MUSIKTITEL (in Auswahl):
> Denk ich an dich, schwarze Ninetta -
> Nur Gold will ich haben -
> Der verdammte Gasparone -
> Ein interessantes Abenteuer -
> O dass ich doch ein Räuber wäre -
> So sind die jungen Leute von heute -
> Wie freu' ich mich, Sie hier zu seh'n -
> Wenn der Morgen hell erwacht -
> Hör doch die Töne Estrella -
> Das waren Zeiten -
> Dunkelrote Rosen -
> Stockfinster war die Nacht -
> Wenn die Sommernacht deine Glut entfacht -
> Er soll dein Herr sei, wie stolz das klingt -
> Liebe erhellt die ganze Welt -
HANDLUNG
Erster Akt
Erstes Bild: IN EINER KLEINEN HÜTTE
1
Die Titelfigur sitzt an einem kleinen Tisch und reinigt seine Schusswaffen. Als Frauenheld und Draufgänger erinnert er sich der schwarzen Ninetta und an ihr rotes Lippenpaar. Sein Gefährte Luigi kreuzt mit einer Neuigkeit auf. Das eingesteckte abgerissene Plakat informiert die Einwohner von Trapani, dass Gasparone, der berüchtigte Räuber, sich zur Zeit in ihrer Gegend aufhalte und deshalb die Behörden aus Sicherheitsgründen vor dem Betreten der Wälder abraten. Beide lachen: Bürgermeister Nasoni habe es gerade nötig, andere zu warnen, ist er doch selbst der größte Spitzbube der Region. Dazu ein raffinierter Mitgiftjäger, ergänzt Luigi! Der Raffinierte will seinen täppischen Sohn Sindulfo mit der verwitweten Gräfin Santa Croce verheiraten, um an ihre Millionen heranzukommen. O das Geld kann er selbst auch gut gebrauchen und Erminio erwägt, die Pläne des Bürgermeister zu durchkreuzen. Luigi werden seine Bedenken ausgeredet, denn ihre Pässe seien vorzüglich gefälscht.
Es wird Zeit, das Operettenpublikum zu unterrichten, dass Conte Erminio kein Schurke, sondern in geheimer Mission als Kundschafter des Gouverneurs unterwegs ist, um nach dem Rechten zu schauen. Man argwöhnt im Ministerium, dass Kaffee und Zucker in rauen Mengen geschmuggelt werden und unabhängig von diesen Unregelmäßigkeiten der Bürgermeister in die eigene Tasche wirtschaftet. Die Spitzbuben Benozzos versuchen, die Polizei von ihrer Tätigkeit abzulenken und alle Schandtaten dem Räuber Gasparone anzulasten. Jeder Verdacht, der die Existenz dieses Räubers glaubhaft machen kann, ist ihnen willkommen.
Zweites Bild: IN DER HAFENSCHENKE BENOZZOS
2
Die Stammgäste spielen Karten und streiten sich um die Verteilung des Erlöses aus dem Schmuggelgut. Benozzo will die Hälfte für sich behalten und begründet seinen Anspruch, dass er die Ware einkaufe und verteile. Schon wieder seien per Schiff fünfhundert Säcke mit Kaffee unterwegs. Die Leute sollen schauen, dass während der Anlieferung die Gendarmen aus dem Dorf verschwunden sind. Petruccio schlägt vor, die Gräfin de Santa Croce kurz und bündig bei ihrem Morgenspaziergang in den heimischen Wäldern zu überfallen, um die Ordnungshüter abzulenken. Während diese den Gasparone jagen, können die Säcke in Ruhe verstaut werden. Benozzo findet die Idee nicht gut, denn das Kammermädchen der Gräfin ist seine Frau. Wehe, ihr wird ein Haar gekrümmt! Unsinn, was soll ihr schon passieren.
