Operettenzauber
Eduard Künneke [1885-1953]
Lady Hamilton
Operette in drei Akten
Libretto von Richard Bars und Leopold Jacobson
frei nach historischen Fakten
Uraufführung
am 25. September 1926 in Breslau
Personen:
Horatio Nelson, Kapitän der englischen Seeflotte
Amy Lyons, bedeutsam als Lady Emma Hamilton, Nelsons Geliebte
Sir William Hamilton, britischer Gesandter in Neapel
Don Alfredo Bartos, spanischer Seeoffizier, Bewunderer Emmas
Lord Percy Harwich, Leutnant der englischen Marine
George Romney, Maler
Kitty Grant, seine Freundin
John Halifax, Kneipenwirt
Jimmy, Kellner in der Matrosenkneipe
Mary Ann, Emmas Freundin
French, Nelsons Adjutant
Der Prinz von Pisa, ein Intrigant
ein Tanzmeister
Der Geist, ein ehemaliger Liebhaber der Lady, nun Kommentator des Geschehens für die Gegenwart
und weitere
Das Geschehen spielt in einem englischen Küstenort und in Neapel und nimmt seinen Anfang im Jahre 1781
Musiknummern:
Erster Akt:
Nr. 1 Introduction: Ahoi – alle Weiber, Komm nur herein (Chor und Halifax – Romny und Kitty)
Nr. 2 Auftritt und Duet: Sonderbar, ich sah von fern (Percy und Alfredo)
Nr. 3 Chor und Auftritt: Länger warten wir nicht mehr (Chor und Amy)
Nr. 4 Szene und Duett: Ich war ein Mädel (Amy und Alfredo)
Nr. 5 Du hast Augen, von denen man träumt (Amy und Alfredo)
Nr. 6 Terzett: In Öl und Pastell (Kitty, Rommey und Percy)
Nr. 7 Finale 1: Halifax, Halifax, alter Bär (Chor, Halifax und Amy
Zweiter Akt:
Nr. 8 Introduction und Chor: Wie unvergleichlich! Oh, wie charmant!
Nr. 9 Duett: Auf allen Reisen hört man heut' preisen - Komm mit nach Madrid (Percy und Amy)
Nr. 10 Ensemble: Herr Attaché, Herr Attaché – Excellenz, Excellenz, uns're tiefste Referenz –
Nr. 11 Stolz ist erschienen die Lady von Welt (Chor, Amy und Percy)
Nr. 12 Immer muss ich an dich denken (Alfredo und Amy)
Nr. 13 Duett: Der Beppino trinkt gern Vino (Percy und Kitty)
Nr. 14 Finale 2: Mylady, wir müssen's gesteh'n – My Lord, Oh' hören Sie mich, mein Gemahl
Dritter Akt:
Nr. 15 Duett: Täglich im Leid weint eine Maid (Kitty und Percy)
Nr. 16 Marsch-Ensemble: Englands großem Kapitän (Chor und Amy)
HANDLUNG
Erster Akt:
Es ist ein Dilemma mit Emma. Halifax, der Kneipenwirt in einem kleinen Ort an der englischen Küste, hat mit ihrer Unpünktlichkeit seinen geregelten Kummer, denn in der Tat, Emma ist seine 'große Nummer'. Ihr flottes Liedchen 'Jimmy spielt den Dudelsack' dringt durch das offene Fenster der Spelunke auf die Straße und lockt Besucher an. Hörbar knarrt die Tür und als Gäste erscheinen George Romney mit seiner Freundin Kitty. Der Maler und sein frivoles Model sind allerdings nur die Vorhut. Ihnen folgen auf dem Fuß zwei Seeoffiziere, spanischer und englischer Nationalität, angeführt von einem schon etwas ergrauten Herrn, der sich als Lord Hamilton vorstellt. Ihre Kutsche hatte einen Achsbruch und jetzt suchen die fünf ein Quartier zum Übernachten.
