Schöne Oper - gern gehört
Antonín Dvorák [1841-1904]
DIMITRIJ
Dimitri - Demetrius
Oper in vier Akten
op. 64, entstanden 1882
in tschechischer Sprache
Libretto: Marie Tscherniková-Riegrová
Uraufführung: am 8. Oktober 1882 am Neuen tschechischen Theater in Prag
Dauer der Handlung etwa 3 Stunden
Dokumentation: Einspielung auf CD aus dem Jahre 1991 mit der Tschechischen Philharmonie unter Gerd Albrecht und dem Prager Rundfunkchor unter Pavel Kühn,
CD von Supraphon (Jahr 2004), Nr. SU 3793-2, 3 CDS
Charaktere:
Dimitri Iwanovitsch, abgeblicher Sohn Iwan des Schrecklichen
Marfa Iwanowa, Zarin, Witwe Iwan des Schrecklichen
Marina Mnischkowa von Sandomir, Dimitris polnische Gemahlin
Xenia Borisowna, Tochter des Zaren Boris Godunow. verliebt in Dimitri
Peter Fjodorowitsch Basmanow, Kommandant der Arme des Zaren
Fürst Wassilij Schuskij, Anwärter auf den Zarenthron
Hiob, Patriarch von Moskau
und weitere
Das Geschehen spielt in Moskau in den Jahren 1605-1606
HANDLUNG
Erster Akt
OUVERTÜRE
Erste Szene:
Der gerechte Gott und Vater soll auf die Tränen von Mütterchen Russland schauen und Zeuge ihrer Not sein, klagt das Volk nach alter Gewohnheit, denn der Zar ist tot. Den Arm des Landesvaters hat der Todeskampf erlahmt und bitterer Harm drückt nun die armen Kinder. Jeder wünscht sich Frieden, doch das Polenheer rückt immer näher. Bald steht es vor Moskaus Toren. Der Erbe aus Iwans Blut soll zu ihrem Schutz herbeieilen. Nur Gottes Auge kann erkennen, ob es kein Scharlatan ist. Wem sollen sie noch trauen? Wer wird die Armen schützen? Gottvater, stark und mild, soll sie ein Wunder schauen lassen.
Der Patriarch von Moskau in Begleitung seiner Priesterschaft tritt in ihre Mitte und ersucht um Gehör. Die edlen Bojaren haben dem Zaren Boris und seiner Familie Treue geschworen. Jetzt sei es an diesen, den Zarenkindern beizustehen und ihnen ihre Ergebenheit zu beweisen. Die Drachensaat, von der die Unschuld bedroht wird, muss vernichtet werden. Der Priesterchor meint, dass die Edlen nicht ruhen sollen, bevor der Feind nicht ausgelöscht ist.
„Glaubt nicht mehr an Iwans Erben,
wehrt dem Unheil ohne Verzug,
Polen reißt uns ins Verderben,
ächtet diesen frechen Trug!“
Nachdem der Klerus seine Meinung geäußert hat, mach er dem Fürsten Schuiski Platz. Selbst wenn Dimitris Behauptung sich bestätigt, ein Nachkomme Iwans zu sein, so besteht seine militärische Macht aus Feinden Russlands, die das Verderben ins Land tragen. Polenblut und Polensitte darf keineswegs im Lande herrschen.
Das Volk ist sich nicht einig, ob die Gnade Gottes nun den kleinen Feodor tatsächlich umschweben soll. Doch Boris war ein Missetäter; von Höllenglut erfasst, trägt er nun an seiner Sünden Last. Keine Gnade für seinen Sohn. Doch den Bojaren ist Dimitri auch nicht recht. Dem frechen Hohn soll das Volk ein Ende setzen und den Verräter mit Waffengewalt einfangen. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, weil jede Gruppe ihre Ansicht, wer auf dem Thron sitzen soll, durchsetzen möchte.
Zweite Szene:
Basmanow hat sich mit seinen Soldaten in den Vordergrund gedrängt. Russland soll auf bessere Zeiten warten und zunächst Dimitri als Herrscher ehren. Er findet es nicht gut, dass Moskau sich gegen Dimitri sperrt. Wenn er herrscht, wird er nicht zulassen, dass ein blinder Haufen mit des Landes Zukunft spielt.
„Dimitri der Krone Segen,
ihn hält seiner Mutter Arm.