Ein fremder klopft an die Tür und wundert sich, am frühen morgen schon eine große Anzahl Gäste im Schankraum vorzufinden. Scheinheilig ziehen die Ganoven schnell ihre Spielkarten wieder hervor, jedoch Benozzo mahnt, dass es Zeit sei, zum Fischfang auszuziehen. Der Fremde genießt sofort Autorität und befragt den Wirt nach dem berüchtigten Räuberhauptmann. Er glaube, dass der Leumund des Ortsfremden zu bösen Schwindel benutzt werde. Benozzo bestreitet die Vermutung, denn er sei schon selbst von Gasparone überfallen worden. Erst letzten Sonntag machte er mit seiner Sau an der Leine seinen Morgenspaziergang durch den Wald, wo das Tier nach Eicheln sucht. Plötzlich stand Gasparone vor ihm und nahm ihm das Schwein weg. Woher will er wissen, dass es Gasparone war? Nun, er hat sein bekanntes Spottlied gesungen:
3
„Nur Gold will ich haben
und Edelgestein!
Welch herrliches Leben,
ein Räuber zu sein. ...“
Josef Metternich wiederholt den Song so beeindruckend, dass Benozzo am ganzen Körper zittert. Der Fremde versichert ihm, dass es ganz bestimmt nicht Gasparone war, der ihm das Schwein abgenommen habe, bezahlt seinen Schoppen, lacht und geht. Der Bürgermeister Benozzo muss sofort informiert werden, Gasparone sei wieder aktiv! Die heilige Barberina, die Schutzpatronin aller Schmuggler, soll den Dörflern gegen Gasparone beistehen. Der Überfall auf die Gräfin sei sorgfältig vorbereitet!
Drittes Bild: DER MARKTPLATZ VON TRAPANI MIT SCHLOSS, BÜRGERMEISTERAMT UND MEERBLICK
4
„Der verdammte Gasparone
treibt es mir denn doch zu bunt
er bringt mich völlig auf den Hund. …“
Keine Nacht ist er zu Haus – und das hält er nicht mehr aus. Rings umher in allen Ecken soll der Gasparone stecken! Unterm Tisch und unterm Bett, selbst im kleinsten Kabinett. Sagt ihm einer „Guten Morgen“ ist er schon in Angst und Sorgen, ob's nicht Gasparone ist, der ihn so vertraulich grüßt.! Wenn Champagnerkorken knallen, glaubt er sich schon überfallen. Sticht ihn irgendein Insekt, ha, sein Dolch schon in ihm steckt. …
„Wenn ich ihn erwisch',
dann zerreiß ich ihn!
Wenn ich ihn erwisch,
dann zerbeiß ich ihn
wenn ich ihn erwisch'
dann erstech' ich ihn,
dann zerbrech' ich ihn
wenn ich ihn endlich erwisch!“
Benozzo versichert dem Podestà, dass er den Räuber erschießen wird, wenn er ihn erwischt.
Benozzo ist ein geschäftstüchtiges Kerlchen. Nasoni kann doch die Bevölkerung zur Mithilfe aufrufen. Er soll eine Belohnung von etwa 10.000 Lire ausschreiben. „Für den, der ihn fängt?“ „Nein, zehntausend Lire für den, der ihn so beschreibt, dass die Carabinieri ihn fangen können.“ „Großartig und 20 % Provision für mich!“ Das Protokoll wird ausgefertigt.
5
Sora kommt hereingestürmt. Beim Försterhaus im Wald ist es passiert – ein Überfall auf die Gräfin. Die Zofe ist außer sich vor Schreck. Einen blauen Flecken kann Benozzo bei seiner Frau allerdings nicht finden. Doch nun kommt Carlotta selbst.
„Ein int'ressantes Abenteuer hab' dort im Walde ich erlebt ...“ Die Gefahr war ungeheuer, in der zu Anfang sie geschwebt. An einer Waldeslichtung stand sie, nicht weit entfernt vom Försterhaus. Die wunderschönsten Blumen fand sie, und freudig band sie sie zum Strauß. Dann plötzlich hört sie wildes Lachen und schreckte auf aus ihrer Ruh! Zwei Räuber stürzten aus dem Walde mit wildem Drohen auf sie zu. Fliehen und um Hilfe schreien konnte sie nicht, denn sie verweilte wie gelähmt. Voller Gefahren ist der Wald und ganz gewiss – sie merkte es bald – für schwache Frauen kein Aufenthalt.
