Erstes Bild: GERICHTSHALLE IN DER PRAGER BURG
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Der Ritter Dalibor hat vergessen, dass das Gewaltmonopol in den Händen des Königs ruht. Mit den Gesetzen des Landes ist er in Konflikt geraten, der so schwerwiegend ist, dass König Vladislav es für angemessen hält, selbst Gericht zu halten. Im Volk ist der Ritter beliebt, weil man in ihn große Hoffnung en setzt, das Joch der polnischen Dynastie der Jagellonen abzustreifen. Mit einhämmernder Wirkung schallt es im Chor immerzu: Dalibor! Dalibor! Dalibor! Die Menschen haben sich im Prager Burghof versammelt, um die Gerichtsverhandlung aus der Nähe zu verfolgen. Jitka, ein Waisenkind hofft zuversichtlich, dass ihr Beschützer straffrei ausgehen wird.
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Der König hält feierlichen Einzug in den Gerichtssaal. Er eröffnet die Verhandlung und man verliest die Anklage gegen den Ritter Dalibor wegen Reichsfriedensbruch. Zur Seite stehen dem König seine Getreuen und der Rat der Stadt. Hat Dalibor mit seiner Lynchjustiz das zulässige Maß überschritten? Was ist geschehen? Was steht in der Klageschrift? Dalibor hat seinen lieben Nachbarn, den Ritter Adam von Drahonice, in seiner Burg überfallen, erschlagen und seine Unterkunft in Schutt und Asche gelegt. Die Schwester des Erschlagenen hat Strafantrag gestellt, erscheint in Person als Nebenklägerin und will den Täter auf das Schafott geschickt wissen. "Nun liebes Mädchen, sage was geschah", wird sie vom Gericht aufgefordert. Milada hat ihren großen Auftritt.
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Dalibor tritt vor und betört die Anwesenden durch seine stolze Erscheinung. "Ha, welch ein Mann von edler Majestät" stellt das Tribunal fest. Er soll sich rechtfertigen! Nun, der Freund Zdenĕk hatte eine Fehde mit dem Grafen Adam und geriet in dessen Gewalt. Besorgt um sein Schicksal, schickte er Lösegeld, um den Hofmusiker freizukaufen. Als Antwort bekam er das blutige Haupt des geliebten Freundes, sorgfältig eingewickelt und verschnürt durch die Pferdepost zugestellt. In seiner Ehre gekränkt, schwor er Rache, überfiel den Übeltäter, tötete ihn und brannte die Behausung nieder. Ein Aufrührer sei er nicht, er habe nur den Tod des Freundes sühnen wollen. Die nachgeschickte unpassende Bemerkung, wenn er sich im Recht fühle, würde es ihm nichts ausmachen, auch sein Schwert gegen den König zu erheben, hätte er besser nicht ausgesprochen. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz! Töricht hat er seinen Bonus an Wohlwollen verspielt. Das Gericht sieht sich genötigt, ihn zu lebenslanger Haft zu verurteilen. In Erinnerung an seinen Freund Zdenĕk hofft er nun auf ein besseres Leben im Jenseits – ein kläglicher Abgang, zu dem die überhebliche Haltung gar nicht passen will.
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Doch unverhofft erhält er Schützenhilfe von Milada. Der strahlende Ritter in der blitzenden Rüstung hat ihr Mädchenherz gerührt. Der Tod des Bruders und die Brandschatzung ihres Heimes sind mit einem Mal unwichtig geworden. Dass unter dem flatternden Helmbusch nur wenig Verstand platziert ist, hat die Unschuldsvolle nicht mitbekommen. Sie selbst trägt die Nase ebenfalls hoch und der Verurteilte – rein optisch gesehen – wäre würdig, den Platz an ihrer Seite einzunehmen. Sie ist bereit, auf Sühne zu verzichten und bittet das Gericht, das Urteil zu annullieren: "Erbarmen, ach erhört mein Flehen." Absolut nachvollziehbar, ist der König nicht geneigt, den Urteilsspruch aufzuheben. Der Verurteilte hat sich gegen ihn selbst empört und seinem Wortschatz freien Lauf gelassen. Der Tatbestand des Hochverrats lässt sich nicht länger leugnen. Er hat den Souverän in Anwesenheit des Volkes und des Gerichts mit dem Schwert bedroht – jedes weitere Wort sei überflüssig.