Marfa kommt ihm froh entgegen,
fort ist all ihr Schmerz und Harm.“
Das Volk zweifelt. Soll man dem Zeugnis der Zarenmutter glauben? Basmanow besteht darauf, dass Dimitri der neue Zar wird.
Dritte Szene:
Schuiski sieht es nicht gern, dass man den toten Zaren schmäht. Seine Haltung richtet sich gegen Dimitri und er beklagt die Uneinsichtigkeit des Volkes. Es soll dem Scharlatan nur huldigen und seinem Schwindel zum Raub fallen. Wo bleibt ihr Stolz? Dem Thronräuber ist ein großer Wurf gelungen und hat sich des Volkes Sinn zum Nachteil der Godunows arglistig zunutze gemacht. Von Hass getrieben wird Boris nach Gutdünken geschmäht. Undank folgt ihm nach, aber allein Gottes Wille lenkt die Welt. Wenn das Volk die falschen Entscheidungen trifft, wird es schon sehen, was es davon hat. Zum besseren Verständnis der Situation sei erklärt, dass Schuiski adeliger Abstammung ist und aus dem Geschlecht der Fürsten von Susdal abstammt. Die Herrschaft des militärisch starken Dimitri ist das Letzte, was er sich wünscht. Seine greisen Hände werden dessen Macht in Trümmer fallen lassen, prophezeit er.
Vierte Szene:
Die Zarenkinder hatten im Haus Schuiskis eine Zuflucht gefunden. Der Mob hat bei einem Überfall den kleinen Feodor ermordet. Der Himmel hat ein furchtbares Strafgericht gehalten. Xenia weiß den Grund nicht und ihr Gemüt befindet sich in Aufruhr.
„Frech drang der Pöbel bei uns ein,
sein Ziel war Raub und Mord allein.
Der Narrenbrut Verderben,
Feodor der Zar soll sterben.“
Der Bruder und die Mutter sind tot. Hinter der Bühne tönt des Volkes Stimme: „Untergang der ganzen Sippe.“ Schuiski verspricht der verängstigten Xenia, sie mit seinem Schwert zu schützen.
Auf seinen Arm gestützt, verlässt Xenia den Schauplatz.
Fünfte Szene:
Des Volkes große Sehnsucht ist die Einkehr von Ruhe und Frieden im ganzen Land. Im goldenen Sonnenglanz soll das Heil kommen. Wenn erst der wahre Erbe sich auf den Thron setzen wird, darf er auf das Vertrauen des Volkes bauen. Die Menschen Russlands hoffen, dass Dimitri der ersehnte Messias ist. Der Segensspruch der Mutter wird seine Kraft stärken.
Endlich erscheint der heiß Ersehnte in Person. Ehrfürchtig begrüßt er den erhabenen Kreml, in dem die Helden vergangener Zeiten wandelten. Auch er wird nun die Pforte durchschreiten, die ihm den Weg zum Ahnensitz freigibt. Im Volk kommt Rührung auf, denn seine zur Schau gestellte Demut kommt gut an. Demut zeigt die wahre Größe eines Herrschers! Jede Tat, die er vollbringt, soll dem Volk zum Wohl gedeihen, verspricht er. Wenn des Himmels Gnade ihn unterstützt, wird er sein höchstes Ziel erreichen. Der Thronanwärter hat sich geschworen, tapfer zu kämpfen. Er ist bereit, dem Land immer zu dienen. Ganz Moskau soll seinen Eid hören: Den Ruhm Russlands will er vermehren. Falls er träge wird und den Arm sinken lässt, soll Gottes Zorn ihn treffen und sein Name verflucht sein.