„Doch eine Wendung nahm die Sache,
die man wohl kaum erwarten kann;
als aus der Ohnmacht sie erwachte,
kniet neben ihr ein junger Mann. …
Er kam gerade des Wegs vorüber
und hat den Unfall noch geseh'n.
Die Räuber suchten schnell das Weite
und ein Unheil konnte nicht gescheh'n
Er sprach hab' keine Angst, nun bin ich hier.
Das beste ist, ich folge dir.“
Nasoni behauptet, einmal in einem Roman von einem Retter gelesen zu haben, der selbst der Räuber war.
Plötzlich taucht der Fremde in Person auf. Benozzo verkündet, dass man Gasparone vor sich habe und verlangt die ausgesetzte Belohnung. Minus 50 Prozent für mich, flüstert Nasoni ihm zu. Doch der Fremde lacht sein gewohntes dreckiges Lachen. (In Wirklichkeit ist es nicht Josef Metternich, sondern Wolfgang Lukschy). Er soll Gasparone sein, nachdem er der Gräfin das Leben gerettet hat? Das passt doch gar nicht zusammen. Carlotta stellt ihn als Erminio della Torella vor. Doch der Bürgermeister verlangt den Pass zu sehen. Der Ausweis ist nicht zu beanstanden. Der Podestà schaut den Schankwirt grimmig an. Carlotta lacht ihn aus. Wie konnte der Bürgermeister Herrn Torella nur für einen Räuber halten?
6
Schon wieder hält Karl Millöcker eine Bravourarie für Gasparone bereit. Die Liebe zu Carlotta beginnt zu keimen. O wenn er doch ein Räuber wäre, hätte er es gewiss nicht auf ihr Vermögen abgesehen und würde auch kein Lösegeld verlangen. Das Herz würde er ihr rauben. Wenn dieser Fang ihm gelänge, möchte er sich von Carlotta gern in Fesseln legen lassen, denn nach Freiheit sehnt er sich nicht mehr. „Nur Liebe bringt das Glück auf Erden. Kein süß'res Glück begehrt er mehr. O dass er nur ein Räuber wär'.“
Carlotta bleibt sachlich. Sie würde sich sehr freuen, ihn in einer Stunde in ihrem Schloss begrüßen zu dürfen, um ihm für seine mutige Rettung zu danken.
Ein reizender Mensch, stellt Carlotta fest. Dem Podestà gefällt er gar nicht. Er muss die liebe Schwiegertochter vor ihm warnen. Aber noch ist es nicht soweit. Wenn sie wüsste, wie sein Sohn Sindulfo sich nach ihr verzehre? Ach, davon hat sie bisher noch nichts bemerkt. Er ist doch von ganz anderen Vergnügungen in Anspruch genommen. Sein Dulfi sei der anständigste Jüngling von ganz Sizilien, behauptet der Vater.
Nasoni hat eine unangenehme Nachricht für die Gräfin. Der Erbschaftsprozess sei so gut wie verloren. Was soll jetzt aus ihr werden? Sindulfos Frau. Da sie jetzt arm sei, gibt es keinen Grund mehr, an seiner wahren und aufrichtigen Liebe zu zweifeln.
Carlotta ist gerührt und möchte jetzt allein sein.
7
Sora beklagt sich beim Bürgermeister über ihre unglückliche Ehe mit Benozzo, er habe nur seine Geschäfte im Kopf. Nun wenn der Ehemann keine Zeit für sie habe, würde er selbst sich gern opfern, um nach ihrem Befinden zu schauen.
„Wenn ich ja sag, sagt er nein! Wenn ich nein sag' sagt sie ja.“ und wenn sie sich nach küssen sehnt, muss er nach den Geschäften sehen. Nasoni stellt fest:
„So sind die jungen Leute von heute!
Ja, wenn wir älter'n Herren nicht wären.
Wir sind viel amüsanter, galanter.
Wir sind in unseren Jahren, in Liebe erfahren
und werden dabei schwerlich – gefährlich!“
8
Der Lebensretter erscheint pünktlich zum Rendezvous. Wie freut die Gräfin sich, ihn hier zusehen. Sie dankt ihm, dass er sie aus wilder Gefahr errettet hat. Gefahr drohe ihr von ganz anderer Seite.
„Hüten Sie sich vor dem schmeichlerischen Paar,
das listig verlogenes Glück Ihnen bot!
