Schöne Oper - selten gehört
Jenö Hubay [1858-1937]
Der Geigenmacher von Cremona
Le Luthier de Cremomone - A Cremonia Hegedüs
Oper in zwei Akten
op 40
französisch gesungen
Libretto von Francois Coppee und Henri Beauclaire
Uraufführung am 10. November 1894 in Budapest
ca. 60 min
Charaktere
Taddeo Ferrari, ein Geigenbauer - Bariton
Giannina, seine Tochter - Sopran
Filippo und Sandro, seine Schüler - Tenor
Der Bürgermeister - Bass
Ratsherren und Bevölkerung
Die Handlung spielt in Cremona im Jahre 1750
Jenö Hubay
HANDLUNG
Erster Akt:
Eine Gruppe interessierter Käufer kommt in das Atelier Meister Ferraris, dem ersten Geigenbauer Cremonas. Sie probieren allerlei Instrumente aus und geben zum Leidwesen Sandros ein schräges Konzert. Der Meister kommt hinzu und weiß zu berichtet, dass der Stadtrat einen Preis für die kostbarste Geige der Stadt ausgerufen hat. Jeder der vielen städtischen Geigenbauer soll sein Talent beweisen und neben Ruhm und Ehre eine schwere Goldkette erhalten.
Der Meister nimmt gleich sein bestes Instrument aus dem Schrank und singt ein Loblied auf die Geige, dem seiner Meinung nach schönsten aller Musikinstrumente. Der Chor stimmt mit ein. Aus dem Obergeschoss wird Giannia vernehmbar, die den Vögeln ein Lied über ihre Liebe und Sehnsucht singt. Ferrari spielt auf die vermeintliche Einsamkeit des Mädchens an und verspricht dem Sieger des Wettstreits als Belohnung seine Tochter und das ganze Haus dazu. Die Menge ist begeistert und verlässt auf Wink des Meisters die Werkstatt.
Im Zwiegespräch mit seiner Tochter offenbart diese ihre seit langem gehegte Liebe zu dem Lehrling Sandro. Ihr Vater will davon nichts hören und erhofft sich durch den Wettstreit einen Sinneswandel des Mädchens. Ferrari geht verärgert in den Keller, um sich das eine oder andere Glas Wein zu genehmigen. Giannia bleibt verbittert zurück und sieht ihr erträumtes Glück zerstört.
Sandro kommt wieder und berichtet seiner Freundin von einer unermesslich wohlklingenden Geige, die er einen buckligen Mann im Schatten der Nacht vor kurzem spielen hörte. Beide wissen, dass es sich um den körperbehinderten Lehrling Filippo handelt. Giannia fordert Sandro auf, den Kopf nicht hängen zu lassen und beide besingen ihre Liebe.
Meister Ferrari kehrt überraschend aus dem Keller zurück und neckt die beiden Liebenden. Er fragt ob der Lehrling sein Gesellenstück fertiggebracht habe. Sandro bestätigt dies, doch macht er sich aufgrund des „Buckelmanns“ wenig Hoffnung, den ersten Preis zu erhalten. Aufgeregt stürzt Filippo herein. Er befindet sich auf der Flucht vor einer Bande, die einen alten Hund quälte, dem er zu Hilfe kam. Giannia ist ehrlich besorgt und Filippo erwidert dankend in lieblichen Tönen die Aufmerksamkeit, welche sie ihm schenkt. Als sie kurz fort ist, erkundigt sich Filippo, ob Sandro seine Geige fertiggestellt habe. Dieser antwortet mürrisch und verschwindet. Filippo betet und dankt Gott dafür, dass er bei Meister Ferrari und der schönen Giannia Zuflucht finden konnte.
Die auch von ihm Begehrte kehrt zurück und er spielt ein Ständchen auf der Geige, was Giannia zu Tränen rührt. Sie gießt einen Wermutstropfen aus und offenbart dem Erwartungsvollen, dass ihre Rührung nicht ihm, sondern ihrem wirklich geliebten Sandro gegolten habe. Ihm wünscht sie den Sieg, den er auch bekäme, wenn im Wettstreit ihm nicht Konkurrenz durch Filippo gemacht würde. Sie bittet ihn - ihr zu Gefallen - seine Ambition, den ersten Preis zu bekommen, zurückzustellen. Ein unzumutbarer Vorschlag und zunächst tief getroffen, findet der Geforderte erst allmählich zu seiner Ruhe.
Die Zuschauer im Hof werden langsam unruhig, obwohl die Vorbereitungen zur Eröffnung der Feier auf Hochtouren laufen. Filippo beschließt, das Feld für Sandro freizugeben, denn er befürchtet, dass eventuell noch ein dritter starker Konkurrent antreten könnte. Heimlich tauscht er seine exzellente Geige gegen die seines Mitschülers aus. Mit zitternder Hand legt er sie in den schwarzen Kasten Sandros, um diesen beim Wettbewerb zu begünstigen.
„Wer wollt es mir auch verargen!
In diesen schwarzen Kasten will ich dich sargen.
Dahin hin, du holder Traum von Ruhm und Liebesglück!
Wie auf ein dunkles Grab blick' ich trüb' auf dich zurück!“
Der Meister befiehlt dem Sandro die beiden Kästen mit den Instrumenten unverzüglich auf den Rathausmarkt zu tragen. Dem um seine Liebe Fürchtenden kommt in einem schwachen Moment der Gedanke, sein eigenes Instrument gegen die hervorragende Geige des Anderen auszuwechseln. Doch als es zu schon spät ist, meldet sich sein Gewissen und er beichtet den Frevel seinem Mitschüler. Dieser fällt aus allen Wolken, denn um Giannina gefällig zu sein, hatte er die Instrumente bereits getauscht. Nun befindet sich jedes Instrument wieder in seinem alten Kasten. Jetzt entscheidet das Schicksal, wer der besten Geige die schönsten Töne entlocken und gewinnen wird.
Zweiter Akt:
Das Volk von Cremona ist auf dem Hauptplatz versammelt und tanzt Tarantella, während im Rathaus das Preisgericht tagt. Nach einiger Zeit kommen die Ratsherren und die Teilnehmer an der Ausscheidung heraus und Filippo wird zum klaren Sieger gekürt. Als er die Kette umgelegt bekommt, nimmt er sie wieder ab und schenkt sie als eine letzte Aufmerksamkeit Giannina, die mit ihrem Sandro glücklich werden soll. Alle, besonders Meister Ferrari, sind ziemlich verdutzt, doch Filippo sieht sich nicht genötigt, seinen Schritt öffentlich zu begründen.
Cremona wird er verlassen und in die Welt hinausziehen, um den Ruf seiner Stadt, ein privilegierter Ort für die Kunst des Geigenbaues zu sein, in alle Welt zu tragen. Das junge Paar bittet er, ihn nicht zu vergessen. Unter dem Jubel des Volkes nimmt Filippo gemäß Libretto seinen Weg in die nicht vorhandenen Berge von Cremona einer aussichtsreichen Zukunft entgegen.
Bemerkung:
Es sind vor allen die Familien Stradivari, Amati und Ferrari, deren historische Instrumente auf Auktionen Phantasiepreisen erzielen. In häufigen Fällen verschenkt ein Virtuose, dessen Laufbahn sich dem Ende zuneigt, seine Stradivari an einen Nachwuchsgeiger, den er favorisiert.
Jenö Hubay hat sich, wenn überhaupt, in heutiger Zeit als Geigenvirtuose im Gedächtnis gehalten. Die Oper „Der Geigenmacher von Cremona“ ist wohl ebenfalls seiner exclusiven Zuneigung zu dem Streichinstrument entstanden. Musikalisch wartet das Musikwerk mit einer seltenen „Durchkomponiertheit in Nummern“ auf. Es gibt keinen gesprochenen Text und keine oder nur sehr kurze Rezitative, sondern die Handlung wird in ziemlich geschlossenen, meist liedhaften Nummern vorangetrieben. Bemerkenswert ist auch das Ungleichgewicht der beiden Akte. Während der erste Akt den weitaus größeren Rahmen einnimmt, ist der durch ein Zwischenspiel abgetrennte zweite Akt mit erwartungsgemäß 15min Spieldauer sehr kurz.
©2011 – Raphael Lübbers