Die Zarenmutter erscheint mit ihrem Frauengefolge, um ihn zu legitimieren. An seiner Demut erkennt sie den rechtmäßigen Zarenspross. Die Ahnung sagt ihr, dass es ihr Kind ist, welches sie so lange vermisst hat. Freude durchglüht sie und der Sohn soll ihr willkommen sein. Basmanow erklärt dem Volk, dass der Himmel sich dem Ankömmling zugewandt habe. In seinem Herzen glühe das heilige Gebot, das Vaterland zu retten. Die Leute sollen jetzt verschwinden und den Sohn mit der Mutter allein lassen. „Seht, Marfa traf schon ein!“ „Sie sei mit ihm allein!“
Sechste Szene:
Marfa fühlt sich angeschwindelt. Sie schaut Dimitri kurz ins Gesicht und stellt fest, dass dieser Mensch unmöglich ihr Sohn sein kann. Der Verschmähte spielt seine Rolle nicht schlecht. Er fällt Marfa zu Füßen und gibt vor, sich zu freuen, dass liebe Mutterherz endlich wiedergefunden zu haben. Sie soll ihn in ihre Arme schließen. Marfa kämpft mit ihrer Enttäuschung. Der süßen Hoffnung, ihr Kind jemals wieder zu Gesicht zu bekommen, wird sie nun endgültig abschwören. Ihr totgequältes Herz soll endlich Ruhe finden. Dimitris Enttäuschung ist nicht minder groß, denn von Marfas Bereitschaft, ihn als Sohn anzuerkennen, hängt seine Mission ab. Beide kämpfen mit ihren innersten Gefühlen. Dimitri hat sich tatsächlich in die Vorstellung hineingesteigert, dass die Frau vor ihm seine leibliche Mutter sei. Basmanow versteht es, den Sinn der Zarenmutter zu lenken und rät, Hass und Enttäuschung zum Schweigen zu bringen. Wenn die Mutter dem Kind sich liebend neigen würde, kehre wieder Ruhe ein. Dem Volk würde es nutzen und die Stimme der Zwietracht zum Schweigen gebracht. Marfa ist zunächst ratlos und entschließt sich dann, Liebe vorzutäuschen und der Vernunft zu folgen. Mutter und Sohn umarmen sich. Schuiski sieht es mit Wut:
„Recht und Wahrheit sind verbannt,
falscher Sohn wird anerkannt!
Weibertücke Spott und Hohn
sind des leichten Glaubens Lohn!
Trug und Diebstahl drang hier ein,
nimmer soll er Herrscher sein.“
Dimitri hat sein Ziel erreicht:
„Mutter, Mutter, süßes Wort!
Wonnetaumel zieht mich fort!“
Aller Sehnsucht höchstes Ziel!
Reines Wunder das Gefühl!
Sonnenstrahl zerriss den Trug,
junger Adler, auf zum Flug!“
Marfa ist erleichtert:
„Frohe Regung wärmt mein Blut,
siedend heiß brennt diese Glut!
Mein entzücktes Auge schaut,
träumend neue Welten baut!“
Basmanow hält zu Dimitri:
„Sie hat ihr Kind nun anerkannt,
sinnlos aller Widerstand!
Er ist Iwans wahrer Sohn,
ihm allein gebührt der Thron!
Russlands Söhne sind bereit
ihm zu folgen alle Zeit!“
Hiob, das Volk, die Priester und die Bojaren fühlen sich in ihrem Streben bestätigt.
„Marfa hat ihn anerkannt,
alle Zweifel sind gebannt
Er ist Iwans wahrer Sohn,
ihm gesichert ist der Thron!
In den Kreml ziehe ein,
unser Herrscher sollst du sein!“
„Marfa hat ihn anerkannt,
heilig ist der Liebe Band!
Marfa hat ihr Kind erkannt,
Iwans Erbe ist im Land
Russlands Söhne sind bereit,
ihm zu folgen alle Zeit!“
Gegensätzliche Empfindungen und Erwartungen vereinen sich zum großartigen Finale des ersten Aktes.
Zweiter Akt
Erste Szene:
Im Kreml wird für den Krönungsball alles vorbereitet. Dimitri ist in Marina unendlich verliebt, was ihn allerdings nicht daran hindert, ihren modischen Auftritt zu kritisieren. Wenn sie auf dem Zarenthron sitzen möchte, darf sie sich nicht wie eine Polin kleiden! Wie sollen ihr die Herzen des Volkes zufliegen, wenn sie sich wie eine Okkupantin aufführt?
Noch hat das Glück die Oberhand und der Tag lacht ihm voller Wonne. Ihrer Schönheit wird er die Zarenkrone aufsetzen. Er erwartet von ihr, dass sie sich stets als sein eigen betrachtet. Ihre Liebe sei ihm wichtiger als der Thron und wenn er ihr in die Augen schaut, sei seine Seele trunken. Sie erscheint ihm wie ein Traum und er hat nur den einen Wunsch, stets in Liebe mit ihr verbunden zu sein.