Ein Räuber bedeutet kleinere Gefahr,
als ihnen von diesen beiden droht!“
Doch Charlotta fühlt sich verpflichtet, das einmal gegebene Versprechen zu halten und schweigt. Doch der Fremde rückt ihr emotional näher bis sie in seinen Refrain einstimmt.
„Liebe erhellt
die ganze Welt!
Liebe soll uns leiten,
Liebe soll und begleiten!
Sei nicht verzagt,
Tu ungefragt,
nur was dein Herz dir sagt.“
Jetzt ziehen sich die beiden zurück und trinken den angekündigten Champagner.
9
Sindulfo beklagt seine Labilität. Wenn der Mond am Himmel steht, wird er erst richtig munter. Die lieben Mägdelein setzen ihm zu. Sie möchten gern Champagner trinken, doch seine Taschen sind schon wieder leer. Die Gläubiger bedrängen ihn und wenn er nicht mehr aus noch ein weiß, betrinkt er sich abermals. Vor Schmerz küsst er die süßen Mägdelein und der Kreislauf beginnt von vorn. Die Mädchen betteln ihn an und der Vater mahnt ihn, dass er auf der Hut sein soll, dass ihm die Gräfin von ihrem Retter nicht weggeschnappt wird. Heute Abend wird Verlobung gefeiert. Hat er verstanden? Der Prozess ist gewonnen. Das Urteil hat er seit einer Woche in der Tasche, aber Carlotta habe er davon nichts gesagt. Sie soll denken, dass die Sache verloren ging, damit sie in die Verlobungsringe einwilligt. Ein raffinierter Schachzug vom Papa! Eine Million und ein Schloss dazu – dafür wird er ein korrekter Ehemann. So ist es brav! Hier auf dem Marktplatz von Trapani wird er die Verlobung bekannt geben. Von allen Seiten kommen die Einwohner in Volkstracht herbei. Zum Schluss erscheinen auch Carlotta und der Fremde. Man lässt die Gräfin hochleben. Sie erkundigt sich nach der Ursache.
10
Hell erklingt das Tamburin!
Lustig tönet die Schalmei.
Und von nah und fern
eilt jung und alt herbei.
Nasoni muss jetzt Farbe bekennen und der Gräfin das Urteil und auch die Million aushändigen. Bargeldlosen Zahlungsverkehr kennt man in der Operette nicht. Dokument und Barvermögen lässt sie in ihrer Gegenwart in ihr Schloss transportieren. Dort sind die Sachen in jedem Fall sicherer als im Bürgermeisteramt, rät Graf Erminio. Dieser kann nicht verstehen, wieso sie mit einem Mal gewonnen haben soll, während der Bürgermeister zuvor doch Gegenteiliges behauptet hat.
Letzterer hat nun nichts Eiligeres zu tun, als die große Neuigkeit zu verkünden, dass ihm der Reichtum der Gräfin den Atem verschlägt. Sein Sohn Sindulfo und die teure Gräfin – er hat es längst geahnt, es war doch sonnenklar - sie sind ein Paar. Nun drängt es ihn, seinen Vatersegen zu erteilen. Carlotta und Erminio sind erstaunt. Carlotta ist ratlos und weiß im Moment nicht, was sie tun soll. Nun, eine Gräfin hält immer ihr Wort, auch wenn man sich hinterher unbehaglich fühlt.
Nasoni, Sindulfo und der Chor freuen sich über die positiv klingende Nachricht, doch der Fremde warnt die Gräfin mit Nachdruck. Hoffentlich wird sie ihre Zusage nie bereuen. Nasoni verteilt Vaterküsse an das Paar und gibt einen Wink, dass Mandolinenspieler und Tänzerinnen die große Freitreppe herunterkommen sollen. Sora und Benozzo steuern die Choreographie.
Die Töne hört Estrella und tanzt Tarantella. Hinauskommen soll Anzoletto in den duftenden Hain! Sie möchte ihm sagen ein Wörtchen allein. Und bald hält sie im Reigen so warm Anzoletto im Arm. Nun tanzt die schöne Estrella mit ihm Tarantella. Berauschende Musik brachte ihm der Liebe süßes Glück. Burschen und Mädchen schweben mit dem Temperament von Estrella und ihrem Schatz im Gleichklang.
