musirony - Eine Nacht in Venedig
 

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Operettenzauber


                                                           August Renoir

Johann Strauß [1825-1899]

Eine Nacht in Venedig


Operette in drei Akten

deutsch gesungen

Libretto von F. Zell und R. Genée


Uraufführung am 3.10.1883 in Wien

Dauer ca. 120 Minuten


Personen:

Guido, Herzog von Urbino
Delacqua,
Senator
Barbara,
seine Frau
Annina,
Fischerin
Caramello,
Barbier
Pappacoda,
Koch
Ciboletta,
Köchin
Enrico Piselli,
Marineoffizier
Besucher des venezianischen Karnevals

Das Geschehen spielt in Venedig im 18. Jahrhundert



 
                                                     Ölgemäde von H. P. Irberseder


HANDLUNG

Erster Akt:

Der Herzog von Urbino reist häufig in den Orient, aber wenn in Venedig Karneval ist, hält ihn in der Ferne nichts. Er hat in der Lagunenstadt einen schönen Palast, in dem er zur Karnevalszeit rauschende Feste feiert und die Huldigungen der Damenwelt entgegennimmt. Die Senatoren sehen es nicht gern und fürchten um die Tugend ihrer Gemahlinnen. Deshalb ist im Senat ein Beschluss ergangen, dass Senatorenfrauen zur Karnevalszeit sich den Festlichkeiten im Herzogspalast fernzuhalten haben.

Letztere möchten sich aber nicht bevormunden lassen und proben den Aufstand. Anführerin ist Barbara, die resolute Frau des schon etwas betagten Senators Delacqua. Auf diese hat der feurige Herzog seinen Blick gerichtet, obwohl er sie von Angesicht gar nicht kennt, da dieses unter einer Maske verborgen lag, als er sie auf einer Reise das erste Mal traf.

Caramello geht dem Herzog um den Bart. Er muss das, denn der Geschmeidige ist sein Barbier. Zusätzlich wird er für Spezialaufgaben herangezogen. So soll er jetzt dafür sorgen, dass die Herzensdame auf dem Ball erscheinen wird.

Es sind aber nicht allein die hohen Herrschaften, bei denen sich das Liebeskarussell dreht - auch in den unteren Schichten geht es hoch her. Die Welt Anninas ist der Canale Grande. Sie fängt dort ‚Frutti di mare’, um sie vom Boot aus der Bevölkerung zum Kauf anzubieten. Der Barbier ist ihr Dauerfreund, von dem sie erfährt, mit welch pikanter Aufgabe der Herzog ihn betraut hat. Sie selbst ist die Schwester Barbaras und hat nichts Eiligeres zu tun, als der Hochgestellten zu berichten, dass der Herzog ihre Gunst begehrt. Annina kommt der Besuch gelegen, um eine weitere Komplizin zu haben.

Doch wenden wir uns zunächst dem Makkaroni-Koch Pappacoda zu, mit dem die Operette beginnt, nachdem die spritzige Ouvertüre verklungen ist. Der Napolitaner liebt seinen Beruf, lobt sich und seine Fertigkeiten als Koch, preist aber nun die Schönheit seiner Wahlheimat Venedig. Seine Verlobte ist Ciboletta, Köchin im Hause Delacquas. Die ‚Zwiebel’ möchte nun endlich geheiratet werden, aber Pappacoda wendet ein, dass er ihr keine gesicherte Zukunft bieten kann, solange er nicht die gehobene Position eines Leibkochs bekleidet. Die Herrin hat die Vorwitzige weggeschickt, weil sie mit den Senatorenfrauen eine Verschwörung plant, bei der Köchinnen als Zeugin überflüssig seien.