Allerdings sollte sie sich angewöhnen, sich wie eine Russin zu verhalten. Genau das lehnt Marina ab. Ihr Blut sei von höchstem Adel und auf ihre Herkunft werde sie stets achten, weil alle Polinnen es so machen. Sie soll bitte nicht vergessen, des Volkes Mutter zu sein, mahnt der zukünftige Zar. Beabsichtigt er etwa, sich von der Menge tyrannisieren zu lassen? Des Volkes Grollen findet sie lächerlich. Mit Nachdruck betont sie, dass der Polen Kraft und Mut, ihm die Zarenkrone als Geschenk ausgehändigt habe. Dimitri ist gekränkt. Wenn sie nur Polens Herrlichkeit und ihren eigenen Stolz im Sinn hat, bezweifelt er, dass der Gatte ihr überhaupt etwas bedeutet wird. Marina weicht aus:
„Dem Herrscher bin ich zugesellt,
auf dass sein Weg stets höher führt;
vor Dir soll knien die ganze Welt,
dir huldigen, wie sich's gebührt!“
So wie Dimitri sich Marinas Liebe vorgestellt hat, trifft sie nicht ein. Macht und Ruhm sind ihre Welt und sein Herz wird kaltgestellt. Die Hochmütige lässt ihn einfach stehen - er empfindet Leere und fühlt sich dem Druck eisiger Kälte ausgesetzt. Wo sind der Liebe Wundergaben, Liebe und Zärtlichkeit sind von Marina nicht zu haben.
Zweite Szene:
Marina ist an einer friedlichen Koexistenz zwischen Russen und Polen überhaupt nicht interessiert. Ihr liegt daran, das russische Reich zu unterwerfen und sie trinkt ihren Landsleuten freudig zu. Einzig der Ruhm Polens ist ihr wichtig und die Interessen des Gemahls sind ihr gleichgültig. „Wohlvertraut tönen Polens Tänze und Weisen; wonnige Erinnerung schenkt ihnen ihr Klang. Das Heimatland möchte sie preisen, wo die Freiheit blüht, der Tanz und der Gesang.“ Die Polen stimmen ein, aber die Russen lassen sich diese Überheblichkeit nicht bieten. Sie schimpfen auf die freche Meute, die ihr Land als Beute sieht. Wollen die Russen etwa Streit anfangen? Endlich kommt Dimitri, um die Streitenden zu trennen und versucht, die Flammen des gegenseitigen Hasses zu löschen, nachdem Marina den Hochzeitsball verlassen hat.
„Dunkle Wolken sind gezogen, alle warten auf den Sonnenschein, freundlich strahlt der Regenbogen und der Mensch will heiter sein!“
Dritte und vierte Szene:
In der Zarengruft hat Dimitri meditiert, um Frieden zu finden. Er denkt darüber nach, dass Feinde in der Nähe lauern und Verräter versuchen könnten, sich einzuschmeicheln. Die Stille soll seine wunde Seele heilen, denn er fühlt sich ungeliebt, einsam und verlassen. Als er aus der Krypta hochsteigt, trifft er auf Xenia, die am Grab ihres Vaters einen Blumenstrauß deponieren will. Sie befindet sich auf der Flucht und schaut sich furchtsam um. Die Verängstigte befürchtet, dass die grölende Menge die Heiligkeit des Ortes nicht achten und sie vor Gewalt und Grausamkeit nicht sicher sein wird. Dimitri beobachtet und bewundert sie, denn sie trägt ihr unendliches Leid mit Fassung. Zwei Verfolger sind in den Dom eingedrungen und werben aufdringlich um Xenias Gunst, die sich im Gebet hilfesuchend an den toten Vater wendet. Doch zu ihrer Rettung erscheint Dimitri, der die beiden zudringlichen Polen in die Flucht schlägt. Der Vatergeist hat sie beschützt. Xenia preist das göttliche Wunder.