Doch Erminio warnt Carlotta zum wiederholten Male, den unüberlegten Schritt nicht zu tun. Doch die Gräfin sperrt sich gegen seine Bevormundung und wird theatralisch: „O bitte schweigen sie. Ich glaube ihnen nicht!“ Die Menschenmenge hat sich verzogen und Erminio kommt zu der Erkenntnis, dass Carlotta in Wahrheit keine Neigung hat, Sindulfo zu heiraten, denn sie liebt nur ihn:
„Diese Verlobung darf nicht sein!
Diese wunderbare Frau
hält mein Herz gefangen!
Diese wunderbare Frau erfüllt mich ganz!
Erringen muss ich sie!
Und wäre es auch mit Gewalt!
Wozu gibt es einen Gasparone?“
Manchmal müssen Menschen zu ihrem Glück gezwungen werden. Carlotta gehört in diesen Personenkreis.
Zweiter Akt
Viertes Bild: IM SCHLOSS DER GRÄFIN
11
Der große Saal im Schloss ist hell erleuchtet. Die Verlobung zwischen Carlotta und Sindulfo wird gefeiert. Die Gäste schwingen das Tanzbein. Carlotta lobt den Schwiegervater, wie gut er doch noch in Form ist. Der Bewunderte räsoniert, dass sie ihn zu früheren Zeiten hätte erleben sollen, als er noch ein junger Mann war. Das Haar fiel prächtig, war gewellt und weich. Allgemein wurde er nur Apoll genannt. Doch in Wahrheit war er gleichzeitig noch Casanova und Don Juan.
Das waren Zeiten, als alle Frau nach ihm schauten. Er ist zwar jetzt noch kein Greis, aber manchmal weiß er nicht, ob die süße kleine Maus ihn an- oder auslacht. Das Souper sei fertig. Benozzo fragt, ob er anrichten soll. „Nein, erst wenn der Bräutigam zur Stelle ist.“ Ja, wo ist er denn?
In diesem Moment kommt Luigi gelaufen. Es sei etwas Schlimmes passiert, Sindulfo sei entführt worden. Eine vermummte Gestalt habe ihm einen Brief für den Bürgermeister in die Hand gedrückt. Nasoni liest:
„Ich habe Deinen Sohn entführt. Wenn du ihn wiedersehen willst, muss in einer Stunde ein Bote ein Lösegeld von 10.000 Lira auf die Bank im Steinbruch legen – GASPARONE.
Wie furchtbar! Schon wieder der verfluchte Gasparone. O weh, der Bürgermeister hat keine zehntausend Lire auf der hohen Kante. Der arme Sohn! Was soll aus ihm nun werden? Carlotta hat ein gutes Herz und gibt dem Diener Anweisung, dass er das Geld holen soll. Schließlich kann man ohne Bräutigam mit der Verlobungsfeier nicht weitermachen.
In diesem unpassenden Augenblick erscheint Conte Erminio mit einem gigantischen Strauss dunkelroter Rosen, den er Carlotta nach einem galanten Handkuss überreicht. Nun singt er die schönste Arie der Operette, die eigentlich zu früherer Zeit für eine ganz andere Handlung, die aber keinen Anklang fand, komponiert worden war. Also:
12
„Dunkelrote Rosen
bring ich schöne Frau!
Und was das bedeutet,
wissen sie genau!
Was mein Herz empfindet,
sagen ich's nicht kann …
Dunkelrote Rosen
deuten zart es an!
Ein tief verborg'ner Sinn
liegt in den Blumen drin,
Gäb's nicht die Blumensprache,
wo kämen Verliebte hin?
Fällt das Reden uns schwer,
müssen Blumen her,
denn was man nicht zu sagen wagt,
man durch die Blume sagt.“
Ein Schmalz und eine Taktlosigkeit ohnegleichen. Der Bräutigam wurde entführt und der Rivale erscheint mit einem Blumenstrauß. Doch wenn Josef Metternich diese herrliche Arie singt, kann man über den Fauxpas hinwegsehen. Hermann Prey macht seine Sache auch gut.
