Schöne Oper - gern gehört
Béla Bartok [1881-1945]
Herzog Blaubarts Burg
A kékszakállú herceg vára
Oper in einem Akt
Libretto von Béla Belázs
nach Vorlagen der Märchen „Barbe-Bleue“ und „Anna Molnár“
ungarisch gesungen
Urauffühung am 24. Mai 1918 am Königlichen Opernhaus Budapest
Charaktere:
Herzog Blaubart (Bariton)
Judith (Mezzo)
Blaubarts frühere Frauen (Stumme Rollen)
Prolog (Sprecher)
Ort der Handlung ist die fiktive Burg Herzog Blaubarts zur Märchezeit.
Inhaltsangabe
Der Oper voran steht ein knapper, gesprochener Prolog in Versform – er deutet Grundzüge des Dramas an, ohne dabei aber konkrete Hinweise auf Ort, Zeit und Handlung zu geben.
Neben einer einleitenden Funktion stellt der Prolog die Oper in einen größeren, regelrecht psychoanalytischen Kontext - „Wo ist die Bühne: Außen oder Innen ?“
Und in der Tat – die phantastische Handlung scheint selbst mit märchenhafter Magie nicht in allen Punkten erklärbar.
Béla Balász
Judith hat für Herzog Blaubart, der auf sie eine magische Sogkraft sondergleichen ausübt ihre Familie und ihren Verlobten verlassen und betritt mit dem ihm die finstere, fensterlose, gotische Halle seiner Burg. Ihn will sie glücklich machen und das dunkle, beängstigende und traurige Gemäuer mit dem Licht ihrer Freude und Liebe füllen. Sie bittet den Herzog um eine Führung durch das Schloss und darum, hinter die sieben verschlossenen Türen blicken zu dürfen.
Blaubart gibt nur unter größtem Unwillen nach und nach die Schlüssel für die Türen heraus.
In den verschlossenen Kammern findet Judith die Folterkammer, die Waffenkammer, den Schatzsaal, den Zaubergarten und hinter der fünften Tür einen Erker mit Aussicht auf Blaubarts weite Ländereien. Alle Räume enthalten verdächtige Blutspuren, welche Judith einerseits erschrecken, andererseits ihre Neugier auf die nächsten Türen immer weiter schüren. Beim öffnen jeder Tür wird es im Schloss ein wenig heller – bei der fünften Tür wird die Burg endlich mit strahlendem Sonnenschein (Orchestraler Höhepunkt der Oper) geflutet. Blaubart bittet Judith inständig, nicht die zwei letzten Türen zu öffnen und versucht sie mit Küssen und der atemberaubenden Aussicht abzulenken.
Aber Judith will keine verschlossenen Türen sehen und so öffnet sie die sechste Tür – hinter ihr findet sie einen See aus Tränen. Die Helligkeit im Saal trübt sich wieder merklich ein.
Wieder versucht Blaubart seine Geliebte von der allerletzten Tür abzulenken – Judith jedoch wird immer forscher und glaubt bereits zu wissen, dass hinter der siebten Tür die Leichen seiner ehemaligen Frauen zu finden sind, von denen auch Blut und Tränen aus den anderen Räumen stammen.
Und ja, nachdem die letzte Tür geöffnet ist, kommen seine drei ehemaligen Frauen als lebende, stumme Tote, bekrönt und in schwere Gewänder gekleidet hervor.
Blaubart erzählt ihre Geschichten – eine fand er am Morgen, eine am Mittag und eine am Abend. Judith hält sich für unattraktiv im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen – Blaubart aber sieht in ihr die Schönste von allen, holt die Krönungsinsignien aus der Schatzkammer und krönt Judith zu seiner „Frau der Nacht“ - Judith, vom schweren Mantel und der Krone fast zusammenbrechend, folgt den drei anderen Frauen in den Raum hinter der siebten Tür, welche sich langsam schließt. Es wird wieder völlig Finsternis, in welcher Blaubart verschwindet.
Anmerkung:
Béla Bartóks „Herzog Blaubart“ ist von Ungarns Beiträgen zum Musik-Theater, der einzige, der weltweit größte Beachtung fand. Die Historien-Gemälde von Franz Erkel wie „Hunyadi László“ und Bánk Bán sind musikalisch spannend und illustrativ erzählt, bilden aber lediglich den Unterbau ungarischen Opernschaffens. Zoltán Kodály konnte mit seiner „Spinnstube“ und vor allem mit „Harry Janos“ auf sich aufmerksam machen. Die Avantgarde warten dann noch mit Sándor Szokolays „Bluthochzeit“, mit Emil Petrowics' „Crime and Punishment“ mit Sándor Balassas „The Man Outside“ und mit György Ligetis „Le Grand Macabre auf. Alles andere findet nur regionales Interesse und ist einer breiteren Öffentlichkeit nur zugänglich, wenn ein Anbieter einen Tonträger produziert.
Dabei hatte der diabolische Herzog es nicht leicht, das Publikum für sich einzunehmen. Einer Erzählung des Märchendichters Charles Perrault (1628-1703) entsprungen, erhielt Blaubart seine dämonischen Züge erst durch Bartóks kompromisslose Orchestration. Die ungarische 'Kommission der schönen Künste' hatte im Jahre 1916 Bedenken, das Werk wegen Unaufführbarkeit zuzulassen. Béla Bartók war irritiert und reagierte zu recht gekränkt, zog sein Opus zurück und widmete sich vermehrt dem Studium der Volksmusik. Doch der Komponist hatte Freunde, die den Wert seines Werkes erkannten, und es war vor allem der italienische Dirigent Egisto Tango, der eine Aufführung befürwortete. Emma, die Gattin des Komponisten-Kollegen Zoltan Kodaly, stand ebenfalls auf seiner Seite. Doch 'Herzog Blaubart' musste in seiner letztgültigen Aufführung noch 20 Jahre auf den Weltruhm warten und sich viele Änderungen gefallen lassen, bis 1938 bei den Florentiner Mai-Festspielen eine Aufführung in der Einrichtung der Budapester Oper einem internationalen Publikum vorgestellt werden konnte. Aufführungen in deutscher Sprache gab es schon 1922 in Frankfurt und 1929 in Berlin. Das Märchen Perraults wird durch seine tiefenpsychologische Ausdeutung durch die Musik aufgewertet. Die existenzbedrohende Einsamkeit des Mannes, die in der Erlösung durch den Liebreiz einer Frau ihr Ende finden soll, scheitert an der weiblichen Neugierde. Judith beharrt darauf, in die dunklen Kammern seines Herzens vorzudringen, deren Ausstattung er aber nicht zeigen möchte. Sie setzt sich durch und büßt ihre Hartnäckigkeit mit ihrem Untergang, den er ihr wegen Missachtung seiner Intimsphäre bereitet.
Dem künstlerische Wert des Musikdramas wird gern Debussys „Pelleas und Melisande“ als Äquivalent gegenübergestellt. (Anm. Red. E.H.)
© September 2009 – Raphael Lübbers