Doch sie wird von den Gästen nachdrücklich aufgefordert, sich mit ihnen an den Tisch zu setzen. Das Schankmädchen warnt, sie sollen auf der Hut sein. Mariken führt sich wie ein leichtes Mädchen auf, tänzelt um die Spieler herum und entfernt sich wieder. Mariken reizt die Männer zur Eifersucht und es kommt zu einer Messerstecherei. Der Chor empört sich. Ist es nicht genug, dass Mariken Ihre Seele verloren hat? Will das törichte Mädchen jetzt auch noch in die Hölle kommen? Doch der Satan bringt Mariken in Schwung. Tanzen soll sein Herz in der Flamme. Verbrennen ihre Leiber samt ihrer Seele! Inzwischen ist ein Teufelschor aufgetaucht, der den Satan noch unterstützt. Doch Gott wird Mariken am Jüngsten Tag fragen, wie viel Seelen Mariken vernichtet hat. Der Satan fordert Mariken auf, das sie tanzen soll und ihrer Asche einen Kuss geben, gegen den kein Kraut gewachsen ist. Der Chor der Teufel gerät in Ekstase und wiederholt:

Tanze mein Herz,
tanze in der Flamme,
verbrenne ihre Leiber
samt der Seelen."

12

Satan fordert die endgültige Unterwerfung

Der Chor tadelt Mariken, dass ihr lustvolles Verhalten noch zu einem schlimmen Ende führen wird. Der Satan bringt Mariken zur Raserei, sie solle diese tollen verwilderten Kerle ohne Erbarmen verbrennen. Verdammt sind sie zur Hölle. So wie sie sich verdammt hat. Die verfluchte böse Priesterin ist sein süßer Himmel.

Der Satan befreit Mariken aus den Umarmungen der Spieler. Er springt mit einem Satz auf den Tisch,  Mariken an seiner Seite. „Tochter der Hölle! Tochter der Liebe! Die ganze Welt brennt vor Deinen Augen!“ Alle singen, dass Mariken die Tochter der Hölle sei. Der Satan betont, dass er ihr Gott sei. „ich bin dein Herr, Mariken!“ Er reißt Mariken in die Arme und eilt davon.

13

Marikens Schandtaten

Die Engel im Himmel wehklagen,
sie weinen blutige Tränen
über das arme Mariken!
Die ging von Stadt zu Stadt,
überall säte sie Sünde und Verderben
und hielt ihre furchtbare Ernte,
geschützt vom teuflischen Gevatter,
dem einäugigen Liebhaber und Bösewicht.
Eifersucht, Hass und Ärger, Gewalt, Raub und Blut,
Vatermord, Selbstmord,
jede elende Schandtat
war für Mariken gut,
um sie zu begehen,
um dem Satan den Gefallen zu tun.
Mariken! Mariken!
Besinne dich auf das Jüngste Gericht,
besinne dich auf die Jungfrau Maria.,auf den Garten mit Tulpen,
besinne dich auf Dein Heimatland
auf das Paradies Deiner Unschuld!
Und denke an Deine Jugendzeit zurück.“

ZWISCHENSPIEL

Der Satan erscheint auf der Szene und fragt: „Woran denkst du mein Liebchen?“ „Ich denke zurück!“Du sollst nur an mich denken!“ „An Dich denke ich mehr als genug“ kommt die patzige Antwort.

14

Marikens Reue, Buße und Erlösung

Nun wird die Aktion zu mittelalterlich, zu fromm und zu chaotisch. Wir kommen zum Finale. Das Volk gerät in großes Entsetzen. Der Satan bemächtigt sich de armen Mariken, fliegt mit ihr in die Wolken und dort von der höchsten Wolke schmettert er Mariken auf die Erde.

Aus ihrem Trauma erwacht Mariken. Sie dankt dem Herrn, dass sie am Ende ihres Irrweges angekommen ist und reckt ihre sündhaften Hände zum Himmel empor. Sie schreitet über Himmelsbrücken und sendet einen Gnadenruf zum Himmel.

Alleluja tönt der Frauenchor und stellt fest, das die Sünderin sich bekehrt und Buße getan hat. Es herrscht große Freund bei den Engeln im Paradies. Alle Cherubine im Himmel frohlocken und bejubeln die erlöste Seele. Maria hat ein Wunder getan!

Anmerkung:

Bohuslav Martinů drängte es weg von der Folklore und er suchte nach neuen Ufern. Er stieß auf die mittelalterlichen Msyterienspiele und formte vier davon zu einem Opern-Zyklus „Hry o Marii“. Die handlungsträchtigste, aber auch verworrenste ist „Mariken z Nimègue“. Einige Passagen haben wir als Zitat aus dem Libretto herüber gerettet aber einen großen Teil - so das Spiel „Mascarone“ - wie überflüssiges Gestrüpp aus dem Handlungsstrang herausgenommen. Martinů hatte mit seinem Opus eine unglückliche Hand und konnte keinen Erfolg verbuchen.

Als Volksschauspiel hat Mariken in regionaler Umgebung das Mittelalter überdauert und dürfte in seiner Ausstrahlung an „Rotkäppchen und der böse Wolf erinnern“. Ernsthaft auseinandergesetzt mit der „Mareike aus Nymwegen“ hat sich Eugen d'Albert, dessen dreiaktiges Legendenspiel am 31.10.1923 in Hamburg seine Uraufführung erlebte.

***
musirony – Engelbert Hellen

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