13
Der Diener bringt das Geld und Benozzo soll gegen der Protest Soras den Überbringer spielen. Carlotta versucht die Panik unter den Gästen klein zu halten und schlägt vor, die Wartezeit mit Musik und Tanz zu verkürzen. Man geht in den Ballsaal. Der Schwiegervater hat den entschwebten Bräutigam auf dem Tanzparkett zu vertreten. Luigi kann seinem Herrn geschwind zuflüstern, dass er den Entführten in der Behausung am Steinbruch versteckt hat. (Der Zuschauer erinnert sich an die kleine Hütte zu Beginn des ersten Aktes.)
Carlotta hat Erminio unter den Tanzenden vermisst. Erneut muss Carlotta ihm klar machen, dass sie die Braut eines anderen ist. Aber dieser liebt sie doch gar nicht, sondern nur ihre Million. Erminio drängt, noch in dieser Stunde müsse sich ihrer beider Schicksal entscheiden. Doch Carlotta argwöhnt, dass er selbst seine Hände bei der Entführung im Spiel habe. Und wenn es so wäre? Der Fremde meint, Liebesgefühle entschuldigen jede Schandtat.
14
Er soll schweigen, Sie will nichts mehr hören. Er soll nicht weiter sprechen. Doch der Rosenfreund sieht, wie schwer es der Gräfin ums Herz ist. Sie soll das süße Wort aussprechen und nicht länger verschlucken. Ihrer Wangen Glut verrät den Spruch, den ihr Mund verschweigt, aber ihr heißer Blick gesteht ihre wahren Gefühle. Soll sie dem Ruf folgen, der so lockend klingt und vielleicht das wahre Glück ihr bringt? „Sie müssen die Meine werden“ tönt es drängend von den Lippen des Verführers. Seine Gegenwart verwirrt sie. Soll sie sich einen Ruck geben und sich in letzter Minute für ihn entscheiden?
Benozzo ist wieder da. Alle sind froh, dass die Gefahr gebannt ist. Benozzo umarmt seine Frau. Nasoni reißt die beiden wieder auseinander, denn er will wissen, wo sein Sohn ist. Woher soll Benozzo das wissen? Hat er das Lösegeld nicht hinterlegt? Der Bürgermeister soll nicht so herumschreien. In Ruhe wird Nasoni alles erklären und er nun seine Schauerballade an.
15
„Stockfinster war die Nacht.
Kein Mond, kein Sternlein wacht.
In solchem Dunkel kann
nicht deutlich sehen man.“
Nasoni will wissen, wie es weitergeht, aber Benozzo hat seine Ballade noch nicht zu Ende gebracht und wiederholt stattdessen den Anfang. Wenn der Kerl nicht bald anfängt zu erzählen, gibt es noch ein Unglück. Gut, Benozzo erzählt weiter: Wie besprochen zog er mutig zum Steinbruch hin zur Bank, aber leider, aber leider kam es anders, das Warten wurde ihm zu lang. Gott sei Dank! Um sich die Zeit zu verkürzen sang er sich ein Liedchen. Tralalala, tralalala, Kling, klang! Dann kamen zwei Wege, die sich kreuzten und er war sich nicht mehr klar. Ob er rechts oder links gehen sollte. Er wusste nicht mehr, wo er war.
Wenn Benozzo die Possen jetzt nicht sein lässt, schlägt der Podestà den Knaben kurz und klein. Der Tobende soll endlich aufhören, herumzuschreien, er wird noch verrückt davon. Der Ungeduldige soll in Ruhe zuhören, was weiter geschah: „Stockfinster war die Nacht, kein Mond, kein Sternlein wacht.“ Der Chor äfft den Erzählenden nach und fällt in den Refrain ein. Nasoni will Benozzo allen Ernstes ans Leder, der sich eilig darauf besinnt, seine Geschichte zu Ende zu bringen. Rechts an der Straße steht das Wirtshaus 'Zum Vampir' Um sich Mut anzutrinken, nahm er eins zwei drei Glas Bier. Da drinnen war es herrlich. Die Lampen waren hell und draußen war es dunkel. Benozzo singt nun: „Stockfinster war die Nacht. Kein Mond kein Sternlein wacht. Den Wartenden geht die Geduld aus. Wo ist Sindulfo? Die Gräfin und Sora fragen das gleiche. Der Operettenchor will es ebenfalls wissen. Zweifelsohne befindet sich das Söhnchen unter Verschluss bei Gasparone. Endlich rückt Benozzo mit der Sprache heraus.