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Zweiter Akt
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Zweites Bild: EINE SCHENKE VOR DER STADT
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Jitka trifft ihren Liebsten Vitek in einer Schenke vor der Stadt. Vitek ist ein Gefolgsmann Dalibors und hat einige bewaffnete Kameraden um sich geschart. Die Vollwaise hat Neuigkeiten zu berichten. Der Funke der Leidenschaft ist von Milada zu Dalibor übergesprungen. Sie hat männliche Kleidung angezogen und sich dem Kerkermeister als Gehilfen angeboten und den Job bekommen. Milada möchte dem Geliebten nahe sein und eine Möglichkeit zur Flucht erkunden. Die Freundin hat ihr Vorbild in der Novelle von Leonore ausfindig gemacht, der es in ihrer Verkleidung als Fidelio gelang, ihrem Gatten Florestan Freiheit und Lebensqualität zurückzugeben.
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Drittes Bild: IM HOF VOR DER WOHNUNG DES KERKERMEISTERS
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Budivoj der Befehlshaber der Wachen auf der Prager Burg befiehlt dem Kerkermeister, den Gefangenen Dalibor streng zu bewachen. Er soll sich alles merken, was er ihm sagt. Der neue junge Gehilfe erweckt sein Misstrauen, doch die beiden verstehen es, seine Bedenken vorübergehend zu zerstreuen. Beneš gefällt seine Beschäftigung als Kerkermeister nicht und er klagt: "In den düsteren Mauern hat er nichts was ihm gefällt." Der verkleideten Milada ist es gelungen, sich beim Kerkermeister einzuschmeicheln. Geschickt hat sie herausgekitzelt, in welchem Verlies sich der Gefangene befindet. Beneš, dem alles ziemlich egal ist, weil er sich ohnehin bald in den Ruhestand begeben will, erlaubt seinem Gehilfen, dem Gefangenen zur Unterhaltung eine Geige zu schenken. Selbst ist er musikliebend und hält es für wünschenswert, wenn durch den vergitterten Luftschacht hin und wieder eine Violinsonate erklingen würde. Milada fiebert dem Wiedersehen mit dem unglücklichen Ritter entgegen. Es ist ihr erster Besuch in den dunklen Gewölben. Der Weg zu dem Gefangenen führt 70 Stufen nach unten und drei schwere Eisentüren müssen entriegelt werden. Beneš hat ihr den Weg genau erklärt. Wieso kommt er nicht selbst mit?
Viertes Bild: IM KERKER
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Der Gefangene ist eingeschlafen. Offenbar träumt er von seinem ermordeten Freund Zdeněk, denn der Opernbesucher hört aus dem Orchestergraben den Klang der Solovioline, die das Leitmotiv wiederholt. Dalibor erwacht und klagt: ‚Verschwunden bist du, mein geliebter Freund Zdeněk’. Wie glücklich wäre er, ein Seiteninstrument zu besitzen, um die Lieblingsweise, die in seinem Herzen unaufhörlich wiederklingt, akustisch zu aktivieren. Innige Wünsche, mit eindringlicher Bitte um Erfüllung, in die Weiten des Universums geschickt, verdichten sich manchmal schnell zur Realität. Plötzlich hört er das Klirren des Türriegels. Milada steht vor ihm und hat - o Wunder - eine Geige mitgebracht. ‚Nehmt dies Geschenk von meinen Händen’ eröffnet die ehemalige Burgnachbarin den Dialog. Sie gibt sich zu erkennen und verleiht ihrer tiefempfundenen Reue, ihn auf die Anklagebank gebracht zu haben, musikalischen Ausdruck. Hätte er sich zu früherer Zeit einmal selbst unter dem Fenster ihrer Kemenate gezeigt und eine Leiter dabei gehabt, wäre es zum vorliegenden Fiasko gar nicht gekommen. Aber statt dessen kam sein Geiger stets allein. Sie will ihre Voreiligkeit wieder gutmachen und hat einen Fluchtplan vorbereitet. Beide finden in Liebe zueinander, damit die Erwartungen der Zuschauer erfüllt werden und der weitere Verlauf der Ereignisse einen Hauch von Logik bekommt.