Fünfte Szene:
Dimitri verliebt sich sofort in Xenia und spricht zu ihr von seinen hehren Gefühlen. Sie wäre der willkommenen Ersatz für Marina, doch Xenia findet es ungehörig, ihr in der Kirche eine Liebeswerbung vorzutragen. Sie quittiert mit Seligkeit, dass er zur Stelle war, um sie aus arger Bedrängnis zu erlösen. Das Mädchen soll ihm doch bitte sagen, wo er sie finden kann. In Schuiskis Haus habe sie Schutz gefunden. „Ach, Du lieber Gott!“
Sechste Szene:
Schuiski hat sich ausgerechnet die Gruft Iwans des Schrecklichen für eine Zusammenkunft ausgesucht, winkt die Verschwörer heran und ahnt nicht, dass Dimitri in der Nähe lauscht, nachdem Xenia sich verabschiedet hat. Der Fürst plant, Dimitri beiseite zu räumen, und dabei sollen die Bojaren ihm helfen. Doch diese sind davon nicht begeistert und wollen wissen, wer der rechtmäßige Zar sei und wo er sich aufhalte. Nun berichtet Schuiski davon, was er einst in Uglitsch sah:
„Voller Blut war jene Kammer,
überall nur Furcht und Jammer,
eine Gruseltat geschah!
Wer das Kind war, will ich sagen,
das man dann zum Grab getragen,
des Gewissens Stimme ruft!
Zarewitsch fand dort sein Ende,
fiel den Mördern in die Hände,
schwöre ich in Iwans Gruft.“
Dimitri kommt in seinen Mantel gehüllt hinter dem Grabmal vor und rät vom Eid ab. Die Verschwörer sind erschrocken und glauben an ein Gespenst. Dimitri gibt sich als Zar zu erkennen. Schuiski würde ihn am liebsten an Ort und Stelle gleich umbringen lassen, doch seine Begleiter sind sich nicht einig und aus der Bluttat wird nichts. Sie fürchten Gottes Zorn und sind nicht zu bewegen, dem Befehl ihres Anführers zu gehorchen, der sie als Feiglinge beschimpft. Dimitri kann die Bojaren auf seine Seite ziehen. Eine formelle Entschuldigung schützt sie vor Strafe.
Dritter Akt
Erste Szene:
Die Begegnung mit Xenia an der Gruft ihres Vaters hat auf Dimitri einen tiefen Eindruck gemacht. Eingedenk der Kälte Marinas suchen seine Gefühle einen neuen Weg und haben sich nun am lieblichen Wesen Xenias entzündet. Er sah sie an und reinste Wonne trank sein Sinn in stiller Seligkeit. Unvergesslich, wie sie vor ihm stand. Ein süßer Feuer war in ihm sogleich entbrannt und ein Blick genügte, dass die Welt vor ihm versank. Er dachte, ihm sei nur Traurigkeit beschieden und nun kommt ein Frühlingshauch nach langer Winterszeit.
Der Opernbesucher ahnt es bereits. Dimitri hat kein Problem das Hemd zu wechseln, falls Marina ihm Ärger schafft.
Zweite Szene:
Unter Bezugnahme auf die Verschwörungsszene in der Gruft Iwans bekommt Schuiski nun Verdruss, weil ihm Hochverrat angelastet wird. Basmanow erklärt:
„Jetzt hört, damit ihr alle wisst,
dass Schuiski nun des Todes ist!
Wir wollen einig sein,
dem Zaren Treue halten,
das Unkraut gehe ein,
Gerechtigkeit soll walten.“
Der Klerus und Marfa halten zu Dimitri. Doch Marina ehrt weder die Bräuche noch das Land. Die Zarin lässt sich die Messe in lateinischer Sprache lesen, aber der orthodoxe Patriarch erklärt, dass Götzendienst nicht gestattet wird. Im Bedarfsfall erwägt er die Möglichkeit, die Ehe zwischen Dimitri und Marina auf Wunsch wieder zu lösen.
Dritte Szene:
Der Opernchor bedauert Xenia. Das arme Kind steht ganz allein auf der Welt, wenn Schuiski hingerichtet wird. Verzweifelt wendet sich die Verlassene an Marina und bittet diese um Fürsprache, damit die Hinrichtung ihres Wohltäters, in dessen Haus sie lebt, annuliert wird. Doch Marina bedauert, Gnade und Milde kann nur der Zar spenden, sie möge sich doch bitte an diesen wenden. Nun erkennt Xenia, dass Dimitri und der Zar ein und dieselbe Person sind. Die Verwirrung auf beiden Seiten ist komplett. Dimitri und Marina geben ihren Empfindungen Ausdruck: „Wie soll ich den Kampf bestehen, dieses Engels nun gewahr.“ „Zweifel sind ihm anzusehen, sein Verrat wird offenbar.“ Basmanow drängt auf die unverzügliche Hinrichtung Schuiskis. Der Henker mit dem Schwert soll seines Amtes walten. Doch der Zar erfüllt Xenia ihren Wunsch und winkt aus dem Fenster, dass die Hinrichtung Schuiskis ausgesetzt werden soll. Marfa heißt die Entscheidung gut: „Gnade, Gnade seht nur an! Dimitri hat recht getan.“ Marinas Eifersucht erwacht, denn sie erkennt, dass der Zar sein Verhalten an der Liebe zu Xenia orientiert. Den Polen missfällt die Entscheidung, dass Schuiski frei kommt. Marina und Marfa stehen in Opposition zueinander, Die Polen und die orthodoxe Priesterschaft ebenfalls. Neuer Streit bahnt sich an: Die Anhänger Marinas kritisieren den Zaren und argumentieren:
„Schnöder Verräter du!