„Das Lösegeld, es kam abhanden mir
beim Würfelspiel, im Gasthaus zum Vampir!“
Der heimtüclische Bursche habe falsch gespielt. Er sei ihm hinterher gelaufen und fand ihn – auch nicht mehr. Kein Wunder, denn – stockfinster war die Nacht. Die Männer packen Benozzo am Kragen und wollen ihn zur Tür hinausbefördern, sonst erzählt er noch bis morgen um acht von dieser finsteren Nacht. Nasoni glaubt
dem Betrunkenen kein Wort. Er habe das Geld gestohlen. Er will die Gendarmen rufen. „Aber Schwiegerpapa!“ Carlotta beschwichtigt.
Fünftes Bild: DER MARKTPLATZ VON TRAPANI
16
Der Podestà lässt seine krummbeinigen Gendarmen aufmarschieren, um endlich Gasparone zu fangen. Die Gäste verabschieden sich und sprechen Carlotta ihr Bedauern aus, dass der Bräutigam abhanden gekommen ist. Erminio de Torella ist wie vom Erdboden verschwunden. Carlotta kann sich sich nicht erklären, wieso und wohin er plötzlich verschwunden ist. Carlotta hat sich an den Türpfosten gelehnt und singt sehnsüchtig altes ein Liebeslied. Der Chor der Fischer beendet die Szene, um das dramatische Finale vorzubereiten:
Rot ist das Blut,
rot die flammende Glut
rot der Wein, der süße schwere.
Rot sind die Lippen,
an denen zu nippen
das Glück meines Lebens wäre.
Rot ist die Liebe,
die zündet und loht.
Rot ist mein kleines,
verschwiegenes Boot,
Während es müd' die Kanäle durchzieht,
drängt es zu dir
mein kleines Lied.
Sechstes Bild: SCHLAFGEMACH DER GRÄFIN
17
Die Zofe war ihrer Herrin beim Auskleiden behilflich und hat den Raum verlassen. Carlotta ist von der Melodie eines Liebesliedes bewegt, welche ihr schon am Nachmittag auf dem Marktplatz nicht aus dem Sinn ging.
„Wenn die Sommernacht
deine Glut entfacht,
wird dein Sträuben dir nichts nützen,
wird dein Stolz dich nicht beschützen,
werd' ich deinen roten Mund besitzen! ...“
Eine Gestalt betritt den Raum durch die Balkontür, dreht den Schlüssel um und nimmt ihn an sich. Es ist Erminio de Torella. Er nimmt den Hut ab, wie sich das vor einer Dame gehört und ersucht, keinen Laut abzugeben. „Wie kommt er hier herein?“ „Nun. Er stieg ganz einfach ein.“ Für einen Ehrenmann sind das aber seltsame Manieren. Vielleicht ist er gar keiner. Wer weiß? Falls sie um Hilfe ruft, wird er mit ihr recht ungalant umspringen. Erminio de Torella, der vormalige Rosenkavalier, erbittet den Schlüssel zum Wandschrank. Der Scherz geht ihr nun aber zu weit. Wenn es ein Scherz wäre, täte es ihm Leid. Nicht ihrer Ehre soll Gefahr hier droh'n. Nein, nein er will nur die Million. Ist er etwa ein Räuber? Nun erklingt Gasparones bekanntes Räuberlied:
„Nur Gold will ich haben
und Edelgestein.
Welch herrliches Leben,
ein Räuber zu sein.“
Torella muss sich nun beeilen, bevor man ihn hier stellt. Er verlangt von ihr den Tresorschlüssel, der an ihrem Halskettchen baumelt. Geschwind öffnet er den Safe und nimmt die Banknoten triumphierend an sich. „Schlafen sie sanft, reizende Frau und trinken Sie eine Tasse Kakao!“ Sie soll sich nicht bemühen, denn den Weg kennt er ganz genau. Er verschwindet wieder über den Balkon und sie wirft sich schluchzend auf ihr Bett.
DRITTER AKT:
Siebtes Bild: DER MARKTPLATZ VON TRAPANI
18
„Respekt, Respekt! Es kommt Militär
Respekt vor Säbel und Gewehr.
Die Carabinieri ziehen ein
und stellen die Ordnung her.“
Sora und Benozzo streiten sich wieder einmal. Er soll dein Herr sein, wie stolz das klingt – Geltung hat es leider nur sehr bedingt. Er geht vergnügt mit der Freundin aus. Sie ruft zum Trotz sich den Freund ins Haus. Und das passiert ganz ungeniert in den besten Familien. So ist die Ehe in Sizilien.
Achtes Bild: IM BÜRGERMEISTERAMT
19
Bürgermeister Nasoni glaubt, er muss seinen Dulfi beruhigen. Der Kleine ist noch ganz blass von dem schrecklichen Erlebnis. Ach Papa, so schlimm war es doch nicht - er hat in der Hütte ganz gut geschlafen. Sindulfo soll sich einmal vorstellen, die Million wurde in der Nacht gestohlen. Ein Raubüberfall hat im Schloss der Gräfin stattgefunden. Herrlich, nun bleibt er ledig! Recht hat er, der Junge. Eine arme Gräfin braucht er nicht zu heiraten.
20
Carlotta kommt aus ihrem Haus, um sich nach dem Befinden des Bräutigams zu erkundigen. Sie sei froh, dass er unversehrt zurück sei. Der Podestà herrscht die Gräfin an, dass sie sich hinsetzen soll. Er muss jetzt das Protokoll von dem nächtlichen Raubüberfall aufnehmen. Aber, lieber Schwiegerpapa, welche Töne? Er ist jetzt nicht mehr ihr Papa, sondern von Kopf bis Fuß Amtsperson. Will sie aussagen, wie der Räuber aussah? Sie soll ihr Gewissen erleichtern und gestehen, dass es Gasparone war! Der Podestà will von ihr hören, Gasparone habe ihr Liebe vorgeheuchelt und bei der Gelegenheit die Million gestohlen.
Empörend, was ihr unterstellt wird. Ach so, ihr guter Ruf zwingt sie dazu, zu leugnen, dass Gasparone in der Nacht bei ihr war. Also, er macht es kurz: Unter den gegebenen Umständen sieht er sich leider gezwungen, die Verlobung seines Sohnes mit ihr zu lösen. Carlotta hat keine Einwände.
Neuntes Bild: DER MARKTPLATZ VON TRAPANI
21
Als Carlotta das Bürgermeisteramt verlässt, begegnet ihr Torella. Er habe ihr die Million zurückgebracht und in ihr Zimmer gelegt. Nichts anderes hatte er im Sinn, als ihr zu beweisen, dass die Bürgermeisterfamilie nur ihr Geld liebt.
Ach, er ist also doch Torella? Nein, der Pass ist gefälscht. Dann soll er soll schnell fliehen. Die Carabinieri nähern sich bereits. Luigi klärt auf, dass der echte Gasparone schon vor zwei Monaten gefangen wurde und in der Feste von Messina auf seine Hinrichtung warte. Der Sohn des Gouverneurs sei nun hierher gekommen, um nach Schuldigen zu suchen, die den Namen Gasparone missbrauchten, um ihre Geschäfte abzuwickeln.
Wer hat die Million gestohlen, will die Bevölkerung wissen. Ach die Gräfin habe ihm erzählt, die Geschichte nur erfunden zu haben, um die Liebe eines jungen Mannes auf die Probe zu stellen und Erbschleicher abzuhalten. „So ist es“, erklärt Carlotta.
22
„Respekt, Respekt, es kommt Militär und stellt die Ordnung wieder her.“ Carlotta und der Fremde sind allein zurückgeblieben:
„Liebe erhellt die ganz Welt!
Liebe soll uns leiten,
Liebe soll uns begleiten!
Sei unverzagt,
tu ungefragt
nur was dein
nur was dein Herz dir sagt“
Der Operettenbesucher wird den Rat beherzigen.
***
2010 musirony – Engelbert