Annina findet es empörend, dass der Senator seine Frau alljährlich nach Murano schickt, um eine Tante zu besuchen, die im dortigen Kloster als Äbtissin waltet. Barbara hat einen Plan und bittet ihre Schwester, an ihrer Stelle maskiert und verkleidet nach Murano zu gondeln, damit ihr Gatte denken soll, sie befinde sich außer Haus. In Wirklichkeit will sie die Senatorenfrauen um sich versammeln, zum herzoglichen Palast gehen und eine Petition einreichen, damit der alberne Beschluss der Senatoren rückgängig gemacht wird. Annina soll die Reise lediglich antreten und unterwegs den Gondoliere beschwatzen, dass er sie aussteigen lässt, damit sie zurückkehren kann, um ebenfalls Gast des Herzogs zu sein. Annina ist für den Spaß zu haben.

Der Herzog hat durch seinen Bartscherer Wind bekommen, dass man ihm den Spaß verderben will. Sein Faktotum hat eine tolle Idee. Caramello wird den Gondoliere bestechen und ihm Geld anbieten, damit er seinen Platz einnehmen kann. Die Gondel wird aber nicht den Weg nach Murano nehmen, sondern mit Barbara direkt zum herzoglichen Palast gleiten. Der Übereifrige hat natürlich keine Ahnung, dass in der Gondel nicht Barbara, sondern seine verkleidete Verlobte sitzen wird.

Pappacoda hat Streit mit Ciboletta, weil diese auch am Tanzvergnügen beim Herzog teilnehmen möchte, aber keine Einladungskarte hat. Caramello überreicht den beiden das Billett, mit welchem eigentlich der Senator Delacqua seine Legimitation zum Abendvergnügen nachweisen soll. Damit der Hintergangene besänftigt ist, wird er ihm mit seinen Zunftgenossen vor seinem Haus ein Ständchen bringen, um ihn abzulenken. Der Zufall kommt dem Senator zur Hilfe. Der Herzog lässt ihn wissen, dass ein hochdotiertes Verwalterpöstchen zu vergeben sei. Die herzogliche Gunst wird dem gewährt, der sie auch verdiene und lädt den Senator, allerdings mit Frau Gemahlin, mündlich erneut zum Ball ein. Delacqua zieht den Schluss, dass er selbst der Begünstigte sein könnte, aber woher so schnell eine „Frau Gemahlin“ nehmen, wenn diese in Murano bei ihrer Tante weilt.

Der Rollentausch mit dem Gondoliere hat geklappt und Caramello lockt die falsche Barbara mit der schönsten Arie, die Johann Strauss für diese Operette komponiert hat. Es erklingt die Barcarole:

„Komm in die Gondel, mein Mädchen, ach, steige nur ein...“

Zweiter Akt:

Sehnsüchtig wartet der Herzog auf die Gondel, welche die Erfüllung seiner Wünsche näher bringen soll. Caramello lässt auf sich warten, aber ohne es zu ahnen, wartet unerkannt die ersehnte Barbara mit einer Delegation der Senatorenfrauen im Vorzimmer, um gegen die Willkür ihrer ehrenwerten Ehemänner zu protestieren.

„Nein, so ängstlich sind wir nicht...“

Der Herzog setzt den Senatsbeschluss außer Kraft und alle Frauen sind eingeladen, zusammen mit dem Herzog EINE NACHT IN VENEDIG zu erleben.

Der Herzog kann nun endlich seine Bravourarie anstimmen und jubelt

„Ach, wie so herrlich zu schau’n...“


Die Gondel ist nun angekommen. Caramello bemerkt, dass er die falsche Fracht geladen hat und will unverzüglich mit Annina nach Hause gehen. Diese hat völlig andere Vorstellungen und möchte bleiben. Der Herzog glaubt, er hat Barbara vor sich und Annina fällt es nicht ein, den Irrtum aufzuklären. Der Herzog freut sich:

„So sind wir endlich denn allein...“


Caramello schäumt und benimmt sich ungebührlich. Nun trifft Delacqua mit ‚Frau Gemahlin’ ein. Es ist keine andere, als Ciboletta, die das Billet von Barbara vorweisen kann, welches Caramello ihr geschenkt hat. Blitzschnell reagiert Annina und raunt dem Herzog zu, das sei nur die Zofe und nicht die Gemahlin. Der Herzog ist belustigt, macht das Spiel mit, akzeptiert zwei ’Gemahlinnen’ und man genießt das Souppé zu dritt. Caramello und Pappacoda haben sich der Kellnerrolle bemächtigt und arrangieren unablässig Störmanöver.