Von Emmas Attraktivität und ihren Tanz- und Gesangseinlagen ist seine Lordschaft hingerissen und der Bewunderer erkundigt sich, ob die Schöne nicht als Dauerliebchen mit ihm nach London kommen möchte. Hierzu verspürt die Angesprochene aber keine Lust, denn Sie hat ihre Blicke auf den feurigen Spanier gerichtet, der ihr auch sogleich den Hof macht. Die leicht angetrunkenen Stammgäste fühlen sich provoziert und Alfredo muss Emma vor ihren Rempeleien in Schutz nehmen. Auf dem Fundament der Dankbarkeit erwacht in Emma ein starkes Gefühl der Zuneigung, welches ihr Verehrer erwidert. „Du hast Augen von denen man träumt“, kleidet er seine Empfindungen in Worte. Alfredos Freund Percy versucht, sich dem Malermodel zu nähern, was ihren Freund Romney zur Eifersucht reizt.
Dem Kellner Jimmy, ständig zu unpassenden Scherzen aufgelegt, ist die gefüllte Brieftasche des Spaniers durch Zufall in die Hände geraten. Emma beobachtet den Missgriff, spielt sich nun als moralische Instanz auf und gibt die Börse dem Spanier zurück. Caramba! Alfredo missversteht die Situation und argwöhnt, Emma wolle sich den Kuss, den sie ihm gab, teuer bezahlen lassen. Schon hat der Hitzkopf im Zorn das Lokal verlassen und Emma, deren Erklärungen nicht mehr wahrgenommen werden, steckt nun in einem seelischen Dilemma. Ihre Erwägungen, das triste Leben in der Hafenkneipe mit einem glanzvolleren zu vertauschen, nehmen Formen an. Sie überdenkt das Angebot Lord Hamiltons und ringt sich die Entscheidung ab, ihm als als heimliche Herzensdame in sein Haus zu folgen.
Zweiter Akt:
Lord Hamilton ist über die Leiter der Diplomatie zum Botschafter aufgestiegen und vertritt das englische Königshaus nun in Neapel. Der Vesuv gibt zur zeit Ruhe, Eruptionen brechen bei Emma aus. Sie ist es satt, sich versteckt halten zu müssen, denn ihr schwacher sozialer Status, nur Geliebte zu sein, lässt der Ehrgeizigen keinen Spielraum zur gesellschaftlichen Entfaltung – eine Einschränkung, die eine schöne Frau langfristig niemals hinnehmen wird.
Gesellschaftlichen Erfolg verzeichnet dagegen der Kunstmaler Romney, denn dieser ist bei Hofe angesehen und darf Königin Maria Carolina in Pastell festhalten. Den Prinzen von Pisa wird Romney im Laufe der nächsten Wochen auch noch auf der Leinwand verewigen.
Zu Ehren von Admiral Nelson hat der Botschafter als Vorgeplänkel Feierlichkeiten angesetzt, denen ein offizieller Empfang am Hof der Königin von Neapel-Sizilien folgen soll. Doch die geborene Habsburgerin hält auf Etikette, und so ist es Emma nicht erlaubt, an der Seite ihres Gönners bei Hofe zu erscheinen. „Es gibt keine Lady Hamilton“ verkündet der Botschafter zu ihrem Verdruss lautstark, doch der Prinz von Pisa ist anderer Ansicht. Er versucht die gesellschaftliche Position des Engländers zu erschüttern und intrigiert, was das Zeug hält. Eine Dame 'mit einem Leberfleckchen im oberen rechten Eckchen' hält er für die Lady, ist aber auf der falschen Fährte, denn er hat sich an Emmas Freundin Mary Ann festgebissen.
William Hamilton steht mächtig unter Druck. Der Wankelmütige sieht ein, dass er ohne vorzeigbare Gemahlin bald seine Koffer packen kann. Emma gibt vor, abreisen zu wollen und versucht, Lord Percy als Begleitung zu gewinnen. Der Schmetterball „Komm mit nach Madrid“, hallt durch die Botschaft, dass es William Hamilton in den Ohren klingelt. Wenn es also sein muss, dann bitte sofort! Noch in der Nacht wird der Bischof von Neapel in die Botschaft gebeten, den ehelichen Bund zwischen Emma und William zu segnen. Mit dem Ehering bewaffnet, darf Emma nun endlich im Bourbonen-Palast erscheinen und der Tochter Kaiserin Maria Theresias unter die Augen treten.