Das steht Dir nimmer zu!
Die angetane Schmach
ruft Stolz und Ehre wach!
Gerecht ist unsere Wut,
solch Undank schreit nach Wut!“
Vierte Szene:
Dimitri trifft nun die endgültige Entscheidung, dass er sich von Marina und den Polen trennen wird. Die Liebe Xenias und der Zuspruch Marfas reichen ihm, seinen Herrschaftsanspruch auf die Zarenkrone zu zementieren.
Marina möchte zunächst das Geständnis erwirken, dass Dimitri Schuiski frei ließ, um Xenia gefällig zu sein. Doch Dimitri lehnt es ab, sein Handeln zu rechtfertigen. Marina schimpft ihn einen Verräter, wird wütend und reklamiert seine legitime Herkunft: Der eitle Tor soll seine Väter ruhen lassen, sie hatten mit der Zarenkrone nichts zu tun. Nicht vornehm und ehrwürdig sei sein Haus, sondern er sei ganz einfach nur Grischa Otrepjew! Der wahre Zarewitsch verlor das Leben und lediglich polnischen Ränken verdanke er es, dass er sich aufspielen darf. Dimitri glaubt ihr nicht. Sie solle schweigen und ihn nicht furchtbar kränken. Kalte Berechnung sei ihr Liebesschwur gewesen. Sie sei eine giftige Schlange voller Größenwahn - ihr glaube sowieso keiner.
Beide machen sich mit ihren Vorwürfen die Stunde zur Hölle. Er fühlt sich nun minderwertig und Marina leidet an ihrer Eifersucht. Selbst wenn er kein Zarenspross sein sollte, wird er sich die Macht erkämpfen, denn das Schicksal sieht er auf seiner Seite. Marina erkennt, dass ihre Enthüllungen ihr keinen Nutzen bringen werden und wechselt die Taktik. Erneut beschwört sie ihre Liebe, bemerkt aber auch, dass er ihr nicht mehr glaubt. Nun backt sie die kleinere Brötchen und erklärt, dass er über ihren Hochmut gesiegt habe. Niemals würde sie ihn betrügen. Er solle sie umarmen und ewig ihr gehören.
„Du zögerst, glaubst mir gar nicht mehr?
Du weist mich ab, das kränkt mich schwer!
Lass wissen, was dich überzeugt:
Es ist mein Stolz, der sich gebeugt?
Geopfert sei, was wert auf Erden!
Jetzt höre mich: Ich will Russin werden!“
Doch Dimitri quittiert Marinas Rückzug mit Gleichgültigkeit und lässt sich nicht betören. Falsche Reue verachte er! Zuwider sei ihm ihre Liebesglut, denn andere Möglichkeiten haben sich ihm erschlossen. Einem Bild, welches himmlisch rein auf ihn herabschaue, gebe er den Vorzug. Marina weiß genau, was er meint und erwidert „Dimitri, denk nicht allzu hoch! Ein Otrepjew, das bleibst du doch!“
Vierter Akt
Erste und zweite Szene:
Xenia versinkt in Todessehnsucht, denn der Geliebte hat sich nicht mehr gemeldet. Mit sich selbst im Widerstreit, erfasst sie uferlose Traurigkeit. Es quält sie eine Wunde, die nicht heilt und sie verspürt bitteres Leid, das niemand teilt. Man soll ihr Totenblumen bringen, denn sie steht bereits am Abgrund. Doch Plötzlich steht der Heißersehnte vor ihr und macht Xenia eine Liebeserklärung, die sich hören lassen kann.