Die Glocke schlägt Mitternacht. Die Delegation der Senatorinnen stürmt herein, um den Herzog auf der Straße in den Trubel des Karnevals hineinzuziehen, der traditionell von arm und reich gemeinsam genossen wird.

Dritter Akt:

Im Wirbel des Karnevals suchen die Männer nach ihren Frauen. Sie wissen, dass sie sich als Domino verkleidet haben. Es gibt davon rote, blaue und gelbe. Jeder sucht nach der falschen Farbe, was erneut zu Turbulenzen führt.

Barbara kann ihren heimlichen Liebhaber Piselli als Retter ihrer Ehre hinstellen und erwirkt für ihn die Dankbarkeit Delacquas. Jeder findet wieder zu seinem Partner. Niemand kann dem anderen etwas vorwerfen. Der Senator wird beschwatzt, Annina ist treu geblieben und Pappacoda wird Leibkoch. Nur der Herzog geht leer aus. Was soll’s, ein anderes Mal wird er auf seine Kosten kommen. Bisher gab es da nie Probleme.

Anmerkungen:


Die Intrigen um die Entstehung und Aufführung des Werkes glichen selbst einer Operette. Die beiden Librettisten produzierten Textbücher am laufenden Band und verteilten an Komponisten, die sie für geeignet hielten. Auf diese Weise erhielt Millöcker den ‚Bettelstudenten’ mit den besseren Dialogen, weil man Strauß unterstellte, dass er zu einem weniger gelungen Text die bessere Musik macht. Entscheidend dürfte allerdings das italienische Ambiente gewesen sein, nach dem Strauß griff, weil es ihm mehr lag, als das polnische – und er hatte die erste Wahl.

Der neue Direktor des Theaters an der Wien hatte dem Komponisten seine Lily weggeschnappt, was in Wien einem Skandal gleichkam. Die Ehe wurde geschieden und Johann Strauss war erleichtert, als aus Berlin das Angebot kam, die Uraufführung seiner neuen Operette in den Norden zu verlegen. Man gab sich große Mühe, die besten Voraussetzungen bezüglich Ausstattung und Gesangssolisten zu garantieren. Trotzdem entwickelte sich ein Skandal, weil der Text des Lagunenwalzers den Berlinern nicht gefiel. Man nahm Anstoß an der Doppelzeile: Nachts sind die Katzen ja grau. Nachts tönt es zärtlich: ‚Miau’ - in Wiederholung vorgetragen. Am nächsten Abend hörte sich die Verszeile ganz anders an: „Täuschende Bilder sind so schön, müsst' schon am Morgen verweh’n“ Nun, die Musiker erhielten jedenfalls den gebührenden Beifall und die Besucher waren auch nicht ernsthaft verstimmt. Trotzdem reiste Strauß unverzüglich ab, zumal die Premiere in Wien ein paar Tage später stattfand. Das Wiener  Publikum verhielt sich lammfromm, um auf die erlittene Wunde Balsam zu träufeln. Schließlich sollten Premieren der Werke des geliebten Idols zukünftig doch zweckmäßiger in der österreichischen Hauptstadt stattfinden.

Der Retuschen und Bearbeitung von Text und Musik gab es unzählige. Jeder glaubte, etwas verbessern zu müssen. Erich Wolfgang Korngold ging sogar soweit, Arien nachzukomponieren, um der Position des Herzogs größeres Gewicht zu verleihen. In heutiger Zeit prahlen die Aufführenden gern damit, zur Urauffassung zurückgekehrt zu sein, aber manchmal sind Mischfassungen und Straffungen mit angepassten Dialogen - verantwortungsvoll in die Wege geleitet - wirklich genießbarer.

***
musirony 2006 - Engelbert Hellen

 



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