Ein Störfall tritt ein. Noch in der Nacht wird ein Deserteur eingefangen und der Botschaft unterstellt. Am nächsten Morgen soll er hingerichtet werden. Die Lady nimmt den Fall in die Hand und erkennt in dem Gefangenen Alfredo, mit dem sie einst in einer englischen Hafenkneipe beinahe das Vergnügen gehabt hätte. Vor Sehnsucht ist er auf der Suche nach ihr desertiert und zum Rebellen geworden. Tief bewegt wird sie ihr Mögliches tun, selbst wenn es fast unmöglich scheint, ihn vor dem Henkersbeil zu retten. Vorsorglich soll er ihr zum Abschied noch einmal die Hände reichen - Verzeihung, Paul Abraham - und sagen, dass es bestimmt sehr schön geworden wäre. Doch er muss verstehen, dass heute ihr Hochzeitstag ist und eine Realisierung eines Verhältnisses mit ihm grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt. Lediglich die Dankbarkeit, weil er sie einst aus kritischer Lage befreite, beflügele sie. Emma versteckt den unglücklichen Gast vorläufig bei dessen Freund Percy und macht sich auf den Weg, Hilfe und Rettung zu mobilisieren.
Dritter Akt:
In Mantel und Gesichtsmaske begibt sich die Lady zum Hafen, in dem die Fregatte Lord Nelsons vor Anker liegt. Wird er sie wieder erkennen, auf die er einst seinen begehrlichen Blick heftete? Bis zur Kajüte kann die Bittstellerin vordringen und bietet Liebe gegen Gefälligkeit! Ihr Konterfei, welches sie ihm einst schenkte, hängt an der Wand der Kajüte. Die Schicksal meint es gut mit ihr. Persönlich wird er die Begnadigungsurkunde am nächsten Morgen vorbeibringen. Alfredo wird ein Stein vom Herzen fallen! Der Gemahl hatte sie schon vermisst und er wartet nun in der Bibliothek auf sie.
Der Vorhang fällt und die Operette ist zu Ende. Den Rest der unsterblichen Liebe zwischen Lady Hamilton und Lord Nelson füllt ein Kapitel der Weltgeschichte.
Anmerkungen:
Spritzige Dialoge, eine überquellenden Fülle melodischer Einfälle, die Nähe zur großen Oper und das anspruchsvolle Thema kennzeichnen 'Lady Hamilton', Künnekes Meisterwerk. Es ist ein genialer Wurf, welcher den 'armen Wandergesellen' doch ein wenig in den Schatten stellt. Natürlich sind die dramaturgischen Schwächen des dritten Aktes unverkennbar und es ist auch nicht nachzuvollziehen, weshalb die Lady Percy überreden will, mit ihr nach Madrid zu fahren, da sie doch gerade erst in Neapel angekommen ist und ihr Platz an der Seite Lord Hamiltons durchaus ausbaufähig ist.
Nun hat sich die frisch gebackene Lady Hamilton sich in sozialer Mission dem Admiral genähert. Eine ausufernde Liebesszene in der Kajüte ist den Zuschauern nicht vergönnt. Nelson darf auch nicht singen, weil der Komponist Vokales für ihn nicht komponiert hat. Ein Matrosen-Ballett mit Emily im Mittelpunkt, könnte den dritten Akt noch ein wenig strecken. Ein ambitionierter Regisseur hat viel Spielraum für Schwung zu sorgen und exzellente Einfälle zu deponieren. Der Geist des abgeschiedenen Liebhabers der Lady, der das Publikum bisher durch das Programm führte, kann dabei noch gute Dienste leisten.
Eduard Künneke schuf mit der Integration des Saxophons in das Orchester ein ganz neues ungewohntes Klangbild. Das Orchestermaterial zur Uraufführung in Breslau ist leider verloren gegangen. Franz Marszallek machte 1953 den Fehler, das Klangbild zu glätten, hatte aber in Anny Schlemm eine überwältigende Lady zur Verfügung. In jüngster Zeit ist es keineswegs still geworden um die liebenswerte Emily. Im April 2004 wurde Noemi Nadelmann von dem Perser Mehrzad Montazeri umworben. Die Aufzeichnung auf DVD steht noch aus.
Die Engländer schufen unter dem Titel „The Song of the Sea“ ihre eigenen Version der Künneke-Operette und am Broadway ist Lady Hamilton keine Unbekannte. Im Kino lieh Vivian Leigh der Geliebten Nelsons ihr Profil.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen