Volkstümliche Operette
Paul Lincke [1866-1946]
Frau Luna
Operette in zwei Akten
Libretto von H. Bolten-Baeckers
Uraufführung am 1. Mai 1899 im Berliner Apollo-Theater
Charaktere:
Frau Luna, Herrin auf dem Mond
Prinz Sternschnuppe, ihr Verehrer
Stella, Zofe der Mondherrin
Theophil, Hausmeister auf dem Mond, Große Liebe von Frau Pustebach
Maria, Verlobte von Fritz Steppke, Nichte von Frau Pusebach
Frau Pusebach, Hausbesitzerin in Berlin
Fritz Steppke, Mechaniker und Untermieter bei Frau Pusebach
Lämmermeyer, ein Schneider
Pannecke, von Frau Pusebach bevormundet
Venus, Mars und weitere
Das Geschehen spielt in Berlin und auf dem Mond
Bekannte Gesangsnummern:
- O Theophil, o Theophil, du warst mein alles auf der Welt
- Lasst den Kopf nicht hängen
- Schlösser, die im Monde liegen
- Berliner Luft
HANDLUNG
Der Traum des Menschen, auf den Mond zu fliegen, ist uralt. Paul Lincke konnte ihn nicht mehr erleben, hatte sich aber bereits 1899 zu dem Thema musikalische Gedanken gemacht. Nach seiner Auffassung gibt es den Mann im Mond nicht, obwohl er vor seiner Bezeichnung einen männlichen Artikel trägt. Bei den romanischen Völkern ist Luna weiblich – folglich regiert dort eine schöne Frau, die aussieht wie Anneliese Rothenberger
Es gilt nun, den Beweis zu erbringen, wer auf dem Mond das Sagen hat. Drei befreundete Originale versuchen nun, ein Flugobjekt zu konstruieren, welches die Attribute aufweisen soll, die Fahrgäste gesund ans Ziel zu bringen. Als Versuchsgelände steht ihnen nur das Dach ihrer Mietwohnung zur Verfügung.
Von der Umwelt angefeindet, zumindest misstrauisch beäugt, lässt der Chef-Konstrukteur Fritz Steppke sich nicht beirren und verfolgt gegen alle Widerstände beharrlich sein Ziel. Die Wohnung wird ihnen wegen Zweckentfremdung gekündigt – ein Grund mehr, in eine andere Gegend umzusiedeln.
Marie versucht, den Liebsten von seiner Idee abzubringen, kommt aber gegen seinen Ehrgeiz nicht an. Frau Pusebach hat ihrem Pannecke ausdrücklich verboten, in das Gefährt einzusteigen, doch als es so weit ist, schwingt sie sich – eifersüchtig wie sie ist - im letzten Moment noch selbst in die Gondel, um Pannecke auf seinen Streifzügen durch die Mondlandschaft überwachen zu können.
Zweiter Akt:
Unsere Freunde sind auf dem Mond gelandet. Zur Überraschung des Theaterbesuchers sieht es hier aber völlig anders aus, als auf den Ablichtungen, die Neil Armstrong mitgebracht hat. Nun, man kann nicht erwarten, dass die gesamte Mondscheibe bebaut ist. Es genügt, wenn Theophil regelmäßig saugt und putzt.
Der Amerikaner hatte bei seinem Ausflug einen wichtigen Schritt für die Menschheit getan, aber den falschen Landeplatz gewählt, während vor ihm die pfiffigen Berliner das Gelände ansteuerten, der den Mondpalast beherbergt, in dem Frau Luna rauschende Feste veranstaltet.
Die bleiche Herrscherin ist über den unverhofften Besuch natürlich überrascht. Aber Steppke und Genossen sind nicht die ersten Erdlinge, die sie zu Gesicht bekommt. Theophil ist bereits vorausgeeilt und hat sogleich einen Arbeitskontrakt als Hausmeister bekommen. Theophil – muss erklärt werden - ist der verflossene Liebhaber von Frau Pusebach. Jetzt ist er mit Stella, der Zofe Frau Lunas, intim verbunden und will von seiner Vergangenheit mit Frau Pusebach nichts wissen und nichts hören. Die Romanze war in der Tat sehr kurz. Stella ist ebenfalls eifersüchtig, denn Frau Pusebach hört sie klagen, dass der Verflossene sie einst kaltgestellt hat.
Frau Luna hat auf dem unbewohnten Planeten wenig Chancen, Männer kennenzulernen. Die räumliche Distanz zu anderen Himmelskörpern ist doch erheblich. Hin und wieder sind Mars und Venus bei ihr zu Gast, um gemeinsam ein bisschen zu feiern. Doch diese Gesellschaft wohnt auf dem Olymp und kommt nur selten vorbei.
Folglich verliebt sich die schöne Herrscherin Hals über Kopf in den mutigen Ballonfahrer Steppke. Schließlich kann sie nicht ewig auf den Armstrong warten, dessen Ankunft auf dem Mond sie als Traum erlebt hat. Seine Kleidung kommt ihr steif und albern vor, zudem stört die Gesichtsmaske beim Küssen. Der unbekümmerte Berliner ist ihr wesentlich sympathischer. Der Dialekt ist einfach umwerfend.
Prinz Sternschnuppe beobachtet das verliebte Getue zwischen Steppke und Frau Luna mit Unbehagen, denn er glaubt bei ihr Anrechte erworben zu haben. Außerdem beobachtet er, wie sich Maria tief unten auf der Erde um den Geliebten sorgt. Vom Gedanken zur Tat ist kein weiter weg. Prinz Sternschnuppe startet seinen Stratosphärenkreuzer und holt Maria nach oben. Augenblicklich wendet Steppke sich ihr wieder zu und Frau Luna hat das Nachsehen. Noch ein bisschen Geplänkel und jeder findet zurück zu seinen Stammpartner.
Es bilden sich vier Konstellationen. Selbst für eine Operette ist das ein bisschen viel. In der Regel begnügt sie sich mit zwei Paaren. Es stehen zum Applaus bereit: Maria neben Fritz, Frau Luna neben Sternschnuppe, Stella neben Theophil und unter der Fuchtel von Frau Pusebach steht Pannecke.
Anmerkung:
Paul Lincke steht als Schöpfer der Berliner Operette, die wiederum im Kontrast zur leichten Muse der Donaumetropole steht. In Paris empfing er Impulse von Jacques Offenbach und hat sich einiges von ihm angeeignet. Mit Frau Luna schuf er sein Hauptwerk und genügt damit lokalen Ansprüchen. Immerhin ehrt die Bundespost den Komponisten mit zwei Postwertzeichen und sichert damit sein Andenken als Schöpfer der Berliner Operette.
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musirony 2009 - Engelbert Hellen