„Falsche Bande will ich trennen,
sei es noch so schwer für mich,
endlich werd' ich frei bekennen:
Xenia ich liebe dich.
Dunkle Mächte lass nur wüten,
Dir zu Füßen ist mein Platz,
deine Liebe möcht' ich hüten,
niemand raubt mir diesen Schatz.“
Nach anfänglichem Zögern nimmt die Unentschlossene die Werbung an und es kommt zum Liebesduett. Es naht ein neuer Morgen und in seinen Armen ist sie nun geborgen. Doch plötzlich besinnt Xenia sich anders. An allem Übel, welches über sie gekommen ist, sei Dimitri schuld und den Tod des kleinen Feodor habe er auf dem Gewissen. Dimitri erklärt seine Unschuld, doch Xenia lässt sich nicht belehren. Die Toten aus dem Schattenreich wollen ihr Glück nicht und sie bittet Dimitri, sie zu verlassen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Verstörte allein zu lassen.
Dritte bis fünfte Szene:
Vermummte Männer erscheinen, und töten Xenia mit dem Dolch. Die Anstifterin ist Marina, doch nachdem die Untat geschehen ist, bereut sie, voreilig gehandelt zu haben. Zu Tode getroffen wankt Xenia auf die Bühne. Marina bedeckt sie mit ihrem Schleier und versucht zu fliehen, doch an der Tür läuft sie Schuiski in die Arme. „Todesschreie immer wieder, böse Ahnung lähmt die Glieder!“ Volk strömt zusammen und beklagt Xenias Tod. Dimitri ist plötzlich auch wieder zur Stelle und sieht die Leiche der toten Geliebten. „Was ist gescheh'n.“ „Ein Mord war es, grauenvoll anzuseh'n!“
Sechste Szene:
Die flüchtende Marina wird von Schuiskis Begleitern im Garten aufgegriffen. Erschreckt erkennt das Volk die Zarin, die sich in ihrer Ausweglosigkeit schuldig bekennt. Dimitri will sie vor Gericht stellen, doch sie enthüllt den Umstehenden das Geheimnis, dass Dimitri nicht der ersehnte Zar ist, sondern Grischa Otrepjew heißt. Schuiski dominiert die Szene: Zu Ende sei es jetzt mit dem Regieren. Auch die Mörderin soll Rang und Freiheit sogleich verlieren. „Rechenschaft fordert Volk und Reich. Der Polen Günstling stirbt jetzt gleich. Erneut ist Marfa zu befragen, sie soll dem Volk die Wahrheit sagen.“
Siebte Szene:
Marfa erfüllt Schuiskis Begehren nicht und bestätigt angstvoll Dimitris Legitimität.
„Hört, sie hat ihn anerkannt.“
„Unsinn, Angst allein hat sie übermannt,
ums junge Leben ist's ihr Leid!
Aufs heilige Kreuz leiste sie den Eid!“
Marfa betet, dass Gott auf ihre Not blicken soll. Alle warten auf ihren Schwur, doch Marfa kann ihre Unsicherheit nicht verbergen. Dimitri rät ihr selbstlos, vom Schwur abzulassen, selbst wenn es seinen Untergang bedeute. Marfa wird bewusstlos und Schuiski schießt spontan auf Dimitri, der tot zu Boden sinkt. „Des Volkes Weg verdüstert sich, wo edler Geist der Machtgier wich.“ Der himmlische Vater soll sich erbarmen.
Anmerkung:
Mit seiner Oper 'Dimitrij' besorgt Antonin Dvorak aus literarischer Sicht die Fortsetzung von Mussorgskys 'Boris Godunow'. Die Historie ist in Wirklichkeit weitaus turbulenter als die Oper und lässt zwei falsche Dimitris agieren. Schuiski besteigt den Zarenthron und regiert vier Jahre. Er bemüht sich in 'Zeiten der Wirren' mit schwedischer Hilfe ein passabler Herrscher zu sein und stirbt 1612 in polnischer Gefangenschaft.
Das Libretto ist vorzüglich gearbeitet und schafft selbst in der deutschen Nachdichtung noch einen unvergleichlichen Eindruck. Nicht ganz so populär wie die 'Rusalka' hält man den 'Dimitrij' doch für Dvoraks bedeutendstes Bühnenwerk.
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Juni 2010 musirony - Engelbert Hellen