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Schöne Oper - selten gehört



Karol Szymanowski [1882-1937]
Hagith


 

Oper in einem Akt

op. 25, entstanden 1912/13

Libretto von Felix Dörman
unter Mitwirkung des Komponisten

in polnischer Sprache

Uraufführung am 13. Mai 1922 in Warschau

Dauer 80 Minuten

Charaktere:

Hagith
Der alte König
Der junge König
Hoherpriester
Leibarzt
Untertanen


INHALTSANGABE

Das historische Umfeld der Handlung wird nicht exakt lokalisiert, lässt aber einen Schauplatz in Nahost zu vorchristlicher Zeit vermuten. Die Lebensuhr des Königs ist fast abgelaufen. Bedauerlicherweise wohnt im alten Körper aber noch ein junger Geist, der große Taten vollbringen möchte und nicht wahrhaben will, dass das Leben zu Ende gehen wird. Obwohl dem Kronprinzen bereits als König gehuldigt wird und er sich probeweise die Krone auf das Haupt gesetzt hat, ist der Alte nicht geneigt, das Zepter unter der Bettdecke hervorzuholen und aus der Hand zu geben.

Der Leibarzt hat mangels fundierter medizinischer Kenntnisse eine glorreiche Idee, die vom Hohepriester mit patriarchischer Gewalt durchgesetzt wird. Eine Jungfrau soll dem König seine Unschuld opfern, damit ihre mystische Kraft den Prozess der Gesundung in die Wege leitet und der alte Kräftezustand wieder hergestellt wird. Ein unbescholtenes Mädchen ist bald gefunden, steht aber der ihr zugedachten Aufgabe abweisend gegenüber. Hagith erweist sich als widerborstig und will sich den emotionalen und sexuellen Wünschen des Königs nicht fügen, obwohl die Androhung massiver Bestrafung ihr Angst macht.

Ihre Weigerung hat neben physischem Unbehagen noch einen weiteren Grund. Dem jungen König ist sie im Palast zufällig wiederbegegnet. Der Funke der Leidenschaft schießt empor und die beiden jungen Leute bekunden in ihrem Liebesduett, dass sie wie füreinander geschaffen sind.

Hagith lockt den König zu einem Ausflug ins Gebirge, um ihm dort das Versprechen zu entlocken, dem Thronfolger schon jetzt die Königswürde zu bestätigen und ihm die Regierungsvollmacht zu übertragen. Der Dank des Mädchens bleibt aus und die Situation eskaliert, denn der alte König akzeptiert die emotionale und erotische Zurückweisung nicht und erliegt einem Kreislaufkollaps, ohne dass es zu einer körperlichen Annäherung gekommen wäre. Das Mädchen sieht sich zunächst von seiner unappetitlichen Aufgabe erlöst und macht dem Volk freudig Mitteilung vom jähen Ableben des Herrschers. Hagith hat allerdings die Rechnung ohne ihren  Dämon gemacht. Der Hohepriester sieht seine Autorität untergraben und ist trotz ausgeübter Dominanz nicht an das Ziel seiner machtgierigen Wünsche gelangt. Hasserfüllt informiert er das Volk über das Verweilen des Mädchens zum Zeitpunkt des tödlichen Geschehens in der unmittelbaren Nähe des Königs. Königsmord unterstellt er und der Verleumder überzeugt die Massen. Die unschuldig Verdächtigte wird gesteinigt. Der Versuch des Prinzen, sie aus den Fängen des Pöbels zu retten, kommt zu spät.

Karol Szymanowski:

Anmerkung:

Karol Szymanowksi versucht in seinem Einakter zwischen den biblischen Ereignissen um König Davids letzte Lebenszeit und seinem eigenen Entwurf eine Parallele zu ziehen. Es kommt aber nur zu einer Variation, weil die Chronisten der Bibel präzise formulieren und ihre Akzente völlig anders setzen. Zum Zwecke des Austauschs biologischer Wärme mit dem alten König wird Abisag aus religiösen und patriotischen Erwägungen freiwillig die Bettgenossin des Königs. Es heißt im Alten Testament ausdrücklich: „Der König erkannte sie nicht!“ Die Liebe Adonijas, des viertältesten Sohns von König David, hatte die Sunamitin zurückgewiesen. Die Mutter des erwachsenen Königssohns war Haggit, eine der acht Hauptfrauen des alten Königs.

Die Idee, durch den Austausch frischen Bluts die Lebenskraft wieder aufzufrischen, beschäftigte auch einige Renaissance-Päpste,  aber auch hier versagte die ärztliche Kunst. Die Knaben, welche angezapft wurden, um ihr Leben für den Heiligen Vater zu lassen, hatten  leider die falsche Blutgruppe.

Abgesehen von der historischen Unstimmigkeit ist dem polnischen Wegbereiter der Klassischen Moderne ein großartiger Wurf gelungen. Die Charakterzeichnungen der Hauptpersonen sind messerscharf und in atemberaubender Spannung drängt die Handlung vorwärts - unterstützt von der Dynamik einer expressiven Musik.

 

Aufführung:

In der packenden Inszenierung des Opernhauses  Breslau wird auf den Ausflug ins Gebirge verzichtet.
Der alte König ist zudem an den Pocken erkrankt, die den Kopf und das Gesicht in verheerender Weise entstellen. Die beklemmende Atmosphäre fängt die Regie geschickt ein. Die historisierenden Kostüme und die monumentale Bühnendekoration des königlichen Schlafzimmers mit Durchblick auf den Gang unterstützen die eindringliche Darstellung der Protagonisten und Statisten. Das Beängstigende der Situation überträgt sich auf den Besucher. Die Jungfrau wird im Finale nicht gesteinigt, sondern der aufgehetzte Mob, der wie die Insassen einer Irrenanstalt auf den Betrachter wirkt, erdrückt das verstörte Mädchen mit seiner Körpermasse im Bett des Königs.

***
musirony 2009 - Engelbert Hellen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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