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Dritter Akt:
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Fünftes Bild: THRONSAAL IM HRADSCHIN
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Im Volk brodelt der Aufruhr – von Milada geschürt. Im Thronsaal des Hradschin sitzt man zur Beratung. Dem Führer der Wache war der seltsame Knabe im Dienst des Kerkermeisters von Anfang an suspekt vorgekommen, hatte aber nicht Verrat, sondern sexuelle Umtriebe gewittert. Der Kerkermeister muss Rechenschaft ablegen. ’Mein Herr und König! Edle Herren des Landes’ eröffnet Beneš seinen Monolog. Er habe nicht gewusst, dass der Spion ein Freund Dalibors gewesen sei. Letzte Nacht ist er verschwunden, hat einen kleinen Geldbetrag hinterlegt und auf dem beigefügten Zettelchen stand der Vermerk: ‚Nehmt und schweigt!’ Lobenswert, dass es nun nicht dem Kerkermeister an den Kragen geht. Eingehende Konsultation mit dem Thronrat erbringt als Resultat, dass man das Übel bei der Wurzel packen muss. Wenn man dem Unruhestifter den Kopf vom Rumpf hebt und Dalibor als Anführer untauglich gemacht hat, wird das Krakeelen des Volkes von allein aufhören. Das Todesurteil ist schnell unterzeichnet. Es soll sofort vollstreckt werden.
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Sechstes Bild: IM BURGHOF
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Männer und Frauen dringen in den Burghof ein, um ihren Helden zu befreien. Ihn aus dem Kerker herauszuholen, hat die Zeit gefehlt. Bei der Auseinandersetzung mit den Burgwächtern wird Milada schwer verletzt. Dalibor kann sich losreißen und kniet neben der Sterbenden nieder. Budivoj ist großzügig und gönnt den Liebenden einen Abschied in zärtlicher Umarmung. Den Tod unter dem Fallbeil entzieht sich Dalibor durch einen Suizid. Wie praktisch - ein Selbstmörder hat vorübergehend Anspruch auf Trauer, kann aber nicht mehr als Märtyrer gefeiert werden. Der Volksaufstand wird in aller Ruhe niedergeschlagen.
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Daliborka, Gefängnis Dalibors im Hradschin
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Anmerkungen:
Die Musik Smetanas ist sehr eindringlich und sorgfältig instrumentiert. Gelegentliche Variationen musikalischer Einfälle als Bausteine mit Wiedererkennungswert von Situationen und Personen lassen nicht zwingend auf Wagnernähe schließen. Bedrohlich ist eher die literarische Nachbarschaft zu Fidelio und Lohengrin. Sie kann die Ursache sein, weshalb, der Oper kein nachhaltiger Erfolg beschieden war. In die Kategorie der Rettungsoper kann man das Werk nur unter Vorbehalt einordnen, weil die Rettung misslang. Zur Anteilnahme bietet der Antiheld wenig Anlass, denn mit seinem Stil kann der kritische Theaterbesucher sich nicht identifizieren.
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Der historische Dalibor kommt moralisch bedeutend besser weg. Er selbst hat sich seinem mächtigeren Nachbarn nicht in mörderischer Absicht genähert. Als brutaler Fronherr kam dieser durch rebellierende Bauern zu Schaden, die Adam aus seiner Burg vertrieben. Die Bauern begaben sich freiwillig unter den Schutz von Dalibor, der Adams Güter als leichte Beute an sich nahm. Adam von Drahonice, nicht die Schwester, erhob Anklage vor König Vladislav II, hatte vor Gericht die bessere Lobby. Der ungerechtfertigten Bereicherung und der Störung der öffentlichen Ordnung wurde er für schuldig befunden. Besondere Sicherheitsvorkehrungen wegen Fluchtgefahr wurden nicht getroffen. Er bekam ein Turmzimmer in der Prager Burg mit Blick auf das Umland. Zur Unterhaltung ließ man ihm seine Geige, die er vortrefflich spielte. Zu seinen Solokonzerten versammelte sich das Volk unter seinem Fenster, um der Musik zu lauschen. Durch sein herzzerreißendes Spiel erlangte er die Gunst breiter Massen. Seine Beliebtheit wurde ihm zum Verhängnis. Die Herrschenden verweigerten die Begnadigung und Dalibor wurde 1498 zum Tode verurteilt. Das Kollektivbewusstsein der Menschen ließ ihn nicht fallen und der Turm seiner Gefangenschaft bekam im Volkmund den Namen Daliborka.
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© MUSIRONY August 2007 – Engelbert Hellen
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